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Archiv "Engagierte Aussprache in der KBV-Vertreterversammlung" (22.12.1977)

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Bericht und Meinung NACHRICHTEN

Engagierte Aussprache in

der KBV-Vertreterversammlung

Die Sitzung am 10. Dezember 1977 in Köln Die ernsten Konsequenzen von

gesundheits-und gesellschaftspo- litischen Entwicklungen der letz- ten Zeit standen im Mittelpunkt und kennzeichneten somit auch die Stimmung in der Sitzung der Vertreterversammlung der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung am Sonnabend, dem 10. Dezem- ber, in Köln.

Nachdem Dr. Hans Wolf Muschal- lik die Gäste begrüßt hatte, über- nahm Sanitätsrat Dr. Josef Schmitz-Formes, der Zweite Vor- sitzende, das Präsidium für den Tagesordnungspunkt "Bericht zur Lage". (Der von Dr. Muschallik er- stattete Bericht ist im Wortlaut auf diesen Seiten wiedergegeben.) Wenn danach Professor Dr. Sieg- tried Häussler als erster Diskus- sionsredner seinen Beitrag mit Be- zug auf die Bismarcksche Sozial- versicherung begann, so geschah dies zur Untermauerung der The- se, die Sozialversicherung sei von Politikern immer als ein Instru- ment der Gesellschaftspolitik be- trachtet worden. Deshalb müsse man auch das "Kostendämp- fungsgesetz" und die mit ihm ein- geführte Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen in ihrem wah- I ren Charakter erkennen: nämlich als ein politisches Machtinstru- ment, mit dem eine radikale Ver- änderung der gesamten Sozialver- sicherung eingeleitet und durch- gesetzt werden soll. Und zwar ge- he es um eine systematische ge- sellschaftspolitische Veränderung im Sinne der marxistischen Ideo- logie: Man wolle von dem Grund- gedanken eines Versicherungssy- stems - in dem sich die Prämie nach den aufzubringenden Lei- stungen richtet - zum Grundge- danken eines Versorgungssy- stems kommen, in dem sich die Leistungen nach den vom Staat

festgeschriebenen Prämien zu richten haben.

..,.. Ebenso wie nach ihm alle Spre- cher rief Häussler zu gemeinsamer politischer Aktion der Ärzteschaft auf. Diese Pflicht habe die Ärzte- schaft nicht nur der nachfolgen- den Ärztegeneration, sondern auch - als größte Gruppe der freien Berufe - dem ganzen Volk gegenüber.

Verantwortung für die nachrückenden jungen Ärzte Dr. Horst Bourmer nahm das Stichwort "Bismarcksche Sozial- versicherung" auf, indem er auf die humanisierende Rolle der Ärz- teschaft in diesem System hin- wies. Denn: ohne die Ärzte oder gar gegen die Ärzte, werde es eben nicht möglich sein, die So- zialversicherung als Instrument der Gesellschaftspolitik zu miß- brauchen. Um die Vorgänge klar beurteilen zu können, meinte Bourmer, müsse man darauf ach- ten, daß "das magische Dreieck"

zwischen ökonomischer Effektivi- tät, persönlicher Freiheit und so- zialer Gerechtigkeit stets im Gleichgewicht gehalten werde.

Was heute geschieht, habe seinen Grund zum großen Teil darin, daß die Gewerkschaften in diesem Dreieck den Faktor der sozialen Gerechtigkeit (oder was immer sie dafür halten) so überbetonen.

Dr. Bourmer stellte grundlegende Fragen: Wenn Dr. Muschalliks Warnungen in der Vertreterver- sammlung der deutschen Kassen- ärzte mit so viel Beifall bedacht werden- warum ist dann das Echo bei den Ärzten "draußen im Lan- de" so schwach? Und: Könne es sein, daß die Jungen, die nachrük- kenden Ärzte in die für die Bun- desrepublik Deutschland kenn-

2998 Heft 51 vom 22. Dezember 1977 DEUTSCHES ARZTEBLATT

zeichnende Polarisierung von Ar- beitnehmern und Arbeitgebern schon so eingebunden seien, daß ihnen persönliche Sicherheit mehr wert sei als der Wert der freien Berufe für diese Gesellschaft?

