• Keine Ergebnisse gefunden

des öffentlichen Arbeitsnachweises

47. Arbeitsnachweise für Frauen

Der Arbeitsnachweis in Deutschland. 5. Jahrgang, Nr. 1, 15. Oktober 1917, S. 1-3.

47. Arbeitsnachweise für Frauen

Käthe Gaebel

Große, nach Umfang und Inhalt gesteigerte Aufgaben erwachsen den Arbeitsnachweisen für Frauen in Gegenwart und vielleicht noch mehr in Zukunft. Während man vor dem Kriege annahm, daß ein Drittel al-ler Erwerbstätigen Frauen waren, schätzt man ihren Anteil jetzt auf mehr als die Hälfte. Schon seit längerer Zeit übersteigt z. B. bei den Groß-Berliner Krankenkassen die Zahl der Frauen nicht unerheblich die der Männer. Der Anteil der Frauen am Erwerbsleben wird voraus-sichtlich auch in Zukunft erheblich höher bleiben als vor dem Kriege.

Aber nicht nur die absolute Zunahme der Frauen im Arbeitsleben der Völker, sondern auch die gewaltigen Umschichtungen beim Übergang aus der Kriegs- in die Friedensarbeit, die teils zu umfangreichen Rückwanderungen der in die Kriegsindustrie übergegangenen Arbeite-rinnen, teils zu erneutem auch zwischenörtlichem Wechsel der Ar-beitsstellen führen wird, erfordern ein leistungsfähiges Arbeitsnach-weiswesen auch für die Frauen, das imstande ist, sich Überblick über einen weiteren Markt zu verschaffen, die Arbeiterinnen dorthin zu lei-ten, wo sie gebraucht werden, und sie von zwecklosen Hin- und Her-reisen, namentlich von ungesunder und durch die Lage des Arbeits-marktes nicht gerechtfertigter Zuwanderung in die Großstädte abzu-halten. Die Kriegsnöte haben zu zahlreichen Verpflanzungen von Ar-beiterinnen, zur Lösung wertvoller Verbindungen an Familie, Heimat, festgefügte Sitte gezwungen; diese Umschichtung war ein schwerer Raubbau an der sittlichen Kraft unseres Volkes. Und doch kamen hier die Frauen wenigstens in feste, gut gelohnte Arbeit, - wie aber, wenn dieser Wanderstrom sich von neuem ziellos ergießt, den Frauen aber nicht Arbeit, sondern Arbeitslosigkeit zuteil wird?

Die Arbeitsvermittlung für Frauen ist in mehr als einer Hinsicht ein besonders schwieriges Problem. Strebt der fortgeschrittene Arbeits-nachweis schon für die Männer nach einer sorglichen Behandlung des Einzelfalls, um Arbeitgeber und Arbeiter wirklich zu befriedigen und den richtigen Mann an die richtige Stelle zu bringen, so ist diese ver-feinerte Art der Arbeitsvermittlung völlig unentbehrlich für Frauen.

Der Mann weiß, wenn er auf den Arbeitsnachweis kommt, genau, welche Arbeit er annehmen will und kann; die Frau sucht, wenn man von der verhältnismäßig kleinen Gruppe der Facharbeiterinnen ab-sieht, „Arbeit“ schlechthin. Darum braucht sie eine Arbeitsberatung, die auf ihre körperliche Eignung, Familienverhältnisse, Wohnort, frü-here Tätigkeit und Art der Beschäftigung Rücksicht nimmt. Ein gut Teil der vielbeklagten Unstetigkeit der Arbeiterinnen, die unserer Volkswirtschaft alljährlich viele Tausende kostet, ist auf die wahllose Übernahme ungeeigneter Beschäftigung zurückzuführen, und die Er-fahrung zeigt, daß eine sorgsam durchgeführte Einzelvermittlung die Stetigkeit hebt.

Unentbehrlich ist auch ein guter Arbeitsnachweis, der wirklich die Lage des Arbeitsmarkts überschaut und imstande ist, neue Arbeits-möglichkeiten aufzudecken, für die Durchführung einer Erwerbslo-senfürsorge für Frauen; die so schwierige Prüfung der Arbeitswillig-keit, die Geltendmachung der Pflicht zur Arbeit und die Kontrolle kann nur durch den Arbeitsnachweis geleistet werden. Bei mangelhaf-ter Durchführung dieser Maßnahmen wird nicht nur sehr viel Geld zwecklos verschwendet, es wird auch die Eigenschaft, auf der der Wiederaufbau unserer Volkswirtschaft ruht, das Selbstverantwor-tungsgefühl und der Wille, sich selbst zu helfen, in weiten Kreisen ge-lähmt.

