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Aufgaben des weiblichen Arbeitsnachweises

öffentlichen deutschen Arbeitsnachweise

42. Aufgaben des weiblichen Arbeitsnachweises

Josephine Levy-Rathenau (…)

Es unterliegt aber keinem Zweifel, daß dem Ausbau und der Neu-schaffung gemeinnütziger weiblicher Arbeitsnachweise jetzt eine weit größere Bedeutung denn je zuvor zukommt, denn nach den Statistiken im „Reichs-Arbeitsblatt“ hat die Frauenerwerbstätigkeit vom Februar 1915 bis November 1915 eine Zunahme von rund 731.000 Personen, also fast ¾ Millionen, erfahren. Diese außerordentlich starke Zunahme hat ihre Ursachen gleichweise in der Notwendigkeit, Frauen als Ersatz für die zum Heeresdienst einberufenen Männer zu verwenden, als auch in dem starken Erwerbsbedürfnis der Kriegerfrauen und Krie-gerwitwen, sowie anderer durch den Krieg in wirtschaftliche Be-drängnis geratener Frauen, die namentlich auch infolge der Teuerung gezwungen sind, durch eigene Erwerbsarbeit zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen. Gewiß werden bei Friedensschluß tausende die-ser jetzt erwerbstätigen Frauen die nur vertretungsweise und vorüber-gehend aufgenommene Arbeit wieder aufgeben und von dem Ein-kommen des gesund heimgekehrten Mannes erhalten werden können, aber es muß doch auch mit den großen Frauenscharen gerechnet wer-den, die vielleicht für immer, zum mindesten aber für geraume Zeit nach dem Friedensschluß an Stelle der gefallenen, kriegsbeschädigten und gesundheitsgeminderten Männer Familienerhalterinnen werden müssen.

Um diese Frauen an eine geregelte Arbeitsvermittlung zu gewöhnen und die schweren Schädigungen, die dem Arbeitsmarkt aus der Inan-spruchnahme gewerbsmäßiger privater Arbeitsvermittlungsstellen o-der dem Erlangen von Arbeit durch Umschau erwachsen, zu verhüten, müssen die gemeinnützigen öffentlichen und privaten Arbeitsnach-weise so ausgestaltet werden, daß sie wirklich in der Lage sind, zweckentsprechend zu wirken. Deshalb ist es in erster Reihe notwen-dig daß die Vermittlungstätigkeit in die Hände fachlich geschulter Be-amten oder Beamtinnen gelegt wird, die für diese Arbeit vorgebildet sind und auch über genügend soziales Verständnis verfügen, um die Einzelbedürfnisse der weiblichen Arbeitsuchenden berücksichtigen zu

können. Es ist deshalb unzweckmäßig, wenn, wie es jetzt häufig ge-schieht, Frauen, die früher Gesindevermieterinnen waren und dem gewerblichen Leben ganz fern stehen, mit jeder Art von Arbeitsver-mittlung auch für ungelernte und gelernte Arbeiterinnen betraut wer-den, da diese Vermittlung ein gewisses Vertrautsein mit dem betref-fenden Arbeitsgebiet voraussetzt und bei höher geschulten gewerbli-chen und handwerksmäßigen Berufen am besten durch frühere Be-rufszugehörige, die selbstverständlich auch Menschenkenntnis und Verwaltungsumsicht besitzen müssen, erfolgt. Wo deshalb die Zahl der weiblichen gewerblichen Arbeitsvermittlungen so gering ist, daß die Anstellung eigener geschulter Beamtinnen für gesonderte weibli-che Abteilungen nicht ausreicht, sollte die Frauenvermittlung zweck-mäßig durch die männliche Fachabteilung erfolgen, die durch ihre Er-fahrungen imstande ist, die Arbeits- und Lohnverhältnisse richtig zu beurteilen. Freilich kommen bei der Eingliederung der Frauen in die Männerabteilungen die besonderen Frauenbedürfnisse, die unstreitig vorhanden sind, leicht etwas zu kurz und deshalb ist mindestens in großstädtischen Verhältnissen die Schaffung gesonderter weiblicher Abteilungen, die soweit als nur irgend möglich fachlich gegliedert werden sollten, erstrebenswert. Eine solche fachliche Gliederung muß die verschiedenen Industrien und innerhalb dieser wieder die Art der Arbeitsleistung, ferner das Alter der Arbeitsuchenden, d. h. die Ju-gendlichen, berücksichtigen. Die häuslichen Angestellten mit ihren von den Bedürfnissen der gewerblichen Arbeiterinnen weit abwei-chenden Verhältnissen sind gesondert von diesen zu behandeln.

