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Variablenverzeichnis

Kapitel 1 Einleitung

1.1 Grundbegriffe des Modellierungsprozesses

Modell: Ein Modell ist eine vereinfachte Vorstellung/Abbildung der Wirklichkeit (z. B. eines Objekts oder eines physikalischen Phänomens), welche für gewöhnlich eine mathematische Beschreibung beinhaltet. Es gilt unter bestimmten Vorausset-zungen und erlaubt es, die Wirklichkeit mit einer hinreichenden Genauigkeit zu be-schreiben bzw. vorherzusagen. Zur Validierung des Modells dient das Experiment.

Für ein Problem kann es mehrere verschiedene Modelle geben [2–5]. Beispiele von Modellen sind das Atommodell oder die Beschreibung eines Objekts als Massepunkt in einem Schwerefeld.

Modellierung: Modellierung bedeutet die Überführung von einem realen Sach-verhalt (ein Problem, Phänomen oder System) in eine mathematische Beschrei-bung. Hierbei ist meist kein klares Schema anwendbar und es handelt sich um einen kreativen Prozess. Dieser beinhaltet eine Recherche bezüglich bereits gelöster (Teil-)Probleme bzw. ähnlicher Fragestellungen. Hierbei müssen Annahmen über das Experiment sowie die mathematischen Zusammenhänge/Formeln hinsichtlich Gül-tigkeit und der gewünschten Genauigkeit bewertet werden [4]. Oftmals bedarf die Modellierung diverser Kompromisse, z. B. zwischen benötigter Rechenleistung und der Genauigkeit.

Lösen des mathematischen Problems: Nach der Modellierung liegt das Pro-blem in mathematischer Beschreibung vor. Um dieses zu Lösen, muss ein geeignetes Verfahren entwickelt werden. Hierzu stehen alle Werkzeuge der Mathematik sowie numerische Methoden zur Verfügung [4]. Für viele Probleme bestehen keine analy-tischen Lösungen oder sie sind schlicht zu komplex, sodass eine computergestützte Lösung verwendet wird. Hierbei stoßen direkte Lösungsverfahren oftmals an ihre Grenzen und das Ergebnis wird in einem iterativem Prozess angenähert.

Methode: Eine Methode ist eine planmäßige Vorgehensweise, die bei Anwen-dung auf eine Problemart zu deren Lösung führt [6]. Beispiele: Finite-Differenzen-Methode, Particle-in-Cell Methode usw.

Verfahren: Das Verfahren ist gemäß [3] definiert als die Art und Weise, wie etwas durchgeführt oder ausgeführt wird. Es ist also eng verwandt mit der Methode.

Kapitel 1 Einleitung

DIN A4 210 mm x 297 mm

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Abbildung 1.1: Modellierungsprozess

Algorithmus: Ein Algorithmus ist, eine eindeutige Abfolge von elementaren Ope-rationen (z. B. Addition, Multiplikation, Größenvergleich, Zuweisung usw.), die auf eine Klasse von Problemen angewandt werden kann. Der Algorithmus überführt ein Problem in ein anderes oder löst dieses. Ausgangsgrößen werden in endlich vielen Schritten aus zulässigen Eingangsgrößen generiert [7]. Beispiele: Euklidischer Algo-rithmus, Bubblesort, Wurzelberechnung usw.

Implementierung: Eine Implementierung ist eine Überführung des Algorithmus in ein Computerprogramm bzw. eine Programmiersprache [3; 6; 7].

Simulation: Eine Simulation ist eine Nachbildung der Wirklichkeit durch ein Mo-dell (Vereinfachung des Sachverhalts) und Anwendung dessen, um z. B. zu verste-hen, nachzuvollzieverste-hen, zu optimieren, vorherzusagen oder zu Übungszwecken [3; 8].

Die Untersuchungen werden hierbei an einem Model und nicht an der Wirklichkeit durchgeführt. Die Definition wird oftmals dadurch eingeschränkt, dass dies rechner-gestützt zu erfolgen hat [6; 8]. Zur Simulation stehen eine Vielzahl kommerzieller Softwareprogramme mit definierten Modellen und Implementierungen zur Auswahl.

