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Die internationale Konferenz über Arbeitslosigkeit über Arbeitslosigkeit

öffentlichen deutschen Arbeitsnachweise

24. Die internationale Konferenz über Arbeitslosigkeit über Arbeitslosigkeit

Johannes Feig

Vom 18. bis 21. September tagte in Paris eine internationale Konfe-renz, die nach dem Vorgange einer früheren Konferenz in Mailand (1906), aber ungleich besser organisiert und vorbereitet, die Bekämp-fung der Arbeitslosigkeit zum Gegenstande ihrer Beratungen erwählt hatte. Die erste Initiative war ausgegangen von dem bekannten Vater des "Genter Systems" der Arbeitslosenversicherung, Louis Varlez. Er bildete ein zunächst außer ihm rein französisches Initiativkomitee, das gelegentlich der Pariser Tagung des Internationalen Statistischen Insti-tuts 1909 zu verschiedenen ausländischen, darunter auch deutschen, Statistikern und Sozialpolitikern in Beziehung trat. Auf Grund dieser Vorbesprechungen bildeten sich nationale Komitees zur Vorbereitung der für 1910 geplanten Konferenz und so auch ein deutsches, das den Vorsitzenden des Verbandes Deutscher Arbeitsnachweise, Dr. Freund, zu seinem Vorsitzenden wählte. Um die Vorbereitung der Pariser Konferenz, die auch äußerlich glänzend verlief, hat sich Dr. Max La-zard-Paris besonders verdient gemacht.

Das Initiativkomitee hatte der Konferenz folgende Aufgaben gestellt:

Es sollten von allen nationalen Komitees Berichte geliefert werden 1.

über Arbeitslosenstatistik, 2. über Arbeitsnachweis, 3. über Arbeitslo-senversicherung, und zwar insbesondere über die Kontrolle der Ar-beitslosigkeit in den verschiedenen Arbeitslosenkassen. Ferner sollte für jedes Land ein Gesamtbericht über die vorhandenen Einrichtungen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gegeben werden.

Für die drei erstgenannten Punkte bestellte das Initiativkomitee Gene-ralberichterstatter, welche allein in der Konferenz ihre Bericht münd-lich vortragen sollten. Hauptgegenstand der Beratungen sollte endmünd-lich sein die Frage der Schaffung einer dauernden internationalen Organi-sation zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.

Um den letzten Punkt vorwegzunehmen, sei bemerkt, daß die Pariser Konferenz in der Tat mit der Begründung einer "Internationalen Ver-einigung zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit" endete. In die Satzun-gen der neuen Vereinigung wurde aber, nicht zum wenigsten auf

Betreiben der deutschen Vertreter, die Bestimmung aufgenommen, daß sie mit der Internationalen Vereinigung für gesetzlichen Arbeiter-schutz, dem Internationalen ständigen Komitee für Arbeiterversiche-rung und anderen verwandten Vereinigungen enge Fühlung nehmen und namentlich auch mit ihnen über Datum und Tagungsordnung der Konferenzen sich verständigen soll. Damit wird einer Zersplitterung und einem unfruchtbaren Aneinandervorbeiarbeiten dieser Vereini-gungen, die nicht nur ähnliche Ziele verfolgen, sondern teilweise auch aus denselben Personenkreisen heraus beschickt werden, hoffentlich vorgebeugt werden. Für Deutschland insbesondere wird durch die Person des Komiteevorsitzenden auch ein Zusammenwirken mit dem Verband Deutscher Arbeitsnachweise ermöglicht werden.

So sind schon die Vorarbeiten der Pariser Konferenz im wesentlichen vom Verband Deutscher Arbeitsnachweise erledigt worden, der auch den deutschen Bericht über den öffentlichen Arbeitsnachweis erstattet hat. Über die Arbeitslosenstatistik berichtete Silbergleit, über die Handhabung der Kontrolle in der Arbeitslosenversicherung Most, über den gegenwärtigen Stand der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in Deutschland der Verfasser dieses Aufsatzes. Außerdem hatte die Ge-neralkommission der freien Gewerkschaften zwei besondere Berichte erstattet, enthaltend Vorschläge zur Regelung der Arbeitsvermittelung und solche zur Organisation der Arbeitslosenversicherung. Außer die-sen deutschen Berichten seien die drei Generalberichte genannt: Über die Frage des Arbeitsnachweises berichtete Schiavi-Mailand, über die Arbeitslosenstatistik Westergaard-Kopenhagen, über die Kontrolle der Arbeitslosigkeit bei der Versicherung Falkenburg-Amsterdam. Die Gesamtzahl der offiziellen Konferenzberichte betrug 49. In ihnen liegt zweifellos der Hauptwert der Konferenz, und dahinter tritt die Bedeu-tung der mündlichen Erörterungen zurück, obwohl auch in diesen mancherlei wichtige Gesichtspunkte, Übereinstimmungen und Gegen-sätze zutage traten, und sie einen wertvollen Meinungsaustausch zwi-schen den Fachleuten anbahnten.