Um den Arbeitsverhältnissen der weiblichen Erwerbsbedürftigen, be-sonders während des Krieges und später nach Friedenschluß gerecht werden zu können, müssen die Arbeitsnachweise auch der Arbeits-vermittlung von Ort zu Ort Beachtung widmen. Es wird ihre Aufgabe sein, nach Kräften gegen die Landflucht zu wirken und leichtfertige Annahme von Arbeit in der Stadt, die sich während des Krieges bietet, zu verhindern. Sowohl bei den weiblichen Jugendlichen, die in Scha-ren zur Stadt strömen, in der Hoffnung, dort z. B. Arbeit in Geschoß-fabriken zu finden, als auch bei den Kriegswitwen, die im Besitz ihrer Rente der Stadt zudrängen, in der sie leichten Zuverdienst erhoffen, muß der Arbeitsnachweis vorbeugend wirken und immer erneut vor der städtischen Zuwanderung warnen.

Er sollte dagegen nach Kräften bestrebt sein, den ländlichen Arbeitge-bern, die weibliche Arbeitskräfte verlangen, ihre Verpflichtung zu de-ren angemessener Unterbringung klarlegen und seinen Vermittlungs-dienst von sicheren Bürgschaften in dieser Richtung abhängig ma-chen. Ferner muß der Arbeitsnachweis, wenn anders es gelingen soll, der viel zu stark überhandnehmenden Heimarbeit zu steuern, den Ver-such machen, wenigstens die großbetrieblichen Arbeitgeber zur Be-reitstellung von Tageseinrichtungen zur Unterbringung vorschul-pflichtiger Kinder, Stillgelegenheiten, Krippen, Bewahranstalten usw.

anzuregen. Des weiteren wird, um jüngeren unverheirateten Arbeite-rinnen das Wohnen bei ihren Angehörigen zu erleichtern, auf Schaf-fung von günstigen Fahrgelegenheiten zu den Hauptarbeitsstätten und auf Gewährung von Fahrpreisermäßigung zu wirken sein.

Der weibliche Arbeitsnachweis muß in ganz anderem Umfange als der männliche daran denken, daß die Frau fester an ihre Wohnung und ih-re Familie gebunden ist, als im besondeih-ren der unverheiratete Arbei-ter, und daß eine zweckmäßige Verteilung der weiblichen Arbeitskräf-te nur dort erfolgen kann, wo man diesen besonderen Bedürfnissen Rechnung trägt.

Handelt es sich bei den bisher erwähnten Aufgaben um Maßnahmen, die jederzeit notwendig sind, so wird der Arbeitsnachweis bei Kriegs-beendigung noch besonders drängende Pflichten zu erfüllen haben.

Wie bereits erwähnt wurde, ist mit Sicherheit darauf zu rechen, daß sich das Erwerbsbedürfnis der zurzeit in regelmäßiger Arbeit stehen-den Frauen nicht so schnell vermindern kann, um alle diese Arbeits-kräfte zur Einnstellung der Arbeit zu veranlassen und dadurch große Arbeitsgebiete wieder völlig den heimkehrenden Männern frei-zugeben. In zahlreichen Fällen ist den Frauen aber bei ihrer Einstel-lung deutlich gesagt worden, daß es sich um Kriegsvertretung handelt, die bei Kriegsbeendigung ihren natürlichen Abschluß findet. Sie wer-den also ihre Plätze zu einer Zeit verlieren, in der die Erlangung neuer Arbeitsgelegenheit besonders schwierig sein wird.

So außerordentlich hoch man auch die Leistungsfähigkeit unseres Wirtschaftslebens einschätzen, so fest man auch an einen baldigen wirtschaftlichen Aufschwung glauben mag, man wird doch nicht

um-hin können, wenigstens in den ersten Monaten nach Kriegsbeendigung mit gewissen Erschütterungen des Wirtschaftslebens zu rechnen, die jedenfalls die Einstellung neuer Arbeitskräfte ungünstig beeinflussen müssen. Dazu kommt, daß zum gleichen Zeitpunkt die natürliche Ar-beitsteilung der Geschlechter, nach der die Frau im allgemeinen die körperlich leichter zu verrichtende Arbeit übernimmt, fast aufgehoben sein wird. Auf die gleichen, körperlich nicht gar zu anstrengenden Ar-beitsplätze werden nicht nur ein Teil der Kriegsbeschädigten, sondern auch viele solche Krieger Anspruch machen müssen, die zwar arbeits-fähig sind, aber doch nach den Anstrengungen des langen Feldzuges nicht sofort wieder ganz schwere Arbeiten verrichten können. Es wird und muß also eine außerordentlich gesteigerte Nachfrage nach körper-lich leichter sowie ungelernter Arbeit entstehen, da manche hochquali-fizierten Arbeiter auch ohne Kriegsbeschädigung zunächst nicht in ih-rem alten Fachgebiet unterkommen können und wenigstens vorüber-gehend auf anderen Gebieten sich zu betätigen suchen werden.

