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Archiv "Weiterbildung Allgemeinmedizin: Ärzte müssen die Initiative ergreifen" (14.04.2000)

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as GKV-Gesundheitsreform- gesetz 2000 weist zwar die künftige hausärztliche Ver- sorgung den Fachärzten für Allge- meinmedizin zu, die Neuordnung der Finanzierung der allgemeinmedizini- schen Weiterbildung wird hingegen nicht in Angriff genommen; Artikel 10 sieht lediglich eine unbefristete Verlängerung des als Übergang konzi- pierten Initiativprogramms von 1998 vor. Hier besteht dringender Hand- lungsbedarf; die Ärzte sollten nicht warten, bis der Gesetzgeber – viel- leicht zu spät – selbst aktiv wird.

Durch den Beschluss einer fünf- jährigen Pflichtweiterbildung hat der Deutsche Ärztetag 1998 in Köln das Fach Allgemeinmedizin erstmals als vollwertig und gleichberechtigt neben den anderen Fächern anerkannt, ihm die Grundlage für eine glaubwürdige Identität zugesprochen und damit ei- ne jahrzehntelang schwelende Kon- troverse beendet. In einem wesentli- chen Punkt ist der Deutsche Ärztetag jedoch hinter seinen eigenen Vorga- ben zurückgeblieben: 1996 hatte er den Vorstand der Bundesärztekam- mer beauftragt, die Vorlage für eine fünfjährige allgemeinmedizinische Wei- terbildung auszuarbeiten, und dabei festgestellt: „Der allgemeinmedizini- sche Versorgungsauftrag bedarf einer besonders breiten und gut durchdach- ten Weiterbildung.“

Besonders breit – das bedeutet nichts anderes als eine Verbreiterung der fachlichen Qualifikation gegen- über dem seit 1968 geltenden Status quo, nach dem Allgemeinärzte ihre Weiterbildung auf die drei Kernfächer Innere Medizin, Chirurgie und allge- meinärztliche Praxis beschränken

dürfen. Berücksichtigt man den nachträglichen Verzicht auf eine in der (Muster-)Weiterbildungsordnung von 1998 ursprünglich vorgesehene obligatorische Rotation Pädiatrie, so enthält die geltende Weiterbildungs- ordnung für das Fachgebiet Allge- meinmedizin zwar eine appellative Aufzählung zahlreicher anrechenba- rer Fächer; obligatorisch sind jedoch nur die drei genannten Kernfächer.

Wie in der Pädiatrie ist auch in den an- deren fakultativen Fächern unter den bestehenden Bedingungen eine allge- meinmedizinische Rotation nicht rea- lisierbar, sodass die Forderung nach einer „besonders breiten“ Weiterbil- dung im Regelfall als unerfüllt ange- sehen werden muss.

Aus Sicht der Gesetzlichen Kran- kenversicherung (GKV) und des Ge-

setzgebers dürfte die allgemeinmedi- zinische Weiterbildung nur dann wei- terhin förderungswürdig sein, wenn sie den künftigen Facharzt für Allge- meinmedizin für den hausärztlichen Versorgungsauftrag erkennbar quali- fiziert. Angesichts eines Weiterbil- dungsziels, das die hausärztliche Be- treuung „bei jeder Art der Gesund- heitsstörung“ vorsieht, ist diese Quali- fikation so lange nicht erfüllt, wie die allgemeinmedizinische Weiterbildung nicht obligatorische Rotationen in den für die hausärztliche Praxis rele- vanten Fachgebieten enthält. Solche Rotationen sind ohne eine entspre- chende finanzielle Struktur nicht rea- lisierbar.

Der 103. Deutsche Ärztetag (im Mai 2000 in Köln) bietet die Gelegen- heit, den Gesetzgeber durch die Vor-

Weiterbildung Allgemeinmedizin

Ärzte müssen die Initiative ergreifen

Mit der Forderung nach einer gesetzlich fixierten finanziellen Grundlage unter wesentlicher Beteiligung der Krankenkassen und durch den Beschluss von obligatorischen Rotationen in den „kleinen Fächern“ kann eine aus- reichende Qualifizierung der künftigen Hausärzte gewährleistet werden.

Jürgen in der Schmitten, Peter Helmich

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1958 beschloss der Deutsche Ärztetag die Gründung der „Deutschen Akademie der praktischen Ärzte“.

Foto: Archiv

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lage eines Finanzierungsvorschlags für die allgemeinärztliche Weiterbil- dung in Zugzwang zu bringen; gleich- zeitig kann er den Beschluss einer spezifischen Strukturierung durch Pflichtrotationen in den „kleinen“

Fächern für den 104. Deutschen Ärz- tetag unter dem Vorbehalt der ge- setzlich gesicherten Finanzierung in Aussicht stellen. Daher werden im Folgenden Vorschläge für Pflicht- rotationen, Finanzierungsquelle und -modus sowie eine organisatorische Struktur der allgemeinmedizinischen Weiterbildung zur Diskussion ge- stellt.

Pflichtrotationen in den

„kleinen Fächern“

Das traditionelle Selbstverständ- nis des Praktischen Arztes als Vorläu- fer des Allgemeinarztes und „Vater aller Disziplinen“ schloss eine Ein- grenzung seines Behandlungsauftra- ges (in Abgrenzung von den Speziali- sten) aus. Dieser „Omnipotenzgedan- ke“ hat einer Identitätsfindung der Allgemeinmedizin jahrzehntelang im Weg gestanden. Die spezialistischen Fachgebiete definieren sich über Be- reiche, Organe oder Methoden. Der Durchbruch der Allgemeinmedizin zu einem eigenständigen und gleichbe- rechtigten Fachgebiet wurde erst möglich, als ihr ein spezifischer, um- schriebener Versorgungsauftrag zuer- kannt wurde, auf den sie sich be- schränkt und durch den sie sich defi- niert. Die sich daraus ergebenden An- forderungen umfassen

❃ eine medizinische Basiskom- petenz in dem für die hausärztliche Versorgung relevanten Fächerquer- schnitt,

❃ spezifisch allgemeinmedizini- sche Kompetenzen.

Aufgabe der allgemeinmedizini- schen Weiterbildung ist es, Grundvor- aussetzungen für diese Kompetenzbe- reiche sicherzustellen.

