• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Rauchen und Gesundheit: „Tabakwerbung zielt auf die Jugendllchen“" (21.11.1991)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Rauchen und Gesundheit: „Tabakwerbung zielt auf die Jugendllchen“" (21.11.1991)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

weniger Kosten verursachen als viele Kurzzeitpatienten.

Doch die Psychologen der Lan- deskliniken widmeten sich in Bann vor allem der Behandlung psychisch kranker Straftäter. Die Anzahl de- rer, die nach § 63 StGB in eine Kli- nik eingewiesen werden, hat sich nach Angaben von Gerd Höhner in den letzten 15 Jahren innerhalb der (alten) Bundesrepublik gegenüber 4500 im Jahr bei 2500 stabilisiert.

§ 63 ermöglicht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, falls eine rechtswidrige Tat im Zu- stand der Schuldunfähigkeit/der ver- minderten Schuldfähigkeit begangen wurde. Im Zusammenhang mit § 64 StGB (Unterbringung in einer Ent- ziehungsanstalt in Zusammenhang mit einer Tat im Rauschzustand) werden rund tausend Menschen un- tergebracht. Die Angaben beziehen sich auf Erhebungen an Stichtagen.

Allerdings ist zu beobachten, daß die eingewiesenen Straftäter tenden- ziell jünger und schwerer gestört sind und schwererwiegende Straftaten be- gangen haben als früher. Darauf wies Diplom-Psychologin Sabine Nowara vom Institut für forensische Psychia- trie der Universität Essen hin. Unge- wöhnlich innerhalb der Psychiatrie ist laut Höhner, daß der Anteil der Män- ner im Maßregelvollzug bei durch- schnittlich 98 Prozent liege.

Die Erfolge der Behandlung sind nach Darstellung von Sabine Nowara besser als im Strafvollzug.

Aber: "Wenn ein ,normaler' Straftä- ter wieder rückfällig wird, kräht kein Hahn danach; bei psychisch Kranken wird es hochgespielt", gab sie zu be- denken. Ein Drittel der forensischen Patienten werde, falls überhaupt, im ersten Jahr rückfällig. "Rückfällig"

meine aber nicht unbedingt eine neue Straftat, sondern auch lediglich die erneute Unterbringung. Die mei- sten kämen zurück, weil das soziale Umfeld schlecht sei und die Rückkehr nicht gelinge. "Zwei Drittel haben gu- te Chancen zur dauerhaften Besse- rung/Veränderung, wenn die Bedin- gungen gut sind", bestätigte Höhner.

Schwierig ist es sicher trotzdem: Im- merhin beträgt die durchschnittliche Verweildauer bei Tätern, die nach

§ 63 eingewiesen wurden, zwischen fünf und acht Jahre. th

Rauchen und Gesundheit

"Tabakwerbung zielt auf die Jugendllchen"

Zu dem geplanten EG-weiten Werbeverbot

für

Tabakwaren (Deut- sches Ärzteblatt, Heft 31-32/1991) nahm der "Ärztliche Arbeitskreis Rauchen und Gesundheit e. V." in einer öffentlichen Veranstaltung in Bonn Stellung. Der folgende Beitrag ist eine Kurzfassung des um- fangreichen Referats, das Dr. med. Bernhard Humburger, Vorsitzen- der des Arbeitskreises, dort gehalten hat.

I

n der Kontroverse um die Einfüh- rung eines EG-weiten Werbever- bots für Tabakwaren ist die Frage nach dem Einfluß der Werbung auf das Rauchen Jugendlicher ins Zen- trum der Diskussion gerückt. Die Bundesgesundheitsministerin hat so- gar ein entsprechendes Forschungs- vorhaben angekündigt. Brauchen wir wirklich ein solches Forschungpro- jekt, oder läßt der gegenwärtige Kenntnisstand nicht schon bereits ei- ne Antwort auf die Themafrage zu?

