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Archiv "Resolution der Vertreterversammlung der KBV zur Gesundheitsreform 2000" (11.06.1999)

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ie Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesver- einigung (KBV) lehnt den Ge- setzentwurf zur Gesundheitsreform 2000 ab. Der Vorstand der KBV wird sich auch nicht mehr um die Verbesse- rung von Details bemühen, weil er den Ansatz der Reform insgesamt für verfehlt hält und alle bislang vorge- brachten Argumente und Einwände in dem jetzt vorliegenden Referenten- entwurf keinen Niederschlag gefun- den haben.

In seinem gut einstündigen Be- richt zur Lage zeigte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung, Dr. med. Winfried Schorre, de- tailliert die Konsequenzen der geplan- ten Gesetzgebung auf. Daß der Regie- rungswechsel mit einer neuen Kursbe- stimmung in der Gesundheitspolitik verbunden sein würde, sei zwar zu er- warten gewesen, dennoch sei es über- raschend, daß „ausgerechnet durch ei- ne rot-grüne Koalition nun die Axt an die Wurzeln des Solidarsystems“ ge- legt werde, meinte Schorre zu Beginn seiner kämpferischen Rede.

Sicherstellungsauftrag der KVen ist in Gefahr

Die Folgen für die ambulante Versorgung sind nach Schorres Auf- fassung so weitreichend, daß der Si- cherstellungsauftrag der Kassenärzt- lichen Vereinigungen ernsthaft in Frage gestellt ist. Die Regierung füh- re nicht nur die Budgetierung unter

verschärften Bedingungen fort, sie verlagere außerdem die Verantwor- tung für die Budgetsteuerung auf die einzelnen Krankenkassen. Diese sol- len zugleich das Recht erhalten, im Rahmen der sogenannten Integrati- onsversorgung direkt Verträge mit einzelnen Ärzten und Arztgruppen

abzuschließen. Den Kassenärztli- chen Vereinigungen wird damit die Möglichkeit zur Gestaltung der am- bulanten Versorgung weitgehend aus der Hand genommen, sie werden nach Schorres Auffassung zu reinen

„Erfüllungsgehilfen der Kranken- kassen und einer Überwachungs-

Gesundheitsreform 2000

Entschiedener Widerstand gegen eine ignorante Politik

Mit Wut und Verbitterung reagierte die KBV-Vertreterversammlung in Cottbus auf den Referentenentwurf zur Strukturreform.

Die Einwände und Vorschläge der KBV fanden darin keine Berücksichtigung.

Die Kassenärzte wollen deshalb weiterhin öffentlich Kritik üben.

D

Resolution der Vertreterversammlung der KBV zur Gesundheitsreform 2000

Die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung lehnt den Gesetzentwurf der Bundesre- gierung zur Gesundheitsreform 2000 als ein Experiment ab, mit dem die Qualität der medizinischen Versorgung in Deutschland wider besseres Wissen aufs Spiel gesetzt wird.

Der Gesetzentwurf führt zu einem Paradigmenwechsel in der solidarischen Krankenversicherung – von der Krankenversicherung zu einer Gesundenversicherung. Das hat eine Entsolidarisierung und unnötige Strukturzer- störung zur Folge. Für die Patienten bedeutet dies eine spürbare Rationierung der Gesundheitsleistungen durch die politisch verordneten Versorgungsbudgets. Die Pläne der Bundesregierung greifen tief und nachhaltig in die im in- ternationalen Vergleich herausragenden Strukturen des deutschen Gesundheitswesens ein:

1. Durch totale Ausgabenbudgetierung des Gesundheitswesens auf allen Ebenen werden den Ärzten die dia- gnostischen und therapeutischen Möglichkeiten beschnitten, die sie zur individuellen Behandlung ihrer Patienten benötigen. Durch eine Zuteilungsmedizin wird das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt zerstört.