Es ist inzwischen allgemein ak- zeptiert, dass die medizinische Basis- kompetenz in den Kernfächern Inne- re Medizin und Chirurgie nicht durch praktizierende Allgemeinärzte selbst, sondern von Vertretern der betreffen- den Fächer zu vermitteln ist. Grund hierfür ist zum einen das Krankheits-

spektrum: Nur in dem betreffenden Fachgebiet finden sich die relevanten Krankheiten so häufig und in ihren unterschiedlichen Schweregraden, dass in der kurzen Weiterbildungszeit entsprechende Grundkompetenzen erworben werden können. Zum ande- ren erscheint es wünschenswert, dass der künftige Allgemeinarzt in diesen Fächern stets auf möglichst aktuellem Stand weitergebildet wird, um so – über die Fortbildungsbemühungen niedergelassener Allgemeinärzte hin- aus – einen kontinuierlichen Wis- senstransfer von den Spezialgebieten in die Allgemeinmedizin zu gewähr- leisten.

Die gleichen Überlegungen sind auch für andere, für die Allgemein- medizin relevante Fachgebiete gültig.

Es ist nicht nachzuvollziehen, warum Allgemeinärzte zum Beispiel in der Dermatologie, der Orthopädie oder der Pädiatrie zu einer Basisversor- gung in der Lage sein sollen, ohne in ihrer Weiterbildung eine entsprechen- de Rotation absolviert zu haben. Stellt man Umsetzungsschwierigkeiten zu- rück, ergibt sich die Notwendigkeit für ein Weiterbildungscurriculum, das Grundkompetenzen in den wichtig- sten Fächern vermittelt. Ausgehend von einer Feldstudie (siehe Literatur-

angabe), schlagen wir das folgende Curriculum vor.

Finanzierungsquelle

Voraussetzung für die vorge- schlagene achtzehnmonatige Pflicht- rotation in hausärztlich besonders re- levanten „kleinen Fächern“ ist eine Reform der Finanzierung und der Struktur der allgemeinmedizinischen Weiterbildung.

Die Verhandlungspartner des Initiativprogramms haben sich darauf geeinigt, dass die Vergütung allge- meinmedizinischer Weiterbildungsas- sistenten eine Aufgabe ist, an der ne- ben den Krankenhäusern und nieder- gelassenen Ärzten beziehungsweise Kassenärztlichen Vereinigungen we- sentlich auch die gesetzlichen Kran- kenkassen und die private Kranken- versicherung (PKV) zu beteiligen sind. Diese Mischfinanzierung ist ge- setzlich festzuschreiben.

Die Beteiligung der Krankenkas- sen und der PKV ist deshalb notwen- dig, weil die bisher vorausgesetzte und in den übrigen Fächern praktikabel erscheinende Finanzierung auf der Grundlage der Bundespflegesatzver- ordnung im Fall der Allgemeinmedi-

A-977 Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 15, 14. April 2000

A. Pflichtzeiten Kernfächer (3½ Jahre) 18 Monate Allgemeinmedizin

18 Monate Innere Medizin (davon mindestens 1 Jahr stationär) 6 Monate Chirurgie

Die ersten 18 Weiterbildungsmonate sind in den Kernfächern Innere Medizin und/oder Chirurgie zu absolvieren.

B. Pflichtzeiten übrige Fächer (1 Jahr) 12 Wochen Kinderheilkunde

je 8 Wochen Dermatologie, HNO-Heilkunde, Orthopädie,

Psychiatrie (oder Psychosomatische Medizin oder Psychotherapie), Rehabilitative Medizin (oder Geriatrie oder neurologische Rehabilitation) C. Wahlpflicht (½ Jahr)

26 Wochen verteilt auf mindestens 6 der unter B. genannten und/oderder nach- stehenden Fächer (anrechenbar sind Weiterbildungsabschnitte von mindestens 4 Wochen):

Anästhesiologie, Augenheilkunde, Gesundheitsamt/Sozialmedizinische Ein- richtung, Gynäkologie und Geburtshilfe, Hospizeinrichtung/Palliativstation, Neurologie, Pathologie, Radiologie, Urologie, Zahnmedizin.

Die ambulant abzuleistende Weiterbildungszeit beträgt mindestens 2 Jahre (da- von 18 Monate im Fach Allgemeinmedizin, 6 Monate Wahlpflicht). Die stationär abzuleistende Weiterbildungszeit beträgt mindestens 1 Jahr (im Fach Innere Medizin).

D. 80 Stunden Seminarweiterbildung (Psychosomatische Grundversorgung)

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zin die Kosten der Weiterbildung nicht deckt.

Im stationären Sektor haben all- gemeinmedizinische Weiterbildungs- assistenten in Krankenhausabteilun- gen der Inneren Medizin oder Chirur- gie hohen Supervisionsbedarf. Im Vergleich zu erfahrenen Assistenten erbringen sie jedoch – bezogen auf Pflegetage oder Fallpauschalen – ei- nen geringeren Ertrag. Während der internistische beziehungsweise chirur- gische Assistent in den folgenden Jah- ren Erfahrung sammelt, seinerseits Supervisionsaufgaben übernimmt und die ökonomische Leistung der Abtei- lung steigert, verlässt der allgemein- medizinische Assistent die Klinik, oh- ne dass die in ihn investierte Supervi- sion der Abteilung vergleichbar zu- gute kommt. Diese unter wirtschaft- lichen Gesichtspunkten geringere Attraktivität allgemeinmedizinischer Weiterbildungsassistenten begründet den Zuschuss der Krankenkassen im stationären Sektor.

Der Beitrag der Krankenhausab- teilungen zum Gehalt allgemeinmedi- zinischer Weiterbildungsassistenten ist gerechtfertigt durch die Leistung, die auch unerfahrene Assistenten gerade bei den längeren Rotationen, wie sie in der Inneren Medizin und auch der Chirurgie üblich sind, ungeachtet ihres für Anfänger typischen Supervisions- bedarfs erbringen. Die Festlegung ei- nes prozentualen Beitrags der Kran- kenkassen am Regelgehalt wäre Ver- handlungsgegenstand zwischen den gesetzlichen Krankenkassen, der pri- vaten Krankenversicherung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft.

