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Beschreibung des Plasmas

4.1 Das Plasma (im RIT)

Abbildung 4.1: Argon-Plasma im RIM-10 Das Plasma wird oft als 4-ter

Aggre-gatzustand bezeichnet, da sich dieser beim weiteren Aufheizen eines Gases einstellt1. Ein Plasma liegt vor, wenn die folgenden 4 Eigenschaften erfüllt sind [68; 75–78]:

1. Es handelt sich um ein Gas.

2. Es sind zumindest teilweise gela-dene Teilchen vorhanden.

3. Es ist quasineutral.

4. Es weist ein kollektives Verhalten auf2.

1 Für eine reine Substanz findet dieser Übergang je nach Material bei Temperaturen im Bereich von 4.000 K bis 20.000 K statt [68].

2 Dieser Punkt ist nicht in jeder Literaturquelle enthalten. Er dient dazu, das emergente Verhal-ten des Plasmas in die Definition zu inkludieren. Ein solches tritt z. B. bei einzelnen geladenen Teilchen nicht auf.

Kapitel 4 Beschreibung des Plasmas

Im Vergleich zu den Aggregatzuständen fest und flüssig zeichnet sich ein Gas da-durch aus, dass die Teilchen einen größeren Abstand haben und dass die Wechsel-wirkungsenergie kleiner ist als die kinetische Energie. Dementsprechend bewegen sich die Teilchen relativ unbeeinflusst voneinander im freien Raum, bis sie einem anderen Teilchen sehr nahe kommen und mit diesem interagieren. Eine mögliche Modellierung erfolgt im Rahmen der kinetischen Gastheorie [2; 79; 80], welche meist vom einfachsten Fall des idealen Gases ausgeht. Bei diesem werden die Moleküle bzw. Teilchen als starre Kugeln beschrieben, deren Wechselwirkungspotential 0 ist und bei Berührung schlagartig ansteigt. Die Teilchen-Teilchen-Wechselwirkung ist also auf einen infinitesimal kurzen Stoß begrenzt. Dieses Modell wird auch in Ab-schnitt 4.2 und 4.3 verwendet. Quasineutralität bedeutet, dass die Ladungsdichten von positiven und negativen Teilchen auf makroskopischer Ebene ähnlich groß sind1. Hierzu kommt es im Plasma aufgrund der sich bei Ladungsdifferenzen ausbildenden elektrischen Felder, die einen Ausgleich der Ladungsdichten zur Folge haben. Der im Folgenden verwendete Begriff der Temperatur ist ein Maß für die mittlere kine-tische Teilchenenergie, wobei nur der ungerichtete/zufällige Geschwindigkeitsanteil berücksichtigt wird. Die Art des vorliegenden Plasmas lässt sich über die Parameter Elektronentemperatur und Elektronendichte kategorisieren. Selbst innerhalb einer Kategorie kann sich der Wertebereich beider Parameter über mehrere Größenord-nungen erstrecken. Die vorliegenden GrößenordGrößenord-nungen beeinflusst, welche Mecha-nismen zur Modellierung relevant sind und welche vernachlässigt werden können.

Als Beispiel für das Plasma im RIT ist in Abb. 4.1 ein Argon-Plasma im RIM-10 dargestellt. Unter Beachtung gängiger Literatur [68; 81], vorangegangener Messun-gen [82] und mehrerer Simulationsmodelle (inklusive diesem) [9; 67; 83–89] lässt sich das Plasma im RIT wie folgt kategorisieren:

a) Schwach ionisiert: Der Ionisationsgrad gemäß χi = ni

nn+ni

, (4.1)

mit der Ionendichte ni und der Neutralgasdichte nn, kann bis zu mehreren Prozent betragen, liegt meist jedoch darunter. Dementsprechend spielen die Neutralteilchen eine entscheidende Rolle für die Transportprozesse im Plasma.

Bei kleinen χi ist z. B. der Einfluss von Elektronen-Ionen-Kollisionen auf die Plasmaleitfähigkeit vernachlässigbar.

b) Laborplasma: Laborplasmen zeichnen sich dadurch aus, dass sie durch um-gebende Wände räumlich begrenzt sind. An diesen kommt es zu Randeffekten wie z. B. der Leistungsabgabe aus dem Plasma (Wandverluste) und zum Ver-lust geladener Teilchen. Dementsprechend muss solchen Plasmen kontinuier-lich Leistung zugeführt werden und es muss eine ständige Ionisation im Plasma stattfinden, damit sie nicht erlöschen. Für die Simulation werden folgende An-nahmen bezüglich der Randeffekte beim RIT getroffen:

- Neutralgasteilchen werden an der Wand diffus reflektiert und thermali-sieren mit dieser.

- Elektronen werden an der Wand absorbiert und geben ihre gesamte ki-netische Energie an sie ab.

