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Archiv "KBV-Vertreterversammlung: Eine KV – für alle" (26.05.2006)

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P O L I T I K

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ie niedergelassenen Ärzte haben andere Sorgen, als den jahrzehnte- langen (Funktionärs-)Streit zwi- schen Haus- und Fachärzten zu pflegen.

Diese Erfahrung machte Dr. med. Wolf- gang Hoppenthaller bei der Vertreterver- sammlung der Kassenärztlichen Bundes- vereinigung (KBV) im Vorfeld des 109.

Deutschen Ärztetages in Magdeburg.

Nachdem sich der Deutsche Hausärzte- verband am Tag zuvor in Potsdam für die Etablierung einer eigenständigen Haus- arzt-KV ausgesprochen hatte (siehe nach- folgenden Artikel), versuchte Hoppen- thaller das KBV-Podium für eine Gene- ralabrechnung mit den ärztlichen Körper- schaften zu nutzen.Seine Attacken stießen hingegen auf einhellige Ablehnung, mit- unter sogar auf völliges Unverständnis.

Der streitbare bayerische Delegierte und Hausarztfunktionär warf der KBV und den Kassenärztlichen Vereinigungen vor, die Hausärzte über Jahrzehnte schlecht be- handelt zu haben. „Sie rufen hier zur Ge- meinsamkeit auf“, wandte er sich an den KBV-Vorstandsvorsitzenden, Dr. med.

Andreas Köhler, „nur habe ich das in all den Jahren anders erlebt.“ Hoppenthaller verstieg sich zu der Behauptung, die Kör- perschaften hätten eine „elende Qualitäts- diskussion“ gegen die Hausärzte geführt, um deren Qualifikation zu untergraben.

„Hätte die rot-grüne Koalition nicht die Trennung der Gesamtvergütung in einen

hausärztlichen und fachärztlichen Anteil eingeführt, wären die Hausärzte heute längst pleite. Die Körperschaften hätten uns ruiniert. Was sollte die Hausärzte also in einer gemeinsamen KV halten?“

Bayerische Folklore

So scharf wie Hoppenthallers Angriffe formuliert waren,so deutlich fielen die Re- aktionen der KBV-Delegierten aus. Dr.

med. Andreas Hellmann, KV Bayerns, sprach von einem bayerischen Folklo- retheater, das Hoppenthaller auf die Bun- desebene trage, „weil er sich mit seinen persönlichen Ambitionen nicht durchset- zen konnte“. Dr. med. Ulrich Thamer, KV Westfalen-Lippe, meinte: „Vielleicht sind die Hausärzte ja früher traumatisiert wor- den.“ Und direkt an Hoppenthaller ge- wandt: „Was Sie hier aber aufführen, sind posttraumatische Belastungsstörungen.“

Auch Dr. med. Leonhard Hansen, KV Nordrhein, wählte deutliche Worte: „Wir wollten eigentlich verhindern, dass die- ses bayerische Schmierentheater in die KBV-Vertreterversammlung hineingetra- gen wird. Wer nur in die Vergangenheit schaut, hat die Zukunft bereits verloren.“

Sein Kollege Dr. med. Achim Hoffmann- Goldmayer, KV Baden-Württemberg, wi- dersprach energisch der Behauptung, die Hausärzte seien nach wie vor nicht hinrei-

„Hätte die rot-grüne Koalition nicht die Trennung der Gesamtvergütung in einen hausärztlichen und fachärztlichen Anteil eingeführt, wären die Hausärzte heute längst pleite.“

Wolfgang Hoppenthaller, KV Bayern

„Wir wollten eigentlich verhindern, dass dieses bayerische Schmierentheater in die KBV-Vertreterversammlung hineinge- tragen wird. Wer nur in die Vergangenheit schaut, hat die Zukunft bereits verloren.“

Leonhard Hansen, KV Nordrhein

„Es gibt 15 KVen, die von Hausärzten ge- führt werden. Das ist die Realität. Die Mär von den unterdrückten Hausärzten sollte nun wirklich vorbei sein.“

Achim Hoffmann-Goldmayer,KV Baden-Württemberg

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A1418 Deutsches ÄrzteblattJg. 103Heft 2126. Mai 2006

KBV-Vertreterversammlung

Eine KV – für alle

Delegierte bekennen sich zur Friedensgrenze zwischen Haus- und Fachärzten und zur Integration von angestellten Ärzten.

