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Der ökonomische Grundgedanke des Emissionshandels

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Abkürzungsverzeichnis

3 Gestaltungsoptionen des Emissionshandels und Allokationsverfah- Allokationsverfah-ren (DIW Berlin)

3.2 Der ökonomische Grundgedanke des Emissionshandels

Der Emissionshandel gehört wie ökologische Steuern zu den so genannten ökonomischen In-strumenten der Umweltpolitik. Im Vergleich zu rein ordnungsrechtlichen Maßnahmen sollen solche Instrumente generell ein höheres Maß an Flexibilität bei der Erreichung von umwelt-politischen Zielen erlauben. Dabei spielt die Nutzung von Marktkräften an Stelle von detail-lierter staatlicher Planung eine besondere Rolle. Unter Berücksichtigung der vorgegebenen Rahmenbedingungen sollen private Haushalte und Unternehmen selbst darüber entscheiden können, wie stark und auf welche Weise sie Emissionen z.B. von Luftschadstoffen oder Treibhausgasen vermindern. Die Möglichkeiten und Kosten zur Emissionsverminderung kön-nen sich in einzelkön-nen Wirtschaftsbereichen oder Unternehmen erheblich voneinander unter-scheiden. Deshalb wären sehr detaillierte Informationen auf Seiten des Staates und entspre-chend differenzierte Maßnahmen erforderlich, um allein mit Hilfe des Ordnungsrechts eine ökonomisch effiziente Emissionsverminderung zu erreichen. Solange die Grenzkosten der Emissionsverminderung bei einem Unternehmen aber noch höher sind als bei einem anderen, könnte das Umweltziel mit insgesamt geringeren Kosten erreicht werden. Mit ökonomischen Instrumenten wird versucht, einen Ausgleich der Grenzvermeidungskosten herbeizuführen, in dem den Privaten ein einheitliches Knappheitssignal für eine bestimmte Umweltnutzung ge-geben wird, sei es eine bestimmte Ökosteuer oder der Preis für ein Emissionszertifikat. Auf diese Weise kann theoretisch unter bestimmten Annahmen eine vollständige, marktgesteuerte Internalisierung von externen Kosten der Umweltnutzung erreicht werden.

Ökonomische Instrumente der Umweltpolitik werden seit langem diskutiert. Emissionssteuern sind bereits Anfang des letzten Jahrhunderts von Pigou (1912) und Emissionszertifikate in

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den sechziger Jahren von Crocker (1966) und Dales (1968) vorgeschlagen worden.3 An dieser Stelle kann nicht im Einzelnen auf die bereits Jahrzehnte geführte „Instrumentendiskussion“

eingegangen werden, die sich mit den spezifischen Vor- und Nachteilen unterschiedlicher In-strumente unter besonderer Berücksichtigung von Unsicherheit beschäftigt. Anhand eines ein-fachen Grundmodells kann aber zumindest die enge Verwandtschaft von Steuern und Zertifi-katen skizziert werden (Abbildung 3-1).

Abbildung 3-1: Theoretischer Vergleich von Emissionssteuer und Emissionshandel

In der Ausgangssituation der Abbildung 3-1 betragen die gesamten Emissionen E0. Mit zunehmender Emissionsvermeidung steigen die Grenzvermeidungskosten an. Eine Pigou-Steuer in Höhe von p1 führt zu einer Verminderung der Emission auf E1. Wenn umgekehrt die Emissionshöhe E1 vorgegeben wird, resultiert aus einem Emissionshandel ein Zertifikatspreis von p1. In beiden Fällen hat die Emission für alle Emittenten einen einheitlichen Preis, der die Grenzvermeidungskosten unterschiedlicher Emittenten zum Ausgleich bringt (ökonomische Effizienz).

Wenn die Steuer bzw. der resultierende Zertifikatspreis mit den marginalen Schadenskosten übereinstimmt, wird hierdurch zugleich eine optimale Umweltnutzung erreicht. Ein solches Ergebnis kann grundsätzlich unabhängig von der Frage der Verwendung des Steueraufkommens bzw. von der Art und vom Verfahren der Ausstattung mit Emissionsrechten erzielt werden. Insofern kann theoretisch mit einem Emissionshandel wie mit einer Emissionssteuer effiziente Umweltpolitik betrieben werden. Die Vorteilhaftigkeit marktwirtschaftlicher Instrumente in Bezug auf die Vermeidungskosten steigt gegenüber

3 In diesem Zusammenhang ist auch auf Coase (1960) zu weisen, nach dem Umweltprobleme allein durch in-dividuelle Verhandlungen im ökonomischen Sinne effizient gelöst werden können, wenn die Eigentumsrech-te geeignet festgelegt sind und die TransaktionskosEigentumsrech-ten vernachlässigbar sind.