Vor der eigentlichen Simulation kann es dennoch notwendig sein, den kompletten Modellierungsprozess zu durchlaufen. Z. B. wenn für die gegebene Aufgabenstellung noch keine Softwareprogramme oder Modelle existieren.

Validierung: Eine Validierung ist ein Abgleich des Modells mit der Wirklichkeit, um dessen Gültigkeit zu überprüfen.

Modellierungsprozess/Zyklus der mathematischen Modellierung: Der Modellierungsprozess ist in Abb. 1.1 dargestellt. Er startet mit der Modellierung und beinhaltet alle oben genannten Punkte [4]. Hierzu zählt auch das mehrmalige Durchlaufen des Prozesses und das Ausführen ggf. notwendiger Anpassungen, bis das Modell die geforderte Genauigkeiten und Performance in der Ausführung aufweist.

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1.2 Motivation und Zielsetzung/Fragestellung

1.2 Motivation und Zielsetzung/Fragestellung

Hintergrund: Als elektrischer Raumfahrtantrieb ermöglicht das Radiofrequenz-Ionentriebwerk (RIT) die Schuberzeugung durch Beschleunigung von Stützmas-senpartikeln durch Umwandlung elektrischer Leistung. Die hierdurch ermöglichten annähernd beliebig hohen Austrittsgeschwindigkeiten in Kombination mit der feinen Einstell- und Regelbarkeit des Schubs prädestinieren solche Triebwerke für eine Viel-zahl von Anwendungen. Eine entscheidende Rolle spielen diese bei interplanetaren Reisen, bei Manövern, die eine präziser Lageregelung bedürfen, und bei der Kosten-einsparung durch Reduktion der Startmasse. Letzteres ist aktuell ein bedeutender Trend in der kommerziellen Raumfahrt. Das RIT konnte seine Fähigkeiten bereits im Weltraumeinsatz demonstrieren und hat eine Vielzahl positiver Eigenschaften wie relativ hohe Austrittsgeschwindigkeiten der Stützmasse, geringe Aufweitung des Ex-traktionsstrahls (kleiner Divergenzwinkel) und lange Lebensdauer. Dennoch konnte es sich bis jetzt nicht etablieren und Weiterentwicklungen sind geplant.

Simulation: Die Simulation ist ein entscheidendes Instrument zur Weiterentwick-lung. Diese ermöglicht die Optimierung durch schnelle Berechnung verschiedener Geometrien bzw. Systeme, ohne dass Prototypen benötigt werden, durch besseres Verständnis der zugrunde liegenden Mechanismen und durch Vorhersagen über sonst nur schwer messbare Größen.

Stand der Forschung: Aktuell existieren keine „off-the-shelf“-Softwarepakete die in der Lage wären, das RIT gemeinsam mit dessen Peripherie zufriedenstel-lend zu simulieren. Teilweise fehlen hierfür auch die notwendigen Modelle und von mehrerenArbeitsgruppen wird am kompletten Modellierungsprozess geforscht. Er-gebnisse dieses Prozesses sind Modelle mit geeigneten Lösungsverfahren und Implementierungensowie neue Simulationsergebnisse. Zur Simulation werden oftmals Modelle bzw. Modellierungsansätze aus der allgemeinen Plasmaphysik auf das Triebwerk adaptiert. Mögliche Ansätze sind eine Beschreibung des Plasmas auf Teilchenebene, als Fluid oder durch ein globales Modell. In den Arbeiten, in de-nen aufwändige Plasmabeschreibungen auf Teilchen- oder Fluidebene zum Einsatz kommen, steht meist eher die Beschreibung des Plasmas und weniger des gesamten Triebwerkssystems im Vordergrund. Modelle für das gesamte Triebwerk und auch vereinzelt solche für das Triebwerkssystem existieren, waren jedoch bis vor wenigen Jahren noch recht einfach gehalten. In der Vergangenheit wurde eine Reihe weite-rer Modelle/Simulationstools verwendet, um die Ionenoptik, die elektromagnetische Einkopplung, die Effizienz des Radiofrequenzgenerators, etc. zu untersuchen. Die einzelnen Simulationen berücksichtigten jedoch nicht die wechselseitigen Beeinflus-sung untereinander.