Ambulanter Sektor

Im ambulanten Sektor erfolgte die Finanzierung früher durch den vom Assistenten erwirtschafteten zu- sätzlichen Praxisumsatz. Durch die Budgetierung ist jedoch eine Er- höhung der Praxiseinnahmen durch Weiterbildungsassistenten auf drei Prozent begrenzt, sodass für Allge- meinärzte, aber auch für Fachärzte anderer Gebiete zwar eine (mit der Rotationsdauer zunehmende) zeitli- che Entlastung, jedoch kein nennens- werter finanzieller Anreiz zum Enga- gement in der Weiterbildung besteht.

Der Beitrag der Kassenärztlichen Vereinigungen beziehungsweise der weiterbildenden niedergelassenen Ärz- te kann daher nur einen Bruchteil des Gehaltes allgemeinmedizinischer As- sistenten ausmachen; unser Vorschlag lautet:

Rotationsdauer/Arbeitgeberzuschuss zum Assistentengehalt

1.– 6. Monat –

7.–12. Monat 20 Prozent 13.–18. Monat 30 Prozent

Finanzierungsmodus

Die Schaffung einer ausreichen- den Anzahl geeigneter und attrakti- ver Weiterbildungsstellen für ange- hende Allgemeinärzte, insbesondere in den Fächern Innere Medizin und Chirurgie, ist ein ungelöstes Problem.

Ein reformierter Finanzierungs- modus böte die Möglichkeit, die Ent- lohnung allgemeinmedizinischer Wei- terbildungsassistenten von ihrem je- weiligen Arbeitgeber abzukoppeln und stattdessen über eine regionale Verteilungsstelle durchführen zu las- sen, die zum Beispiel bei der Lan- desärztekammer angesiedelt sein könnte. Diese Regelung ermöglicht Anreize, durch die Zahl und Attrakti- vität der Weiterbildungsstellen ge- steuert werden können. (Die Anre- gung für diesen Vorschlag verdanken wir Dr. med. Dieter Mitrenga, Köln.)

In den regionalen Gehaltstopf für allgemeinmedizinische Weiterbil- dungsassistenten zahlen ihren (unter Berücksichtigung der tatsächlichen Vertragsabschlüsse rückwirkend zu berechnenden) Beitrag demnach

❃die regionalen Krankenkassen,

❃alle für die allgemeinmedizini- sche Weiterbildung geeigneten Kran- kenhausabteilungen sowie

❃alle Allgemeinärzte.

Die Vergütung der allgemeinme- dizinischen Assistenten erfolgt da- durch während der gesamten Weiter- bildungszeit unabhängig vom jeweili- gen Arbeitgeber aus dem regionalen Gehaltstopf. Hierdurch entstünde für die Kliniken ebenso wie für die nie- dergelassenen Ärzte der obligatori- schen Rotationsfächer der Anreiz, die somit extern vorfinanzierten allge- meinmedizinischen Weiterbildungs- kandidaten auch einzustellen.

Hinsichtlich der Krankenhäuser wäre dieser Finanzierungsmodus eine elegante Möglichkeit, die viel disku- tierte Quotenregelung so zu lösen, dass nicht nur Stellen für allgemein- medizinische Weiterbildungsassisten- ten offen stehen, sondern dass gleich- zeitig ein Anreiz entsteht, sich für die Weiterbildungskandidaten in einem Wettbewerb möglichst attraktiv dar- zustellen, zum Beispiel durch das An- gebot strukturierter Rotationen.

Allgemeinärzten, die sich für die Einstellung eines Weiterbildungsassi- stenten entscheiden, entstünden auf dem Boden dieses Vorschlags folglich ebenfalls keine unmittelbaren Ko- sten, da das Gehalt aus dem regiona- len Gehaltstopf überwiesen wird, in den sie ihren Anteil kollektiv aus ihrem Honorartopf abführen.* We- gen der zurzeit allgemein sinkenden Bereitschaft der Niedergelassenen, sich in der Weiterbildung zu engagie- ren, wäre hiermit ein Mittel gefunden, das ein Interesse an der Erlangung der Weiterbildungsermächtigung und dem Angebot attraktiver Weiterbil- dungsbedingungen fördern würde.

Regionale Koordinierung

Andere Länder (GB, A, CH, S) bieten allgemeinmedizinischen Wei- terbildungskandidaten durch den Ab- schluss eines Weiterbildungsvertrags mit einer regionalen Koordinierungs- stelle die erforderliche Sicherheit hin- sichtlich Arbeitsplatz und Einkom- men während der gesamten Weiterbil- dungszeit. Diesem Beispiel sollte Deutschland folgen, wenn der Nach- wuchs in der Allgemeinmedizin gesi- chert und gefördert werden soll; die mangelnde wirtschaftliche Sicherheit muss derzeit als der entscheidende Wettbewerbsnachteil der allgemein- medizinischen gegenüber anderen Weiterbildungsgängen angesehen werden.

*Jährlich rund 1 160 weiterzubildende Allge- meinärzte (Schätzung des BDA, persönliche Mitteilung vom 21. Dezember 1999) mit mo- natlichen Gehältern von 8 333 DM (inklusive Arbeitgeberanteil) verursachen pro Jahr Ko- sten von 13 x 8 333 x 1 160 = 125 661 640 DM.

Davon zahlt die GKV 83 Prozent, das sind 104 299 161. Für die mehr als 43 000 niedergelassenen Allgemeinärzte verbleiben 21 362 479 DM, das sind rund 124 DM pro Arzt und Quartal.

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Eine solche regionale Koordinie- rungsstelle, für die in erster Linie die Landesärztekammern in Betracht kommen, sollte gegenüber den Wei- terbildungsassistenten folgende Funk- tionen erfüllen:

1. Vergabe der Weiterbildungs- plätze einer Region, entsprechend ei- nem Weiterbildungsvertrag über fünf Jahre, wobei ein Wechsel zwischen den Kammern möglich bleiben sollte.

Durch die Einführung eines qualifi- zierenden und wirtschaftlich sicheren Weiterbildungsgangs bei gleichzei- tiger spezifischer Zuweisung eines anspruchsvollen Versorgungsauftrags durch § 73 SGB V wird die Attrakti- vität der Allgemeinmedizin für Hoch- schulabsolventen in kaum zu über- schätzender Weise zunehmen.

2. Koordination der regional ver- fügbaren ambulanten und stationären Weiterbildungsstellen für die ver- schiedenen Rotationen.

