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2. T HEORETISCHER T EIL

2.6 Digitalisierung und Mitarbeiter*innen sozialwirtschaftlicher

Zu guter Letzt soll nun auf die Perspektive der Mitarbeiter*innen – in diesem Falle Sozialarbeiter*innen und Sozialbetreuer*innen - eingegangen werden. Dass die Perspektive der Mitarbeiter*innen zuletzt gereiht ist, mag wie ein Zufall erscheinen, es bildet aber leider die Realität ab, in der die Mitarbeiter*innen oft nicht als prioritär gesehen werden und auch trotz fachlicher Expertise oft nicht in Organisationsentwicklungsprozesse miteinbezogen werden. Veränderungen werden oft Top down durchgeführt und geplant, ohne vorheriges Miteinbeziehen der Mitarbeiter*innen (vgl. Wolff 2018).

Tatsächlich sind es aber die Mitarbeiter*innen sozialwirtschaftlicher Organisationen, die Änderungen – in digitaler oder analoger Form - operativ umsetzen; sie sind deshalb direkt vom digitalen Wandel in ihrer alltäglichen Arbeit betroffen.

2.6.1 Auswirkungen des digitalen Wandels auf Mitarbeiter*innen sozialwirtschaftlicher Organisationen

Mitarbeiter*innen sozialwirtschaftlicher Organisationen sind direkt von den Veränderungen in der Leistungsstruktur durch den digitalen Wandel betroffen. Die Veränderungen gehen häufig einher mit Befürchtungen über die Zukunft des Arbeitens in sozialen Berufen und die Auswirkungen auf von Menschen geleistete Arbeit.

Technischen Entwicklungen wird von Seiten der Mitarbeiter*innen häufig mit Skepsis begegnet. Um dem entgegenzuwirken, können Mitarbeiter*innen sozialer Einrichtungen dabei unterstützt werden, ihre digitale Kompetenz zu erweitern.

Sainetz – Soziale Arbeit im Netz - beispielweise will die digitale Kompetenz von Professionist*innen zu erhöhen (vgl. Sainetz 2020). Die Betreiber*innen der Website vertreten die Meinung, dass eine umfassende Vorbereitung und Einschulung der Mitarbeiter*innen vorrangig ist, um digitale Kompetenz zu entwickeln.

Durch die Digitalisierung verändert sich das Tätigkeitsfeld von Mitarbeiter*innen sozialwirtschaftlicher Organisationen. Das bedeutet, dass sich traditionelle Unterstützungs- und Beratungsleistungen verändern und neue Kompetenzen erforderlich sind – etwa die Fähigkeit, über digitale Medien in unterschiedlicher Form kommunizieren zu können.

Das schürt auch die Unsicherheit darüber, ob die (bisherige) eigene Arbeit noch wichtig und wertvoll ist oder bald durch Maschinen ersetzt wird. Ängste, dass fortschreitende Digitalisierung immer mehr Arbeitsplätze ersetzt, sind präsent, aber für den sozialwirtschaftlichen Bereich grundsätzlich nicht so relevant wie im Produktionssektor. Im Gegenteil sind es vor allem soziale Dienstleistungen, die von Algorithmen wenig bis gar nicht ersetzt werden können, da dafür Soft Skills benötigt werden, über die nur Menschen, aber nicht Maschinen verfügen (vgl. Reiser 2018:

250).

Durch ihr Fachwissen sind Mitarbeiter*innen sozialwirtschaftlicher Organisationen in Zukunft gefordert, eigene Ideen zum Einsatz digitaler Technologien in der täglichen Arbeit mitzuteilen. Auf organisatorischer Ebene ist es wichtig, die Mitarbeiter*innen in den Prozess miteinzubeziehen, ihre Vorschläge einzuholen und sie in die Arbeitsgruppen zur Erweiterung des Angebots durch digitale Technologien zu holen (vgl. Stüwe, Ermel 2019: 54).

Der Erfolg digitaler Neuerungen bzw. neuer digitaler Dienstleistungen ist maßgeblich von der Akzeptanz der Mitarbeiter*innen abhängig, befindet Schöttler (2018). Wenn in der Sozialwirtschaft tätige Personen Digitalisierung als Bedrohung wahrnehmen, ist eine erfolgreiche Integration digitaler Innovationen schwierig und

erschwert die Weiterentwicklung von Dienstleistungsangeboten (vgl. Schöttler 2018: 151).

