• Keine Ergebnisse gefunden

2. T HEORETISCHER T EIL

2.2 Die Entwicklung des Internets und die Digitalisierung des

Das Internet wurde in den späten 1960er Jahren für das US-Militär zur Entwicklung eines digitalen Kommunikationssystems entwickelt. Das erste Netzwerk wurde durch Router verbunden. Eine zivile Nutzung gab es erstmals in den 1980er Jahren, als verschiedene US-amerikanische Universitäten, die zuvor als Verbund für das Verteidigungsministerium forschend tätig waren, ein Netzwerk erschlossen. Unter dem Namen ARPANET (Advanced Research Projects Agency Network) waren 1983 rund 4000 Computer vernetzt, im selben Jahr wurde der Teil zur militärischen Nutzung ausgegliedert (vgl. Stüwe, Ermel 2019: 25).

ARPANET wurde 1987 durch das National Science Foundation Net abgelöst, der Begriff Internet entstand zeitgleich, wobei damals damit lediglich der physische Teil des Netzwerks gemeint war. Erst später wurden Internet und das WWW (World Wide Web) synonym verwendet. Obwohl immer mehr Computer an das Netzwerk angeschlossen wurden – nach wie vor nur für militärische und wissenschaftliche Zwecke - dauerte es noch bis 1993, bis der erste Webbrowser (NCSA Mosaic) entwickelt wurde. Das europäische Kernforschungszentrum CERN machte das Internet 1993 erstmals kostenlos für die Öffentlichkeit zugänglich (vgl. ebd.: 16f.).

Nach und nach erweiterte sich die zivile Nutzung des World Wide Webs. Aktuell

übernimmt das Internet zentrale Funktionen und ist aus der Mitte der Gesellschaft nicht mehr wegzudenken ist. Etwa ab 2003 spricht man davon, dass die Nutzung des Internets für die breite Öffentlichkeit möglich gemacht wurde – zu diesem Zeitpunkt gab es bereits bekannte Webseiten wie Wikipedia, Amazon und eBay.

2004 kam erstmals der Begriff Web 2.0 auf, der die Möglichkeit beschreibt, dass User*innen die Option erhielten, sich selbst im Internet darzustellen und andere Menschen bei der Selbstdarstellung zu beobachten. Dies markiert den Feldzug der Social Media (vgl. ebd.: 33).

Auch abseits sozialer Plattformen schreitet die technische Entwicklung rasant fort.

Ein wesentliches Merkmal der gerade stattfindenden vierten industriellen Revolution sind vernetzte Gegenstände, die Daten sammeln und dadurch „lernen“, selbständig und intelligent zu handeln (vgl. Stüwe, Ermel 2019: 23ff.). Programme können heute basierend auf Wiederholungsschleifen, erkannten Mustern und Beispielen ihren Algorithmus selbständig weiterentwickeln. Man spricht hierbei von Deep Learning, das ein wesentliches Merkmal von KI ist (vgl. ebd.: 24).

Die Entwicklung in der Sozialwirtschaft spiegelt die Entwicklung der Nutzung von (digitalisierter) Technologie – wenn auch etwas langsamer – wider. Seit den 1980er Jahren werden Computer und fachspezifische Software im sozialwirtschaftlichen Bereich im deutschsprachigen Raum eingesetzt; das Internet spielte dabei aber noch keine Rolle.

In den 1990er Jahren entwickelte sich die „Sozialinformatik“ in Folge des fachlichen Austauschs und Diskurses. Der Begriff umfasst die Nutzung von Informationstechnologie in sozialwirtschaftlichen Organisationen und die Auswirkung von Informationstechnologie auf die Rezipient*innen Sozialer Arbeit.

Helmut Kreidenweis betont, dass neue Technologien – digital oder analog – immer die sozialen Systeme beeinflussen, in denen sie wirken; sie können dadurch niemals neutral sein (vgl. Kreidenweis 2005: 17f.). Ein Blick auf die Digitalisierung und Entwicklung der Sozialwirtschaft drängt sich somit auf, um eruieren zu können, wie sich der Dritte Sektor seit dem erstmaligen Einsatz von Computern verändert hat und weiterhin laufend verändert.