3. Supervision und Betreuung der Weiterzubildenden. Durch eine regio- nale Koordinierungsstelle bestünde die Chance, nicht nur den organisa- torischen Teil der allgemeinmedizini- schen Weiterbildung zu erleichtern, sondern den angehenden Allge- meinärzten auch Mentoren an die Sei- te zu stellen, die ihre Identitätsfin- dung begleiten und fördern können.

Hier bietet sich die Zusammenarbeit mit den regionalen Abteilungen für Allgemeinmedizin der Universitäts- kliniken an.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2000; 97: A-976–979 [Heft 15]

Einige Passagen dieses Aufsatzes sind dem im April bei Schattauer erscheinenden Buch der Autoren „Weiterbildung Allgemeinmedizin:

Qualifizierung für die primärärztliche Versor- gung. Entwicklung, Gegenwart und Perspekti- ven der allgemeinmedizinischen Weiterbil- dungsordnung in Deutschland“ entlehnt. Hier finden sich weiterführende Überlegungen und Literaturhinweise.

Anschrift der Verfasser

Dr. med. Jürgen in der Schmitten Weberstraße 11, 40667 Meerbusch Prof. Dr. med. Peter Helmich Burgwall 5, 41379 Brüggen

A-979 Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 15, 14. April 2000

ie Hochschulmedizin ist in Deutschland sowohl in die ge- sellschaftspolitischen Diskus- sionen über die Reformen des Hoch- schulwesens einbezogen als auch in die finanziell geprägten Strukturdis- kussionen über das zukünftige Ge- sundheitswesen. Ihre Entwicklung ist daher ein wichtiger Indikator gesell- schaftlicher Veränderungen und Kon- tinuität, was sich in den Diskussionen über die Reform der Ausbildungsord- nungen (wie viele Ärzte und Zahnärz- te braucht das Land?), über Kosten- begrenzungen im Gesundheitswesen (wie viel Hochleistungsmedizin ist notwendig?) und über hochschul- rechtliche Strukturen (benötigen die Hochschulklinika eine rechtliche Selbstständigkeit?) wiederfindet.

Auch Thüringen bemüht sich kontinuierlich, angemessene Pro- blemlösungen zu finden. Die Thürin- ger Landesregierung beschloss daher 1992 auf Empfehlung des Wissen- schaftsrates mit Zustimmung des Thüringer Landtages nach gründli- cher Beratung unter Einbeziehung bundesdeutscher Sachverständiger, ab 1994 die human- und zahnmedizi- nische Lehre und Forschung Thürin- gens an der Universität Jena zu kon- zentrieren. Auf diese Weise wurden in Thüringen die human- und zahnme- dizinischen Ausbildungskapazitäten den zukünftigen Anforderungen an- gepasst und die Aufwendungen im Land für die Hochschulmedizin redu- ziert (Tabelle). Eine vom Wissen- schaftsrat vorgeschlagene Sachver- ständigenkommission empfahl der Landesregierung, welche nichtklini- schen, leistungsstarken Forschungs-

gruppen der damaligen Medizini- schen Hochschule Erfurt als For- schungszentrum in die Universität Je- na einzugliedern sind.

Parallel zur Hochschulstruktur- planung waren für jede Hochschule des Landes die Personalstrukturen für die wissenschaftlichen Einrichtungen zu planen und Überleitungsentschei- dungen für jeden Beschäftigten des

wissenschaftlichen Dienstes zu tref- fen. Allein in der Hochschulmedizin Thüringens betraf dies in Jena 740 Be- schäftigte, in Erfurt 780. Zu Beginn des Wintersemesters 1999/2000 sind an der Medizinischen Fakultät der Universität Jena im Ergebnis der auch mit uneigennütziger und engagierter Unterstützung der medizinischen Fa- kultäten der Universitäten Gießen, Frankfurt, Erlangen und Marburg durchgeführten verkürzten Beru- fungsverfahren 39 Professuren durch Überleitungen besetzt; das sind 35 Prozent der Professuren C 3 und C 4.

Im wissenschaftlichen Dienst haben 66 Prozent der Beschäftigten ein be- fristetes Arbeitsverhältnis, im Bun-

Hochschulmedizin

Hausaufgaben weitgehend erledigt

Zehn Jahre nach dem Mauerfall werden ein erstes Resümee und ein Abriss der künftigen Aufgaben aus der Sicht Thüringens vorgenommen.

Theodor Peschke

T H EM EN DE R HochschulmedizinZ E IT

Neue Str ukturen haben sich bewähr

t Neue Str ukturen haben sich bewähr

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D

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desdurchschnitt sind 46 Prozent die- ser Mitarbeiter befristet beschäftigt (1). Die Evaluierungsverfahren dien- ten nicht nur dazu, fachlich Inkompe- tente oder persönlich Ungeeignete aus Entscheidungspositionen zu ent- fernen, sondern auch Benachteiligten eine Chance zu eröffnen. Dadurch konnten allein an dieser Fakultät im Jahr 1993 auf Empfehlung der Fach- kommissionen 23 Habilitierte erst- mals zu Professoren berufen werden.

Erst nach Abschluss dieser inter- nen fachlichen Evaluierungs-/Beru- fungsverfahren wurden die frei ge- bliebenen Professuren nacheinander bundesweit ausgeschrieben. Durch dieses zweistufige Verfahren fand kei- ne Benachteiligung hochschulinter- ner Bewerber statt. Dieser Umgestal- tungsprozess ist zwar auch in Thürin- gen für die Beteiligten ein Kultur- schock gewesen (2), dieser Prozess wurde aber nach der Wende von allen als notwendig akzeptiert. Hinter all diesen nüchternen Fakten stehen Ein- zelschicksale vieler Betroffener, die zeitweilig einer enormen psychischen Belastung ausgesetzt waren, insbe- sondere die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ehemaligen Medizini- schen Hochschule Erfurt.

Von einem generellen Personal- wandel zugunsten Westdeutscher, wie andernorts behauptet (3), kann in der Hochschulmedizin Thüringens nicht gesprochen werden, eher von einem Beispiel dafür, dass zusammenwächst, was zusammengehört. Bis heute wur- den 37 bundesweit ausgeschriebene Berufungsverfahren erfolgreich abge- schlossen, neun dieser Rufe erhielten Bewerber aus den neuen Bundeslän- dern, sodass auch insoweit keine Ein- seitigkeit vorliegt.