Motivation: Für die Anwendung als Triebwerk ist letztendlich die Optimierung und Auslegung des gesamten Triebwerkssystems relevant. Aufgrund der Komplexität bietet sich eine simulative Untersuchung an. Diese sollte jedoch alle Teilsysteme und deren verkoppelte physikalische Effekte berücksichtigen. Um nichtlineare Effekte wie die Fokussierung der Ionenoptik zu simulieren, sind komplexe numerische Modelle notwendig, die über einfache analytische Beschreibungen hinausgehen. Die Relevanz solcher Gesamtmodelle wird dadurch bestätigt, dass deren Entwicklung seit etwa

Kapitel 1 Einleitung

einem Jahrzehnt Gegenstand der Forschung ist. Ausgangspunkt sind hierbei globa-le Modelgloba-le, in denen analytische Beschreibungen durch numerische Modelgloba-le ersetzt wurden, um die Genauigkeit zu erhöhen und Effekte höherer Ordnung zu berücksich-tigen1. Jedoch blieben diverse Fragestellungen offen. Ein heuristisches Elektronen-und Ionendichteprofil wurde zwar eingeführt, aber nicht ganzheitlich in allen Mo-dellen berücksichtigt. Das Finden der selbstkonsistenten Lösung gestaltet sich mit diesen Modellen noch als recht aufwändig bzw. kompliziert. Zudem werden in die-sen Modellen, die aus mehreren numerischen Teilmodellen bestehen, bis jetzt nur einfach geladene Ionen berücksichtigt.

Zielsetzung/Fragestellung: Im Rahmen dieser Arbeit soll der gesamte Model-lierungsprozess durchlaufen werden. Das Ergebnis ist ein Modell, inklusive dessen performanter Implementierung2, zum Simulieren eines Triebwerkssystems. Hierbei sollen im Besonderen die Ionenoptik, die Plasmaleitfähigkeit, die elektromagnetische Einkopplung und die Peripherie durch detaillierte numerische Modelle abgebildet werden. Die Verkopplung der einzelnen Teilmodelle ist zu berücksichtigen. Zusätz-lich soll das Simulationstool bzw. das erstellte Modell verwendet werden, um das Verhalten des Triebwerkssystems, dessen Auslegung, mögliche Optimierungen und das grundsätzliche Verständnis der einzelnen physikalischen Prozesse zu diskutieren.

Besonderer Fokus liegt hierbei auf folgenden Fragestellungen:

I Wie werden die Ergebnisse durch eine ganzheitliche Berücksichtigung eines heuristischen Elektronen- und Ionendichteprofils in allen Teilmodellen beein-flusst?

II Welche Erkenntnisse gibt es durch die selbstkonsistente Kopplung der nume-rischen Teilmodelle und den in diesen berücksichtigten Effekten?

a) Wechselwirkung des Plasmas mit der Ionenoptik

b) Wechselwirkung des Plasmas bzw. des Triebwerks mit der Peripherie III Welche Erkenntnisse gibt es bezüglich der zweifach geladenen Ionen im Sys-IV Wie lässt sich das selbstkonsistente Problem aller Erhaltungsgleichungen allge-tem?

meingültig formulieren und effizient lösen, wenn statt analytischer Gleichungen ein Satz an numerischen Modelle verwendet wird?

V Lässt sich für das komplexe Gesamtmodell eine alternative Betrachtungsweise ableiten, die es ermöglicht, Aussagen über dessen Verhalten zu machen, ohne das Gesamtmodell lösen zu müssen?

Hierbei beinhalten die Fragen I bis III den kompletten Modellierungsprozess, wäh-rend IV eher auf das Lösen des mathematischen Problems und dessen Implemen-tierung abzielt und Frage V sich auf die Modellierung und deren mathematische Lösung bezieht. Da I bereits in [9] detailliert durch den Autor beantwortet wur-de, wird in dieser Arbeit lediglich die ganzheitliche Modellierung vorgestellt und auf eine Diskussion bzw. einen Vergleich mit einfacheren Ansätzen wird verzichtet.

