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5.10 Diskussion der wichtigsten photochemischen Reaktionsprodukte

5.10.4 Charakterisierung eines aus dem Nitroso–Alkohol entstehenden Pro-

Bei den Bestrahlungen von T7C3-T und T7C4-T k¨onnen nach Retentionszeiten von 20.4 min bzw. 20.8 min Produkte beobachtet werden, deren UV–Signale relativ stark sind. Die UV–Spektren sind sich sehr ¨ahnlich und zeigen Maxima bei 377 nm, 260 nm und 219 nm, ein schwaches Maximum bei 289 nm und eine Schulter bei 302 nm. Zur genaueren Charak-terisierung wurde T7C4-T (6, 40 mg) in Methanol (50 mL) gel¨ost, die L¨osung bestrahlt, das L¨osungsmittel gr¨oßtenteils abgezogen, und der R¨uckstand mittels pr¨aparativer HPLC in seine Komponenten aufgetrennt. Danach wurde unter mehreren kleinen Fraktionen ei-ne Hauptfraktion isoliert. Die erhalteei-ne Substanz war mit dem bei 20.8 min eluierten Produkt in Abbildung 5.4 identisch, was UV-spektroskopisch und durch die sehr ¨ahnliche Retentionszeit best¨atigt wurde. Die Substanz wurde NMR-spektroskopisch6 (vgl. Abbil-dung 5.20) und massenspektrometrisch untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass es sich

5Die neuen Schutzgruppen fielen stets als Diastereomerengemische an.

6Signale im 1H–NMR–Spektrum (400 MHz, DMSO–d6) von123: δ11.24 (br. s, 1H, Thy–NH); 8.46 (dd, J = 8.1, 1.5 Hz, 1H, H–C(8)(Tx)); 8.15 (d, J = 2.0 Hz, 1H, H–C(1)(Tx)); 7.99–7.90 (m, 2H, H–C(5) und H–C(6)); 7.85–7.82 (m, 1H, H–C(5)(Tx)); 7.80–7.75 (m, 1H, H–C(6)(Tx)); 7.71–7.68 (m, 2H, H–C(4)(Tx) und arom. Thy–H); 7.61–7.56 (m, 1H, H–C(7)(Tx)); 7.54–7.46 (m, 2H, H C(3)(Tx) und H–C(4)); 6.21 (dd, J = 8.1, 0.7 Hz,H–C(3)); 6.17 (t, J = 6.8 Hz, 1H, Thy–1’–H);

5.20 (d, J = 4.2 Hz, 1H, Thy–5’–OH); 5.11 (d, J = 9.0 Hz, 1H, A–Teil eines AB–Spinsystems von

11.010.09.08.07.06.05.04.03.02.01.00

NO

OO

S O OHO O OH

N

NH

O O

+

Verbindung123undThymidinimVerh¨altnis3:4inDMSOd6

Abbildung 5.20: 400 MHz–NMR–Spektrum (aufgenommen in DMSO–d6) der durch pr¨apa-rative HPLC isolierten Hauptfraktion nach der Bestrahlung von T7C4-T. Die Fraktion besteht aus einem 4:3–Gemisch aus freiem Thymidin und dem Nitrosoprodukt 123. Die Integrale der Thymidin–Signale wurden zur Unterscheidung gestrichelt eingezeichnet.

um eine ca. 4:3–Mischung aus freiem Thymidin7 und der in Abbildung 5.21 dargestellten Verbindung123 handelt, f¨ur welche die theoretische Zuordnung der 1H– und13C–NMR–

Resonanzen ebenfalls in Abbildung 5.21 angegeben ist. Belege f¨ur diese Struktur liefern vor allem die aufgenommenen 2D–NMR–Spektren, in denen sich alle signifikanten H–H–

und H–C–Korrelationen mit der gezeigten Verbindung erkl¨aren lassen. Die wichtigsten Signale werden im folgenden diskutiert.

NO

Abbildung 5.21: Links: Zuordnung der NMR-Signale zu 123, einem der Hauptprodukte der kontinuierlichen Bestrahlungen der Substanz T7C4-T. Rechts: Darstellung der mit Gaussian 98 (B3LYP, Basissatz: 6-31G*) berechneten chemischen Verschiebungen der 1H– und 13C–

Resonanzen f¨ur 2-Ethylnitrosobenzol f¨ur den Fall, dass die Nitrosogruppe und das Aromaten-system in einer Ebene liegen. F¨ur die Berechnung danke ichAndreas Ehlers.

