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Beschreibung des Plasmas

4.4 Gleichungen zur Beschreibung des Plasmas

Kapitel 4 Beschreibung des Plasmas

In Gl. (4.22) bezeichnet Kx den Ratenkoeffizienten für den betrachteten Prozess x mit dem Wirkungsquerschnittσx. Hierbei wird die ElektronentemperaturTe verwen-det, da es sich um den Wirkungsquerschnitt der Elektronen beim Stoß mit anderen Spezies handelt.

Mittlere Prozessrate: Zudem erlaubtKeine elegante Darstellung der „mittleren Prozessrate aller Teilchen“ F. Diese gibt an, wie viele Reaktionen innerhalb eines bestimmten VolumensV pro Zeit erfolgen. UmF zu erhalten, ist fe mit der Anzahl der betrachteten, sich bewegenden Teilchen N =nb·V zu multiplizieren, wobei nb die Teilchendichte der bewegten Teilchen ist. Dies führt zu

F =nhvσ(v)iv

| {z }

K(Te)

nbV

| {z }

N

=K(Te)nnbV. (4.23)

4.4 Gleichungen zur Beschreibung des Plasmas

4.4.2 Beschreibung als Fluid

Die Boltzmann-Gleichung berücksichtigt das mikroskopische Verhalten der Teilchen.

Bei hohen Dichten sinkt die mittlere freie Weglänge und die Stoßfrequenz steigt. Die Teilchen werden stärker von ihren Nachbarn beeinflusst und können nicht mehr so stark „durcheinander fliegen“. Das Verhalten ähnelt zunehmend einem Kontinuum1 und man spricht von Fluiden [104]. Durch Multiplikation der Boltzmann-Gleichung mit verschiedenen χund anschließender Integration lassen sich makroskopische Er-haltungsgleichungen herleiten. Im Vergleich zu Abschnitt 4.2, wo makroskopische Größen berechnet wurden, wird über die gesamte Gleichung integriert und nicht nur über die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion.

Die Teilchenerhaltungsgleichung erhält man mit χ= 1

∂n

∂t +∇(n~vd) =GL, (4.25) wobei G und L Umwandlungsraten (Einheit Teilchen/Volumen/Zeit) durch Ioni-sation und Rekombination sind. G beschreibt die Summe aller Umwandlungsraten von anderen Spezies in die betrachtete Spezies und L beschreibt die Summe aller Umwandlungsraten von der betrachteten Spezies in andere Spezies.

Mitχ=m~v folgt die Impulserhaltungsgleichung mn∂~vd

∂t +mn(~vd· ∇)~vd+∇ ·Π−n ~F =f~

c (4.26)

mit dem 3x3 Drucktensor Π, dem Nabla-Operator∇für den Ortsraum, dem Opera-tor~vd·∇, der auf~vdangewandt wird, und dem Termf~

c. Letzterer berücksichtigt den Impulsausgleich mit anderen Spezies, wozu Stöße gehören, aber auch, dass Teilchen in andere Spezies umgewandelt werden und dass Teilchen der betrachteten Spezi-es entstehen. Für f~

c= 0 entspricht Gl. (4.26) der Navier-Stokes-Gleichung. Da die Boltzmann-Gleichung die zeitliche Änderung der Wahrscheinlichkeitsdichte be-schreibt, ergibt sich als Einheit kein Impuls, sondern eine Kraft. Zudem ist diese aufgrund der Normierung von f mit der Teilchendichte n multipliziert, sodass es sich bei der Einheit von Gl. (4.26) um eine Kraftdichte handelt.

Bei leicht ionisierten Gasen kann∇ ·Π≈ ∇p mit dem Druckp angewandt werden, wobei für Gase mit einer Maxwell-Boltzmann-Geschwindigkeitsverteilungp=nkBT angesetzt werden kann [68]. Vernachlässigt man zudem die ersten beiden Terme von Gl. (4.26), geht von einer homogenen Temperatur T aus, um ∇(nkBT) = kBT∇n zu erhalten, und setztf~

c=−mnfs~vd an, folgt kBT∇n

| {z }

~vd aufgrund von Diffusion

n ~F

|{z}

~vd aufgrund einer externen Kraft

=−mnfs~vd. (4.27)

Der vereinfachte Stoßterm−mnfs~vd folgt aus der Annahme, dass bei jedem Stoß im statistischen Mittel der gerichtete Impuls m~vd der betrachteten Spezies an andere Spezies übertragen wird, wobei fs die Stoßfrequenz ist. Erzeugung und Verlust von Teilchen sind hierbei vernachlässigt. Zur Beschreibung eines Plasmas wird für jede Spezies eine eigene Gleichung aufgestellt, die über die f~

c-Terme verkoppelt sind.