Die Strukturdiskussion über die zukünftige Hochschulmedizin wurde und wird auch bestimmt durch die widersprüchliche, aber hochschul- und gesundheitspolitisch gewünschte gleichzeitige Vernetzung und Abgren- zung der Bereiche Krankenversor- gung einerseits sowie Lehre und For- schung andererseits, bis hin zur recht- lichen Trennung des Hochschulklini- kums von der medizinischen Fakultät beziehungsweise Universität. Ursäch- lich für die Differenzierung ist die er- forderliche Transparenz in den Ver- wendungsnachweisen für die Budget-

mittel in der Krankenversorgung so- wie für den Landeszuschuss im Lehr- und Forschungsbereich. Dem Klini- kum der Universität Jena wird es schrittweise möglich, die Aufwendun- gen in der Lehre und Forschung ge- trennt von denen in der Krankenver- sorgung auszuweisen. Diese konzep- tionell und buchungstechnisch sehr aufwendige Arbeit ist nicht durch eine Entscheidung zur rechtlichen Ver- selbstständigung eines Hochschulkli- nikums zu ersetzen, was mancherorts übersehen wird (4). Die gesundheits- politisch angestrebte Ausweitung der Vergütungen über Fallpauschalen und Sonderentgelte begünstigt diese Entwicklung. Das Klinikum der Uni- versität Jena konnte zudem bereits für das zweite Jahr nach der Wiederverei- nigung eine geprüfte Jahresabschluss- bilanz vorlegen. Somit sollten inner- betrieblich die betriebswirtschaftli- chen Voraussetzungen für eine solide wirtschaftliche Entwicklung sowohl des Klinikums als auch der Fakultät gegeben sein. Thüringen versucht da- her, die betriebswirtschaftlich sinnvol- le und notwendige Trennung der bei- den Bereiche voneinander nicht mit der rechtlichen zu verbinden.

Investitionen und Wettbewerbschancen

Die Frage nach dem erforderli- chen Umfang der Hochschulmedizin in Deutschland beschäftigt alle Ent- scheidungsträger seit Jahren. Auch Thüringen wurde mit der Forderung der Bundesregierung konfrontiert, dass 1 350 Krankenhausbetten ausrei- chend für ein komplettes Hochschul- klinikum in Deutschland seien. Unter der Voraussetzung eines drastischen Bettenabbaus bis zu dieser Größen- ordnung bestätigte 1993 der Wissen- schaftsrat die strukturelle und bauli- che Entwicklungsplanung der Medizi- nischen Fakultät der Universität Jena mit der beabsichtigten Konzentration auf einen lokalen Standort. Dies er- fordert umfangreiche Ersatzinvesti- tionen für verschlissene oder fehlende Flächen im Lehr-, Forschungs- und Krankenhausbereich.

Als wettbewerbsschädlich für die Hochschulmedizin der neuen Bun- desländer hat sich der Umstand aus-

gewirkt, dass die Hochschulklinika der neuen Bundesländer 1993 nicht in das Krankenhaussonderinvestitions- programm nach Art. 14 Gesundheits- strukturgesetz aufgenommen wurden, das allen anderen Krankenhäusern der neuen Länder ermöglicht, bis zum Jahr 2004 mit jährlichen Finanzhilfen des Bundes in Höhe von 700 Millio- nen DM, ergänzt um Landesmittel und Investitionshilfen der Kranken- kassenverbände, den investiven Nach- holbedarf zu beseitigen. Ein entspre- chendes Investitionsprogramm für die Hochschulklinika der neuen Bundes- länder zum Beispiel im Rahmen des Hochschulbauförderungsgesetzes hat es nicht gegeben. Trotz dieser schwie- rigen Situation hat bisher die Landes- regierung Thüringens die Angebote privater Investoren abgelehnt, das Hochschulklinikum oder Teile dessel- ben zu privatisieren.

Im gesamten Krankenhausbe- reich wird über die Begrenzung der Betriebskosten der Krankenhäuser (Personal, Verbrauchsmaterial, Bau- unterhalt) und über die der Investiti- onskosten (Gebäude und Großgeräte, Neuerwerb und Instandhaltung) dis- kutiert. Seit 1972 werden die laufen- den Betriebskosten von den Kranken- kassenverbänden der Länder, die in- vestiven Aufwendungen von den Ge- sundheitsbehörden der Länder finan- ziert (duale Finanzierung durch Bei- tragszahler und Steuerzahler); bei den Hochschulklinika wie bei allen ande- ren Hochschuleinrichtungen entlastet der Bund die Länder um die Hälfte der Investitionskosten. Eine monisti- sche Finanzierung Ende 1999 setzt gleiche Ausgangsbedingungen für alle Krankenhäuser voraus (5), was zu- mindest für die Hochschulklinika der neuen Bundesländer angesichts des noch nicht bewältigten Investitions- staus im Gegensatz zu den benachbar- ten Versorgungskrankenhäusern kei- nesfalls gewährleistet ist.

Die unterschiedlichen rechtli- chen und strukturellen Voraussetzun- gen der Gesundheitssysteme in bei- den deutschen Staaten vor 1990 sowie die seit dem Gesundheitsstrukturge- setz 1993 stattfindenden permanenten Umstellungen in der Gesundheitsge- setzgebung verursachten vor allem in den neuen Bundesländern eine bei- spiellose Veränderung in den ambu-

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A-982 Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 15, 14. April 2000 Die Ministerien für Wissenschaft,

Forschung, Kunst/Kultur von Rhein- land-Pfalz, Baden-Württemberg und des Freistaates Bayern melden überein- stimmend: Die vor drei Jahren eingelei- teten Reformen der Hochschulmedizin und der Revision der Strukturen der Hochschulklinika haben sich bewährt und sind zukunftsträchtig. So sind in den

„Pionierländern“ weit reichende organi- satorische, finanzwirtschaftliche und verwaltungsmäßige Strukturänderun- gen und Umgestaltungen der Führungs- und Leitungsstrukturen auf gesetzlicher Basis vollzogen worden, die einerseits den aktuellen Bedingungen an die Hochschulmedizin und den gesetzlichen wie finanziellen Rahmenbedingungen gerecht werden, andererseits an die Herausforderungen der Zukunft ange- passt werden sollen. Andere Bundes- länder, so etwa Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und weitere Länder, wollen die landeseigenen Universitäts- klinika in neue Rechtsformen über- führen, um damit darauf basierend neue Leitungsstrukturen zu installieren und Modellstrukturen zu erproben. Charak- teristisch für die Strukturänderungen ist auch, dass die Hochschulklinika ver- stärkt leistungsorientiert arbeiten sol- len. Damit müsse eine „kongeniale“

Rechts- und Leitungsstruktur korre- spondieren, so die Reforminitiatoren.