2. Sie nehmen durch steigende Verwaltungs- und Marketingkosten der Krankenkassen im Wettbewerb um gesunde Versicherte unter Budgetbedingungen der Gesetzlichen Krankenversicherung das Geld, das dringend zur Behandlung kranker Menschen benötigt wird.

3. Sie zerstören ohne Not die in Deutschland bewährten Strukturen einer flächendeckenden individuellen und wohnortnahen haus- und fachärztlichen Versorgung.

4. Sie budgetieren die Ausgaben, ohne gleichzeitig die politische Verantwortung dafür zu übernehmen, wie der Leistungskatalog an begrenzte Finanzmittel angepaßt werden muß, um die notwendige medizinische Versor- gung der Versicherten zu gewährleisten.

5. Sie gefährden 100 000 Arbeitsplätze in den Praxen niedergelassener Vertragsärzte und unter den Be- dingungen des Arznei- und Heilmittelbudgets eine Vielzahl von beruflichen Existenzen derjenigen selbständigen Leistungserbringer (Physiotherapeuten, Logopäden, Ergotherapeuten etc.), die von vertragsärztlichen Verordnun- gen abhängig sind.

Die Kassenärzte haben stets ihren Reformwillen bekundet und dafür entsprechende Konzepte geliefert (Pra- xisnetze, Regelleistungsvolumen, Richtgrößen etc.). Sie akzeptieren Steuerungsmaßnahmen und sind bereit, im Rahmen der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten mitzuwirken. Voraussetzung hierfür ist jedoch eine Stärkung der Selbstverwaltung und nicht, wie im Gesetz angelegt, deren Demontage.

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behörde für die ärztlichen Mitglie- der“ degradiert.

Schorre zeigte auf, daß die Kas- senärztlichen Vereinigungen – sollte das Gesetz in der jetzt vorliegenden Form beschlossen werden – nicht nur durch die gestärkte „Einkaufsmacht der Krankenkassen“ unter Druck ge- raten werden. Auch die Regelungen zur Verzahnung der ambulanten und stationären Versorgung führen letzt- lich zu fatalen Konsequenzen für die kassenärztliche Selbstverwaltung.

Weil die einzelnen Krankenkas- sen ihr Budget selbst steuern und Ver-

träge zur integrierten Versorgung schließen können, sind sie auch be- fugt, die dafür aufgewendeten Mittel von der kassenärztlichen Gesamtver- gütung abzuziehen. Andererseits sol- len die Krankenhäuser grundsätzlich ermächtigt werden, neben den hoch- spezialisierten Leistungen auch die Behandlungen von „schweren Krank- heitsbildern“ ambulant zu erbringen.

Auch die dafür notwendigen Mittel gehen der kassenärztlichen Gesamt- vergütung verloren. Mit anderen Worten: Die KVen dürfen künftig nur noch das verteilen, was die Integrati- onsversorgung und die zunehmend ambulant agierenden Krankenhäuser übriglassen. Schorre: „Wir steuern in

die Auflösung der heute noch einheit- lichen Versorgungsstrukturen. Es er- wartet uns eine durch kassenspezifi- sche Vertragsdiktate zersplitterte Ver- sorgungslandschaft.“

„Nun versucht man, uns mundtot zu machen.“

Gegen diese Gefahren und die damit verbundenen Nachteile für die Versorgung der Versicherten hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung in den zurückliegenden Monaten wie-

derholt öffentlich protestiert. Die Po- litik habe sich davon jedoch weitge- hend unbeeindruckt gezeigt. Mehr noch: „Nun versucht man sogar, uns mundtot zu machen“, erklärte Schor- re, begleitet von Pfiffen und Buhrufen der Delegierten. TV-Spots, die die KBV im Rahmen einer breitangeleg- ten Informationskampagne zum Ge- setzesvorhaben der Regierung bei ver- schiedenen Fernsehanstalten senden lassen wollte, seien kurzfristig „amt- lich abgeschaltet“ worden – mit einer mehr als fragwürdigen juristischen Be- gründung, fügte Schorre hinzu.