1 Feldgrößen ändern sich stetig

Kapitel 4 Beschreibung des Plasmas

Zur Vollständigkeit sei noch erwähnt, dass mit χ= 12m~v2 die Energieerhaltungs-gleichung

∂t

3 2p

+∇

3 2p~vd

+p∇~vd+∇~q=

∂t

3 2p

c (4.28)

in der Einheit W/m3 folgt. Hierbei istpder Druck, 32pdie thermische Energiedichte, in der Einheit J/m3, und ~q die Wärmeleistungsflussdichte. Der Term ∂t 32p

c be-schreibt die zeitliche Änderung der thermischen Energiedichte aufgrund von Stößen mit anderen Spezies.

4.4.3 Beschreibung über Diffusion

Die Teilchen an einem Ort bewegen sich aufgrund der thermischen Teilchenbewegung von diesem weg, sodass es zu einem statistischen Teilchenfluss in alle Raumrichtun-gen kommt. Im Falle einer Gaswolke im Vakuum sorgt dies für eine räumliche Aus-breitung des Gases mit der Zeit. Die Flussdichte aus einem betrachteten Ortspunkt in Richtung benachbarter Orte skaliert mit der Teilchendichten. Dementsprechend kommt es zu einer makroskopischen Nettoteilchenflussdichte (folgend als Teilchen-flussdichte bezeichnet) von Orten mit hoher Dichte zu Orten mit niedriger Dichte.

Dies führt zu einem zeitlichen Ausgleichsprozess hin zu einer homogenen Teilchen-dichteverteilung. Der Ausgleichsprozess wird jedoch durch Stö e der betrachteten Spezies behindert, sodass sich eine brownsche Bewegung einstellt. Die hierbei auf-tretende Teilchenflussdichte =n·~vd wird durch das erste Fick’sche Gesetz

=−D· ∇n (4.29)

beschrieben, wobei der DiffusionskoeffizientDein Maß dafür ist, wie stark der Aus-gleichsprozess behindert wird. Die Gleichung lässt sich aus der Gl. (4.27) ableiten, indemn ~F = 0 gesetzt wird. Auch die durch die Stöe der betrachten Spezies hervor-gerufene Kraftwirkung1 skaliert mit dem Gradienten der Teilchendichte n. Durch Einsetzen von Gl. (4.29) in die Teilchenerhaltungsgleichung (4.25) unter Zuhilfenah-me von =n·~vd und der Annahme ∇(−D· ∇n) = −D∆n folgt die Diffusions-gleichung

∂n

∂tDn =GL, (4.30)

welche das zeitliche Verhalten des Systems beschreibt und außerhalb der Plasma-physik üblicherweise für GL= 0 angegeben ist. Im Rahmen dieser Arbeit wird die Di˙usion der Elektronen und der Ionen innerhalb der Spezies der Neutralteilchen, die von allen Spezies die mit Abstand gröe Teilchendichte aufweist, betrachtet. Für diesen Ausgleichsprozess hängt D vor allem von der Dichte der Neutralteilchen und der Teilchenspezies bzw. deren Stoßquerschnitte ab.

4.4.4 Elektrodynamische Gleichungen

Im Plasma sind per Definition auch geladene Teilchen vorhanden, die coulombsche Anziehungskräfte aufeinander ausüben und deren Bewegung ein Magnetfeld hervor-ruft. Dementsprechend sind zur Beschreibung die Maxwell-Gleichungen 4.31 bis

1 Die Kraftwirkung ist in Gl. (4.26) ein Bestandteil des Terms∇ ·Π.

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4.4 Gleichungen zur Beschreibung des Plasmas

4.34 hinzuzuziehen [43; 44; 105–109].

A

D~ dA~ =

V

ρdV=Q divD~=ρ (4.31)

A

B~dA~ = 0 divB~= 0 (4.32)

Uind=

s

E~d~s=

A

∂ ~B

∂t dA~=−

∂tΨ rotE~=−∂ ~B

∂t (4.33)

I =

s

H~ d~s=

A

J~+ ∂ ~D

∂t dA~ rotH~=J~+∂ ~D

∂t (4.34)

Hierbei ist links die integrale und rechts die differentielle Form angegeben. Bei allen verwendeten Vektorfeldern J , ~~ E, ~D, ~H, ~B und A~ handelt es sich um makroskopi-sche Größen, für welche ein Kontinuum angenommen wird. Die integralen Größen induzierte SpannungUind, StromI, Ladung Qund verketteter (magnetischer) Fluss Ψ sind in Hellblau dargestellt. Der Satz an Gleichungen setzt sich zusammen aus dem Gaußschen Gesetz 4.31, der Quellenfreiheit des B-Feldes 4.32, dem Fa-radayschen Induktionsgesetz 4.33 und dem Durchflutungsgesetz 4.34. Hinzu kommen noch die Materialgleichungen