Hierzu betonte Dr. Muschallik in einer Zwischenbemerkung: an ei- nem sei wohl nicht zu zweifeln, die nachrückende Ärztegeneration hat die gleichen Wertvorstellun- gen wie die heute tätige. Wenn man aber zugeben muß, so Mu- schallik, daß Teile der Ärzteschaft sich um die wichtigen gesell- schaftspolitischen Entwicklungen keine großen Sorgen mehr ma- chen, weil sie glauben, "es ist so- wieso schon alles den Bach run- ter", dann müsse man noch mehr tun, um diese Kollegen aufzurüt- teln, "denn jetzt geht es uns ans Hemd".

Im zweiten Teil der Diskussion ging es um die Frage, ob Echo, Feedback und Mitarbeit der Ärzte

"draußen im Lande" besser, ent-

schlossener und auch politisch wirkungsvoller sein könnten, wenn die ärztlichen Verbände tnit freiwilliger Mitgliedschaft sich ver- einigten oder in einem Dachver- band sich zusammenschlössen und so eine Rolle als "Schwert der Ärzteschaft" übernähmen, wie es Dr. Gerhard Löwenstein einmal ausdrückte.

Hierzu forderte der Vorsitzende des Hartmannbundes, VV-Dele- gierter Dr. Bourmer, nicht etwa Utopien nachzuträumen; man müsse vielmehr Realist sein und die Schwierigkeiten sehen.

Dr. Dieter Tetzlaff (ebenfalls Vor- sitzender eines Verbandes, näm- lich des Berufsverbandes der praktischen Ärzte und der Allge- meinärzte) erklärte, er sitze in die- sem Saale als Delegierter einer Kassenärztlichen Vereinigung, und dies gelte ja wohl auch für alle anderen Sprecher. Man würde al- so am Thema vorbeireden, wenn man jetzt die Angelegenheiten der Verbände diskutiere; in Wirklich- keit gehe es darum, daß jeder der

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9;83.154 236988 9,2'2,5, 6.967 7,300 1.01; 1,246

7,973 8,546 8A

1.081 1.0

Vorstandstisch während Dr. Muschalliks Referat (von rechts nach links): Dr. Kolb, Dr. Doering, Hauptgeschäftsführer Dr. Fiedler, Dr. Schmitz-Formes, Dr. Löwenstein, Dr. Weinhold, Dr. Krein

Die Information:

Bericht und Meinung

Anwesenden es als seine Pflicht ansehen müsse, „schon morgen das umzusetzen, was der Vorsit- zende heute hier vorgetragen hat!"

Als nächster Diskussionsredner rückte Dr. Ernst-Eberhard Wein- hold einiges zurecht. Er erinnerte an frühere Appelle zur Einigkeit zwischen den ärztlichen Verbän- den. Man könne natürlich nicht Verbände mit unterschiedlichen fachlichen Interessen fusionieren wollen; man könne aber anstre- ben, die fachübergreifenden be- rufspolitischen Verbände zu ei- nen, um nach außen hin den Ein- druck einer in sich zerstrittenen, in viele Gruppen aufgespaltenen Ärz- teschaft zu beseitigen. Ein solcher Zusammenschluß würde politi- sche Signalwirkung zeitigen — und genau dies sollte" nach Weinholds Meinung auch das Ziel der ge- wählten Vertreter in den Organen von KVen und KBV sein; sie könn- ten bei der Erreichung dieses Ziels als Katalysator wirken.