Der KBV-Vorsitzende hätte außerdem auf Einladung einer ARD- Talkshow am Vorabend der Vertreter-

versammlung an einer Diskussions- runde mit der Bundesgesundheits- ministerin teilnehmen sollen. Diese Einladung, so Schorre, sei kurzfristig zurückgenommen worden, um ihn

„durch einen Repräsentanten der Ge- samtärzteschaft“ (Dr. Frank Ulrich Montgomery, Vorsitzender der Ärzte- kammer Hamburg) zu ersetzen.

„Gegen dieses Ausschalten unse- rer öffentlichen Kritik müssen wir uns entschieden wehren, denn wir werden seit geraumer Zeit in der grundrecht- lich garantierten Meinungsfreiheit ge- schnitten“, empörte sich Schorre.

„Das offensichtliche poli- tische Ziel, uns mundtot zu machen, hat aber be- reits einen Bumerangef- fekt: Wir haben für unser Anliegen eine Pressereso- nanz bekommen, durch die die Informationskam- pagne in einem Ausmaß unterstützt wurde, wie wir uns es besser gar nicht hätten wünschen kön- nen.“ Schorre stellte klar, daß sich die KBV nicht davon abhalten lassen werde, auch weiterhin öf- fentlich deutliche Kritik an einem Gesetz zu üben, das Reformfähigkeit sug- geriere, in Wirklichkeit aber ein „Gesetz der Wi- dersprüche und Unausge- gorenheiten“ sei.

Als besonders perfi- de brandmarkte der KBV- Vorsitzende die Strategie der Politik, „alle, wirklich alle Beiträge der Kassenärzte zur Dis- kussion über die Gesundheitsreform“

mit dem stereotypen Hinweis zu dis- kreditieren, den Kassenärzten ginge es doch nur um ihr Geld, nicht aber um das Wohl ihrer Patienten oder um die Finanzierungsprobleme der Ge- setzlichen Krankenversicherung.

Zu all diesen Themen, stellte Schorre klar, habe die KBV Vorschlä- ge und Alternativen angeboten – zunächst in den „anfangs spärlichen Gesprächen mit dem Bundesgesund- heitsministerium“, in den Medien und schließlich in zahlreichen dezidier- ten Stellungnahmen. „Nichts ist vom Bundesgesundheitsministerium auf- genommen worden. Unsere sachliche A-1534 (18) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 23, 11. Juni 1999

Dr. med. Winfried Schorre zu den Einwänden und Vorschlägen der KBV zur Gesundheitsreform: „Nichts ist vom Bundesgesund- heitsministerium aufgenommen worden. Unsere sachliche Mitarbeit ist nicht gewollt, und die fachliche Kritik wird überhört.“

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Mitarbeit ist nicht gewollt, wird über- hört, und die fachliche Kritik wird verschwiegen“, resümierte der KBV- Vorsitzende.

Diese Kritik trug Schorre auf der Vertreterversammlung erneut vor – beginnend mit der dro-

henden Überbürokra- tisierung des Gesund- heitswesens. Der Refe- rentenentwurf verspre- che zwar in seinem Vor- spann den Verzicht auf detaillierte Regelung.

Dies sei aber eine Täu- schung, denn „seiten- lange Paragraphen mit Ungetümen an juristi- schen Regelungspyra- miden sind das genaue Gegenteil“. Der Refe- rentenentwurf sei ge- prägt von Regelungs- wut, kleinkarierten Re- gelungsvorgaben, kür- zesten Fristen, Schieds- verfahren ohne Ende, Kaskaden von Daten-

sammlungen und Datensammlungs- stellen, Prüfaufträgen sowie Doku- mentations- und Berichtspflichten.