B~ =µ0H~ +M~=µ0µrH~ D~ =ε0E~ +P~=ε0εrE~ (4.35) und

J~=κ ~E κ= 1

σ (4.36)

sowie die Lorentzkraft

F~ =qE~ +~v×B~, (4.37) wobei q eine Punktladung und Q eine Gesamtladung bezeichnet. Gleichung 4.37 kann verwendet werden, um die auf geladene Gasteilchen ausgeübte Kraft zu be-rechnen. Zum Umgang und Verständnis der Maxwell-Gleichungen seien noch ein paar Punkte zu erwähnen.

a) Gleichungen (4.31) und (4.32) treffen eine Aussage über die Gestalt der Fel-der, während Gl. (4.33) und 4.34 deren zeitliche Entwicklung beschreiben. Für einen gegebenen physikalischen Systemzustand zum Zeitpunkt t, der die ers-ten beiden Gleichungen erfüllt, sind Gleichungen 4.33 und 4.34 ausreichend, um dessen Zeitverhalten zu beschreiben1.

b) Es ist eine Unterteilung in die homogenen Gleichungen 4.32 und 4.33 sowie die inhomogenen Gleichungen 4.31 und 4.34 möglich. Bei Letzteren können die Ladungsdichte ρ und die Stromdichte J~als Quellterm interpretiert werden.

c) Gemäß dem Zerlegungssatz lässt sich das E-Feld als Summe eines rotations-und eines divergenzfreien Anteils darstellen. In dieser Arbeit wird der erste Teil durch das elektrostatische Feld E~es beschrieben und für den zweiten Teil wird das im quasistationärem Zustand induzierte E-Feld E~ind angesetzt.

d) E~es ist konservativ und beschreibt mit Gl. (4.31) die coulombsche

Anziehungs-1 Dies wird z. B. zur numerischen Berechnung der elektromagnetischen Felder verwendet [110].

Kapitel 4 Beschreibung des Plasmas

kraft aufgrund der Position der Ladungen. Das induzierte E-Feld entsteht wie in Gl. (4.33) dargestellt durch eine zeitliche Änderung des B-Feldes mit der Stromdichte als Quellterm gemäß Gl. (4.34)1.

Zur Berechnung vonE~es wird

E~es=−∇φ=−grad (φ) (4.38) mit dem elektrostatischen Potential φ verwendet werden. Das Potential lässt sich fürεr= 1 mit der Poisson-Gleichung

φ =−ρ

ε0 (4.39)

beschreiben. Zur Berechnung vonE~ind kann E~ind =−∂ ~A

∂t (4.40)

mit dem VektorpotentialA~ verwendet werden, welches gemäß

B~ = rotA~ (4.41)

definiert ist. Das elektrische Feld lässt sich als Superposition der beiden Anteile berechnen:

E~ =E~es+E~ind=−∇φ− ∂ ~A

∂t (4.42)

Im quasistationären Fall lässt sich das Vektorpotential mit

2Ajωκµ0A=−µ0J (4.43)

berechnen, wenn Stromdichte (Quellterm) und Leitfähigkeitκ(Randbedingung) im Raum bekannt sind [85; 86]. Für Gl. (4.43) wurdeµr = 1 im gesamten Raum ange-nommen. Bei A und J handelt es sich um einen Vektor, bei dem jede Komponente ein komplexer Phasor gemäß der in Abschnitt A.5 beschriebenen Konvention ist. Va-riableκist eine komplexe Zahl. Mit der verwendeten Konvention lässt sich Gl. (4.40) inE~ind=−jω ~A überführen.

4.4.5 Boltzmann-Beziehung

Eine wichtige Gleichung ist die Boltzmann-Beziehung2 n(~r) =n0e

E(~r)−E0

kBTe bzw. ne(~r)=ne0e

e(φ(~r)−φ0)

kBTe . (4.44) Sie liefert einen Zusammenhang zwischen der Teilchendichte und der potentiellen Energie3. Hierbei ist n0 die Teilchendichte an den Positionen mit der potentiellen

1 Betrachtung der Stromdichte als Quellterm gilt für den quasistationären Fall in dem ∂ ~D/∂t

vernachlässigt ist.

2 Im englischem als „Boltzmann relation“ bezeichnet

3 Hier liegt die klassische Boltzmann-Verteilung zu Grunde und die Elektronen im Plasma werden als Teilchen angenommen.

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