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5. D ARSTELLUNG DER E RGEBNISSE

5.1 Der Status quo der Digitalisierung in den Organisationen

Die der Digitalisierung in der WWH beschäftigte aktuell alle interviewten Leitungspersonen. Die Digitalisierung und die Verwendung digitaler Technologien ist in den sozialwirtschaftlichen Organisationen im Arbeitsalltag angekommen. In den folgenden Kapiteln werden die verschiedenen Aspekte des Status Quo der Digitalisierung in sozialwirtschaftlichen Organisationen der WWH näher betrachtet.

5.1.1 Die Rolle der Digitalisierung in sozialwirtschaftlichen Organisationen

Der digitale Wandel führt zu Veränderungen in der täglichen Arbeit in sozialwirtschaftlichen Organisationen. Dennoch herrscht Unklarheit darüber, was Digitalisierung für die Arbeit in den Organisationen der WWH bedeutet bzw. wie groß der Einfluss der Digitalisierung auf die Arbeit in Zukunft sein wird.

„Es könnte eine wirklich sehr große Rolle sein, aber es könnte auch vielleicht eine Nebenrolle sein. Auf alle Fälle, egal wie der Stand der Digitalisierung ist, ich denke mir, dass der persönliche Kontakt mit den Klient*innen noch immer im Vordergrund stehen muss.“ (I3: 3f.)

Die befragte Leitungsperson sieht in der Digitalisierung auch eine Chance für die Wohnungslosenhilfe (vgl. I3: 139f.), um die Angebote weiterzuentwickeln. Der zwischenmenschliche Kontakt zwischen Mitarbeiter*innen und Klient*innen sei aber etwas, das nicht ersetzbar ist (vgl ebd.: 5). Die Rolle der Digitalisierung ergibt sich nicht durch die Ablösung bisher analog angebotener Dienstleistungen durch Digitalisierung. Sie wird vielmehr als Möglichkeit zur Erweiterung von

Dienstleistungen gesehen. Sie dient der Unterstützung der Erbringung der als zentral gesehenen, direkten Arbeit mit den Klient*innen.

Im Bereich der Administration und Dokumentation ist die Digitalisierung bereits alltäglich und bietet die Möglichkeit, große Datenmengen leicht zugänglich zu machen. „Ich glaube, die Digitalisierung ist unabdingbar mittlerweile für eine Einrichtung wie die unsere, weil, also allein was an Laufwerken an Daten liegt, ist immens. Das kann schon eine einzelne Person nicht mehr überblicken“ (I4: 256f.), sagt eine Leitungsperson und verweist auf die Möglichkeiten in der Datenverarbeitung, die durch Digitalisierung alltäglich geworden sind und quantitative sowie qualitative Auswertungen ermöglichen.

Der Digitalisierung wird die Rolle zugesprochen, die Wirksamkeit sozialer Dienstleistungen sichtbarer zu machen und die Professionalisierung der Sozialen Arbeit positiv zu beeinflussen. Darin wird die Chance gesehen, Dienstleistungen besser auf die Klient*innen zuzuschneiden (vgl. I4: 153f.).

Digitalisierung löst aktuell analoge Prozesse in sozialwirtschaftlichen Organisationen ab und verändert Abläufe und Prozesse. Dies erfordert auch ein Umdenken auf Seiten der Mitarbeiter*innen und die Bereitschaft, sich auf Veränderungen einzulassen. „Und es ist manchmal schmerzhaft, man muss ja alte Sichtweisen aufgeben und genauso ist es bei neuen Entwicklungen oder Veränderungen auch“ (I4: 474ff.).

Die Rolle der Digitalisierung in sozialwirtschaftlichen Organisationen der WWH ist keine eindeutige. Einerseits bringt die Digitalisierung Veränderungen bei gewohnten Prozessen in der Dienstleistungserbringung mit sich, die Chancen auf Erweiterung des bisherigen Dienstleistungsangebots bieten. Andererseits fordert sie von den in den Organisationen Beschäftigten, sich auf (unter Umständen rasante) Veränderungen einzustellen.

