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Plasmaleitfähigkeit

8.1 Die Plasmaleitfähigkeit

8.1.1 Definition

Wie mit Gl. (4.36) in Abschnitt 4.4 beschrieben gibt die Leitfähigkeit κ= |J|~

|E|~ (8.1)

das Verhältnis vonJ zuE an1. Die Stromdichte in einem Ort berechnet sich aus der mikroskopischen Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion der Geschwindigkeitf(~v) gemäß

J~qene~vd =qene +∞

−∞

~

vf(~v)d3~v mit ~v =vx~ex+vy~ey+vz~ez. (8.2)

1 Hier beschrieben ist der DC-Fall bzw. es liegt die Annahme zugrunde, dass die Stromdichte dem elektrischen Feld instantan folgt. Zudem wird angenommen, dassJ~undE~ in die gleiche Richtung zeigen, sodass κein Skalar und kein Tensor ist.

Kapitel 8 Plasmaleitfähigkeit

Hierbei werden die Teilchendichteneund die Driftgeschwindigkeit~vdgemäß Gl. (4.9) verwendet. Der Index e kennzeichnet, dass die Spezies der Elektronen betrachtet wird. Für die Ladung des Elektrons gilt qe = −1e, wobei e die Elementarladung ist. Ionen tragen aufgrund ihrer Massenträgheit kaum zur Leitfähigkeit bei und wer-den vernachlässigt. Die Leitfähigkeit beschreibt auf Ebene makroskopischer Größen das Verhalten des Plasmas, bzw. dessen Ausbildung einer Driftgeschwindigkeit von geladenen Teilchen, unter Einwirkung eines elektrischen Feldes.

8.1.2 Qualitatives Verhalten

a) Im Grenzfall ohne Stöße würden die Elektronen in einem elektrischem DC-Feld über die Zeit immer weiter beschleunigt und die Lösung der Leitfähigkeit würde zu einem unendlich hohen Wert divergieren1.

b) Wird ein Hintergrundgas ergänzt, kommt es zu Stößen der Elektronen mit den hinzugefügten Teilchen. In der Zeit zwischen zwei Stößen werden die Elektro-nen in Richtung des anregenden E-Feldes (axial) beschleunigt. Nach einem Stoß ist der Elektronengeschwindigkeitsvektor zufällig gerichtet. Im Mittel über viele Stöße sinkt hierdurch die Geschwindigkeit in axialer Richtung, auf-grund der Ablenkung des Geschwindigkeitsvektors in radiale Richtung.

-) Aufgrund dieses abbremsenden Effekts (in axialer Richtung) stellt sich ein Gleichgewichtszustand mit konstanter Driftgeschwindigkeit des En-sembles der Elektronen ein. Diese bestimmt den Wert der Leitfähigkeit.

-) In der Zeit zwischen den Stößen werden die Elektronen beschleunigt, so-dass der Betrag der Geschwindigkeit und damit die kinetischen Energie zunimmt. Durch die Streuung wird ein Teil der gerichteten Geschwin-digkeit in eine zufällig gerichtete GeschwinGeschwin-digkeit umgewandelt. Da da-bei auch der über das Ensemble gemittelte Betrag der ungerichteten Geschwindigkeitskomponenten zunimmt, kommt es zum Aufheizen der Elektronen. Dies ist der eigentlich Heizeffekt. Ohne Stöße der Elektro-nen würde durch das E-Feld zwar die Driftgeschwindigkeit steigen, die Temperatur bleibe jedoch konstant. Bei einer AC-Anregung würde, bei Abwesenheit von Stößen, durch das Plasma eine reine Blindleistung und keine Wirkleistung aufgenommen.

c) Die Anregung des Systems erfolgt mit einem etwa sinusförmigen E-Feld. Auf-grund der Massenträgheit der geladenen Teilchen eilen die Phasenlagen der Teilchengeschwindigkeit und -position der Phasenlage des anregendem Feld hinterher. Um das zeitliche Verhalten zwischen J~und E~ zu beschreiben, wird vereinfachend von zeitharmonischen Verlaufsformen ausgegangen2. Dement-sprechend ergibt sich eine komplexe Leitfähigkeit κ.

-) Ohne Stöße wird die Amplitude der Leitfähigkeit aufgrund der Massen-trägheit der Elektronen limitiert. Die Leitfähigkeit ist rein imaginär. Es kommt zu einem Blindstrom, dessen Phasenlage der Phasenlage des an-regenden E-Feld um 90° nacheilt. Die vom Plasma aufgenommene und

1 Relativistische Effekte, Bremsstrahlung etc. vernachlässigt.

2 D. h. fürJ,~ E~ und~vdwerden sinusförmige Zeitverläufe angenommen, welche mit ihrer Ampli-tude und Phase beschrieben werden können. Die Beschreibung erfolgt mit komplexen Größen unter Verwendung der in A.5 beschriebenen Konvention.