Es darf nicht vergessen werden, dass digitale Neuerungen von den Mitarbeiter*innen angewendet werden müssen und für die Einschulung und spätere Anwendung genug Zeit und Personalressourcen von Seiten der Führungskräfte dafür eingeplant werden müssen. Damit wird vermieden, dass bei gleichbleibenden Personalressourcen ein neues (digitales) Angebot hinzukommt und bestehende Angebote aufrecht bleiben, was bei den Mitarbeiter*innen zu einer höheren Arbeitsbelastung führt (vgl. Reiser 2018: 244). Dies ist eine obligatorische Voraussetzung, damit digitale Neuerungen als Erleichterung und nicht als zusätzliche Bürde verstanden werden.

Der vermeintlich vermehrt anfallende Aufwand bei Dokumentation und Informationstechnologie wird in den sozialwirtschaftlichen Organisationen von den Mitarbeiter*innen ambivalent aufgenommen. Positiv gesehen wird dabei meist die Möglichkeit, auswertbare Daten der Arbeit mit den Klient*innen zu produzieren. Die Auswertungen beziehen sich auf Falldokumentationen, die Anzahl von Beratungen und Klient*innenkontakten, Weitervermittlungen etc. Sie machen die Arbeit der Sozialarbeiter*innen nachvollziehbar, messbar und damit auch evaluierbar. Der Sinn einer Evaluierung ist es, einen methodisch systematisierten Bewertungsvorgang der geleisteten Arbeit mit dem Ziel durchzuführen, das Handlungswissen zu verbessern (vgl. Merchel 2015: 14). Die Wirkung Sozialer Arbeit zu messen, ist grundsätzlich schwierig und umstritten. Dennoch bieten quantitative Daten die Möglichkeit, einen Überblick über die geleistete Arbeit in einer Organisation zu bekommen und zu eruieren, wie gut die Angebote die Zielgruppe erreichen und wie gut sie angenommen werden. Für Mitarbeiter*innen wird durch die Verwendung digitaler Technologie auch die geleistete Arbeit sichtbar. Als negativ wird der Zeitaufwand beschrieben, der mit der Anwendung der digitalen Dokumentationstools einhergeht. Es wird oft wahrgenommen, dass die vermehrte Beschäftigung mit dem Personal Computer (PC) den Sozialarbeiter*innen vermeintlich Zeit für die unmittelbare Arbeit mit den Klient*innen wegnimmt (vgl.

Baker et al. 2014: 3f.).

2.6.2 Sozialarbeiter*innen und Sozialbetreuer*innen – Unterschiede und Tätigkeitsfelder

In der Wiener Wohnungslosenhilfe, in der die empirische Studie für die vorliegende Masterarbeit durchgeführt wurde, sind zum einen diplomierte Sozialarbeiter*innen wie auch Sozialbetreuer*innen tätig. Obwohl sich die Arbeitsbereiche überschneiden können, gibt es Unterschiede in Bezug auf Ausbildung, Verantwortlichkeiten und Tätigkeitsbereiche beider Berufsgruppen.

Sozialarbeiter*innen und auch Sozialbetreuer*innen handeln mit dem sogenannten Mehrfachmandat. Das heißt, dass diese Berufsgruppen zwar in erster Linie ihren Klient*innen verpflichtet sind, doch ebenso die Erfordernisse der Auftraggeber*innen (z.B. Staat und nachgeordnete Institutionen für soziale Sicherheit) und ihres eigenen, professionellen Berufsethos erfüllen müssen (vgl.

Herold-Majumdar 2016: 57).

Sozialarbeiter*innen qualifizieren sich zur Ausübung des Berufs durch eine einschlägige Ausbildung. Das Studium der Sozialen Arbeit ist in Österreich seit 2001 an den Fachhochschulen angesiedelt, davor konnte die Ausbildung zur/m diplomierten Sozialarbeiter*in an den Sozialakademien absolviert werden (vgl.

Pantucek 2012: 1ff.).