~ 90 Prozent aller Raucher be- ginnen ihre Raucherkarriere vor dem zw~_nzigsten Lebensjahr.

~ Uber 93 Prozent aller Ju- gendlichen halten Rauchen für ge- sundheitsschädlich. Es wird also nicht aus Unkenntnis geraucht, son- dern mit Risikobereitschaft

~ Rund eine Million neue Konsumenten pro Jahr - es ist kein Zweifel, daß Jugendliche die wich- tigste Zielgruppe der Tabakwerbung sein müssen, insbesondere vor dem Hintergrund eines sonst schrump- fenden Marktes.

Diese wenigen Schlaglichter mö- gen genügen, um die Konstellation Jugend und Tabakindustrie zu be- schreiben. Welche Instrumente ste- hen jedoch zur Verfügung, um einen möglichen Einfluß der Tabakwer- bung auf das Rauchverhalten Ju- gendlicher zu verifizieren? Da sind Selbstaussagen jugendlicher Rau- cher, Beobachtungen der Werbewir- kung und Interventions-St~dien.

1976 wurde für den "Arztlichen Arbeitskreis Rauchen und Gesund- heit e. V." eine Repräsentativbefra- gung bei 2000 Oberschülern im Alter von 12 bis 20 Jahren aus Nord-Baden durchgeführt. Bei der Page nach ih- ren Motiven für das Rauchen ant-

warteten 28 Prozent mit "Nachah- mung", und 23 Prozent gaben an:

"Manipulation durch Reklame".

Fast zwei Drittel der Befragten wa- ren der Meinung, daß Zigarettenre- klame den Verbraucher stark beein- flußt. Der Anteil stieg dabei von 53 Prozent bei den 12- bis 14jährigen auf 73 Prozent in der Gruppe der 18- bis 20jährigen.

1982 wurde eine weitere Unter- suchung bei Schülern von 10 bis 19 Jahren aus 35 Schulen in fünf Bun- desländern durchgeführt. Auswert- bar waren 9080 Fragebögen. Auf die Frage: "Meinst du, daß Zigaretten- reklame zum Rauchen verleitet?" er- kannten von den nichtrauchenden Schülern 69 bis 97 Prozent der Ziga- rettenreklame einen starken Einfluß zu, von den rauchenden Schülern im- merhin noch 54 Prozent.

Wirkung der Werbung aufJugendliche

Ein noch höherer Beweiswert als diesen subjektiven Einschätzungen kommt den Studien über Werbewir- kungen auf Kinder zu. In einer belgi- schen Studie an der Universität Lou- vain wurde untersucht, ob Jugendli- che von Tabakwerbung mehr ange- zogen würden als Erwachsene. Für acht vorgelegte Zigarettenwerbun- gen gaben 45 Prozent der Erwachse- nen an, diese noch nie gesehen zu haben, hingegen nur 18 Prozent der Jugendlichen. Durchschnittlich 72 Prozent der Jugendlichen konnten Zigarettenwerbung einer bestimm- ten Marke zuordnen, aber nur 45 Prozent der Erwachsenen konnten das. Wenn Werbung bedeutet, den Bekanntheitsgrad zu steigern, dann

A-4112 (32) Dt. Ärztebl. 88, Heft 47, 21. November 1991

(2)

ist die Tabakwerbung bei Jugendli- chen erfolgreich.

Auch von der Tabakindustrie gesponserte Sportveranstaltungen erhöhen nachweislich den Bekannt- heitsgrad bestimmter Zigaretten- marken und stellen darüber hinaus noch eine Verknüpfung zwischen ei- ner attraktiven und gesundheitsför- dernden Freizeitaktivität und dem Rauchen her. Das gesundheitsschä- digende Image des Rauchens wird auf diese Weise aufpoliert, und die Tabakindustrie hat beim Publikum Sympathie-Pluspunkte gesammelt.