Bei 6.20 ppm wird ein ¨außerst Hochfeld–verschobenes aromatisches Proton beob-achtet. Dieses befindet sich in ortho–Position zur Nitrosogruppe, was eindeutig durch ein HMBC–Experiment best¨atigt werden konnte. ¨Ahnliche Verschiebungen wurden f¨ur das entsprechende Proton auch bei 2-(2-Nitrosophenyl)propan-1,2-diol (vgl. [50], S. 122) und bei 2-(2-Nitrosophenyl)ethan-1-ol8 erhalten. Außerdem geht aus einer Publikation von Bartoli et al. [169] hervor, dass bei n-Butyl–substituiertem Nitrosobenzol eine Aromaten–Resonanz zwischen 6.10 ppm und 6.35 ppm nur bei ortho–, nicht jedoch bei para–Substitution auftritt. Auch unsubstituiertes Nitrosobenzol9 zeigt nur Resonanzen zwischen 7.9 ppm und 7.2 ppm, nicht jedoch unterhalb von 7 ppm. Die Ursache f¨ur die Hochfeld–Verschiebung muss somit ein sterischer Effekt des Substituenten in ortho-Position zur Nitrosogruppe sein, durch den sie bevorzugt eine Konformation einnimmt, die eine elektronische Abschirmung sowohl des ortho–Wasserstoffkerns als auch des damit verbundenen Kohlenstoff–Kerns zur Folge hat. Dies wird auch durch eine quantenchemi-sche Berechnung der NMR–Signale best¨atigt (vgl. Abbildung 5.21, rechts).

Außerdem sind vier Peaks (bei 5.13 ppm, 5.10 ppm, 5.03 ppm und 5.01 ppm) eines AB-Spinsystems zu erkennen, die einer ”isolierten” Methylengruppe ohne vicinale Protonen zugeordnet werden m¨ussen. Da das ansonsten vorhandene Proton in benzylischer Position zum Nitro– bzw. hier Nitroso–Aromaten fehlt, liegt die Vermutung nahe, dass sich die

CHHO); 5.02 (d, J = 9.0 Hz, 1H, B–Teil eines AB–Spinsystems von CHHO); 4.99 (t, J = 5.2 Hz, 1H, Thy–3’–OH); 4.26–4.21 (m, 1H, Thy–3’–H); 3.78–3.74 (m, 1H, Thy–4’–H); 3.62–3.51 (m, 2H, 2 x Thy–5’–H); 2.77–2.62 (m, 2H, CH2Tx); 2.55–2.45 (m, 1H, CHHCH2CH2Tx); 2.32–2.20 (m, 1H, CHHCH2CH2Tx); 2.14–2.01 (m, 2H, Thy–2’–H); 1.97–1.83 (m, 1H, CH2CHHCH2Tx); 1.77 (s, 3H, Thy–CH3); 1.52–1.39 (m, 1H, CH2CHHCH2Tx).

7Das Thymidin konnte durch den durchgef¨uhrten HPLC–Lauf nicht abgetrennt werden.

8unver¨offentlichte Ergebnisse der AGPfleiderer

9Spektren sind im Internet unter der Datenbank auf http://www.aist.go.jp/RIODB/SDBS/ zu erhalten.

Methylengruppe zwischen der genannten benzylischen Position und dem Sauerstoff des Kohlens¨aurediesters befindet. Eine Kopplung zwischen der Methylengruppe und dem Koh-lenstoffatom der Kohlens¨aureester-Gruppe konnte im HMBC nachgewiesen werden. Aller-dings kann Thymidin nicht an das andere Ende dieses Kohlens¨aureesters gebunden sein, da die Signale ein Vorliegen von freiem Thymidin zu erkennen geben (die 5’-OH–Gruppe ist bei 4.99 ppm zu beobachten). Eine sinnvolle Struktur kann nur durch die Verkn¨upfung des Kohlens¨auredieester-Sauerstoffs mit der zum Nitroso–Aromaten benzylischen Position erhalten werden (siehe Abbildung 5.21). Das Vorliegen von Verbindung123wurde zus¨atz-lich durch die Signale bei m/z 446.1 (Molekularpeak + H+), 468.1 (Molekularpeak + Na+) und 485.1 (Molekularpeak + K+) im Elektrospray-Iontrap-Massenspektrum best¨atigt.

NO

Abbildung 5.22: Nitroso–Reaktionsweg zur Entsch¨utzung von Thymidin aus T7C4-T

Das Auftreten des zuvor beschriebenen Produkts ist auch durch chemisch–mechanis-tische ¨Uberlegungen erkl¨arbar. Es entsteht h¨ochstwahrscheinlich aus dem entsprechenden Nitrosoalkohol 122 durch eine Umesterung, wobei freies Thymidin (124) gebildet wird.