Dr. Kaspar Roos schließlich (als NAV-Vorsitzender in der Sitzung mehrere Male zitiert und apostro- phiert) wies darauf hin, daß der (noch?) nicht vollzogene Zusam- menschluß der ärztlichen Verbän- de ja nicht Ursache dafür sein kön- ne, daß mancher Arzt offenbar den Ernst der Stunde noch nicht er- kennt. Aber für den einzelnen Arzt würden die Probleme mit der kom- menden Ärzteschwemme persön- lich einschneidender und fühlba- rer werden; ohne eine einige kämpferische Ärzteschaft werden sich die Probleme nicht lösen lassen.

Schon zu Beginn der Aussprache hatte Dr. Hermann Kater zur Be- gründung eines von ihm einge- brachten Entschließungsantrags erklärt, man müsse Dr. Muschal- liks Warnungen höchstens noch insofern verschärfen, als die Ent- wicklung letzten Endes nicht nur auf einen „Staatsdirigismus", son- dern auf einen „nackten Sozialis- mus" hinauslaufe, der vom Kom- munismus östlicher Prägung nicht mehr weit entfernt sei.

Die Entschließung (der Wortlaut ist im Anschluß an diesen Bericht wiedergegeben) wurde am Schluß der Behandlung dieses Tagesord- nungspunktes einstimmig gebil- ligt.

Nach kurzen Erläuterungen durch die Geschäftsführung verabschie- dete die Vertreterversammlung Änderungen der Röntgenrichtli- nien und der nuklearmedizini- schen Apparaterichtlinien sowie eine Namensliste der nunmehr eingeführten dritten und vierten Stellvertreter der Mitglieder des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen.

Und dann blieb noch die Aufgabe, die das Parlament der deutschen Kassenärzte mit jedem anderen demokratischen Parlament ge- mein hat: die Finanzen zu prüfen und über sie zu beschließen. — Zum ersten Male als Vorsitzender des Finanzausschusses und der Haushaltskommission gab Klaus Mulckau die Erläuterungen, und nach kurzer Aussprache wurden ohne Gegenstimmen gebilligt: der Finanzbericht einschließlich Bi- lanz und Erfolgsrechnung

für

1976; ein Nachtrag zum Voran- schlag für 1977; der Entwurf des Haushaltsplans für 1978. gb

Entschließung

zu den SPD-Leitsätzen

„Die Vertreterversammlung der KBV stellt fest, daß die ohne Aus- sprache verabschiedeten Leitsätze

des SPD-Parteitages 1977 in Ham- burg zur Änderung des Systems der gesundheitlichen Versorgung der Bürger der Bundesrepublik Deutschland darauf abzielen, die bisherige freiheitliche Ordnung in diesem für jeden lebenswichtigen gesellschaftlichen Bereich auf Dauer zu beseitigen.

Eine Verwirklichung dieser Leit- sätze ganz oder in Stufen wird nach Auffassung der KBV nicht nur die Qualität der patientenna- hen ambulanten ärztlichen Versor- gung entscheidend beeinträchti- gen, sondern darüber hinaus auch die Wahlmöglichkeiten des Bür- gers unter den Versicherungsträ- gern und die Möglichkeiten der Arztwahl durch die Patienten lang- fristig beseitigen.

Eine zunehmende Abhängigkeit der Tätigkeit freiberuflich nieder- gelassener Ärzte von politischen Funktionären in den geplanten so- genannten „regionalen Selbstver- waltungsgremien" wird zwangs- läufig die Natur des ärztlichen Be- rufs so verändern, daß jede per- sönliche Initiative zur Verbesse- rung der ambulanten ärztlichen Versorgung in Zukunft erstickt zu werden droht.

Die Vertreterversammlung der KBV weist nachdrücklich auf diese Gefahren hin und appelliert an alle Bürger und alle gesellschaftlichen Gruppen, solchen Plänen eine Ab- sage zu erteilen."

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 51 vom 22. Dezember 1977 2999

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