5.1.2 Digitalisierung auf Management-Ebene

Auch auf der Ebene des Managements sozialwirtschaftlicher Organisationen ist die Digitalisierung angekommen und wird thematisiert. In Kapitel 2.3.3 wurde dargelegt, dass eine Aufgabe des Managements sozialwirtschaftlicher Organisationen die Beobachtung des digitalen Wandels ist, um adäquat darauf reagieren zu können.

Die oft rasanten Veränderungen im Auge zu behalten ist dabei genauso wichtig, wie die Erarbeitung einer Digitalisierungsstrategie (vgl. Kreidenweis 2020: 398), bei deren Erstellung auch die Mitarbeiter*innen von der operative Ebene miteinbezogen werden. Die empirische Erhebung der vorliegenden Arbeit zeigt, dass die Realität in sozialwirtschaftlichen Organisationen davon abweicht.

„Naja, also es gab die Idee in der Organisation, sich zu digitalisieren. Oder es ist sogar ein Unternehmensziel. Aber bis auf eine Präsentation, dass das eines unserer Ziele ist, ist nichts passiert in dem Bereich“ (I9: 24f.), sagt eine Leitungsperson und impliziert, dass Digitalisierung zwar ein allgegenwärtiges Thema ist, die dazugehörigen Strategien aber noch nicht erarbeitet bzw. umgesetzt werden. Das Thema wird auch in einem anderen Interview aufgegriffen:

„Also ich glaube schon, dass die Organisation sich auch zum Ziel gesetzt hat, dass wir uns weiter digitalisieren und dass es da schon einen Plan gibt.

Also zu mir kommt da nicht viel ehrlich gesagt, aber ich habe jetzt auch noch keinen klaren Auftrag bekommen.“ (I5: 168f.)

Daraus geht auch hervor, dass es möglich ist, dass die strategischen Überlegungen zum Thema Digitalisierung derzeit nur auf der strategischen Ebene diskutiert werden. Organisationsinterne Strategien greifen Digitalisierung als Thema auf und erkennen es als wichtig an, doch klare Handlungsanweisungen an die Mitarbeiter*innen blieben bisher aus. Dass Digitalisierung als Thema mehr in den Mittelpunkt rücken soll, ist bei den Einrichtungsleitungen bekannt (vgl. I10: 251ff.).

Aus den Interviews geht hervor, dass die Beschäftigung mit dem Thema Digitalisierung in sozialwirtschaftlichen Organisationen eher oberflächlicher Natur ist und bislang noch ein strategischer roter Faden fehlt.

Sorgen gibt es bei den befragten Leitungspersonen dahingehend, dass die Digitalisierung – wie auch von Kreidenweis (2020) beschrieben – viel schneller voranschreitet, als der sozialwirtschaftliche Sektor darauf reagieren kann. „Also was Digitalisierung betrifft, ist der Sozialbereich 20 Jahre hinterher und hat kein Bestreben, diese Zeit aufzuholen“ (I9: 195f.), merkt eine Leitungsperson an und drückt damit die Befürchtung aus, dass sozialwirtschaftliche Organisationen bei Digitalisierungsprozessen auf der Strecke bleiben. Sorgen, dass der digitale Wandel von der Sozialwirtschaft nicht (mehr) mitgestaltet werden kann, sind präsent. In der aktuellen Literatur zum Thema Digitalisierung findet sich immer

wieder der Appell, die Digitalisierung nicht einfach passieren zu lassen, sondern diesen Prozess aktiv zu gestalten. Damit wird gesichert, dass der digitale Wandel für die Bedürfnisse sozialwirtschaftlicher Organisationen verwendet werden kann und nicht andere darüber entscheiden. Die Expert*innen in den Interviews sprechen von einem großen Bewusstsein in Bezug auf das Thema Digitalisierung in den Organisationen der WWH, aber gleichzeitig auch davon, dass das Wissen darüber begrenzt sei und in einem Bereich, in dem fast nur psychosoziale Berufsgruppen arbeiten, das Detailwissen, über Informationstechnologie eher wenig ausgeprägt sei.