Schorre wörtlich: „Wir werden an ei- ner Übermaßbürokratie ersticken, die uns noch mehr als bisher unserer ei-

gentlichen beruflichen Aufgabe, un- seren Patienten ärztlich zu helfen, ent- fremden würde.“

Besonders verbittert zeigte sich der KBV-Vorsitzende von der Budge- tierungswut der Regierung. „Diese

Koalition hat uns bei der Verabschie- dung des Vorschaltgesetzes ausdrück- lich versprochen, daß die damals er- neut eingeführten sektoralen Ausga- benbegrenzungen auf ein Jahr befri- stet sein würden. Jetzt müssen wir fest-

stellen, daß nicht nur Globalbudgets eingeführt werden, sondern die angeb- lich befristeten sektoralen Budgets na- hezu uneingeschränkt fortgeschrieben und durch die kombinierten Budgets der integrierten Versorgung sogar sy- stematisch aufgezehrt werden sollen.“

Integrationsversorgung:

Einstieg ins Einkaufsmodell

Getäuscht fühlt sich die KBV auch von der wiederholten Aussage der Bundesgesundheitsministerin, sie wolle den Sicherstellungsauftrag auf jeden Fall bei den Kassenärztlichen Vereinigungen lassen. Frau Fischer ha- be dies vor allem im Hinblick auf die Integrationsversorgung betont. Im Re- ferentenentwurf habe sich hingegen die Position der Krankenkassen durch- gesetzt, wonach diese selbst auswählen können, ob sie einen Integrationsver- trag mit den KVen oder direkt mit ei- ner Gruppe von Vertragsärzten ab- schließen wollen. Die Kassenärztli- chen Vereinigungen könnten zwar der- artigen Verträgen ihre Zustimmung verweigern, sie letztlich aber nicht ver- hindern, wenn die Schiedsämter eine andere Entscheidung träfen.

Selbst den Gang zum Schiedsamt, erläuterte Schorre, könnten sich die Die Delegierten der KBV-Vertreterversammlung diskutierten gut vier Stunden lang die Auswirkungen der geplanten Gesundheitsreform. Ihr Fazit: So darf die Reform nicht kommen. Neben der totalen Ausgabenbudgetierung enthält der Gesetzentwurf zahlreiche Regelungen mit gravierenden Folgen für die ambulante Versorgung.

Detaillierte Erläuterungen der „sperrigen Paragraphen“: Dr. jur. Rainer Hess, Hauptgeschäftsführer der Kassenärztlichen Bundesvereinigung

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Krankenkassen sparen. Der Gesetz- entwurf räume ihnen nämlich die Möglichkeit ein, Integrationsverträge zunächst als Modellversuche abzu- schließen. Darüber müßten die KVen lediglich informiert werden. Würden dann solche Modellversuche nach ei- nigen Jahren in die reguläre Integrati- onsversorgung überführt, hätte ein Widerspruch der KVen vor dem

Schiedsamt wenig Aussicht auf Er- folg. Schorre: „Ein perfektes Beispiel für ein Einkaufsmodell.“

Die Politik müsse frühzeitig er- kennen, daß die Eröffnung solcher Einkaufsmöglichkeiten an einzelne Krankenkassen verbunden mit der Übertragung der Budgetverantwor- tung zur Risikoselektion und Zersplit- terung des einheitlichen, wohnort- nahen Versorgungssystems zu einer

„Vielzahl von Krankenkassenversor- gungssystemen“ führe. Die KBV glaubt nicht, daß unter diesen Bedin- gungen der Sicherstellungsauftrag wei- terhin von der ärztlichen Selbstverwal- tung wahrgenommen werden kann.

Welche Konsequenzen dann zu ziehen sind, werde zu prüfen sein, denn es stellen sich folgende Systemfragen:

c Sollen die Kassenärztlichen Vereinigungen in Zukunft noch die In- teressen aller Vertragsärzte, einschließ- lich derjenigen mit Integrationsverträ- gen, vertreten, oder sollen sie systema- tisch durch „Verweis auf die Restmas- se“ aus dem Verkehr gezogen werden?

c Wie soll sich innerhalb der KV das Verhältnis der sich nach außen unversöhnlich gegenüberstehenden Hausärzte und Fachärzte sowie Psy- chotherapeuten abspielen?

c Wie soll die Struktur der Kas- senärztlichen Vereinigung vor dem Hintergrund einer sich verändernden Aufgabenstellung aussehen? Bleibt es bei einer Selbstverwaltung der KV, müsse dies die Beibehaltung des Rechtes zur Interessenwahrung aller Kassenärzte beinhalten, um die schwierigeren Ordnungsfunktionen der KV zu erhalten.

c Oder wird die KV ein reines

„Vollzugsorgan der Krankenkassen“?