1 Siehe Gl. (2.4.27) auf S. 40 in [68].

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4.1 Das Plasma (im RIT)

- Ionen rekombinieren an der Wand und geben ihre gesamte kinetische Energie an diese ab1. Übrig bleibt ein Neutralteilchen, welches sich mit einer Geschwindigkeit entsprechend der Wandtemperatur Richtung Plas-ma bewegt.

- Sekundäremission wird nicht berücksichtigt2, weder für Elektronenbe-schuss noch für IonenbeElektronenbe-schuss.

- Sputtern an den Wänden der Ionisationskammer und der Einfluss auf das Plasma werden nicht berücksichtigt. Dies ist bei der Auswertung der Ergebnisse zu beachten, da bei hohen Elektronentemperaturen solche Ef-fekte auftreten.

c) RF-Plasma: Aufgrund der hohen Frequenz der externen elektrischen Felder und der Massenträgheit der schweren Ionen erfahren diese fast keine Geschwin-digkeitsänderung durch das RF-Feld. Das Feld hat jedoch eine relevante Ge-schwindigkeitsänderung der Elektronen zur Folge.

d) Niederdruck: Für die üblichen Baugrößen liegt die Neutralgasdichte nn in dem Bereich 1018 #/m3 bis 1020 #/m3. Bei 150 C entspricht dies einem Druck im Bereich 0,006 Pa bis 0,6 Pa. Der Wert variiert mit der Größe des Trieb-werks [65] und dem Arbeitspunkt. Die mittlere freie Weglänge eines Ions, bevor es mit einem Neutralteilchen zusammenstößt, liegt bei diesen Dichten in der Größenordnung der Ionisationskammerabmessungen bzw. weit darüber.

e) Nicht-Gleichgewicht-Plasma: Die einzelnen Spezies im Plasma haben un-terschiedliche Temperaturen. Konkret gilt:

Te TiT0 (4.2)

mit der Elektronentemperatur Te, der Ionentemperatur Ti und der Neutral-gastemperatur T0. Weiterhin wird angenommen, dass die Neutralteilchen im thermischen Gleichgewicht mit der Wand sind und somit deren Temperatur Tw haben. Es gilt:

ToTw, (4.3)

wobei für die Simulation To =Tw angesetzt wird.

f) Niedertemperatur: Dieser Begriff beinhaltet meist mehrere Assoziationen, da ein Plasma mit „niedriger“ Temperatur für gewöhnlich automatisch ein Nicht-Gleichgewicht-Plasma ist. Hier sei erwähnt, dass die Elektronen eine Temperatur von mehreren eV haben.

Durch die RF-Einkopplung werden die Elektronen gerichtet beschleunigt. Ein be-trachtetes Elektron wird in der Zeit zwischen zwei Zusammenstößen mit schweren Teilchen (Ionen, vor allem aber Neutralteilchen) um den Geschwindigkeitsvektor

~v durch das RF-Feld beschleunigt. Bei einem solchen Zusammenstoß wird der durch Beschleunigung hinzugefügte Geschwindigkeitsvektor ∆~v zufällig abgelenkt.

Dies entspricht einer Erwärmung des Elektronengases. Aufgrund der Massendiffe-renz bei diesen Stößen wird bei einer Kollision kaum Energie abgegeben, wodurch

1 Gemäß Literaturquelle [68], S. 300, Abschnitt 9.3, werden annähernd alle Ionen mit Energien von 10 V bis 1000 V sofort an der Wand neutralisiert. Dies entspricht der kinetischen Energie, mit der Ionen im RIT die Wand treffen.

2 Gemäß Literaturquelle [68], S. 330, Abschnitt 10.1, spielt der Heizprozess durch Sekundär-elektronen in Niederdruck-Plasmen keine zentrale Rolle. In diesem Modell wird dieser Prozess - wie auch in anderen Arbeiten - bezüglich des RITs vollständig vernachlässigt.

Kapitel 4 Beschreibung des Plasmas

sich die schwereren Masseteilchen nur sehr langsam erwärmen. Bei den vorliegenden Parametern, wie z. B. der Größe der Ionisationskammer, thermalisieren die schweren Teilchen eher mit der Wand als mit den Elektronen. Während des Einschwingvor-gangs des Plasmas treffen mehr Elektronen als Ionen die Wände. Hierdurch lädt sich das Plasma gegenüber den Wänden positiv auf. Es stellt sich ein quasistationärer Zustand ein, indem es aufgrund der Ladungsverteilung im Plasma zu elektrischen Feldern hin zur Wand kommt. Hierdurch erfahren die Ionen eine Driftgeschwindig-keit in Richtung der Wände. Elektronen werden, auch wenn sie durch induzierte Felder zur Wand hin gedrückt werden, durch das elektrostatische Feld tendenziell im Plasma gehalten. Im Gleichgewichtszustand sind die Verlustflüsse von Elektronen und Ionen hin zur Wand gleich.