• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "KBV-Vertreterversammlung: Auf Annäherungskurs" (03.06.2011)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "KBV-Vertreterversammlung: Auf Annäherungskurs" (03.06.2011)"

Copied!
3
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A 1202 Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 108

|

Heft 22

|

3. Juni 2011

F

ür den Vorstandsvorsitzenden der Kassenärztlichen Bundes- vereinigung (KBV), Dr. med. An- dreas Köhler, hatte der Tagungsort etwas Symbolisches: Kiel liege exakt auf der Wasserscheide zwi- schen Nord- und Ostsee. Das habe gleichzeitig etwas Verbindendes und etwas Trennendes. „Das erin- nert mich sehr stark an die derzeiti- ge Situation in der KBV“, sagte Köhler bei der KBV-Vertreterver- sammlung, die am 30. Mai traditio- nell im Vorfeld des Deutschen Ärz- tetags stattfand.

Es war die erste öffentliche Ta- gung des Gremiums seit der kon - stituierenden Sitzung am 11. März.

Und den Beginn der 14. Legislatur- periode, da war man sich einig, kann man nur als holprig bezeich- nen. Bereits bei der konstituieren- den Sitzung hatten die oppositionel- len Kassenärztlichen Vereinigun - gen (KVen) – Baden-Württemberg, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern

und Hessen – den anderen Manipu- lationen vorgeworfen, weil sich ei- ne Mehrheit der Vertreterversamm- lung (VV) für vorgezogene Vor- standswahlen ausgesprochen hatte.

Das Muster zog sich durch bis zu- letzt, als am 17. Mai die Opposition eine geschlossene Sitzung verließ.

Anlass war die im Keim erstickte Debatte um eine Konvergenzphase zur bundesweiten Angleichung der Honorare. Eine Mehrheit der VV sprach sich schließlich dafür aus, von 2013 an drei Jahre lang Hono- rar an die KVen umzuverteilen, die bei der jüngsten Honorarreform am schlechtesten abgeschnitten hatten.

In Kiel beschrieb KBV-Chef Köhler noch einmal die Konfliktfel- der, die zu der Lagerbildung beige- tragen haben: Ungeklärt sei nach wie vor das Verhältnis von Kollek- tiv- und Selektivvertrag, das zwi- schen den KVen und der KBV so- wie das zwischen Ehrenamtlern und Hauptamtlern in der VV. Dabei be-

tonte Köhler, die KBV werde sich dafür einsetzen, dass die Regionen mehr Gestaltungsmöglichkeiten er- hielten. Künftig sollen die KVen wieder in eigener Regie mit den Krankenkassen über die Honorar- verteilung und die Gesamtverträge verhandeln können. Das entspricht einer der Hauptforderungen der vier oppositionellen KVen.

Die VV hat darüber hinaus präzi- siert, dass die KBV auf Bundes - ebene nur noch die Trennung der haus- und fachärztlichen Vergü- tungsanteile, die Bereinigung der Gesamtvergütung bei Selektivver- trägen sowie die Umsetzung der angemessenen Vergütung der ge- nehmigungspflichtigen psychothe- rapeutischen Leistungen regeln soll.

Außerdem beschloss die VV, dass es bei den Honoraren keine Umvertei- lung zulasten anderer KVen geben soll. KBV-Vorstand Köhler bekräf- tigte zudem, dass er sich für eine Rückkehr zur Einzelleistungsvergü- tung einsetzen will: „Der sehr hohe Pauschalisierungsgrad der letzten Jahre hat sich als leistungsfeindlich und intransparent herausgestellt.“

Die angestrebte Regionalisie- rung werde sich allerdings auf die Arbeitsteilung zwischen der Lan- des- und der Bundesebene auswir- ken. „Darüber werden wir aber noch intensiv diskutieren und klare Abgrenzungen finden müssen“, er- klärte Köhler. Er räumte ein, die Zentralisierung der vergangenen Jahre sei ein Fehler gewesen.

Der KBV-Chef richtete in sei- nem Bericht zur Lage den Blick vor allem nach innen: „Zum ersten Mal in der Geschichte der KBV und der KVen hat es einen Lagerwahlkampf gegeben. Mit dem Ergebnis, dass wir sehr unterschiedlich ausgerich- tete Blöcke in der VV haben.“ Das habe auch das Selbstverständnis der KBV-Vertreterversammlung verän- dert. Diese verstehe sich inzwi- schen weniger als Aufsichtsrat ge- genüber dem Vorstand denn als Parlament, in dem klare Opposi - KBV-VERTRETERVERSAMMLUNG

Auf Annäherungskurs

Wieder mehr Einfluss für die Regionen, keine Umverteilung bei den Honoraren zulasten anderer Kassenärztlicher Vereinigungen – Friedenssignale zwischen KBV-Vorstand und Opposition

Bessere Zusammenarbeit nach der Aussprache?