Alle Fotos:Bernhard Eifrig

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chend in den KVen repräsentiert: „Es gibt 15 KVen, die von Hausärzten geführt wer- den. Das ist die Realität. Die Mär von den unterdrückten Hausärzten sollte nun wirklich vorbei sein.“

Neue Versorgungslandschaft

Hoffmann-Goldmayer und die übrigen hausärztlichen KV-Vorsitzenden beende- ten die leidigen Querelen mit einem ge- meinsamen Antrag, der den Willen der Delegierten zur Geschlossenheit demon- strierte. Der einstimmig angenommene Antrag (Hoppenthaller hatte zu diesem Zeitpunkt die Sitzung längst verlassen) stellt klar, dass an der Friedenslinie zwi- schen Haus- und Fachärzten nicht gerüt- telt werden soll. Solange es eine Gesamt- vergütung gibt,soll es bei dem eigenständi- gen Vergütungsanteil für die Hausärzte bleiben. Man wolle sich nicht gegenseitig in die Tasche greifen. Die KVen sollen zu- dem die Möglichkeit erhalten, die (künfti- gen) Vergütungen getrennt für den hausärztlichen und fachärztlichen Versor- gungsbereich zu verhandeln. Der Tenor des ins Detail gehenden Beschlusses ist unverkennbar: Unter dem gemeinsamen Dach der KV sollen Hausärzte und

Fachärzte den notwendigen Spielraum für die jeweils eigenen Belange erhalten, um gemeinsam die ambulante Versorgung weiterentwickeln zu können.

Als völlig rückwärts gewandt bezeich- nete KBV-Chef Köhler die erregte Hausarzt-Facharzt-Diskussion, die einen großen Teil des Vormittages im Magde- burger Maritim Hotel bestimmte. Ange- sichts einer sich drastisch wandelnden Versorgungslandschaft sieht er gänzlich neue Aufgaben und Herausforderungen auf die KVen und die KBV zukommen.

„Wir werden bald nicht mehr über die un- terschiedlichen Interessen von Haus- und Fachärzten reden, sondern über die Not- wendigkeit, auch den angestellten Ärzten in Medizinischen Versorgungszentren und bei Vertragsärzten eine angemessene Interessenvertretung zu gewähren“, sagte Köhler in seiner Grundsatzrede vor den rund 60 Delegierten und zahlreichen Gä- sten aus ärztlichen Körperschaften und Verbänden. Das geplante Vertragsarzt- rechtsänderungsgesetz eröffnet den Ver- tragsärztinnen und -ärzten wesentlich fle- xiblere Möglichkeiten der Berufsaus- übung. Zu den künftigen Mitgliedern der KVen, so Köhler, zählten Ärzte, die in Teilzeit im Krankenhaus oder einem Me- dizinischen Versorgungszentrum (MVZ) angestellt seien und gleichzei- tig als freiberufliche Ver- tragsärzte arbeiteten. „Medizi- nische Versorgungszentren oder große Gemeinschaftspra- xen, Ärztehäuser und Koope- rationen zwischen niederge- lassenen Kollegen und Kran- kenhäusern werden in der am- bulanten Versorgung eine im- mer größere Rolle spielen“, erklärte der KBV-Vorsitzen- de. Um diesen Veränderungen Rechnung zu tragen, wird künftig bei der KBV neben den Beratenden Fachaus- schüssen für Haus- und Fach-

ärzte sowie Psychotherapeuten ein Aus- schuss für angestellte Ärzte in ver- tragsärztlichen Praxen und MVZ einge- richtet. Im Sinne des Service- und Dienst- leistungsgedankens müssten die KVen auch diesen neuen Mitgliedern beratend und unterstützend zur Seite stehen. Die Träger von MVZ sollen künftig in einem beratenden Vorstandsgremium repräsen- tiert sein, um „im Dialog“ zu bleiben, wie es im entsprechenden Antrag des KBV- Vorstandes heißt. Denn nach dem neue- sten Entwurf des Vertragsarztrechtsände- rungsgesetzes sind die MVZ-Träger im Gegensatz zu deren angestellten Ärzten keine Mitglieder der KVen, obwohl sie deren Budgets und Regulierungsvor- schriften unterliegen.

