Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Arzt sein und dennoch rauchen?
mäß", so sind mit dieser provokati- ven Formulierung nicht nur die rau- chenden Kollegen angesprochen, sondern es sind gleichzeitig auch unsere ärztlichen Standesorganisa- tionen zur Mitwirkung aufgerufen.
Quid faciendum?
Prof. Dr. med. Rudolf Hoschek 7 Stuttgart
Urbanstraße 98
Rauchsünderkartei mit
Punktsystem und ähnliche Visionen Zerknirscht muß ich gestehen, bis- lang auch zu jenen Bösewichten gehört zu haben, die nikotinsüchtig an der Wurzel allen ärztlichen Han- delns, dem Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patienten, ge- nagt haben und damit — bewußt oder unbewußt — zu Totengräbern des ärztlichen Images und der Inte- grität des Heilberufes wurden. Da es aber mit Zerknirschung allein nicht getan ist, entschloß ich mich, Nichtraucher zu werden. Entgegen der Ansicht von Prof. Schmidt, vor- erst von Standesgerichtsverfahren für rauchende Ärzte abzusehen, halte ich strenges Vorgehen, und zwar auf Grund meiner subtilen Kenntnis der Widerborstigkeit und Uneinsichtigkeit langjähriger Rau- cher, für unbedingt indiziert. Des- halb schlage ich die Einrichtung ei- ner Raucherkartei mit Punktsystem und Aberkennung der Approbation auf Zeit nach Erreichen eines ge- wissen Punktekontos, analog der Flensburger Verkehrssünderkartei, vor. Verfahrensweise und Kontroll- möglichkeiten (ich denke z. B. an Leibesvisitationen bei Kongreßbe- suchern, Tabakschnüffler und der- gleichen) müßten noch erarbeitet werden.
Wenn wir aber schon einmal dabei sind, den Arztstand zum Vorbild ei- ner gesundheitsbewußten Gesell- schaft zu formen, sollten wir nicht auf halbem Wege stehen bleiben.
Daher mein Vorschlag Nr. 2: Alle übergewichtigen Ärzte sind eben- falls unter die Rubrik Wurzelnager und Imagemuffel einzuordnen und mittels geeigneter Maßnahmen auf
ein Idealgewicht zu bringen. Daß einer solchen Aktion erhebliche volkswirtschaftliche Bedeutung be- sonders im Hinblick auf die notlei- dende Textilindustrie beizumessen wäre, soll nur am Rande erwähnt werden. Auch hier könnten die Kongreßveranstalter bahnbrechend tätig werden. So ließen sich durch- aus die kleineren Veranstaltungen künftig in Turn- oder Schwimmhal- len abhalten. Während die Zuhö- rerschaft sich wassertretend im Becken versammelt, besteigt der Vortragende stolz das Sprungbrett, was nebenbei eine ganz unauffälli- ge Demonstration der feinen hier- archischen Unterschiede gestatten würde: dem nur mit einfachem
Doktortitel ausgestatteten Redner wird das Einmeter-, dem Privatdo- zenten das Dreimeterbrett und dem Professor der Fünfmeterturm zuge- wiesen. Eine Anregung aus gleich- gesinntem Freundeskreis, jeder Vortragende habe sich neben der selbstverständlich vorauszusetzen- den fachlichen Qualifikation auch durch eine entsprechende athleti- sche Leistung (z. B. 1 1 /2-Salto vorwärts vom Einmeterbrett bzw.
Kammgriffriesenfelge mit Hecht als Abgang vom Reck) zu legitimieren, dürfte derzeit allerdings noch Zu- kunftsmusik sein.
Eine Vielzahl von Vorschlägen wäre noch zu unterbreiten, müßte ich nicht befürchten, die Zeit des geneigten Lesers zu sehr in An- spruch zu nehmen. Ein Problem al-
lerdings, das mich bewegt und das zu lösen mir bisher nicht gelang, möchte ich dem Leser noch unter- breiten: ich bin Vater von 5 Kin- dern — alle ehelich natürlich. Im Hinblick auf die Weltbevölkerungs- explosion ist eine Familie mit 5 Kindern als asozial einzuordnen.