KBV-Vorsitzender Andreas Köhler zeigt sich vorsichtig optimistisch.

Fotos: Jürgen Gebhardt

P O L I T I K

(2)

A 1204 Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 108

|

Heft 22

|

3. Juni 2011 tionspolitik betrieben werde. „Ich

be grüße das trotz der aktuellen Un- ruhe ausdrücklich“, betonte Köhler.

„Damit haben wir die Chance, die ungelösten Probleme der letzten Jahre erneut und unter anderen Rahmenbedingungen zu behan- deln.“ Denn die Auseinanderset- zung beispielsweise über den Um- gang mit den Selektivverträgen werde nun nicht mehr überwie - gend „außerparlamentarisch“ ge- führt, sondern in den Gremien der ärztlichen Selbstverwaltung. Der KBV-Chef sprach sich in diesem Zusammenhang für ein sinnvolles Nebeneinander von Selektivverträ- gen und Kollektivvertrag aus. Se- lektivverträge müssten jedoch nach - weislich kosteneffizient sein, eine hohe Qualität bieten und die Versor- gungsgerechtigkeit verbessern.

Das Problem an der neuen Form des Parlamentarismus: VV und Vor- stand hätten noch nicht gelernt, mit dieser gelebten parlamentarischen Demokratie umzugehen. „Das müs- sen wir jetzt dringend in Angriff nehmen“, mahnte Köhler. Dazu ge- höre das Fällen langfristig tragfä - higer Beschlüsse ebenso wie die Akzeptanz von Mehrheitsentschei- dungen. Tatsache sei, dass es Mit- glieder in der VV gebe, die der KV, vor allem aber der KBV gegenüber extrem kritisch eingestellt seien und den Systemausstieg wollten. Auch die KVen verträten unterschiedliche Interessen. „Ich will alle einbin- den“, bekräftigte Köhler.

Um Annäherung bemüht war auch die Opposition. Einer ihrer ex- poniertesten Vertreter, Dr. med.

Norbert Metke, Vorstandsvorsitzen- der der KV Baden-Württemberg, sagte, er sehe Gräben und Frakti- onsbildung in der VV nicht als so gravierend an. Dennoch mahnte er:

„Wir brauchen eine völlig andere Diskussionskultur.“ Viele Delegier- te fühlten sich von Entscheidungs- prozessen ausgegrenzt. Seinen Kri- tikern warf Metke vor, die Befür- worter von Selektivverträgen im- mer als Systemkritiker darzustellen.

Dabei habe der Gesetzgeber die Selektivverträge nur deshalb ge- schaffen, weil in Sachen hausarzt- zentrierter Versorgung jahrelang nichts geschehen sei. „Die Frage war doch: Soll man das Feld den Kassen überlassen?“ Die Befürwor- ter hätten die Selektivverträge für die Ärzte gerettet. „Wir wollen nicht die KV abschaffen. Wir sind doch keine Fantasten“, betonte Metke. Der Gesetzgeber werde sich niemals die Kontrolle über ein Ge- sundheitsbudget von 180 Milliar- den Euro nehmen lassen, indem er die Körperschaften zerschlage. An Köhler gewandt fügte er hinzu:

„Wenn Sie Ausgrenzung unterlas- sen und die Diskussionskultur för- dern, werden wir Ihre besten Freun- de.“ Köhler hatte zuvor gewarnt, den Status der KBV als Körper- schaft des öffentlichen Rechts in-

frage zu stellen. Das bedeute das Ende der Mitwirkung der KBV in der gemeinsamen Selbstverwaltung.

Doch der KBV-Vorsitzende gab sich auch selbstkritisch: „Die Zu- friedenheit der Vertragsärzte mit dem System ist in den letzten Jah-

ren spürbar gesunken.“ KVen und KBV würden immer weniger als Interessenvertretung wahrgenom- men, sondern als verlängerter Arm der Krankenkassen. Die Körper- schaften müssten den Vertragsärz- ten deshalb mehr und bessere Dienstleistungen bieten, Bürokratie abbauen und vor allem spürbar bes- sere Arbeitsbedingungen schaffen (zum neuen Selbstverständnis der KBV siehe Kasten Leitbild). Um mehr über die Wünsche und Be- dürfnisse der Vertragsärzte zu er- fahren, will die KBV noch in die- sem Jahr eine repräsentative Um- frage durchführen.