Mit all diesen Aufgaben hat der Ausbau der weiblichen Abteilung des öffentlichen Arbeitsnachweises bis jetzt noch nicht Schritt gehalten.

Keine der verschiedenen Bundesratsverordnungen und Verordnungen gedenkt auch nur mit einem Wort der besonderen Bedürfnisse der Frauen; lediglich die Erlasse des Kriegsamts suchen eine vermehrte Leistungsfähigkeit der Frauen herbeizuführen. Tatsache ist, daß weder die Zahl, noch die Güte der Arbeitsnachweise für Frauen ausreicht, um den gesteigerten Anforderungen der Übergangswirtschaft zu ge-nügen. Wohl hat eine Reihe von einsichtigen Stadtverwaltungen, un-terstützt durch Kriegsamtsstellen und Arbeitsnachweisverbände, die neuerdings einen besonderen Ausschuß für die mit den Arbeitsnach-weisen für Frauen zusammenhängenden Fragen gebildet haben, den weiblichen Abteilungen ihrer Arbeitsnachweise größere Aufmerk-samkeit geschenkt und erhebliche Verbesserungen vorgenommen.

Mehrere Arbeitsnachweisverbände, so der schlesische, märkische u. a.

bemühen sich, durch Fortbildungskurse die fachliche Bildung der Be-amtinnen zu heben. Aber der große Durchschnitt unserer Arbeits-nachweise für Frauen befindet sich auf einem erschreckend niederen Stand, und Gemeinde- und Kreisverwaltungen stehen der Frage mit völliger Verständnislosigkeit gegenüber. Es ist kaum begreiflich, wie wenig diesen Stellen die durch den Krieg grundlegend veränderte Stellung der Frauenarbeit zum Bewußtsein gekommen ist.

Gute Arbeitsnachweise für Frauen erfordern Geld, tüchtiges, sozial und fachlich geschultes Personal und eine Stellung dieses Personals innerhalb des Beamtenkörpers, die einer selbstständigen Initiative und

freien Betätigung Raum läßt. Solange man aus fiskalischen Gründen, und auch vielleicht, weil sie bequemer ist, die untergeordnete Bürohil-fe, die sich vielleicht in der Bezugsscheinstelle bewährte, für genü-gend hält und diese Kraft ohne jegliche Schulung auf die arbeitsu-chende weibliche Menschheit losläßt, kann sich nichts anderes erge-ben als eine rein schematische Verbindung des Arbeitgebers A mit der Arbeiterin B. Zahlreiche Nachweise sind noch heute, wie vor dem Kriege, in erster Linie Stellenvermittlungen für Dienstboten. Es wäre nicht uninteressant, festzustellen, wieviel Arbeitsnachweisbeamtinnen wohl systematisch die Betriebe ihres Bezirks besichtigt haben, um sich einen Einblick in die Arbeitsverhältnisse und die Art der Arbeit zu verschaffen. Die Schreiberin dieser Zeilen hat mit den Arbeits-nachweisleiterinnen großer westdeutscher Industriestädte gesprochen, die noch nie in einen Betrieb hineingeschaut hatten.

Da die Personalfrage das A und O jeder Besserung des Arbeitsnach-weises ist, muß die Schaffung eines geordneten Bildungsganges, in dem bestimmte technische, fachliche und allgemein soziale Vorkennt-nisse gegeben werden, am besten im Anschluß an einen guten Ar-beitsnachweis, dringend gefordert werden. Die sozialen Frauenschulen wenden neuerdings dieser Aufgabe ihre besondere Aufmerksamkeit zu; daneben ist zu versuchen; namentlich für die Fachabteilungen Frauen zu gewinnen, die aus dem in Frage kommenden Gewerbe stammen.

Besonderes Gewicht ist auf die Weiterbildung der schon im Dienst stehenden Beamtinnen zu legen. Die Versuche, die einige Arbeits-nachweisverbände und Kriegsamtsstellen mit ein- bis vierwöchigen Kursen gemacht haben, zeigen zwar, daß solche kurzfristigen Kurse nur ein dürftiges Aushilfsmittel sind, daß sie aber doch, namentlich wenn sie öfter wiederholt werden, manche Anregung geben, manche technische Kenntnis vermitteln und vor allem das oft völlig mangeln-de Verständnis für die volkswirtschaftliche und soziale Bemangeln-deutung mangeln-der Arbeitsnachweise fördern können. Erfreulicherweise hat das Krieg-samt für all, diese Ausbildungszwecke Mittel zur Verfügung gestellt.