Frage II a), IV und V wurden durch den Autor zumindest teilweise in [10] und

1 Dieser Ansatz aus verkoppelten numerischen Teilmodellen soll auch hier verwendet werden, da die einzelnen Modelle auf die jeweiligen physikalischen Probleme optimiert sind und eine Be-rechnung auf den jeweils relevanten Zeitskalen möglich ist. Sprich: Eine Neutralgassimulation muss nicht auf der Zeitskala sich wesentlich schneller bewegender Elektronen stattfinden.

2 Zielvorstellung ist die Simulation auf einem Mehrkernprozessor in Stunden bis Tagen.

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1.3 Aufbau der Arbeit

[11] beantwortet, werden jedoch hier im Rahmen des Gesamtmodells berücksichtigt und vertieft diskutiert. Bezüglich der Punkte IV und V werden zwei Lösungsverfah-ren in Abschnitt 5.5 respektive 5.6 vorgestellt. Für einen Vergleich mit vorherigen Lösungsansätzen sei auf [11] verwiesen.

1.3 Aufbau der Arbeit

Nach der Zusammenfassung, dem Inhalts-, Abbildungs- und Tabellenverzeichnis so-wie der Einleitung beginnt die Arbeit mit dem Kapitel zum Umfeld des Radio-frequenz-Ionentriebwerks (RIT). Dieses beinhaltet Informationen zur Raumfahrt, zu elektrischen Antrieben und deren Anwendung sowie zu Ionenquellen. Auf Grundlage dieser Informationen werden darauf folgenden Kapitel Anforderungen und Ziele bei der Auslegung eines RIT definiert und die Funktion und der Aufbau des Triebwerks werden beschrieben. Hieraus werden Schwerpunkte für die Modellierung abgeleitet und aus der Anwendung als elektrisches Triebwerk ergeben sich Größenordnungen der Systemgrößen sowie hiermit mögliche Modellvereinfachungen. Anschließend folgt Kapitel 4 zum Plasma. In diesem wird das im RIT vorliegende Plasma kategorisiert, mathematische Beschreibungen sowie die Stoß- und Wirkungsquerschnitte vorge-stellt, die Herleitungen bezüglich des verwendeten Dichteprofils werden beschrieben und die Vereinfachungen bezüglich des Plasmas und deren Gültigkeit werden disku-tiert.

Hiernach wird ein Überblick über das Gesamtmodell und die verkoppelten Erhal-tungsgleichungen inklusive deren Lösungsmethoden erläutert. Anschließend werden die einzelnen Teilmodelle über mehrere Kapitel vorgestellt. Separierbare Teilsyste-me wie u. a. Ionenoptik, elektromagnetische Einkopplung und RF-Peripherie werden getrennt behandelt. Wenn sinnvoll, wird das Verhalten des Teilmodells bereits im jeweiligen Kapitel vorgestellt und diskutiert.

Nach Einführung des Gesamtmodells mit seinen Teilmodellen erfolgt die Vorstellung der Simulationsergebnisse auf Basis eines RIM-4. Hierbei wird eine Methodik der entkoppelten Erhaltungsgleichungen verwendet, sodass die einzelnen Zustandsgrö-ßen sequenziell ermittelt werden. AnschlieZustandsgrö-ßend folgt die Validierung und es werden weitere Ergebnisse vorgestellt. Z. B. das Verhalten der zweifach geladenen Ionen und die Frequenzabhängigkeit des Systems. Am Ende folgt eine Zusammenfassung der Ergebnisse und ein Ausblick.

Der Anhang ist zweigeteilt. Im ersten Teil werden ergänzende Informationen und Berechnungen beschrieben und der zweite Teil beinhaltet Informationen bezüglich der verwendeten Verfahren bzw. Methoden. Dementsprechend liegt der Fokus des Hauptteils eher auf der Modellierung, wohingegen das Lösen des mathematischen Problems und die hierzu benötigten Methoden und Verfahren im Anhang beschrie-ben werden.

Kapitel 2