(…)

Über die Entwicklung des öffentlichen Arbeitsnachweises im Auslan-de hat jüngst Dominicus auf Auslan-dem Breslauer Arbeitsnachweiskongreß unter Benutzung der Pariser Konferenzberichte gesprochen, es möge daher das bisher Angedeutete genügen. Die Pariser Konferenz hat ge-zeigt, daß der öffentliche, paritätische Arbeitsnachweis überall da

be-rufen ist, eine besondere Rolle zu spielen, wo in der einen oder ande-ren Weise dem Problem der Arbeitslosenversicherung nähergetreten wird. In Dänemark, wo sich die eigenen Nachweise der Arbeitslosen-kassen anscheinend nicht bewähren, dürfte dieser Umstand zur Förde-rung der öffentlichen, paritätischen Nachweise führen. Von den Be-richten über die Kontrolle bei der Arbeitslosenversicherung betonen die Benutzung der öffentlichen Arbeitsnachweise als Kontrollstellen der von Most, der für Belgien von de Bruyne und de Clerck und na-mentlich der Generalbericht von Westergaard. Auch Beveridge be-zeichnete den öffentlichen Arbeitsnachweis als Voraussetzung der ge-planten englischen Arbeitslosenversicherung.

So ergab sich ein naher Zusammenhang der Arbeitsnachweisfrage mit dem wichtigsten Gegenstande der Konferenz, der Arbeitslosenversi-cherung. Denn war das Thema auch eigentlich nur die Frage der Kon-trolle, so wuchs sich die Erörterung doch naturgemäß zu einer solchen über die Grund- und Organisationsfragen der Arbeitslosenversiche-rung aus.

Über die Notwendigkeit scharfer Begriffsbestimmung der zu versi-chernden Arbeitslosigkeit, die auch der Verfasser in seinem Berichte versucht hatte, sprach sich in interessanten Ausführungen Ed. Fuster aus, der bekannte Generalsekretär des ständigen internationalen Komi-tees für Arbeiterversicherung. Auf Grund scharfer Abgrenzungen von der Arbeitslosigkeit wegen Arbeitsunfähigkeit und von der gewollten Arbeitslosigkeit aus gewerkschaftlichen Gründen und aus eigenem Verschulden hält er für durchaus möglich die obligatorische Versiche-rung der Arbeitslosigkeit aus Arbeitsmangel. Noch ein anderer Fran-zose, Professor Raoul Jay, bekannte sich in temperamentvollen Aus-führungen zum Versicherungszwange, der übrigens durchaus nicht die Beseitigung der gewerkschaftlichen Arbeitslosenversicherung bedeu-te. Verfasser dieses Aufsatzes hatte für die internationale Arbeiterver-sicherungskonferenz, die ebenfalls im September 1910 in Haag tagte, über Stand und Aussichten der Arbeitslosenversicherung in Deutsch-land berichtet und dabei gegenüber dem Gedanken einer freiwilligen Reichsarbeitslosenversicherung ausgeführt, daß, von anderen Gründen abgesehen, in Deutschland, dem Lande der Zwangsversicherungen, eine vom Staat organisierte, freiwillige Arbeitslosenversicherung, die nur einen kleinen Teil der Versicherungsbedürftigen erfassen würde, von vornherein allgemeiner Verurteilung sicher wäre. Die Möglichkeit

einer Zwangsarbeitslosenversicherung wird jedoch vom Verfasser aus einer Reihe von Gründen sehr skeptisch beurteilt. Auf der Pariser Konferenz fand jedoch der Versicherungszwang außer den schon ge-nannten noch weitere Befürworter, so Most, der sich für gemeindliche Kassen mit Beitrittszwang aussprach, und den Sekretär der französi-schen Maschinenbaugewerkschaft, Cupat. Leider wurde von keiner Seite der Plan der englischen Regierung erörtert, der auf eine Zwangsversicherung für drei wichtige Industrien zielt, und dessen Durchführbarkeit noch recht problematisch erscheint. Die Mehrzahl der Redner, die in Paris zum Wort kamen, erklärte sich gegen den Versicherungszwang und für Unterstützung der gewerkschaftlichen Arbeitslosenkassen (Genter System), darunter von deutscher Seite der Gewerkschaftsvertreter Umbreit und der Mitarbeiter an dem Zu-schußplane der Stadt Charlottenburg, Badtke. Die Heranziehung der Unternehmer zu Beiträgen wünschen Zacher, der wenigstens für die aus der Konjunktur entspringende Arbeitslosigkeit die Zwangsgenos-senschaften der Unternehmer haften lassen will, und Goldschmidt, der Vertreter der H.-D. Gewerkvereine. Irgendeine Beschlußfassung oder auch nur Feststellung einer überwiegenden Meinung fand nicht statt, sollte auch nicht stattfinden, und die neue internationale Vereinigung wird noch manche Tagungen aufzuweisen haben, ehe die Frage der Arbeitslosenversicherung, die in das innerste Gefüge unserer Wirt-schaftsordnung eingreift, als gelöst betrachtet werden kann.

Der Arbeitsmarkt. 14. Jahrgang, Nr. 3, 20. Dezember 1910, Sp. 224–

229.

25. Die Stellung des Deutschen Städtetags

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