Baden-Württemberg berichtet, dass es vorrangiges Ziel der Hochschulkli- nik-Reform sei, „eine Balance zu finden zwischen Selbstständigkeit und Eigen- verantwortung der Klinika einerseits und gemeinwohlorientierter Einbin- dung in die Hochschulen ebenso wie in die Gesundheitspolitik andererseits“.

Die Universitätsklinika in Baden-Würt- temberg sehen sich allerdings durch die Spar- und Kostendämpfungsmaßnah- men existenziell bedroht, andererseits sorgen sie sich um die Konkurrenzfähig- keit gegenüber den privatwirtschaftlich getragenen Krankenhäusern, vor allem in der Akutversorgung. In den Univer- sitätsklinika seien in den letzten Jahren die Lehr- und Forschungsleistungen ebenso gesteigert worden wie die Qua- lität der medizinischen Versorgung.

Auch der rheinland-pfälzische Kul- tusminister Prof. Dr. med. Jürgen Zöll- ner (SPD), Mainz, lobt die Initiativen

seines Landes, die eine Zäsur in der Ge- schichte der rechtlichen Verfassung und der Struktur des Mainzer Klinikums herbeigeführt hätten, aber auch auf die Entwicklung der Hochschulmedizin bundesweit ausstrahlten. Insofern habe mit den neuen Klinikstrukturen Rhein- land-Pfalz in diesem Entwicklungspro- zess eine „Vorreiterrolle“ und Einfluss auch auf die Gesetzgebungsverfahren in anderen Bundesländern genommen.

Bayern zufrieden

Bayern berichtet, dass die revidier- ten Leitungsstrukturen an der Techni- schen Universität München (TU) und an den Universitätsklinika Erlangen- Nürnberg das Hauptziel erreicht haben, nämlich die Universitätsklinika und Hochschulen in ihrer Autonomie zu stärken und ihre rechtliche Selbststän- digkeit zu bewirken.

Bisher wachte das Bayerische Kul- tusministerium darüber, dass die Hoch- schulen und die Universitätsklinika ih- rer Verantwortung gegenüber Staat und Gesellschaft nachkommen. Diese Auf- gaben sind jetzt einem gewählten Hoch- schulrat übertragen worden, der aus Re- präsentanten aus Wissenschaft, Wirt- schaft und beruflicher Praxis zusam- mengesetzt ist. Das Gremium wird von den Hochschulen selbst gewählt. Die Hochschulen besitzen Mitspracherecht beim Aufstellen des Entwicklungsplans, bei Grundsatzentscheidungen über den Haushalt, die Gliederung der Hoch- schule und die Einrichtung neuer Studi- engänge und bei der Erprobung von Modellstudiengängen. Die Aufsicht ist autonom, ist also nicht wie früher dem Kultusministerium unterstellt. An der Spitze der Hochschule steht ein drei- bis fünfköpfiges Leitungsgremium, dem der Präsident, der Vizepräsident und der Kanzler der Universität angehören. Die Kompetenzen der Hochschulleitungen wurden dadurch wesentlich erweitert, dass jetzt nicht mehr der Senat, sondern das Leitungsgremium selbst die Mittel verteilt. In München soll durch die Ein- beziehung der wissenschaftlichen Ange- stellten und weiteren Mitarbeiter sowie der Vertreter der Studenten sicherge- stellt werden, dass bei Angelegenheiten,

die eine dieser Gruppen betrifft, deren gewählte Repräsentanten angehört wer- den. Weitere Änderungen der Struktu- ren: Die Versammlung wurde durch den erweiterten Senat ersetzt, dem zusätz- lich zu den Senatsmitgliedern die Deka- ne und weitere Gruppenvertreter an- gehören.

Durchgängig wurde in den Hoch- schulklinika der Wettbewerb zwischen den Hochschulen gestärkt; das Lei- stungsprinzip wurde stärker betont. Dies will die TU München durch leistungs- und belastungsbezogene Verteilung der Fördermittel zwischen und innerhalb der Hochschulen erreichen. Für die Mittel- zuweisung sollen leistungsbezogene Kri- terien herangezogen werden, vor allem Erfolge in Lehre, Forschung und in der Förderung des wissenschaftlichen Nach- wuchses. Auch ist die Zahl des wissen- schaftlichen Personals und die Zahl der Studenten in der Regelstudienzeit für die Vergabe der Fördermittel – wie bis- her – ausschlaggebend. Die Ausstattung des Fachgebietes eines Professors wird grundsätzlich befristet. Bisherige Zusa- gen gelten bis zum 30. September 2001 an der TU München befristet.

Jetzt nimmt der Studiendekan – ein neu geschaffenes Amt in der Gesamtver- antwortung des Dekans – die Aufgaben wahr, die mit der Lehre und dem Studi- um zusammenhängen. Er ist verantwort- lich für ein umfassendes Studienangebot, für die Überprüfung der Lehre; er ist zur jährlichen Berichterstattung verpflich- tet. Der Präsident, die Dekane und die Studiendekane müssen dafür sorgen, dass alle zur Lehre verpflichteten Perso- nen ihre Aufgaben in der Lehre erfüllen.

Präsident und Dekan haben insoweit ein Weisungsrecht. Falls notwendig, müssen Lehrveranstaltungen über das Lehrde- putat hinaus abgehalten werden.

Um die Studienzeiten zu verkürzen, wurde eine Zwischenprüfung nach dem vierten Semester der mindestens vier- jährigen Studiengänge eingeführt. Die Möglichkeit, Zwischenprüfungen zu verschieben, wurde auf ein Semester, die Frist für die erste Wiederholung auf sechs Monate verkürzt.

Die bayerischen Universitätsklinika werden jetzt stärker als kaufmännisch eingerichtete Betriebe geführt. Dabei müssen sie – wie bisher – die Einheit von Forschung, Lehre und Krankenversor- gung gewährleisten. Aufsichtsrat und Vorstand der Klinika haben die ihnen

Erfolgsmeldungen aus den Ländern

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lanten und stationären Versorgungs- strukturen. Die Diskussion um die Zahl der Krankenhausbetten ist in- zwischen durch die Kostendiskussion ersetzt worden. Dies sollte auch für den internationalen Vergleich gelten, denn Deutschland hat zwar mit die höchste Bettendichte unter den Indu- strienationen, kann aber im Vergleich auf einen der niedrigsten Ausgaben- anteile für die Krankenhausbehand- lung verweisen (6).