Kreidenweis (2005) sieht die Entwicklungen rund um Digitalisierung in sozialwirtschaftlichen Organisationen seit den 1980ern in drei Phasen:

• In der ersten Phase (1980 – 1995) wurde Software vor allem im Overhead eingesetzt: beispielsweise für die Verwaltung von Stammdaten oder für die Lohnbuchhaltung. Somit wurde IT noch nicht in der direkten Arbeit mit den Klient*innen verwendet, sondern vorwiegend in der Verwaltung.

Verwaltungstätigkeiten, die bisher auf Papier durchgeführt wurden, wurden virtuell gespeichert.

• Die zweite Phase (ca. 1995 – 2000) beschäftigte sich damit, fachliche Software zur Verfügung zu stellen, die für die Falldokumentation verwendet wurde. Damit wurden Klient*innen-Daten angelegt und die Fallverläufe in einer digitalen Dokumentation festgehalten, wie es auch heute noch üblich ist. Zusätzlich trat auch das Berichtswesen in den Vordergrund und Auswertungen sowie Statistiken wurden mithilfe digitaler Technik erstellt, Evaluierungen durch digitalisierte Technologie wurden möglich gemacht. Die Verwendung von Office-Anwendungen wurde immer gängiger. In diese Zeit fallen auch das Aufkommen des Internets und erste Onlineberatungen, wobei das Internet in dieser Zeit fachlich noch wenig genutzt wurde.

• Ab dem Jahr 2000 spricht Kreidenweis (2005) von der dritten Phase, in der der Einsatz von Informationstechnologie gängig wurde und den fachlich-methodischen Kernbereich der Praxis erreicht hatte. Anstatt digitale Technologien nur zur Falldokumentation zu verwenden, wurde Informationstechnologie nun auch für die fallbezogene Planung und Evaluation möglich (vgl. Kreidenweis 2005: 67ff.).

Seitdem hat sich viel verändert. Die Verwendung des Internets ist im Arbeitsalltag selbstverständlich geworden, sei es in der Beratung von Klient*innen oder in Form der zur Verfügungstellung von Information auf der Webseite der Organisation.

Digitalisierung wird nun auch für die Erarbeitung neuer Dienstleistungen, die Vereinfachung von Abläufen und auch als Möglichkeit, die Selbstbestimmung der Klient*innen zu fördern, verwendet. Beispiele dafür sind mobile Applikationen wie beispielsweise die Kältehilfe Berlin oder MOKLI, die beide aus Deutschland stammen. Kältehilfe Berlin gibt in den Wintermonaten obdachlosen Personen in Berlin die Möglichkeit, sich zu informieren, wie sie Zugang zu Notquartieren,

Tageszentren oder Basisversorgung finden. MOKLI bezeichnet sich als „die erste App für Straßenkinder“, richtet sich an Jugendliche ohne Obdach und Wohnung und gibt Auskunft über Unterkünfte, Basisversorgung, ärztliche Hilfe und Beratungsmöglichkeiten (vgl. Momo Media 2020).

Eine ähnliche Applikation aus Österreich besteht seit Ende Oktober 2019. Die im Fonds Soziales Wien entstandene KälteApp wird analog zur Dauer des Winterpakets der Wiener Wohnungslosenhilfe betrieben, welches Notschlafstellen und Wärmestuben für obdachlose Menschen in den kalten Monaten von Ende Oktober bis Ende April zur Verfügung stellt. Mit der KälteApp ist es für Zivilpersonen möglich, Straßensozialarbeiter*innen mit einem einfachen, elektronischen Anmeldeformular zu verständigen, um obdachlosen Menschen in den Wintermonaten Hilfe zukommen zu lassen, wie etwa die Versorgung mit Schlafsäcken und Lebensmitteln oder die Vermittlung in eine Notschlafstelle (vgl.

KälteApp 2020).