Gegen die Staatsmedizin

Trotz dieser weitreichenden Veränderun- gen in der vertragsärztlichen Tätigkeit be- tonte Köhler ausdrücklich den Stellenwert der Freiberuflichkeit. Darüber hinaus sei es völlig unabhängig davon,in welchem ar- beitsrechtlichen Verhältnis Ärzte arbeiten.

„Sie sind Angehörige eines freien Beru- fes“, sagte der KBV-Chef. Dessen zentrale Charakteristika seien die persönliche Lei- stungserbringung, die Eigenverantwor- tung und die fachliche Unabhängigkeit.

Ein klares Bekenntnis legte Köhler auch für das KV-System und den Kollek- tivvertrag ab. „Einzig die Selbstverwal- tung aller Vertragsärzte und -psychothe- rapeuten bildet einen wirksamen Schutz- wall gegen die Staatsmedizin“, erklärte der KBV-Chef. „Und zwar für Ärzte und Patienten.“ Sie sei Garant für eine wohn- P O L I T I K

„Die KVen müssen wieder verstärkt die Interessenvertretung der Vertragsärzte wahrnehmen.“

Andreas Köhler, KBV-Vorsitzender

„Das Wichtigste an der heutigen Versamm- lung ist, dass sich Psychotherapeuten, Haus- und Fachärzte für ein einheitliches KV-Sy- stem ausgesprochen haben.“

Heinz-Michael Mörlein, VV-Vorsitzender

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A1420 Deutsches ÄrzteblattJg. 103Heft 2126. Mai 2006

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ortnahe flächendeckende medizinische Versorgung der Bevölkerung. Das neue Leitbild der KBV stelle zudem Dienstlei- stungs- und Serviceorientierung in den Mittelpunkt. Denn die Ärzte brauchten, um im zunehmenden Wettbewerb beste- hen zu können, mehr Beratung und Un- terstützung von ihren Organisationen.

Referendum der Vertragsärzte

Das Problem der ärztlichen Körperschaf- ten ist jedoch von jeher ihre „Janusköpfig- keit“.Zum einen verstehen sich KVen und KBV als Interessenvertreter der Vertrags- ärzte und -psychotherapeuten. Zum ande- ren sind sie verlängerter Arm des Staates und als solche in zunehmendem Maße

„Regulierungsstelle mit der zentralen Auf- gabe der Mangelverwaltung“, so Köhler.

Die unglückliche Rolle, die ärztliche Stan- despolitiker in einer solchen Gemengela- ge spielen, bekam der KBV-Chef beim dritten nationalen Protesttag der Ärzte am 19. Mai in Berlin am eigenen Leib zu spüren. Seine Rede, als Zeichen der Soli- darität gedacht, ging in gellenden Pfiffen aus der Menge unter.Die Proteste,so Köh- ler vor der Vertreterversammlung drei Ta- ge später, richteten sich in Teilen auch ge- gen die KVen und die KBV, die als Hand- langer und Erfüllungsgehilfen des Bun- desministeriums für Gesundheit für die