Sollen die Frauen infolge aller dieser für sie ungünstigen Umstände nicht zu unerträglich langer Arbeitslosigkeit verurteilt werden, so wird der Arbeitsnachweis versuchen müssen, sich schon jetzt über die mit den Frauen geschlossenen Anstellungsbedingungen zu unterrichten und außerdem überlegen müssen, in welcher Weise Massenentlassun-gen vorgebeugt werden kann. Vielleicht wäre es möglich, namentlich die staatlichen und städtischen Behörden zu Arbeitsstreckungen in noch weiterem Maße, als es jetzt schon im Webstoff- und Konfekti-onsgewerbe geschieht, zu veranlassen.

Schließlich müssen die Arbeitsnachweise auch Feststellungen darüber zu erlangen versuchen, auf welchen Gebieten sich die Frauen beson-ders bewährt haben, so daß sie diesen in größeren Mengen zugeführt werden können. Je eingehender der Arbeitsnachweis alle mit dem weiblichen Erwerbsleben zusammenhängenden Fragen beobachtet, je sorgfältiger er planloser, unüberlegter Arbeitsannahme entgegenwirkt, je sachverständiger alle seine Mitarbeiter die Entwicklung des Wirt-schaftslebens auch in seiner Wirkung auf die Frauenarbeit zu erfassen bemüht sind, um so größer wird der Nutzen für die Gesamtlage auf dem Arbeitsmarkte werden.

Soziale Praxis und Archiv für Volkswohlfahrt. Jahrgang 25, Nr. 27, 6.

April 1916, Sp. 617-620.

43. Angliederung paritätischer Facharbeitsnachwei-se an öffentliche ArbeitsnachweiFacharbeitsnachwei-se

Hermann Luppe

Die Kriegsverhältnisse haben in den weitesten Kreisen das Verständ-nis für die große Bedeutung starker öffentlicher Arbeitsnachweise und für die Zusammenarbeit aller nicht gewerbsmäßigen Arbeitsnachweise wesentlich gefördert. Letzterem Gedanken ist durch Ausdehnung der Meldepflicht und Schaffung von Zentralauskunfts- oder Ausgleichs-stellen Rechnung getragen, während ersterer bisher in der Hauptsache nur in der stärkeren Benutzung der öffentlichen Arbeitsnachweise zum Ausdruck gekommen ist. Dringend notwendig wäre auch eine Stär-kung der öffentlichen Arbeitsnachweise durch Verminderung der Zer-splitterung, das heißt durch feste Angliederung vieler Einzel-(Fachnachweise) an den öffentlichen (gemeindlichen oder gemeinnüt-zigen) Zentralarbeitsnachweis.

(…)

Daß die Zentralisierung nur langsam Fortschritte macht, liegt vielfach daran, daß es nicht gelingt, die richtige Form für die Angliederung zu finden, die einen gerechten Ausgleich der verschiedenen Interessen gewährleistet.

(…)

Eine Nichtberücksichtigung der bestehenden Besonderheiten würde die Angliederung vielfach des Erfolges berauben oder ständig neue Schwierigkeiten schaffen. Dagegen lassen sich m. E. gewisse Richtli-nien aufstellen, innerhalb deren eine gesunde Entwicklung möglich ist:

1. Notwendig ist für die Fachabteilung eine gewisse Selbständigkeit und Bewegungsfreiheit. Läßt man sie ganz im allgemeinen Nach-weis als untergeordnete Abteilung aufgehen, so geht zu leicht die Fühlung mit den beteiligten Organisationen verloren. Deshalb wird man jedenfalls bei allen größeren Arbeitsnachweisen für die Fach-nachweise besondere Verwaltungsausschüsse einsetzen müssen, die unter unparteiischem Vorsitz aus Vertretern der am Orte vertrete-nen Organisatiovertrete-nen ihrer Bedeutung entsprechend paritätisch zu-sammengesetzt sind; den Vorsitz wird am besten der Leiter des

öf-fentlichen Arbeitsnachweises oder ein Vertreter von ihm führen, jedenfalls muß dieser zu allen Sitzungen zugezogen werden.