Einstellung zur Zigarettenreklame

Eine schottische Untersuchung bei 848 Glasgower Kindern zwischen 11 und 14 Jahren konnte nachwei- sen, daß die positivere Einstellung rauchender Kinder zur Zigarettenre- klame unabhängig war von anderen wichtigen Einflußfaktoren wie dem Rauchen von Bezugspersonen, Ge- schwistern und Eltern. Diese Unter- suchung ist deshalb so wichtig, weil immer gesagt wird, daß für den Rauchstart Jugendlicher nicht die Tabakwerbung, sondern die Peer Group entscheidend sei.

Daß die Zustimmung zur Ziga- rettenreklame durchaus eine bah- nende Funktion für künftiges Rau- chen hat, konnte in einer Untersu- chung der Universität Newcastle/

Australien gezeigt werden. Dabei hatten 5586 Kinder von zehn bis zwölf Jahren anonym einen Fragebo- gen auszufüllen und ein Jahr später nochmals. Ergebnis: Aus der Gruppe der Kinder, die die Zigarettenwer- bung abgelehnt hatten, hatten zwölf Prozent zu rauchen begonnen, aus der Gruppe der Kinder, die der Zi- garettenwerbung positiver gegen- über gestanden waren, mehr als dop- pelt so viele, nämlich 27 Prozent.

Die neueste und wichtigste Un- tersuchung zur Beurteilung der Wirksamkeit des Werbeverbots ist die der Neuseeländischen Giftstoff- behörde (Toxic Substances Board)

—etwa vergleichbar unserem Bundes- gesundheitsamt — von 1989. Dabei wurden die Veränderungen im Ta- bakkonsum in 20 Ländern zwischen

1970 und 1986 untersucht, soweit Daten erhältlich waren, und dann in Beziehung gesetzt zu dem Maß an Werbebeschränkungen, die nach ei- nem Punktesystem von 0 ( = gar kein) bis 10 ( = totales Werbeverbot) für die einzelnen Länder bewertet wurden. Das Gesamtergebnis dieser umfangreichen Studie — 20 Länder mit zusammen 600 Millionen Ein- wohnern und insgesamt 220 Beob- achtungsjahren — lautet in zwei Sät- zen:

„Wenn Länder entsprechend dem Grad ihrer regierungsamtlichen Beschränkungen der Tabakwerbung gruppiert wurden, war das durch- schnittliche jährliche Absinken des Tabakkonsums desto größer, je grö- ßer der Grad der Beschränkung war.

Dies stimmte auch für die Abnahme der Raucherrate erwachsener und jugendlicher Raucher." Diese Unter- suchung ist der positive Beweis für die Wirksamkeit von Werbeverboten auf Tabakkonsum und Raucherrate.

Bisher haben fünf Länder der Welt totale Werbeverbote einge- führt, und ab 1993 wird Frankreich als sechstes Land hinzukommen, un- abhängig davon, ob man sich zu ei- nem EG-weiten Werbeverbot für Ta- bakwaren noch zusammenrauft oder nicht.

In Island verboten

Das erste Land überhaupt, das Tabakwerbung per Gesetz verbot, war Island. Dort war das Rauchen bis 1942 unüblich, bis es von ameri- kanischen Soldaten während des Zweiten Weltkriegs eingeführt wur- de. Nach entsprechenden präventiv- medizinischen Studien des Isländi- schen Herzvereins und der Isländi- schen Krebsvorsorge in den 60er Jahren wurde 1971 ein Werbeverbot für Tabakwaren erlassen, begleitet von einem Gesundheitserziehungs- programm und Maßnahmen zur Ein- schränkung des Passivrauchens. Die Raucherrate der 12- bis 16jährigen wurde von 1974 bis 1986 annähernd halbiert. Nach den jahrelangen Kon- troversen um die Einführung des Ta- bakgesetzes, die in Island nicht weni- ger heftig waren als derzeit in Deutschland, besteht dort heute ein

positives Meinungsbild zu allen re- striktiven Maßnahmen gegenüber dem Rauchen, wie mehrfache Mei- nungsumfragen ergeben haben.

