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Der Ausbau der öffentlichen Arbeitsnachweise in Deutschland. Arbeitsnachweise in Deutschland

Bemerkungen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit

20. Der Ausbau der öffentlichen Arbeitsnachweise in Deutschland. Arbeitsnachweise in Deutschland

In Gewerkschaftskreisen hat man sich jetzt fast allgemein zu der Auf-fassung durchgerungen, daß der Arbeitsnachweis aus der Reihe der Kampfesmittel auszuscheiden habe. Diese Wandlung ist nicht etwa ein Zeichen der Schwäche, sondern im Gegenteil ein Zeichen des er-starkten Machtbewusstseins. Nachdem Herr Dominicus in seinem auf der Leipziger Konferenz vorgelegten Entwurf (neue Fassung) die pari-tätischen Arbeitsnachweise als gleichwertig mit den kommunalen an-erkannt wissen will (in der früheren Fassung fehlte dies), liegt für die Gewerkschaften wenig Grund mehr vor, sich gegen dessen Vorschlä-ge zu wenden.

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Correspondenzblatt der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands. 19 Jahrgang, Nr. 2, 9. Januar 1909, S. 17-19.

20. Der Ausbau der öffentlichen Arbeitsnachweise in Deutschland.

Eine dringliche nationale Forderung

Alexander Dominicus

Vor einem Jahre hatte ich in Leipzig auf dem Kongreß der deutschen Arbeitsnachweise ein Referat über die Aufgaben von Reich, Staat und

Gemeinden gegenüber dem Arbeitsnachweise zu erstatten. Ich habe damals vorgeschlagen den Erlaß eines Reichsgesetzes für den Ar-beitsnachweis. Durch dieses Gesetz sollte ein Zwang zur Errichtung öffentlicher Arbeitsnachweise in allen größeren Gemeinden aussprochen und damit die allmähliche Abschaffung sowohl der ge-werbsmäßigen als der Interessenten-Arbeitsnachweise verbunden werden. Diese Gesetzgebung sollte also eine Konzentration des Ar-beitsmarkts bei den öffentlichen Arbeitsnachweisen für das ganze Deutsche Reich unter der einheitlichen Aufsicht eines Reichsar-beitsamtes zur Folge haben.

Gegen diese Vorschläge hat sich damals vielfach Widerspruch erho-ben, besonders in Norddeutschland. Man war in weiten Kreisen der Meinung, daß es zunächst Aufgabe der öffentlichen Arbeitsnachweise sei, weiterhin wie bisher aus eigener Kraft die Ausdehnung ihrer Vermittlungstätigkeit zu erstreben. Ein Eingreifen der öffentlichen Gewalten wurde nur insoweit für erforderlich gehalten, als die Ab-schaffung der gewerbsmäßigen Vermittlung in Betracht käme. In die-ser Hinsicht hat denn auch der Vorstand des Verbandes deutscher Ar-beitsnachweise inzwischen eine Denkschrift ausgearbeitet und dem Reichsamt des Innern übersandt. Weiter hat der Vorstand des genann-ten Verbandes eine Resolution beschlossen, worin er die Regierungen der einzelnen Staaten ersucht um eine bessere pekuniäre Förderung der Arbeitsnachweise und diese Forderung des Deutschen Verbandes ist von Abg. Dr. Flesch bei den Budgetberatungen im Frühjahr im preußischen Abgeordnetenhause vertreten worden. Ein Erfolg dieser Resolution ist allerdings bisher nicht zu verzeichnen.

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Während wir somit in Deutschland in diesem Jahre auf dem Gebiete der Organisation des öffentlichen Arbeitsnachweises kaum etwas vorwärts gekommen sind, hat das Ausland im letzten Jahre sich der Frage der Arbeitsvermittlung tatkräftig angenommen. Zunächst hat die Schweiz, deren kommunale Arbeitsämter schon seit 2 - 3 Jahren das süddeutsche Prinzip der interlokalen Stellenvermittelung durch Va-kanzenlisten und Telephonverkehr nachgeahmt haben, einen Parla-mentsbeschluß zustande gebracht, durch den seitens des Staates der interlokale Verkehr der öffentlichen Arbeitsnachweise einheitlich ge-regelt und subventioniert wird.

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Der Schluß, der aus allen diesen Betrachtungen über die Entwicklung im Auslande gezogen werden muß, ist für uns Deutsche zu gleicher Zeit ein erfreulicher und betrübender. Erfreulich insofern, als die Prin-zipien, die für die Organisation und Verwaltung der öffentlichen Ar-beitsnachweise in Deutschland in den letzten 15 Jahren in gemeinsa-mer Arbeit von Praxis und Theorie ausgearbeitet worden sind, sich der weitesten Anerkennung zu erfreuen beginnen. Betrübend aber ist der Eindruck, daß wir Deutsche es bisher noch nicht fertig gebracht ha-ben, aus der Masse der auf gesunder Grundlage geschaffenen einzel-nen öffentlichen Arbeitsnachweise in Deutschland ein einheitliches nationales System der Arbeitsvermittlung zu vollenden. In der Tat, wenn man das energische Vorgehen des Auslandes auf diesem Gebie-te betrachGebie-tet, so kann die Befürchtung nicht von der Hand gewiesen werden, daß das Ausland unter Benutzung unserer Erfahrungen viel-leicht früher zu einem fertigen Ganzen in der Organisation der öffent-lichen Arbeitsvermittlung gelangen wird als wir, die Erfinder und Ausbilder diese Systems selbst.

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Nachwort der Redaktion. Wir wollen nicht unterlassen diese Anre-gung und Forderung auf das Nachdrückliche zu unterstützen. Schon vor 10 Jahren hatte ein leider damals an dem Widerstand von rechts und links im Reichstag gescheiterter Antrag Pachnicke-Rösicke Aus-bau und Regelung der Arbeitsvermittlung auf paritätischer Grundlage von Reichswegen gefordert. Heute aber ist ein Eingreifen der Gesetz-gebung und Verwaltung erst recht notwendig: denn der Staat hat selbst das größte Interesse daran, daß der Nachweis von Arbeitsgelegenheit weder zu einer Ausbeutung der Arbeitslosen durch die private, ge-werbsmäßige Vermittlung noch zu einer Bedrückung des Arbeitsu-chenden durch die Nachweise der Großindustrie benützt wird. Es ist eine Forderung der öffentlichen Wohlfahrt, daß Arbeit rasch, billig, zweckmäßig, frei von Nebenzwecken, nur um ihrer selbst willen ver-mittelt wird. So wertvoll und erfreulich an sich die Fortschritte der freiwilligen Errichtung von gemeinnützigen Arbeitsnachweisen sind, die ihre stärkste Stütze bei einsichtigen Gemeindeverwaltungen fin-den, so reichen sie nicht aus, die Mißstände in der gewerbsmäßigen Vermittlung auszurotten, und versagen gegenüber den ungeheuren Machtmitteln der festgeschlossenen Unternehmerverbände in den

wichtigsten Großindustrien, die den Arbeitsnachweis in die Hand nehmen, um die Arbeiterschaft sich gefügig zu machen.

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Soziale Praxis. Zentralblatt für Sozialpolitik, 19. Jahrgang, Nr. 5, 4.

November 1909, Sp. 105-109.

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