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in buntes Osterei hat Unionsfrakti- onschef Volker Kauder den Ge- sundheitspolitikern von CDU/CSU und SPD zu Beginn ihrer Beratungen über eine Gesundheitsreform ins Nest gelegt. Noch bevor sie ihre Verhandlun- gen begonnen haben, präsentierte der CDU-Politiker ein mögliches Lösungs- konzept. Ein Mix aus Steuerfinanzie- rung, Kopfpauschale und solidarischen Elementen könnte seiner Meinung nach den andauernden Gesundheits- streit zwischen den Parteien beenden.Möglich machen soll dies ein „Gesund- heitspool“, gespeist aus verschiedenen Finanzierungsquellen. Doch was für die einen das Ei des Kolumbus ist, riecht für andere nach einem faulen Kompromiss.
Von Ablehnung bis Zustimmung reicht die Palette der Reaktionen. Damit hat Kauders Coup bereits eine wesentliche Aufgabe erfüllt, die Kompromissbereit- schaft links und rechts in den Koaliti- onsfraktionen auszuloten.
Ein bisschen von allem
Nach Kauders Plänen sollen künftig al- le Einnahmen in einen zentralen Ge- sundheitsfonds fließen. Daraus erhält jede Kasse einen Pauschalbetrag von 150 bis 170 Euro. So ließe sich mehr Wettbewerb schaffen, glaubt Kauder.
„Dann fragt sich der Versicherte näm- lich: Welche Kasse bietet mir für dieses Geld am meisten?“
Der Reiz des Modells, sagen die Be- fürworter, liege darin, dass sich beide Parteien in dem Konzept wiederfinden könnten. Dagegen ist Kauders Vorschlag für den Gesundheitsforscher Prof. Dr.
med. Fritz Beske vor allem dem politi- schen Druck geschuldet, unter dem die Koalition steht. „Man hat auf hoher Ebene irgendein Konsensmodell mit
sehr globalen Vorstellungen zusam- mengezimmert.“
„Es ist möglich die Vorzüge ge- gensätzlicher Konzepte miteinander zu verbinden, so wie ich das seit Monaten erklärt habe“, sagt Bundesgesundheits- ministerin Ulla Schmidt (SPD). Denn zur Freude ihrer Partei würden Arbeit- nehmer und Arbeitgeber weiterhin lohnabhängige Beiträge entrichten. Die Union hingegen könnte sich mit dem Anliegen durchsetzen, den Arbeitgeber- anteil einzufrieren. Der Beitrag der Arbeitnehmer soll bei sieben, der der Arbeitgeber bei sechs Prozent des Bruttolohnes festgeschrieben werden.
Damit würden die Krankheitskosten von den Arbeitskosten abgekoppelt.
Mehrausgaben der Kassen könnten über eine zusätzliche Prämie finanziert werden, so Kauder.
Die Beiträge für Kinder will der CDU-Politiker aus Steuern finanzieren.
Die dafür notwendigen 14 bis 16 Milliar- den Euro sollen ebenfalls in den Pool gezahlt werden.Als Einnahmequelle sei- en ein Gesundheits-Solidaritätszuschlag von acht Prozent auf die Lohn- und Ein- kommenssteuerschuld oder drei Prozent mehr Steuern auf das Einkommen samt Zinsen und Mieten vorstellbar.
Die Kassenärztlichen Vereinigungen indes will Kauder erhalten – ebenso die Facharztversorgung in Praxen und Krankenhäusern. Allerdings sollten teure Geräte und Heilverfahren in Zentren konzentriert werden. Kauder:
„Nach dem Motto: Bestimmte Unter- suchungen oder Behandlungen trauen wir nur Einrichtungen zu, die eine be- stimmte Mindestmenge von Untersu- chungen im Jahr machen.“
Eine gelungene Gesundheitsreform, sagt Kauder, werde die Arbeit der Koali- tion „beflügeln“. Damit könnte er Recht haben. Sein Reformvorschlag jedoch
scheint bisher nur wenige zu Luftsprün- gen zu animieren. Allein die Tatsache, dass Kauder seinen Vorschlag nicht ab- gestimmt mit dem Koalitionspartner in einem Interview ausposaunte, bringt so manchen in Wallung. „Etwas mehr Selbstdisziplin“ könne bei öffentlichen Aussagen nicht schaden, murrte Finanz- minister Peer Steinbrück (SPD).
Modell kaum umsetzbar
Aber auch inhaltlich gab es Kritik. Das Modell bringe einseitige Belastungen für die Versicherten und zusätzlichen bürokratischen Verwaltungsaufwand beim Beitragseinzug, heißt es in einer Erklärung der GKV-Spitzenverbände.
Die geplante Inkasso-Stelle sei prak- tisch kaum umsetzbar, glaubt Gesund- heitsexperte Beske. Denn die müsste für die Kassen Verwaltungsaufgaben wie Prüfungen „in den Millionen von Betrieben“ übernehmen. Aus Perso- nalsicht wäre die „Bundesagentur für Arbeit dagegen ein Miniunterneh- men“, so Beske. Dabei werde das Pro- blem der sinkenden Einnahmen der Krankenversicherung nicht gelöst, sagt die Sprecherin der Techniker Kranken- kasse, Dorothee Meusch. Auch für mehr Wettbewerb unter den Kassen werde das Modell nicht sorgen, ist sie überzeugt. Dafür „muss den Kassen auf der Vertragsseite mehr Spielraum ein- geräumt werden“.
Was von den Vorschlägen am Ende übrig bleiben wird, ist trotz der sponta- nen Sympathiebekundungen aus dem Gesundheitsministerium offen. Denn Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist bemüht, Kauders Äußerungen herun- terzuspielen. Diese seien, hob sie her- vor, nicht als Festlegung der Unionssei- te zu verstehen. Timo Blöß, Samir Rabbata P O L I T I K
Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 16⏐⏐21. April 2006 AA1041