(…)

2. Auf die Anstellung und Entlassung der Beamten (Leiter) der Fach-arbeitsnachweise wünschen namentlich die Gewerkschaften we-sentlichen Einfluß zu haben, sie verlangen meist für den Aus-schuß das Wahlrecht, oder wenigstens ein Vorschlagsrecht. Andererseits wird der Träger des ganzen Arbeitsnachweises (Gemeinde oder gemeinnützige Organisation) auf die maßgebende Entscheidung bei der Anstellung nicht verzichten können und dürfen; da es sich um Angestellte handelt, die dem Beamtenkörper des Trägers einzufü-gen, von ihm zu besolden und zu versorgen sind, muß er verlaneinzufü-gen, daß die organisatorischen und finanziellen Gesichtspunkte, die für die Anstellung der sonstigen Beamten maßgebend sind, auch für die Angestellten des Facharbeitsnachweises unbedingt berücksich-tigt werden. Der Angestellte darf auch nicht das Gefühl haben, daß er dem Ausschuß und nicht etwa der Leitung des gesamten Ar-beitsnachweises untersteht, er muß unparteiisch seines Amtes wal-ten können und sich als Glied des ganzen Organismus fühlen.

(…)

3. Von wesentliche Bedeutung ist noch die Frage der Vermittlungs-grundsätze, insbesondere hinsichtlich bestehender Tarifverträge und bezüglich der Zugehörigkeit zu bestimmten Organisationen.

Verlangt wird bei der Angliederung vielfach, daß nur zu den jewei-ligen Tarifbedingungen oder nur solche Arbeiter oder an solche Arbeitgeber vermittelt wird, welche bestimmten Organisationen angehören oder nicht angehören.

(…)

Hier wird man m. E. unterscheiden müssen. Ein öffentlicher Ar-beitsnachweis darf die Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer Organisation niemals zur Voraussetzung seiner Vermittlung machen; entschließt er sich aber bei einzelnen Facharbeitsnachwei-sen zur Vermittlung nur zwischen den Angehörigen bestimmter Organisationen, so muß er daneben in seinem allgemeinen Nach-weis für die übrigen Angehörigen des Gewerbes vermitteln, wenn er sich nicht eines unzulässigen Eingriffes in die Koalitionsfreiheit schuldig machen soll. Anders kann es sehr wohl bei der Vermitt-lung nur zu Tarifbedingungen liegen. Werden diese derart

allge-mein angewandt, daß sie als ortsüblich erscheinen, so kann auch der öffentliche Arbeitsnachweis sehr wohl eine Vermittlung zu an-deren, d. h. unangemessenen Löhnen ablehnen, da er auch ohne Ta-rifverträge Vermittlung zu Löhnen, die unter den ortsüblichen lie-gen, ablehnen wird; der öffentliche Arbeitsnachweis hat m. E. die Aufgabe, die Entwicklung geordneter Lohn- und Arbeitsverhältnis-se Arbeitsverhältnis-seinerArbeitsverhältnis-seits zu unterstützen und muß minderwertige Elemente in der Arbeiterschaft wie in der Arbeitgeberschaft von der Vermitt-lung ausschließen. Es wird danach ganz von der tatsächlichen Ges-taltung der Verhältnisse am einzelnen Ort und im einzelnen Ge-werbe abhängen ob bei Vermittlung nur zu den jeweiligen Tarifbe-dingungen an den Facharbeitsnachweisen auf eine Vermittlung zu anderen Bedingungen im allgemeinen Arbeitsnachweis völlig ver-zichtet werden kann.

4. Nicht gangbar erscheint endlich die Einführung des Benutzungs-zwanges, d. h. die Sperrung des Facharbeitsnachweises für solche Arbeitgeber oder Arbeiter, welche den Nachweis nicht ausschließ-lich benutzen. Solche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit des Einzelnen durchzuführen, ebenso wie den Beitritt zu einer Organi-sation, ist Sache der Verbände selbst, nicht Sache eines öffentlichen Arbeitsnachweises, der jedem offen stehen muß, der angemessene Arbeitsbedingungen gewähren oder annehmen will.

(…)

Der Arbeitsnachweis in Deutschland. 4. Jahrgang, Nr. 1, 20. Oktober 1916, S. 1-3.

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