Andererseits schreibt Herr Prof.
Schmidt in seinem Artikel, ein Arzt habe zu bedenken, „daß die Ge- sellschaft das Recht hat, auch in ethischer Hinsicht mehr von ihm (dem Arzt) zu fordern als von ei- nem Angehörigen einer anderen Berufsgruppe". Gehört das mit den Kindern nun zur Ethik?
Dr. med. Wolfgang Köster Arzt für Allgemeinmedizin 565 Solingen-Wald
Friedrich-Ebert-Str. 236
Glaubwürdigkeit
... Ich halte es für selbstverständ- lich, daß der Arzt nicht raucht, und sehe es auch als Leitbild eines Arztes an, hier vorbildlich zu wir- ken. Jeder Arzt, der in Gegenwart seiner Patienten noch raucht, macht sich unglaubwürdig. Wenn er überhaupt raucht natürlich ge- nauso. Ich muß annehmen, daß ein rauchender Arzt entweder die Lite- ratur nicht kennt, d. h. mit seiner Fortbildung nicht Schritt hält, oder so abhängig ist, daß er seinen Pa- tienten gegenüber nur unglaubwür- dig erscheint. Das Ärzteblatt sollte sich weiter dafür einsetzen, daß diese Forderung von Herrn Prof.
Schmidt öffentlich bekanntge- macht und auch durchgesetzt wird.
Nur durch vorbildliches Verhalten der Ärzte läßt sich auch der undis- ziplinierte Kranke beeinflussen.
Dr. med. W. Hornbacher Facharzt für innere Krankheiten Leitender Arzt des Kurmittelhauses 898 Oberstdorf (Allgäu)
Pri nzenstr./Ludwigstr.
Ein im Dienst rauchender Internist kann nicht glaubwürdig sein. Das wirkt sich in der gesamten thera- peutischen Leistung, besonders hinsichtlich der Patientenführung
DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft
47 vom 20. November 19753269
Spektrum der Woche Aufsätze -Notizen
Arzt sein und dennoch rauchen?
bei den so häufigen Verhaltensstö- rungen und den psychosomati- schen Krankheitsbildern negativ aus. Schon der Tabakgeruch der Atemluft und der Kleidung stört die Überzeugungsfähigkeit. Diese Er- fahrung hat in den 30 Jahren mei- ner hiesigen Tätigkeit die meisten meiner ärztlichen Mitarbeiter ver- anlaßt, das Rauchen aufzugeben.
Dr. Dr. med. Laberke Facharzt für
innere Medizin — Psychotherapie Chefarzt der medizinischen Klinik der Städtischen Krankenanstalten 7300 Esslingen a. N.
Paracelsusstr. 13-23
Auch eine Repräsentativbefragung zeigt: Mehrheit ist
gegen Rauchen vor Patienten
Da Umfragen nicht dadurch teurer werden, daß man jeweils einige zu- sätzliche Fragen „anhängt", lassen wir (die Arbeitsgemeinschaft für Werbung, Markt- und Meinungsfor- schung, die Redaktion) häufig durch Meinungsforschungsunter- nehmen unter unseren Mitgliedern solche Zusatzfragen stellen. Im Rahmen repräsentativer Umfragen in Deutschland (D), Österreich (A) und der Schweiz (CH) im Juli 1975 wurden je 500 Ärzten unter ande- rem auch folgende Fragen ge- stellt:a) „Sind Sie der Ansicht, daß es Pflicht eines jeden Arztes sein müßte, in Gegenwart von Patienten nicht zu rauchen?"
b) „Glauben Sie, daß es ange- bracht wäre, das Rauchen in War- tezimmern zu unterbinden?"
