DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
FÜR SIE GELESEN
Ist eine Koloskopie bei der Divertikulose notwendig?
Im Sigma entwickelt sich relativ häufig eine Divertikulose, aber auch Polypen und Karzinome ha- ben hier ihre Prädilektionsstelle.
Angaben darüber, wie häufig bei- de Krankheitsbilder simultan vor- kommen, existieren praktisch nicht. Die Autoren führten bei 65 Patienten, bei denen ein Kolon- Doppelkontrasteinlauf vorgenom- men worden war, zusätzlich eine Koloskopie durch. Die Röntgen- untersuchung hatte bei 17 Patien- ten neben der Divertikulose noch
Polypen, bei 2 ein Karzinom erge- ben. Endoskopisch konnten nur 9 der 17 Polypen bestätigt werden, in einem Fall handelte es sich um ein Karzinom. Zusätzlich wurden durch die endoskopische Unter- suchung 8 Polypen und 3 Karzino- me entdeckt.
Da die Röntgenuntersuchung in 35 Prozent eine Fehlinformation geliefert hatte und koloskopisch in 31 Prozent der Fälle neoplasti- sche Veränderungen entdeckt wurden, empfehlen die Autoren, bei allen Patienten mit einer ra- diologisch nachgewiesenen Di- vertikulose, insbesondere bei ei- ner positiven Blutungsanamnese, eine zusätzliche Koloskopie. W
Boulos, P. B.; Karamanolis, D. G.; Salmon, P. R.; Clark, C. G.: Is colonoscopy necessary in diverticular disease? Lancet I (1984) 95-96.
Departments of Surgery and Gastroenterolo- gy, University College, London, England.
Anaphylaxie-Gefahr nach intravenöser Gabe von Streptokinase
Streptokinase wird weltweit als thrombolytischer Wirkstoff einge- setzt. Dabei wurden allergische Reaktionen auf Streptokinase be- obachtet, die immunologischen Mechanismen jedoch nicht be- schrieben. Jetzt wurde demon- striert, daß im Falle einer anaphy- laktischen Reaktion auf intrave-
nös verabreichte Streptokinase während der Entwicklung eines Myokardinfarkts der Patient auf- grund dieses Wirkstoffs erhöhte spezifische IgE- und IgG-Serum- werte aufwies. Hauttests ergaben eine unmittelbare Hypersensibili- tät mit typischer Urtikariaquaddel- und Rötungsreaktion. Kranke, de- ren Zustand kritisch ist, erhalten eine Kurzzeittherapie mit Strepto- kinase. Aufgrund der möglichen Anaphylaxie-Gefahr bei diesen Patienten, empfehlen die Autoren ein Vorgehen, durch das die Risi- kopatienten festgestellt werden können. Das Erfordernis einer so- fortigen Streptokinase-Gabe ist so dringend, daß ein In-Vitro-Test nicht durchgeführt werden kann;
es müssen also geeignete Haut- tests ausgewertet werden. dpe
McGrath, K. G.; Patterson, R.: Anaphylactic Reactivity to Streptokinase, JAMA 252 (1984) 1314-1317 — Dr. R. Patterson, Dept. of Medi- cine, Northwestern University Medical School, 303 E Chicago Ave, Chicago, IL 60611, USA
Rauchen und Kardiomyopathien
Inhalierendes Zigarettenrauchen erhöht das Risiko, an Veränderun- gen der Koronararterien mit einer ischämischen Schädigung der Herzmuskulatur zu erkranken. In einer retrospektiven Querschnitt- studie wurde untersucht, ob Ziga- rettenrauchen auch zu einer Kar- diomyopathie führen könnte, die unabhängig von Veränderungen der Koronargefäße entsteht. Die Studie stützt sich auf Herzkathe- terbefunde von 4763 Männern im Alter von 35 bis 74 Jahren, bei de- nen ein Klappenvitium ausge- schlossen war. Als wichtigstes Kri- terium für eine Herzerkrankung wurde eine Bewegungsstörung der Wand des linken Ventrikels angesehen, entweder im Sinn ei- ner fokal oder diffus verminder- ten, einer fehlenden oder parado- xen Wandbewegung (Hypo-, A- oder Dyskinesie). Eine diffuse Hy- pokinesie bei Fehlen akinetischer und dyskinetischer Ventrikelantei- le wurde als Zeichen einer Kardio-
myopathie gewertet, akinetische und dyskinetische Bezirke dage- gen als Ausdruck eines abgelaufe- nen transmuralen Myokardinfark- tes interpretiert.
Bei 1952 Patienten war die Funk- tion der Ventrikelwand normal.
Bei 1745 Patienten waren akineti- sche und dyskinetische Wandbe- zirke nachweisbar. Bei 1066 Pa- tienten bestand eine Hypokinesie, davon bei 123 Patienten eine dif- fuse Hypokinesie der gesamten Wand des linken Ventrikels. Ein statistisch relevanter Zusammen- hang zwischen Zigarettenrauchen und Ventrikelakinesien und -dys- kinesien war bei Patienten über 55 Jahren zu sichern, während Hy- pokinesien nicht eindeutig mit den Rauchgewohnheiten korre-
lierten. In der Altersgruppe unter 55 Jahren traten bei Rauchern alle Störungen gehäuft auf. Es ergab sich jedoch ein besonders deut-
licher Zusammenhang zwischen Zigarettenkonsum und dem relati- ven Risiko einer diffusen Störung der Ventrikelfunktion. Diese allge- meine Verminderung der Ventri- kelwandfunktion konnte nicht auf Veränderungen der Koronararte- rien zurückgeführt werden. Die enge Beziehung zwischen Ziga- rettenrauchen und diffuser Hypo- kinesie blieb auch nach einer sta- tistischen Korrektur der Daten hinsichtlich des Alkoholkonsums bestehen, wurde also nicht durch den Alkoholkonsum dieser Pa- tientengruppe vorgetäuscht.
Die Ergebnisse legen nach Mei- nung der Untersucher den Schluß nahe, daß Zigarettenrauchen zu einer toxischen Kardiomyopathie führen kann. Pathogenetisch wer- den dabei sowohl Wandverände- rungen der kleinen Arterien (ana- log zum chronischen Alkoholab- usus und zum Diabetes mellitus) als auch eine direkte Schädigung des Herzmuskels diskutiert. wsk
Hartz, A. J.; Anderson, A. J.; Brooks, H. L., et al.: The association of smoking with cardiomyo- pathy, New Engl. Journal of Medicine 311 No 19 (1984) 1201-1206 — Dr. A. J. Hartz, Division of Biostatistics/Clinical Epidemiology, Medical College of Wisconsin, Milwaukee, WI 53226, USA
582 (70) Heft 9 vom 27. Februar 1985 82. Jahrgang Ausgabe A