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Das Radiofrequenz-Ionentriebwerk und dessen Peripherie

3.3 Aufbau und Funktionsprinzip

(EURECA)-Satelliten, der 1992 an Board des Space Shuttels Endeavour ins Weltall befördert wurde. Mit dieser Mission fand die erfolgreiche Flugerprobung der Tech-nologie statt und das erste westeuropäische Ionentriebwerk gelangte ins Weltall [63].

Ein weiterer Meilenstein erfolgte während der Advanced Relay and TEchnology MISsion (ARTEMIS) von der European Space Agency (ESA). Der Satellit star-tete 2001 ins Weltall und während der Mission sollte u. a. die Nord-Süd-Korrektur mit Ionentriebwerken demonstriert werden. Aufgrund eines Fehlers der Trägerrakete wurde die Missionsplanung abgeändert und das RIT demonstrierte seine Fähigkeiten zum „orbit raising“ von geostationären Satelliten [35].

3.3 Aufbau und Funktionsprinzip

Systembestandteile: Das Triebwerkssystem unterteilt sich in die Bestandteile des Triebwerks, dessen Peripherie und dem Neutralisator. Eine Übersicht des Sys-tems ist in Abb. 3.2 gegeben, wobei der Neutralisator nur angedeutet ist und nicht näher betrachtet wird. Bei größeren Satelliten, wie sie z. B. im GEO eingesetzt werden, sind das Triebwerke und die Peripherie meist räumlich getrennt. Während sich die Peripherie im Inneren des Satelliten befindet, ist das Triebwerk außerhalb angeordnet.

Abbildung 3.1: 3D-Schnitt des RIM-4

Ionenquelle: In Abb. 3.1 ist ein Schnitt einer Radiofrequenz-Ionenquelle zur Materialbearbeitung RIM-4 dar-gestellt. Hierbei steht die 4 für den Innendurchmesser der Ionisationskam-mer [65]1. In dieser wird mittels Elek-tronenstoßionisation ein induktiv gekop-peltes Niedertemperaturplasma zur Io-nenbereitstellung erzeugt. Aufgrund der thermischen Geschwindigkeit, aber vor allem aufgrund von sich im Plasma aus-bildender interner elektrostatischer Fel-der, werden Ionen im Plasma nach au-ßen hin beschleunigt. Somit gelangen diese auch zum räumlich getrennten Ex-traktionssystem, wo sich aufgrund an-gelegter Gitterspannungen externe elek-trostatische Felder ausbilden. Diese dienen dazu, die elektrisch geladenen Ionen noch weiter auf die gewollte Extraktionsgeschwindigkeit zu beschleunigen.

Aufgabe von Gehäuse und Neutralisator: Das Gehäuse dient der Erfüllung der EMV-Anforderungen und schirmt das Triebwerk vor externen Partikeln ab. Die extrahierten Ionen sind positiv geladen und ziehen somit vom Neutralisator kom-mende Elektronen an und nehmen diese mit. Ohne Neutralisator würde sich der Satellit beim Einsatz im Weltraum negativ aufladen und die extrahierten Ionen anziehen.

1 Gemäß Abb. 7 in [65]

Kapitel 3 Das Radiofrequenz-Ionentriebwerk und dessen Peripherie

DIN A4 210 mm x 297 mm

\usepackage{geometry}

\geometry{a4paper,left=3cm,right=3cm, top=2.5cm, bottom=2.5cm} % Ränder

E

+

-+ + +

-+

+

+

+

+

+

+ +

+

+

+ + + + +

+ + +

+ +

+

+ + +

-- -- --

-e Xe0

+

0 +

+

+ + +

+ +

+ +

+ + +

+ + + +

--

--

-+ - +

-𝐶res 𝑈DC

Xe0

𝐿th 𝐼𝑐𝑜𝑖𝑙

𝑈𝑐𝑜𝑖𝑙

A ΦSCG

ΦACG ΦDCG

-H

H

Abbildung 3.2: Schematisches Funktionsprinzip des RIT

Tabelle 3.1: Abkürzungen in Bezug auf das Extraktionssystem Abkürzung Bedeutung Information