In der folgenden Zusammenstel- lung der Antworten sind die ange- gebenen Zahlen Prozentzahlen:
D A CH
a) ja 59 61 57
nein 30 29 33
keine Meinung 11 10 10
b) ja 69 66 65
nein 26 22 29
keine Meinung 5 12 6
Wir unterstützen nicht nur aus die- sen Gründen die Forderungen Herrn Professor Schmidts.
Dr.
Hans Fielitz CH-6904 Lugano Casella 47Anspruch
nicht zu rechtfertigen!
Herr Prof. Schmidt schildert in sei- nem Artikel sehr eindringlich die Gefahren des Rauchens, die auch
gar nicht bestritten werden sollen.
Wenn aber in einem solchen Zu- sammenhang das hohe Wort „nicht standesgemäß" fällt, so fragt man sich doch, ob dieser Anspruch zu rechtfertigen ist. Prof. Schmidt macht es sich sehr einfach, wenn er sagt, daß der Arzt unglaubwür- dig wirkt, wenn er seinem Patien- ten von etwas abrät, was er selber tut. Wenn ein Arzt seinem diabeti- schen Patienten von dem täglichen Stückchen Sahnetorte abrät, so wird der Patient es seinem nicht- diabetischen Arzt kaum verübeln, wenn dieser trotzdem Sahnetorte ißt. Hier kann also offensichtlich sowohl der Arzt wie auch der Pa- tient zwischen den unterschiedli- chen Risiken differenzieren, die für den Nichtdiabetiker und den Dia-
betiker bestehen. Natürlich könnte auch der Arzt auf die Sahnetorte verzichten, denn sie bringt — au- ßer dem Genuß — keinen greifba- ren Nutzen, aber warum sollte er?
Das gleiche gilt aber für die Ziga- rette. Auch sie bringt keinen greif- baren Nutzen — außer dem Genuß!
Den aber stellt Prof. Schmidt über- haupt nicht in Rechnung und ver- letzt damit die primitivste Regel je- der Urteilsbildung: das Abwägen von Pro und Contra. Eine solche Vernachlässigung wäre allenfalls zu verstehen, wenn es sich beim Rauchen um eine extrem seltene Randerscheinung in unserer Ge- sellschaft handeln würde. Davon kann man aber wohl nicht spre- chen, wenn der Pro-Kopf-Ver- brauch in der Bundesrepublik 2085 Zigaretten pro Jahr beträgt.
Man darf wohl annehmen, daß die Raucher nicht etwa rauchen, um ihrer Gesundheit zu schaden, son- dern daß sie es mit oder ohne Kenntnis des damit verbundenen Risikos tun, weil es für sie ein Ge- nuß ist. Wenn jemand dafür kein Verständnis hat, kann er es trotz- dem nicht abstreiten. Offenbar steht also bei einem großen Teil unserer Bevölkerung die Gesund- heit nicht so hoch und alleinbe- stimmend im Kurs, wie Herr Prof.
Schmidt annimmt. Ich brauche wohl nicht aufzuzählen, wieviel an- dere „unnötige" Risiken für Leben und Gesundheit jeder von uns täg- lich auf sich nimmt. Ob ein Risiko aber nötig oder unnötig ist, ob man es eingehen will oder nicht,. bleibt immer eine subjektive Entschei- dung, die sich an den persönlichen Wertmaßstäben orientiert.
Das ganze Dilemma liegt eigentlich darin begründet, daß die medizini- sche Wissenschaft bis heute nicht in der Lage ist, für den Einzelfall anhand individueller Risikofaktoren die möglichen oder zu erwartenden Schäden genauer anzugeben.
Solange wir einem Patienten nur ganz allgemein sagen können, daß jeder 200. oder 1000. Raucher spä- ter mit einem Raucherbein oder Lungenkrebs rechnen muß, ohne