E1

Preis Grenzvermeidungskosten

E0 Emission p0

p1

ordnungsrechtlichen Instrumenten mit der Heterogenität der regulierten Emittenten: je unterschiedlicher die Vermeidungskosten sind, desto größer sind auch die möglichen Effizienzgewinne (vgl. z. B. Newell und Stavins 2003).4

In wieweit diese potenziellen Effizienzvorteile genutzt werden können, hängt wesentlich von der Ausgestaltung der konkreten Maßnahme, einschließlich ihrer Dosierung, zeitlichen Um-setzung und ihrer Einbettung in das gesamte umweltpolitische Konzept ab.

Der grundsätzliche Unterschied zwischen diesen beiden Instrumentenarten besteht darin, ob von Seiten des Staates Preis- oder Mengengrößen für Emissionen vorgegeben werden. Im Fall des Emissionshandels stellt grundsätzlich die Menge der Emissionen den zentralen Steue-rungsparameter dar. Dies hat erhebliche Konsequenzen für die Formulierung politischer und institutioneller Vorgaben, insbesondere hinsichtlich der notwendigen Quantifizierung politi-scher Ziele, aber auch mit Blick auf den erforderlichen Datenbedarf.

3.3 Klassifikation von Emissionshandelssystemen und Allokationsverfahren Unter dem Begriff des Emissionshandels werden recht unterschiedliche Systeme mit funda-mental verschiedenen Ausgestaltungen zusammengefasst. Dies kann häufig zu Missverständ-nissen oder unklaren Bewertungen führen. Deshalb ist es sinnvoll, die Grundtypen von Emis-sionshandelssystemen und gegebenenfalls erforderlichen Allokationsverfahren systematisch zu klassifizieren. Zugunsten der Übersichtlichkeit wird dabei keine vollständige Erfassung al-ler Merkmale des Emissionshandels angestrebt, die in der Praxis auch in unterschiedlichen Mischformen und Kombinationen auftreten können. Besonders berücksichtigt werden hierbei solche Merkmale und Varianten, die für das Verständnis des europäischen Emissionshandels wesentlich sind.

Für die Klassifikation von Emissionshandelssystemen sind folgende Fragen wichtig:

• Werden Emissionsrechte gehandelt oder Emissionsgutschriften?

• Werden die Emissionsbegrenzungen als absolute oder als relative Ziele vorgegeben?

• Ist die Teilnahme freiwillig oder besteht ein Zwang?

• Handelt es sich um ein geschlossenes oder um ein offenes Handelssystem?

• Wer wird zum Nachweis von Emissionsrechten verpflichtet?

Darüber hinaus sind bei der Allokationsplanung insbesondere die folgenden Fragen grundle-gend:

• Werden die Emissionsrechte kostenlos verteilt oder werden sie versteigert?

4 Da am europaweiten Emissionhandel insgesamt rund 11000 sehr unterschiedliche Anlagen aus der Energiewirtschaft und den energieintensiven Industriesektoren teilnehmen, kommt der Kostenheterogenität hier eine höhere Bedeutung zu als etwa im Emissionshandelssystem des „Acid Rain“ Programms der US-amerikanischen Umweltbehörde (EPA), das seit 1995 primär den SO2-Ausstoß von Kohlekraftwerken regu-liert.

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• Orientiert sich eine kostenlose Zuteilung an direkten Emissionen oder werden (auch) indirekte Emissionen berücksichtigt?

• Wird für die Gesamtzuteilung eine sektorale Aufteilung vorgegeben?

• Erfolgt die Zuteilung anhand von absoluten Emissionen (historischen oder projizier-ten) oder anhand von relativen Emissionen (Benchmarks, Performance Standard Rates PSR)?

Diese Unterscheidungsmerkmale von Emissionshandelssystemen und Allokationsverfahren sind in Abbildung 3-2 als Baumstruktur dargestellt und werden in den folgenden Abschnitten näher erläutert, wobei darüber hinaus weitere Wesensmerkmale des Emissionshandels zu be-rücksichtigen sind, die vor allem Neuanlagen und andere zeitliche Aspekte der Allokations-planung betreffen.

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