Dann möge sie als Verwaltungsappa- rat fortbestehen, nicht jedoch als eine Interessenvertretung der Kassenärz- te, die sich auf anderer Ebene gewerk- schaftlich strukturieren müsse.

Schorres Analyse wurde von den Delegierten in der gut vierstündigen Diskussion geteilt. So sagte Dr. med.

Ulrich von Sassen, KV Niedersachsen:

„Nach mehr als hundert Jahren ist die solidarische Krankenversicherung tot.

Alle Versicherungszweige sind pleite.

Daran können nicht allein die Ärzte schuld sein. Wir sollten uns tatsächlich gewerkschaftlich organisieren.“

Gut gemeint, aber schlecht gemacht – oder umgekehrt?

Dr. med. Ludger Beyerle, KV Nordrhein, sprach im Hinblick auf die neue Regierung von einer „feinen rot- grünen Gesellschaft, die jetzt da oben angekommen ist und sich suggeriert wie die Neureichen“. Der Vorsitzende der KV Mecklenburg-Vorpommern, Dr. med. Wolfgang Eckert, fühlte sich durch den Gesetzentwurf an „längst vergangen geglaubte Zeiten in der ehe-

A-1538 (22) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 23, 11. Juni 1999 Dr. med. Werner Baumgärtner, KV Nord-Württem-

berg: Globalbudget taugt als „Unwort des Jahres“.

Dr. med. Gerhard Dieter, KV Südbaden: Heftige Kritik an Reglementierung und Überbürokratisierung Dr. med. Ludger Beyerle, KV Nordrhein: „Eine feine rot-grüne Gesellschaft, die

jetzt da oben angekommen ist und sich suggeriert wie die Neureichen.“

Prof. Dr. med. Detlef Kunze, KV Bayerns, zeigte auch aus Sicht der außerordentli- chen Mitglieder (Krankenhausärzte) die Schwachstellen der Strukturreform auf.

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maligen DDR“ erinnert: „Wir werden in eine Planwirtschaft geführt!“

Unter welchem Blickwinkel auch immer die Delegierten das Reformvor- haben der Regierung kritisierten, allen Beiträgen war die Bereitschaft zum er- bitterten Widerstand gemeinsam. So forderte Dr. med. Werner Baumgärt- ner, Vorsitzender der KV Nord-Würt- temberg, die Vertreterversammlung und die ärztliche Basis auf, sich gegen die Zerschlagung der KVen zu wehren.

Das Globalbudget müsse auf die Vor- schlagsliste für das „Unwort des Jah- res“. Professor Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, KV Nordrhein, warnte vor all- zu großer Naivität in der Interpretation der Koalitionsabsichten: „Man hört im- mer, die Reform sei gut gemeint, aber schlecht gemacht. Das Gegenteil trifft zu: Die Reform ist schlecht gemeint, aber relativ gut gemacht. Sie läuft auf die Destruktion der ambulanten Ver- sorgung hinaus. Und was die Kranken- häuser angeht, kann ich Ihnen garantie- ren: es wird Wartelisten geben!“

Hinsichtlich der seit Dezember vergangenen Jahres laufenden Prote- ste der Ärzte meinte Dr. med. Theo- dor Windhorst, KV Westfalen-Lippe:

„Wir dürfen jetzt nicht damit auf- hören, gerade jetzt nicht!“ Auch der Vorsitzende der KV Thüringen, Dr.