5.1.3 Digitalisierung: eine Veränderung, die bleibt

Einigkeit gibt es bei allen interviewten Leitungspersonen bei der Frage nach der Beständigkeit der Digitalisierung. Hier wird klar ersichtlich, dass die Digitalisierung als eine Entwicklung angesehen wird, die die (Arbeits)welt nachhaltig beeinflusst hat und deren Auswirkungen irreversibel sind. „Die Welt ist so. Wir werden nicht zurück auf die Bäume gehen.“ (I1: 229f.) drückt es eine befragte Leitungsperson aus. Bezogen auf die Endgültigkeit des Wandels wird von einer gewissen Ohnmacht gesprochen, mit der Digitalisierungsprozesse eher beobachtet als gestaltet werden:

„Wir werden ja jetzt der Digitalisierung nicht davonschwimmen können. Es passiert sowieso und manchmal kommt mir vor, es passiert uns eher, als dass wir da mitgestalten. Aber das ist vielleicht auch ein bisschen die Eigenheit des Sozialbereichs“ (I7: 76f.).

Dadurch, dass die Digitalisierung dennoch als neuer Teil der Lebens- und Arbeitsrealität gesehen wird, wird in den Organisationen der WWH auch über die Zukunft und über Möglichkeiten, den digitalen Wandel zu nutzen, nachgedacht. Die Zugänge dazu sind unterschiedlich, in manchen Fällen gibt es Befürchtungen, dass aufgrund von Digitalisierung auch in der Sozialwirtschaft die menschliche Arbeitskraft durch digitale Technologien ausgetauscht oder zumindest ergänzt wird.

Einerseits wird betont, dass man den digitalen Wandel akzeptieren müsse, andererseits aber die Wichtigkeit hervorgehoben, dadurch nicht handlungsunfähig zu werden:

„Also wir werden uns damit arrangieren müssen. Wir müssen schauen, wie wir das bestmöglich machen, dass wir die Qualität unserer Angebote aber nicht verlieren und dass wir unsere Arbeitsplätze nicht verlieren. Genau, mitmachen bevor es zu spät ist. Das ist, glaube ich, die Devise.“ (I8: 478f.) Als eine Möglichkeit, handelnd tätig zu werden, wird die Vernetzung zwischen unterschiedlichen sozialwirtschaftlichen Organisationen im Handlungsfeld Wohnungslosenhilfe gesehen. Damit sollen Diskussionen und Kooperationen entstehen, die durch den fachlichen Austausch entstehen.

„Es ist noch viel zu tun! Ganz, ganz viel zu tun. Ich mein, eh super, aber ich habe manchmal so das Gefühl, dass wir als kleine Einrichtung, das geht nicht, das können wir nicht machen (lacht), weil sonst wär gut einfach mal/

also ich überlege, so ein bisschen in Richtung: wie wäre das, wenn wir mal in der WWH zumindest in Wien sowas wie den Frauenarbeitskreis der BAWO, so einen Digitalarbeitskreis anleiern, oder so. Wo dann alle Einrichtungen sich vernetzen mit dem speziellen Thema.“ (I1: 346f.)

Resümierend kann gesagt werden, dass die interviewten Leitungspersonen Digitalisierung als zentrales Thema sehen, aber dass dennoch keine Einigkeit darüber vorherrscht, wie auf den digitalen Wandel reagiert werden soll.

Organisationsinterne Digitalisierungsstrategien werden angesprochen, aber sind (noch) nicht in der Umsetzung. Obwohl Unsicherheit darüber herrscht, wie und ob die Sozialwirtschaft den digitalen Wandel mitgestalten kann, zeigt sich, dass das Interesse an Vernetzung und an der Erhaltung der fachlichen Standards groß ist.