In diesem Zusammenhang kriti- sierten zahlreiche Delegierte den mangelnden Einfluss der ehrenamt- lichen Mitglieder in der VV. „Ein Problem der KBV sind ihre basis- fernen Beschlüsse“, kritisierte stell- vertretend für viele Dr. med. Wolf- gang Bärtl (KV Bayerns). „Die Eh- renamtler müssen gestärkt werden, nur so kann die KBV verlorene Le- gitimation zurückgewinnen.“ Auch der VV-Vorsitzende Hans-Jochen Weidhaas erklärte: „Ich kann mir eine rein ehrenamtliche Vertretung in der VV gut vorstellen.“

Kurz ging KBV-Chef Köhler auf die aktuelle Gesundheitsgesetzge- bung ein. Dem Arbeitsentwurf des Versorgungsstrukturgesetzes stellte er gute Noten aus. Es sei kein wei- teres Kostendämpfungsgesetz, son- dern es strebe die Sicherung der flä- chendeckenden Versorgung aller Versicherten an. Die Politik habe erkannt, dass es schon heute an Ärzten mangele und angesichts der Altersstruktur der Niedergelassenen dringend etwas unternommen wer- den müsse. Der Arbeitsentwurf für das Versorgungsstrukturgesetz lag allerdings erst wenige Tage vor der Vertreterversammlung vor, so dass Köhler zufolge eine abschließende Bewertung noch nicht möglich war.

Aber immerhin: Der Entwurf gehe in die richtige Richtung, meinte er.

Mit der Weiterentwicklung der Bedarfsplanung greife der Gesetz- entwurf eine langjährige Forderung der KBV auf. Auch hier stimme im Großen und Ganzen die Richtung, aber einige Details müssten mit der Politik im Verlauf des Gesetzge- KBV-Vorstand Carl-Heinz Müller: „Wir

Ärzte wollen das Medikationsmanagement in der Hand behalten.“

Norbert Metke, KV Baden-Württem- berg, für die Oppo- sitions-KVen: „Wir sollten die Graben- kämpfe beenden.“

P O L I T I K

(3)

Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 108

|

Heft 22

|

3. Juni 2011 A 1205 bungsverfahrens noch intensiv be-

raten werden. Köhler nannte hier als Beispiel die stärkere Berück- sichtigung der regionalen Morbidi- tät und der soziodemografischen Faktoren, die den Bedarf vor Ort bestimmten. Als richtigen Schritt wertete der KBV-Chef ferner den geplanten Auftrag an die Spitzen- verbände der Krankenkassen und die KBV, eine Liste mit delegati- onsfähigen Leistungen zu erstellen.

Denn unbestritten sei, dass an - gesichts des Ärztemangels und der Altersentwicklung der Bevölkerung die Vertragsärzte von Angehörigen der Gesundheitsfachberufe kompe-

tent unterstützt und entlastet wer- den müssten.

Eine der wichtigsten Forderun- gen der KBV und der KVen, näm- lich die Rückverlagerung der Ho -

norarverteilungskompetenz an die KVen, finde sich ebenfalls im Ar- beitsentwurf wieder, betonte Köh- ler. Das gelte auch für die Vorschlä- ge der KBV zur Aus- und Fortbil- dung von Ärzten, zur besseren Ver- einbarkeit von Familie und Beruf und zur Nachwuchsgewinnung.

Noch nicht berücksichtigt seien hingegen die Forderungen im Arz- neimittelbereich. Die Grundzüge des Konzepts, dass die KBV ge- meinsam mit der ABDA – Bundes- vereinigung deutscher Apotheker- verbände erarbeitet hat, erläuterte Köhlers Vorstandskollege, Dr. med.