Schwächen und Reserven

Auch in der universitären Hoch- schulmedizin ist die Motivation der Leistungserbringer für die wirtschaft- liche Erfüllung der gesetzlich übertra- genen Aufgaben in Lehre, Kranken- versorgung und Forschung entschei- dend. Nicht nur im übrigen Kranken- hausbereich, sondern auch in der Hochschulmedizin erfordert die bis- herige Systemwidrigkeit der Chef- arztvergütung dringend Korrekturen (7). Solange ein Universitätsprofessor der Medizin mit kaufmännischer Ver- antwortung für eine millionenschwere Klinik bei der Erstberufung von sei- nem Arbeitgeber beziehungsweise Dienstherrn die gleiche Vergütung wie seine übrigen nichtmedizinischen Universitätskollegen gleich welcher Fakultät erhält, sind die rechtlichen Rahmenbedingungen unzureichend.

Durch eine Änderung des Beamten- und Besoldungsrechts sollte eine Lei- stungsmotivation der Klinikdirekto- ren für die über Lehre und Forschung hinausgehende Leistungserbringung ermöglicht werden. Hierdurch würde nicht nur eine bessere Wirtschaftlich- keit der Kliniken erreicht werden, sondern auch eine Aufwertung der studentischen Ausbildung. Gleichzei- tig würde das vom Wissenschaftsrat bestätigte Spannungsverhältnis zwi- schen gewünschter größerer wirt- schaftlicher Autonomie der Hoch- schulklinika auf der einen Seite und der Aufrechterhaltung der Einheit von Lehre, Forschung und Kranken- versorgung auf der anderen Seite ge- mildert werden (8).

In der Spardiskussion im Ge- sundheitswesen und in den öffentli- chen Haushalten des Bundes und der Länder stellt somit die Hochschulme-

dizin einen der sensiblen Kernberei- che dar. Hierbei gilt es, nicht nur über Leistungsbeschränkungen nachzu- denken, sondern auch Leistungsreser- ven zu eröffnen. Die strikte Trennung von ambulanter und stationärer Ver- sorgung wird als eine Ursache für mögliche Überkapazitäten und damit Ausgabenverschwendung im ambu- lanten und stationären Sektor angese- hen (6). Im Gegensatz zu den übrigen Versorgungskrankenhäusern hat der Gesetzgeber zur Sicherstellung des Ausbildungsauftrages den Hoch- schulklinika die Möglichkeit einge- räumt, Polikliniken einzurichten.

Umfang und Art dieser poliklinischen Leistungen werden von Dritten im- mer wieder in Frage gestellt, weil sie im ambulanten Bereich an der Naht- stelle zur stationären Krankenbe- handlung erbracht werden. Stattdes- sen wäre es im Sinne der gesundheits- politisch angestrebten Kostendämp- fung naheliegend, die hier gewonne- nen positiven Erfahrungen bei der be- absichtigten Vernetzung ambulanter mit stationären Behandlungsverfah- ren auch für andere Krankenhäuser zu nutzen (9). Das Reformgesetz ent- hält als ersten Schritt hierzu die Mög- lichkeit von Direktverträgen über in- tegrierte Versorgungsformen zwi- schen niedergelassenen Ärzten, Kran- kenhäusern und Krankenkasse, die aber ohne Ausgleichsmechanismen zur Selektion von Risikogruppen und somit zum Beginn einer Zwei-Klas- sen-Medizin führen (10).

Teil der

Solidargemeinschaft

Die Wirtschaftlichkeit und die Leistungsfähigkeit eines Hochschul- klinikums werden durch die rechtli- chen Vorgaben des Gesetzgebers für die Vergütungsrahmen für Kranken- versorgungsleistungen bestimmt. Je- des Einzelne von ihnen dient aus- nahmslos dem gesamten Behand- lungsspektrum von der Grundversor- gung bis hin zur Maximalversorgung, je nach Standort in unterschiedlicher Ausprägung. Im Bereich der Hoch- schulmedizin sind mehr als acht Pro- zent der Krankenhausbetten konzen- triert; 1991 wurden 14 Prozent der ge- samten Krankenhauskosten aufge- zugewiesenen Funktionen. Geleitet

wird das Klinikum von einem Vor- stand aus einem ärztlichen Direktor, einem Verwaltungs-, einem Pflegedi- rektor und einem Professor der Medi- zin. Die Klinikumskonferenz berät;

ihr gehören die Vorstände der Klini- ken, die Leiter der klinischen Einrich- tungen und die Leiter der klinischen Abteilungen an.

Nordrhein-Westfalen strebt bis zum 31. Dezember 2001 an, alle sechs lan- deseigenen Universitätsklinika über eine Rechtsverordnung in eine neue Rechtsform überzuführen. Dies wird ausnahmslos die Rechtsform der An- stalt des öffentlichen Rechts sein. Die im Vorfeld diskutierte GmbH oder Aktiengesellschaft ist damit nicht zum Zuge gekommen.

Die Bestrebungen von Personal- vertretungen an den Hochschulen und des Marburger Bundes sind nicht aufgegriffen worden; sie hatten sich für eine gesetzliche Regelung der Umwandlung – allerdings ohne förm- liche Ermächtigung der Landesregie- rung zur Rechtsverordnung – ausge- sprochen. Der Marburger Bund plä- diert dafür, die Landeszuführungsbe- träge für die klinische Forschung lei- stungsorientiert zu verteilen. Dazu sollten die Fakultäten Kriterien für die Qualitätsbeurteilung der klini- schen Forschung erarbeiten. Die Mit- tel sollten leistungsabhängig verge- ben werden, und zwar in Höhe von bis zu 30 Prozent des Zuführungsbe- trages. Darüber hinaus sollten die Uniklinika so finanziell ausgestattet und in die rechtliche Verselbstständi- gung übergeleitet werden, dass sie sich einem leistungsbezogenen Wett- bewerb stellen können und diesen be- stehen. Deshalb müsse der Landes- förderbetrag mehrere Jahre lang gleich bleibend zugesagt werden. Da- zu sei eine verlässliche Landespla- nung für den Bau, die Investition und den Sanierungsbedarf der Univer- sitätsklinika unverzichtbar.