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8.1 Die Plasmaleitfähigkeit

abgegebene Leistung ist eine reine Blindleistung.

-) Durch Stöße wird die Amplitude der Leitfähigkeit weiter reduziert und es kommt zu einem Realanteil vonκ. Die eingekoppelte Wirkleistungsdichte lässt sich mit dVP = RendVS o = Re{JE}= E2Re{κ} berechnen, wobei der Operator den komplex konjugierten Wert liefert.

d) Bei Anwesenheit eines B-Feldes werden die Elektronen aufgrund der Lorentz-kraft zusätzlich abgelenkt. Dies kann unter bestimmten Bedingungen1 mit der Leitfähigkeit als Tensor beschrieben werden. In dem hier betrachteten Fall wer-den die Magnetfelder gemäß Abschnitt 4.7 vernachlässigt und die Beschreibung von κ erfolgt nicht als Tensor.

8.1.3 Kräftegleichgewicht

Zur Beschreibung der mikroskopischen Prozesse kann aus der Impulserhaltungsglei-chung (4.26) oder alternativ aus F~ =m·~a die Bewegungsgleichung

Summe der äußeren Kräfte F~G

z }| {

qeE~

| {z }

Anregende KraftF~A

+ F~R

|{z}

Abbremsende Kraft F~R

=m

∂t(~vd)

| {z }

~a

mit F~R =f(~vd) (8.3)

für ein mittleres Elektron entlang der Feldrichtung des elektrischen Feldes gefol-gert werden. Hierbei wird die Kraft auf ein einzelnes Elektron betrachtet, wobei die einwirkenden Kräfte dem arithmetischen Mittel über alle Elektronen entsprechen.

Die gesamte äußere Kraft F~G setzt sich aus einer anregenden und für die Drift-geschwindigkeit ursächlichen Kraft F~A und einer dieser entgegenwirkenden Kraft F~R zusammen. Letztere berücksichtigt die Stoßprozesse und wird in Abschnitt 8.2 näher beschrieben. Die abbremsend wirkende KraftF~R ist eine Funktion der Drift-geschwindigkeit~vd, welche mit steigender Stoßfrequenz tendenziell steiler wird2. Ausgehend von zeitharmonischen Verlaufsformen mit der in Abschnitt A.5 einge-führten Konvention wandelt sich Gl. (8.3) in

FA+FR =FG bzw. qeE+FR = jωmvd (8.4) um und aus Gl. (8.1) unter Zuhilfenahme von Gl. (8.2) folgt

κ= J

E mit J =qenevd. (8.5)

8.1.4 Klassische Definition

Der Betrag der Abbremskraft FR entspricht dem mittlerem Impuls über alle Elek-tronen, der in Richtung des anregenden Feldes bzw. in Richtung der Driftgeschwin-digkeit pro Zeiteinheit an andere Spezies übertragen wird. Die Berechnung ist al-so entsprechend aufwendig. Die nach [136] als „klassische Definition“ der Plasma-leitfähigkeit bezeichnete Berechnung wird in gängiger Literatur [68; 81] eingeführt

1 Voraussetzung ist, dass für die Teilchenbewegung noch die Kontinuitätsannahme gilt. Dies ist bei geringen Neutralgasdichten nicht der Fall.

2 Gleiche Driftgeschwindigkeit führt dann zu einer stärkeren Abbremskraft.

Kapitel 8 Plasmaleitfähigkeit

und findet in dieser oder abgewandelter Form Verwendung in der Simulation von Radiofrequenz-Ionentriebwerken [9; 67; 84; 85; 87; 89]. Hierzu wird der Ansatz

FR =−mefmvd (8.6)

zum Berechnen von FR verwendet. Hierbei entspricht die Multiplikation mevd dem mittleren Impuls eines Elektrons in Richtung der Driftgeschwindigkeit und die Kom-plexität einer exakten Berechnung von FR überträgt sich auf die Berechnung der Variablefm. Diese gibt an, wie oft pro Zeiteinheit der mittlere Impulsmevd übertra-gen wird1. Einsetzen des Ansatzes in die rechte Gleichung von (8.4) und Umstellen nachvd liefert

vd = qe

me 1

jω+fmE. (8.7)

Gemeinsam mit Gl. (8.5) ergibt sich die Plasmaleitfähigkeit κp =neqe2

me 1

jω+fm =neqe2 me

fm

fm2 +ω2 −j ω fm2 +ω2

!

, (8.8)

Ein üblicher Ansatz, umfmzu berechnen, ist die Verwendung der Ratenkoeffizienten für die einzelnen Stoßprozesse. Hierbei wird jedoch die Auswirkung der sich aufgrund der Driftgeschwindigkeit einstellenden, anisotropen Wahrscheinlichkeitsdichtefunk-tion der Geschwindigkeit vernachlässigt. Deswegen wird in den Abschnitten 8.2 und 8.3 ein alternativer Ansatz vorgestellt.