Carl-Heinz Müller. Im Kern geht es darum, die Ärzte aus der Wirt- schaftlichkeitsverantwortung für

ihre Arzneimittelverordnungen zu entlassen und die Therapietreue der Patienten zu fördern. Basis ist ein Medikationskatalog, der für wichti- ge Krankheiten Mittel der Wahl und Reservewirkstoffe listet. Der Arzt ist danach künftig nur noch verant- wortlich für die Indikation sowie die Auswahl von Wirkstoff, Stärke, Menge und Darreichungsform, wäh- rend der Apotheker das konkrete Präparat auswählt. Der Vorteil für den Patienten: Er erhält einen Me- dikationsplan auf Wirkstoffebene, der nicht ständig verändert werden muss, weil aufgrund von Rabattver- trägen unterschiedliche Präparate

abgegeben werden. ■

Heike Korzilius, Josef Maus

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat die zunehmende Kritik aus der Ärzteschaft an ihrer Arbeit zum Anlass genommen, sich neu auszu- richten. Ziel ist es, im Hinblick auf das Versorgungsstrukturgesetz eine ausgewogene Balance zwischen der Interessenvertretung der niederge- lassenen Vertragsärzte und -psychotherapeuten und der Sicherstellung der ambulanten Versorgung zu erreichen.

In dem neuen Leitbild betont die KBV einleitend, weiterhin die Inter - essen der Vertragsärzte und Psychotherapeuten vertreten zu wollen.

Ebenso bleibe man aber auch die Körperschaft des öffentlichen Rechts, die in sinnvoller Arbeitsteilung mit den Kassenärztlichen Verei- nigungen die ambulante medizinische Versorgung aller Versicherten zu gewährleisten habe. Basis dafür bleibe der Kollektivvertrag in einem sinnvollen Nebeneinander mit anderen Versorgungsverträgen. Weiter heißt es:

Für die Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigungen wollen wir bessere Arbeitsbedingungen schaffen. Neben einer angemessenen,

sicheren und nachvollziehbaren Vergütung, dem Abbau unnötiger Bü- rokratie und der Förderung des ärztlichen und psychotherapeuti- schen Nachwuchses, bedeutet dies vor allem, dass auf der Grundla- ge eines geschützten Patienten-Arzt-Verhältnisses die Behandlung und Betreuung der Menschen in einem von Arzt und Psychothera- peut selbstbestimmten Umfang stattfinden muss.

Für die Patienten streben wir deren größtmögliche Zufriedenheit durch die konsequente Ausrichtung unserer Arbeit auf die Bedürfnis- se der Patienten und durch mehr Selbstbestimmung und Eigenver- antwortung an

Die Handlungsfelder, die sich für die KBV daraus ergeben, sind die Steige- rung der Attraktivität der ärztlichen und psychotherapeutischen Tätigkeit, die Modernisierung des Kollektivvertrags, die föderal ausgerichtete Ar- beitsteilung zwischen KBV und KVen, eine bessere Information und Kom- munikation gegenüber den Vertragsärzten sowie die Förderung der Versor- gungsforschung und innovativer Versorgungsstrukturen. JM

NACH DER KRITIK: NEUES LEITBILD

Abstimmung:

Zahlreiche Anträge dokumentierten den Gestaltungswillen der Vertreterver-

sammlung.

Köhler: KVen sol- len Interessenver- treter der Ärzte und Sichersteller der ambulanten Versor- gung sein.

P O L I T I K

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Für mehr Eigen- verantwortung der Versicherten sprach sich KBV-Vorstandsvor- sitzender Andreas Köhler aus.

Eckart Fiedler einschaltete, waren die Gründe für die — in Übereinstimmung mit den Kassenärztlichen Vereinigungen der Län- der — getroffene Entscheidung der KBV, vor den und

Durch die Bereitschaft der Kassenärzte, im Gesundheitswe- sen Mitverantwortung für eine Dämpfung der.Kosten zu überneh- men, haben Sie einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung

Die Bundesärztekammer wurde mit der Empörung vieler Ärzte über die anhaltende Kritik an ihrer Arbeit (und ihren Einkommen!) sehr direkt konfrontiert : bei ihren

„Sollte der geplante Vertrag für eine flächendeckende haus- arztzentrierte Versorgung ohne Be- teiligung der KVen stattfinden und die Bereinigung der Gesamtvergü- tung

Umsetzung vieler belastender Regelungen zu sorgen hätten. „Wenn wir als Vertreter der Vertragsärzte und -psychotherapeuten deren Interessen wirksam wahrnehmen wollen,müssen

Der KBV-Vorstand soll sich dafür einsetzen, dass es nur noch finanzielle Anreize für die Arbeit in unterver- sorgten Regionen gibt, nicht aber Abzüge bei

Ich schäme mich für eine Standesvertre- tung, die immer nur nach mehr Geld schreit, damit sich der Patient dafür Qualität kaufen kann.“.. Munte streitet seit Längerem dafür,