SCG Screen Grid Potential positiv gegenüber Gehäuse (verbunden mit PHV)

ACG Acceleration Grid Potential negativ gegenüber Gehäuse (verbunden mit NHV)

DCG Deceleration Grid Elektrisch verbunden mit Gehäuse PHV positive high voltage DC-Spannungsnetzteil

NHV negative high voltage DC-Spannungsnetzteil

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3.3 Aufbau und Funktionsprinzip

Extraktionssystem: Das Extraktionssystem besteht aus 2 oder mehr Gittern (Bleche mit eingebrachten Öffnungen in Form von Löchern oder Schlitzen). Zudem werden periphäre DC-Spannungsnetzteile benötigt. Bei dem in Abb. 3.2 dargestell-ten 3-Gitter-System werden die Gitter mit SCG, ACG und DCG und die Netzteile mit PHV sowie NHV bezeichnet. Die verwendeten Abkürzungen sind in Tabelle 3.1 zusammengefasst. Mögliche Betriebsspannungen der Netzteile sind z. B. +1200 V und -300 V. Das Extraktionssystem kann mit Transmissionskoeffizienten für Neu-tralteilchen und Ionen beschrieben werden. Die Koeffizienten geben das Verhältnis des durch die Ionenoptik durchgehenden Teilchenflusses zu dem Teilchenfluss, der sich auf diese zubewegt, an. Die Werte werden pro Spezies ermittelt und beziehen sich auf eine einzelne Ionenoptik. Die Transmissionskoeffizienten sind Maß dafür, wie viel Prozent der in Richtung des Extraktionssystems fliegenden Teilchen ex-trahiert werden. Eine ausführliche Beschreibung des Extraktionssystems inklusive Verdrahtung und Stromflüsse erfolgt in Kapitel 7.

Massenflussregler und Gaseinlass: Der Massenflussregler (MFC) ermöglicht es, einen Massenfluss an Neutralteilchen ˙mp in die Ionisationskammer vorzugeben.

Als Teilchenquelle kann z. B. ein Tank dienen. Der Gaseinlass dichtet das Gefäß der Ionisationskammer gegen das Vakuum ab und durch die Geometrie der Gasöffnun-gen lässt sich prinzipiell die ortsabhängige Neutralgasdichteverteilung beeinflussen.

Bezüglich Letzterem sei auf Abschnitt 4.7 bzw. Literaturquellen [66] und [67] ver-wiesen.

Leistungseinkopplung: Die Leistungseinkopplung in das Plasma erfolgt induk-tiv gemäß der im Unterabschnitt 2.3.2 bei II beschriebenen Methodik. Ein zeit-veränderlicher Strom in der die Ionisationskammer umgebenden Spule erzeugt ein Magnetfeld. Durch dessen zeitliche Änderung wird ein elektrisches Feld induziert, welches freie Ladungsträger im Plasma beschleunigt. In der in Abb. 3.2 dargestellten Zylindergeometrie ist das H-Feld im Plasma hauptsächlich axial, wodurch sich ein radiales E-Feld ausbildet. In Weltraumanwendungen sind sinusförmige Spulenströ-me mit Frequenzen im Bereich 500 kHz bis 5 MHz üblich, wobei die verwendete Frequenz mit dem Durchmesser des Triebwerks üblicherweise abnimmt [65]. Der an-gegebenen Frequenzspanne liegen Triebwerke mit einem Durchmesser zwischen 2 cm und 30 cm zu Grunde.