Kernaufgaben von Sozialarbeiter*innen in der Wiener Wohnungslosenhilfe sind die materielle Sicherung der Klient*innen, sozialarbeiterische Beratung, Kooperation mit anderen sozialen Einrichtungen und Behörden und die Perspektivenarbeit in Richtung einer selbständigen Wohnform (vgl. Fonds Soziales Wien 2019).

Im Gegensatz zu Sozialarbeiter*innen ist für die Sozialbetreuer*innen ein einschlägiges Studium nicht nötig. Eine Anstellung als Betreuer*in wird gerne als Sprungbrett in einen sozialen Beruf genutzt oder im Vorfeld eines Studiums der Sozialen Arbeit (oder verwandter Felder) gewählt, um Praxiserfahrung zu generieren. Die Aufgaben der Betreuer*innen beziehen sich vor allem auf die Abläufe des Alltags: Versorgungsaufgaben (z. B. mit Lebensmitteln oder mit Kleidung), Unterstützung im Alltag und beim Wohnen in Wohneinrichtungen, Tagesstruktur und Beziehungsarbeit mit den Klient*innen. Eine zweijährige Ausbildung zur/m Fachsozialbetreuer*in kann in Wien zum Beispiel über den WAFF absolviert werden (vgl. WAFF 2020).

Unterschiede zwischen Sozialarbeiter*innen und Sozialbetreuer*innen zeigen sich auch bei der Entlohnung. Im aktuellen Kollektivvertrag der Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ), dem Verband der österreichischen Sozial- und Gesundheitsunternehmen, gibt es neun Verwendungsgruppen der Gehaltstabelle, in der Mitarbeiter*innen nach ihrer Tätigkeit eingereiht werden. (Fach-)Sozialbetreuer*innen sind in der Regel in Verwendungsgruppe 5 oder 6, Sozialarbeiter*innen in Verwendungsgruppe 8 eingereiht und werden dementsprechend entlohnt (vgl. Sozialwirtschaft Österreich 2020: 19).

2.6.3 Leiter*innen

Für eine gut funktionierende Einrichtung braucht es neben Fachkräften für die Klient*innenarbeit auch kompetente und Rahmenbedingungen gestaltende Leitungspersonen. Leitungsaufgaben haben sachbezogene, soziale und organisationsbezogene Dimensionen, die einander auch widersprechen können und nur schwer zu balancieren, dadurch aber nicht weniger essenziell, sind. Leiten in sozialwirtschaftlichen Organisationen ist herausfordernd. Leitungspersonen müssen den Spagat zwischen den Bedürfnissen der Mitarbeiter*innen, den ethischen Grundlagen der helfenden Professionen und den Anforderungen von Seiten der Organisation und der Fördergeber*innen schaffen (vgl. Merchel 2015:

15).

Das Sample für die Interviews der vorliegenden Masterarbeit besteht aus Leitungspersonen innerhalb der Wiener Wohnungslosenhilfe. Deshalb soll hier kurz auf ihre Aufgaben und die Besonderheiten dieser Position eingegangen werden.

Die meisten Einrichtungen der Wiener WWH verfügen in der Regel über eine Leitungsperson, die gleichzeitig als Team- und Einrichtungsleitung fungiert. Ihre Aufgaben sind neben der Führung des Teams und der Einstellung von neuem Personal auch die strategische Führung der Einrichtung und die Zusammenarbeit mit den Geschäftsführungen, Bereichsleiter*innen, Fördergeber*innen und kaufmännischen Mitarbeiter*innen ihrer Organisation, um den Betrieb der Einrichtung garantieren zu können.

Insbesondere in größeren Einrichtungen mit vielen Mitarbeiter*innen gibt es mehrere Leitungspersonen, die in Einrichtungs- und Teamleitungen unterteilt sind.

Für den Fall, dass in der Einrichtung sowohl Sozialarbeiter*innen als auch Betreuer*innen angestellt sind, gibt es eine Teamleitung für Betreuer*innen und eine für Sozialarbeiter*innen. Die darüberstehende Einrichtungsleitung arbeitet mit den Teamleitungen zusammen und ist für die strategischen Aufgaben sowie die Zusammenarbeit mit der darüberliegenden Leitungsebene und den Fördergeber*innen zuständig.