Nach diesen Befunden muss also das Reaktionsschema der Photoreaktion von NPPOC (vgl. Abbildung 1.9) um die Entsch¨utzung ¨uber den Nitrosoweg erweitert werden.

Die Geschwindigkeit der Weiterreaktion von 122 zu 123 h¨angt vom L¨osungsmittel ab. Dies ist sehr sch¨on bei den in den Abbildungen 5.4 und 5.5 gezeigten Bestrahlungen von T7C4-T in Methanol bzw. Acetonitril zu sehen. Wie auch schon bei den intermole-kular sensibilisierten Schutzgruppenabspaltungen [34] ergibt die Reaktion in Acetonitril gr¨oßtenteil den Nitroso–Alkohol 122 als Produkt. Dagegen entsteht bei der Reaktion in Methanol haupts¨achlich das entsprechende Styrolderivat und das gew¨unschte freie Nu-kleosid, als Nebenprodukt tritt anstatt des erwarteten Nitroso–Alkohols122allerdings die zyklisierte Nitroso–Form123auf. Außerdem ist die Umesterung von122nach123nur bei den ¨uber einen Kohlens¨aurediester gesch¨utzten Substraten m¨oglich. Bei der Bestrahlung der freien Alkohole der Schutzgruppen sollte weder diese Zyklisierung noch die Bildung des Styrolderivats m¨oglich sein. F¨ur eine Zyklisierung fehlt die Kohlens¨aurediester–Gruppe, und f¨ur eine Bildung des Styrolderivats w¨are die unwahrscheinliche Abspaltung der sehr schlechten Abgangsgruppe OH- n¨otig.

Zur Kl¨arung der Frage, ob bei den freien Alkoholen der Schutzgruppen eine Pho-toreaktion stattfindet wurde stellvertretend der Alkohol T7C4-OH sowohl in Methanol als auch in Acetonitril bestrahlt, und w¨ahrend der Bestrahlung die Absorptionsspektren gemessen. Dabei konnte eine eindeutige Ver¨anderung des Spektrums festgestellt werden.

Um die Ver¨anderungen in der Absorption besser zu erkennen, wurden jeweils die in Ab-bildung 5.23 gezeigten Differenzspektren einer L¨osung vor und einer L¨osung nach 2000 s Bestrahlung gebildet. In beiden L¨osungsmitteln wurden sehr ¨ahnliche Differenzspektren

300 325 350 375 400

0.0 0.2 0.4 0.6

A

λ / nm

Differenzspektren nach

Bestrahlung in

MeOH

MeCN

Abbildung 5.23: Differenz–Absorptionsspektren zwischen einer L¨osung an T7C4-OH vor und nach 2000 s Bestrahlung in Methanol bzw. Acetonitril.

mit Maxima bei 320 nm und 294 nm gemessen. Dies sind die charakteristischen Peaks f¨ur einen Nitrosoaromaten mit einer Struktur analog zu122. Die Bildung der entsprechenden Nitroso–Formen fand bei Bestrahlung der freien Schutzgruppen–Alkohole also sowohl in Acetonitril als auch in Methanol in ¨ahnlichem Umfang statt. Eine Weiterreaktion zum Zy-klisierungsprodukt ist hier jedoch aufgrund des Fehlens der Kohlens¨auredieester–Gruppe nicht m¨oglich.

N N O

O NO

2

Abbildung 5.24: Dimerisierung von Nitroso–Aromaten.

Prinzipiell liegen Nitroso–Verbindungen h¨aufig in einem Monomer–Dimer–Gleichge-wicht vor [170] (vgl. Abbildung 5.24). Es wurde nicht weiter gekl¨art, unter welchen Be-dingungen es sich bei den Photoprodukten um das Monomer oder um das Dimer handelt.

Ausf¨uhrliche Untersuchungen zu der Dimerisierung von ortho–substituierten Nitrosoben-zolen sind in der Diplomarbeit vonHayashi beschrieben [171].

Bei der Bestrahlung von T7C2-T trat an Stelle des der Struktur123 entsprechenden Produkts eine Substanz bei einer Retentionszeit von 18.7 min auf, deren UV-Spektrum Maxima bei 377 nm, 311 nm, 259 nm und 220 nm aufweist. Die Struktur dieser Verbindung wurde nicht weiter untersucht.