Was bewirkt ein Werbeverbot?

In Norwegen gilt seit 1975 ein Werbeverbot für Tabakwaren. Nach offiziellen Angaben der norwegi- schen Steuerbehörde ging der Pro- Kopf-Verbrauch schon bei der An- kündigung des Gesetzes zurück, spä- ter erneut bei Inkrafttreten, und fünf weitere Jahre später nochmals nach Preiserhöhungen. In Norwegen ma- chen Steuern und Abgaben 85 Pro- zent des Zigarettenpreises aus, eine 20er-Packung kostet dort heute um- gerechnet 8 DM. Vor allem ging die Raucherrate in der Altersgruppe der 13- bis 15jährigen deutlich zurück.

Das norwegische Tabakkontrollpro- gramm wird nach Durchführung und Ergebnis international als Modell betrachtet und als Beweis dafür an- gesehen, daß ein Werbeverbot den Tabakwarenverbrauch vermindert.

Portugal hat seit 1983 ein Wer- beverbot und bis 1986 eine Vermin- derung des Pro-Kopf-Verbrauchs an Tabak um 16 Prozent zu verzeich- nen. In Kanada, wo seit 1989 ein Werbeverbot in Verbindung mit massiven Steuererhöhungen besteht, ist der Zigarettenkonsum um rund 25 Prozent gefallen.

Kritiker werden einwenden, daß die Wirkung eines Werbeverbots nicht sauber gegenüber der Wirkung von Gesundheitserziehung abzu- grenzen ist und deshalb die Wirkung eines Werbeverbots nicht als erwie- sen angesehen werden kann. Doch Gesundheitserziehung und Werbung für Tabakwaren sind zwei einander zuwiderlaufende Bestrebungen. Es ist deshalb eine Frage der Konse- quenz, die Untergrabung gesund- heitspädagogischer Anstrengungen durch Tabakwerbung auszuschalten.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Bernhard Humburger

„Ärztlicher Arbeitskreis

Rauchen und Gesundheit e. V."

Osterbergstraße 23 W-7107 Bad Wimpfen

Dt. Ärztebi. 88, Heft 47, 21. November 1991 (35) A-4115

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Es dürfte inzwischen auch den Schlichtungsstellen nicht verborgen geblieben sein, daß Rechtsanwälte den Weg über die Schlichtungsstellen immer dann empfehlen, wenn die

„nur" 100 000 zu versteu- erndem Einkommen auf 0 DM zu stellen, müssen folglich mindestens DM 300 000 Verlust „produ- ziert" werden, und das in einem Jahr, dessen Ergeb-

Rund 600 Rollstuhl- fahrer werden an einem in- ternationalen Baskettball- turnier teilnehmen, das un- ter der Schirmherrschaft des nordrhein-westfäli- schen Ministers für Arbeit,

Gerhard Richter Foto: privat engste verbunden ist, den Namen des Mannes näm- lich, der als Denkmals- schützer, -pfleger, als Mu- seumsbegründer und Sammler und als Lehrer sich

Die Autoren nehmen an, daß es bei den Patienten, die weiterrauchen, möglicherweise zu einer Be- schleunigung der Arteriosklero- seentwicklung und zusätzlich durch

Hier blicken wir mit Sorge auf die vermutlich doch zu kurzen klinischen Prüfzeiten für das inhalierbare Insulin, das nach unserer Kenntnis gegenüber den

Mit zentrofazialer Be- tonung treten einzeln oder gruppiert stehende, sukkulente, entzündlich gerötete Papeln auf, die häufig von ei- ner feinlamellösen Schuppung be- deckt sind

Eberhard Ritz resümierte die Ergebnisse eigener Untersuchungen und anderer Stu- dien jüngst bei einem Kongreß in Heidelberg: „Rauchen ist offensichtlich das Aschenputtel unter