Umsetzung vieler belastender Regelungen zu sorgen hätten. „Wenn wir als Vertreter der Vertragsärzte und -psychotherapeuten deren Interessen wirksam wahrnehmen wollen,müssen wir wissen,wo die Grenzen der Belastbarkeit im heutigen System lie- gen“, erklärte Köhler. Das sei der Grund für das geplante Referendum der Kas- senärzte. Das KV-System müsse wissen, bis wohin seine Mitglieder noch hinter ihm stünden. Die Politik müsse wissen, wann der Punkt erreicht sei, an dem die Ärzte und Psychotherapeuten bereit seien, ihre Zulassung zurückzugeben. Köhler räumte ein, es sei fraglich, ob es finanziell und zeit- lich möglich sei, alle knapp 140 000 Betrof- fenen zu befragen. Deshalb werde derzeit die Möglichkeit geprüft, eine repräsentati- ve Umfrage mit einer hinreichend großen Stichprobe durchzuführen.Über Zeitplan, Umfang und Inhalt der Befragung sollen der nächsten Vertreterversammlung Be- schlussanträge vorgelegt werden. Das Bundesgesundheitsministerium hat seine aufsichtsrechtlichen Bedenken gegen ein Referendum Köhler zufolge vorläufig zurückgestellt.„Wofür wir eintreten,ist ein kollektiv-vertragliches System, das Diffe- renzierungen ermöglicht, Wettbewerb för- dert und dessen positive

Auswirkungen nutzt“, be- tonte der KBV-Vorsitzen- de. Zu dem Regulierungs- auftrag der KVen müsse

aber wieder verstärkt die Interessenver- tretung der Vertragsärzte treten.

Doch alle innere Reformbereitschaft führt in die Leere angesichts der Finanz- misere im Gesundheitswesen. „Eine aus- reichende finanzielle Ausstattung ist un- abdingbar, um dem drohenden Ärzte- mangel, der drohenden Verschlechterung der Versorgung und den bereits vorhan- denen Versorgungslücken begegnen zu können“, erklärte Köhler. In den vergan- genen 15 Jahren habe es in den alten Bun- desländern faktisch keine Steigerungen der GKV-Umsätze je Arzt gegeben – un- abhängig vom Fachgebiet. In den neuen Ländern sei der GKV-Umsatz je Ver- tragsarzt seit 1996 zwar um acht Prozent gestiegen. Die Ärzte dort verdienten je- doch immer noch rund sechs Prozent we- niger als ihre Kollegen im Westen. „Da- mit muss endlich Schluss sein“, forderte Köhler unter dem Beifall der Delegier- ten. Mit einer Vertragsgebührenordnung in Euro und Cent und einem morbiditäts- orientierten Mitteleinsatz wäre das Pro- blem gelöst. Heike Korzilius, Josef Maus P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 103Heft 2126. Mai 2006 AA1421

Votum für eine Positivliste

Die KBV-Vertreterversammlung hat sich für die Erstellung ei- ner Positivliste ausgesprochen. Eine solche Liste aller zulasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnungsfähigen Medika- mente entlaste die Vertragsärzte von bürokratischem Aufwand und bilde eine verlässliche Grundlage für eine gezielte Pharma- kotherapie, hieß es zur Begründung. Die Positivliste müsse außerdem durch eine Festzuschussregelung flankiert werden.

Die Delegierten sprachen sich ferner dafür aus, den Auftrag des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Ge- sundheitswesen auszuweiten. Es solle neben den bereits vorgesehenen Nutzen- künftig Kosten-Nutzen-Bewertungen von Arzneimitteln vornehmen. Den Vertragsärzten empfahl die Vertreterversammlung, die Besuche von Pharmarefe- renten in ihren Praxen kritisch zu hinterfragen.

„Wir handeln bei der Verordnung von Arzneimitteln nicht verantwortungslos“, reagierte KBV-Vorstand Ulrich Wei- geldt auf wiederholte Kritik aus der Politik angesichts einer Ausgabensteigerung von 16 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Die Ärzte steuerten im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Sie seien allerdings bei der Arzneimittelabgabe nur ein Rad im Getriebe und hätten keinerlei Einfluss auf die Preisgestaltung. Den Vorwurf der Kostenexplosion hält Weigeldt für über- zogen. Deutschland liege bei den Pro-Kopf-Ausgaben für Arzneimittel im europäischen Durchschnitt. Dabei sei ein er-

heblicher Teil dem medizinischen Fortschritt geschuldet. )

KBV-Vorstand Ulrich Weigeldt: Deutschland liegt bei den Arzneiausgaben im europäischen Durchschnitt.

Die Beschlüsse der KBV-Vertreterversammlung unter:

www.aerzteblatt.de/plus2106

Referenzen

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