Der Ausbau eines guten Arbeitsnachweises kostet Geld. Unter Um-ständen kann es sogar erforderlich sein, den Etat für die weibliche

Ab-teilung höher als den für die männliche einzusetzen, da nicht nur man-cherorts die weibliche Abteilung mehr Vermittlungen tätigt als die männliche, sondern auch die Ausstattung der Räume für Frauen gefäl-liger sein muß, will man nicht gerade die besseren Elemente abstoßen.

Vor allem muß für die Frauenabteilungen, die sich erst einführen müs-sen, eine umfangreichere Werbung entfaltet werden. Um Klarheit in die geldlichen Bedürfnisse und Aufwendungen zu bringen, empfiehlt es sich, die Etats für die weiblichen Abteilungen gesondert aufzustel-len.

Erst eine fachliche Gliederung ermöglicht es dem Arbeitsnachweis, eine Tätigkeit, die dem Einzelfall gerecht wird, zu entfalten. Wenn zahlreiche, selbst großstädtische Arbeitsnachweise für Frauen dieser Grundlagen entbehren und in friedlichem Durcheinander Dienstboten, gewerbliche und landwirtschaftliche Arbeiterinnen, kaufmännische Angestellte vermitteln, so ist ihnen von vornherein die Möglichkeit einer inneren - und damit auch äußeren - Entwicklung beengt. Sie ge-langen nie dazu, die höher qualifizierten Kräfte zu gewinnen, die mit Recht eine ihrer fachlichen Vorbildung entsprechend spezialisierende Behandlung verlangen. Damit verlieren die Nachweise aber auch die besseren Stellenangebote und bleiben auf die Vermittlung von Dienst-boten und der unteren Schicht ungelernter Arbeiter beschränkt. In größeren Orten sollten für die Fachabteilungen eigene paritätische Fachausschüsse eingerichtet werden, um die so notwendige Fühlung-nahme mit Arbeitgebern und -nehmern herzustellen. Nicht immer läßt sich namentlich in Klein- und Mittelstädten, eine weitgehende Gliede-rung ermöglichen; dann kann man - wie das für einzelne Berufszweige auch von größeren Arbeitsnachweisen üblich ist, ohne Schaden den Ausweg wählen, die Frauen durch die entsprechende männliche Ab-teilung gehen zu lassen.

Dieser Weg hat überhaupt da den Vorzug, wo wegen der Kleinheit der Verhältnisse sich die Einstellung einer eigenen hauptberuflich tätigen Beamtin und Schaffung einer selbständigen Frauenabteilung nicht lohnt; es wird im allgemeinen zweckmäßiger sein, die Vermittlung der Frauen, vielleicht in besonderen Dienststunden, dem Verwalter der männlichen Abteilung zu übertragen, der ohnehin schon Überblick und Erfahrung hat, als eine nebenamtliche weibliche Kraft

anzustel-len; nur muß auch hier in Verwalterkonferenzen oder besonderen Kur-sen dafür gesorgt werden, daß die männlichen Beamten Verständnis für die besonderen Probleme der Arbeitsvermittlung für die Frauen gewinnen.

Die Arbeitsnachweisfrage läßt sich nicht allein durch große gesetzge-berische Maßnahmen lösen. Entscheidend ist die solide Kleinarbeit an tausend Stellen. Ehe nicht in die deutsche Stadt- und Kreisverwaltun-gen, in die Arbeitsnachweise selbst das Verständnis für die großen volkswirtschaftlichen Aufgaben der Arbeitsnachweise einzieht, ehe nicht die bürokratische Stickluft durch einen frischen sozialen Wind vertrieben wird, bleiben die schönsten Verordnungen von oben herab ein Stück bedrucktes Papier. Der Buchstabe tötet; aber der Geist macht lebendig.

Soziale Praxis und Archiv für Volkswohlfahrt. 27. Jahrgang, Nr. 21, 21. Februar 1918, Sp. 316-318.

48. Der bayrische Ministerialerlaß betreffend

Outline

ÄHNLICHE DOKUMENTE