Radiofrequenzgenerator: Zum Erzeugen des hochfrequenten Stroms wird ein Radiofrequenzgenerator (RFG) verwendet. Ein übliches Konzept ist in Abb. 3.2 dargestellt. Hierbei wird ein Serienschwingkreis bestehend aus Spuleninduktivität Lth, ResonanzkapazitätCres, der Übertragungsleitung und weiteren zum Teil parasi-tären Elementen gebildet. Der RFG erzeugt mit einer Halbbrücke ein rechteckförmi-ges Spannungssignal, dessen Frequenz auf die Resonanzfrequenz des Schwingkreises geregelt wird. Details sind in Kapitel 9 beschrieben.

Ein- und Ausgangsgrößen des Systems: Als variable Eingangsgrößen des Sys-tems stehen ˙mp, die DC-Eingangsspannung des RFGs UDC und die Gitterspannun-gen zur Verfügung. Die Ströme von NHV und PHV lieGitterspannun-gen als Ausgangsgrößen vor und erlauben es, auf den Strahlstrom (Strom an extrahierten Ionen) zurückzurech-nen. Dieser skaliert mit dem Schub.

Kapitel 3 Das Radiofrequenz-Ionentriebwerk und dessen Peripherie

Einfluss des Eingangsmassenflusses: Durch Variation von ˙mp lässt sich die Neutralteilchendichte n innerhalb der Ionisationskammer beeinflussen. Die Dichte steigt aufgrund des Gaswiderstandes des Gittersystems mit dem „Teilchenfluss an extrahierten bzw. verlorenen Neutralteilchen“ ΓE0 an. Die Neutralteilchendichte hat direkten Einfluss auf das Plasma und die induktive Einkopplung. Ist das Plasma gezündet und die Extraktion eingeschaltet, ändert sich bei gleichbleibender DC-Eingangsspannung des RFGs zudem der Strahlstrom durch Variation von ˙mp und es ergibt sich eine komplexe Abhängigkeit zwischen n und ˙mp.

Betrieb des Extraktionssystems und die Strahlstromregelung: Üblicher-weise wird das Triebwerk in Arbeitspunkten betrieben, in denen der Strahlstrom durch die Plasmaergiebigkeit (Ionenflussdichte aus dem Plasma auf die Wände) be-grenzt ist. Typischerweise führt ein Anheben vonUDC zu einer Erhöhung der einge-koppelten Leistung und somit einer Steigerung der Plasmaergiebigkeit. Dies ermög-licht die Regelung des Strahlstroms und somit auch des Schubs mit der Stellgröße UDC. Bei gleichbleibendem ˙mp sinkt mit Erhöhen des Strahlstroms die Neutralgas-dichte.

Allgemeines zum Systemverhalten: Das Gesamtsystem weist mehrere nichtli-neare Charakteristika auf. Zudem gibt es Arbeitspunkte, in denen sich das Verhalten einzelner Größen zueinander ändert. Zur Verdeutlichung sei eine Funktionf(a) ge-geben, die das Verhalten der Ausgangsgröße f als Funktion der Eingangsgröße a beschreibt. Für diese Funktion kann es vorkommen, dass das Verhalten von f nur für bestimmte Intervalle von a eine Monotonie aufweist. In späteren Kapiteln wird hierauf im Detail eingegangen und Beispiele werden gegeben.

Masseneffizienz: Bei konstantem Extraktionsstrom steigt mit Reduktion von ˙mp die Masseneffizienz. Bei Arbeitspunkten hoher Masseneffizienz hat eine weitere Erhö-hung der Masseneffizienz einen größeren Bedarf elektrischer Leistung im RF-System zur Folge. Der elektrische Wirkungsgrad sinkt.

Variation der Gitterspannungen: Die Wahl einer höheren PHV-Gitterspan-nung führt zu einem größeremIsp. Grundlegend sind bei der Wahl der Spannungen jedoch mehrere Aspekte bezüglich der Fokussierung und dem sogenannten Elektro-nenbackstreaming zu berücksichtigen. Mehr hierzu in Kapitel 7.