med. Wolf-Rüdiger Rudat, unter- stützte dies: „Die Aktionen müssen weitergehen – vor allem regional. Wir sollten lokale Informationsveranstal- tungen für Patienten organisieren, und zwar mit Ärzten, die in der Regi- on bekannt sind.“

Ein erstes öffentliches Signal setz- te die Vertreterversammlung gleich an Ort und Stelle: Sie verabschiedete ein- stimmig eine vom KBV-Vorstand ein- gebrachte Resolution zur Gesund- heitsreform 2000. Schorre kündigte überdies eine erneute ausführliche Stellungnahme der KBV zu den ein- zelnen Regelungen im Referentenent- wurf an. „Wir erwarten außerdem jetzt bald ein Gesprächsangebot der Ministerin. Wir selbst werden aber nicht um ein Gespräch betteln“, sagte der KBV-Vorsitzende unter dem Bei- fall der Delegierten. Schorre glaubt, daß sich eine Allianz aller Gesund- heitsberufe gegen die Reform bilden werde. Die Kassenärztliche Bundes- vereinigung wird die Information der Patienten fortsetzen. Josef Maus

ehn Jahre nach der deutschen Einheit klafft immer noch eine große Lücke zwischen den Ausgaben der Krankenkassen für die ambulante Versorgung in West und Ost. Obwohl die Vertragsärzte in den neuen Bundesländern längst das Ver- sorgungsniveau ihrer Kollegen aus dem Westen bieten, zahlen die Kran- kenkassen dort im Vergleich zu den alten Bundesländern nur 78 Prozent.

Das hat schon in den vergangenen Jahren zu spürbaren Engpässen ge- führt. Nach Einschätzung der Vertre- terversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung dürfte sich die La- ge der ambulanten Versorgung in den neuen Ländern jedoch dramatisch zu- spitzen, wenn die Gesundheitsreform 2000 wie geplant in Kraft tritt.

Dr. med. Wolfgang Eckert drück- te die Sorgen seiner Kollegen mit fol- genden Worten aus: „Was gerade läuft, macht mir richtig angst.“ Mit Blick auf das Gesetzesvorhaben sagte der Vorsitzende der KV Mecklen-

burg-Vorpommern: „Wir sind auf dem Weg in ein staatlich-dirigistisches Gesundheitswesen; wir werden in die Planwirtschaft geführt.“

Eckert glaubt, daß der Osten der- zeit als „Experimentierfeld“ dient. Es solle nachgewiesen werden, „daß alles auch viel preiswerter geht, um das niedrigere Niveau der Kassenausga- ben schließlich auf den Westen über- tragen zu können“. Die DDR habe vorgemacht, wie man die Ausgaben für das Gesundheitswesen halbieren könne – al- lerdings um den fata- len Preis einer deut- lich reduzierten Le- benserwartung und spürbarer Einbußen an Lebensqualität.

Einer solchen Entwicklung will die KBV nicht tatenlos zusehen. Vorstand und Länderausschuß legten deshalb einen gemeinsamen Leitan- trag zur Aufhebung der Benachteiligung der vertragsärztli- chen Versorgung in den neuen Bundesländern vor. Der Antrag beschreibt die Ausgangslage in den neuen Ländern und mündet in ein Notprogramm, mit dessen Hilfe die ambulante Versorgung im Osten nicht nur erhalten werden soll. Viel- mehr geht es darum, in einem Zeit- raum von fünf Jahren den Abstand zwischen alten und neuen Ländern zu überwinden und gleiche Verhältnisse in Ost und West herzustellen.

Die KBV-Vertreterversammlung beschloß den nachfolgend im Wort- laut wiedergegebenen Leitantrag ein-

stimmig. JM

Neue Bundesländer

Gleiche Verhältnisse in Ost und West schaffen

Die Vertreterversammlung beschloß ein Stufenprogramm.

Z

Dr. med. Wolfgang Eckert, KV Mecklenburg-Vorpommern, warnte: „Es läuft das Experimentierfeld Ost. Wir werden in die Planwirtschaft geführt.“

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