Im Rahmen der bisherigen Tarif- bindung der Universitätsklinika plä- diert der Marburger Bund für eine Einbindung der Krankenhausärzte zur Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder und eine Überprüfung des Nebentätigkeitsrechtes und des damit verbundenen Rechtes zur Privatliqui- dation. Dr. Harald Clade

(8)

A-984 Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 15, 14. April 2000 wendet (11). Eine Sonderregelung für

sie gibt es in der Krankenhausgesetz- gebung dennoch nicht. Die wiederholt erhobene Forderung nach einer von der Gesellschaft zu beantwortenden Frage „Wie viel Medizin wollen wir uns leisten?“ ist leichter zu beantwor- ten, wenn Klarheit herrscht, wie viel Hochleistungsmedizin an welchen Standorten die Gesellschaft bezahlen will und kann. Dies um so mehr, als ärztliche Entscheidungen Einzelent- scheidungen sind, den Universitäts- professoren der medizinischen Fach- disziplinen von Krankenkassenver- bänden, Patienten und Rechtspre- chung die höchste Sachkompetenz zu- gesprochen wird und der Bedarf an Fachkompetenz stetig zunimmt.

Die finanziellen Randbedingun- gen für die Hochschulmedizin kön- nen nicht losgelöst von der wirtschaft- lichen Situation der Bundesländer betrachtet werden, erst recht nicht beim Vergleich zwischen alten und neuen Bundesländern. Der durch- schnittliche Bruttojahresverdienst ei- nes vollzeitbeschäftigten Arbeitneh- mers in Thüringen betrug 1998 im

produzierenden Gewerbe 47 766 DM (12) im Gegensatz zu 70 265 DM in den alten Bundesländern (13). In der Gesetzlichen Krankenversicherung in den neuen Bundesländern sind be- völkerungszahlbezogen 20 Prozent mehr Einwohner versichert als in den alten Bundesländern (14), die Ar- beitslosenquote bleibt deutlich höher als in den alten Bundesländern. Vor diesem Hintergrund sind die Diskus- sionen über Beitragsstabilität in der Gesetzlichen Krankenversicherung und über die Angleichung der Ar- beits- und Lebensverhältnisse zu führen.

Die Art der Diskussionen über den Länderfinanzausgleich, über die unterschiedlichen Tarife im öffentli- chen Dienst, über die Fernsehrechte der Proficlubs der 1. Fußballbundesli- ga, über die Renten und über die Kirchensteuern zeigt beispielhaft, dass der Solidaritätsgedanke in der Gesellschaft zunehmend hinter finan- ziellen Einzelinteressen zurückzutre- ten droht (15). Den gleichen Eindruck vermittelt das Werben der verschiede- nen Krankenkassenverbände gegen-

einander um die zahlungskräftigen Versicherten, die ein relativ geringes Krankheitsrisiko haben. Hier ist gleichfalls eine öffentliche Diskussion notwendig, zumal unser Rechtssystem auf dem Schutz der Schwächeren ge- genüber den Stärkeren beruht und die Aufkündigung der Solidargemein- schaft die Grundwerte unserer Ge- sellschaft infrage stellt. Im Gegensatz zu den US-Amerikanern betrachten die Europäer bisher die Gesundheits- versorgung als soziale Errungenschaft und nicht als Ware (16), wenngleich inzwischen auch in Deutschland mit Krankenbehandlungen Profit erzielt werden kann (17). Trotz der florieren- den Wirtschaft ist in den USA die Zahl der Einwohner ohne Kranken- versicherung um fast eine Million auf 44,3 Millionen gestiegen, das heißt, fast jeder sechste Einwohner ist ohne Krankenversicherung (18); in Deutsch- land sind dies 0,1 Prozent der Bevöl- kerung, zumeist Sozialhilfeempfänger (19). Es ist somit eine genauere Be- schreibung der Kriterien des Wirt- schaftsstandortes Deutschland not- wendig, um die Lohnnebenkosten im internationalen Vergleich objektiv und sachlich bewerten zu können (20). Die Qualität des Wirtschafts- standortes Deutschland ist auch durch das Gesundheitswesen geprägt, in dem die Hochschulmedizin eine wich- tige Rolle spielt.

Die Hochschulmedizin Thürin- gens ist im Jahr zehn nach der Wieder- vereinigung angekommen. Thüringen hat seine Hausaufgaben in der Hoch- schulmedizin weitgehend erledigt, de- ren Entwicklung hängt nun vor allem von der Lösung bundesdeutscher Pro- bleme ab.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2000; 97: A-979–984 [Heft 15]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Sonder- druck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift des Verfassers

Ministerialrat Dr. Theodor Peschke Thüringer Ministerium für

Wissenschaft, Forschung und Kunst Postfach 6 72, 99013 Erfurt

Tabelle

Ausbildungskapazitäten in der Hochschulmedizin nach Ländern

Land Einwohner am Hochschulbetten Studienplätze 31. Dezember 1996 1996 je 100 000 1996 je 100 000

in Tausend Einwohner Einwohner Human- Zahn- medizin medizin

Baden-Württemberg 10 375 60 12,9 2,5

Bayern 12 044 64 11,7 2,7

Berlin 3 459 120 26,6 4,8

Brandenburg 2 554 0 0,0 0,0

Bremen 678 0 0,0 0,0

Hamburg 1 708 109 24,9 5,7

Hessen 6 027 67 16,6 3,7

Mecklenburg-

Vorpommern 1 817 125 20,5 5,3

Niedersachsen 7 815 36 9,3 2,0

Nordrhein-Westfalen 17 948 50 11,1 1,6

Rheinland-Pfalz 4 001 43 10,3 2,9

Saarland 1 084 142 24,0 2,1

Sachsen 4 546 65 10,8 2,2

Sachsen-Anhalt 2 724 95 15,0 1,5

Schleswig-Holstein 2 742 94 16,1 2,8

Thüringen 2 491 60 9,7 2,2

Deutschland 82 012 62 12,7 2,5

Quellen: Bundesamt für Statistik: Statistisches Jahrbuch 1998; Deutsche Krankenhaus- gesellschaft: Deutsches Krankenhausverzeichnis 1997; Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen: ZVS-info 1997 und 1998

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