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Archiv "Arzt sein und dennoch rauchen?: Anspruch nicht zu rechtfertigen!" (20.11.1975)

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Spektrum der Woche Aufsätze -Notizen

Arzt sein und dennoch rauchen?

bei den so häufigen Verhaltensstö- rungen und den psychosomati- schen Krankheitsbildern negativ aus. Schon der Tabakgeruch der Atemluft und der Kleidung stört die Überzeugungsfähigkeit. Diese Er- fahrung hat in den 30 Jahren mei- ner hiesigen Tätigkeit die meisten meiner ärztlichen Mitarbeiter ver- anlaßt, das Rauchen aufzugeben.

Dr. Dr. med. Laberke Facharzt für

innere Medizin — Psychotherapie Chefarzt der medizinischen Klinik der Städtischen Krankenanstalten 7300 Esslingen a. N.

Paracelsusstr. 13-23

Auch eine Repräsentativbefragung zeigt: Mehrheit ist

gegen Rauchen vor Patienten Da Umfragen nicht dadurch teurer werden, daß man jeweils einige zu- sätzliche Fragen „anhängt", lassen wir (die Arbeitsgemeinschaft für Werbung, Markt- und Meinungsfor- schung, die Redaktion) häufig durch Meinungsforschungsunter- nehmen unter unseren Mitgliedern solche Zusatzfragen stellen. Im Rahmen repräsentativer Umfragen in Deutschland (D), Österreich (A) und der Schweiz (CH) im Juli 1975 wurden je 500 Ärzten unter ande- rem auch folgende Fragen ge- stellt:

a) „Sind Sie der Ansicht, daß es Pflicht eines jeden Arztes sein müßte, in Gegenwart von Patienten nicht zu rauchen?"

b) „Glauben Sie, daß es ange- bracht wäre, das Rauchen in War- tezimmern zu unterbinden?"

In der folgenden Zusammenstel- lung der Antworten sind die ange- gebenen Zahlen Prozentzahlen:

D A CH

a) ja 59 61 57

nein 30 29 33

keine Meinung 11 10 10

b) ja 69 66 65

nein 26 22 29

keine Meinung 5 12 6

Wir unterstützen nicht nur aus die- sen Gründen die Forderungen Herrn Professor Schmidts.

Dr. Hans Fielitz CH-6904 Lugano Casella 47

Anspruch

nicht zu rechtfertigen!

Herr Prof. Schmidt schildert in sei- nem Artikel sehr eindringlich die Gefahren des Rauchens, die auch

gar nicht bestritten werden sollen.

Wenn aber in einem solchen Zu- sammenhang das hohe Wort „nicht standesgemäß" fällt, so fragt man sich doch, ob dieser Anspruch zu rechtfertigen ist. Prof. Schmidt macht es sich sehr einfach, wenn er sagt, daß der Arzt unglaubwür- dig wirkt, wenn er seinem Patien- ten von etwas abrät, was er selber tut. Wenn ein Arzt seinem diabeti- schen Patienten von dem täglichen Stückchen Sahnetorte abrät, so wird der Patient es seinem nicht- diabetischen Arzt kaum verübeln, wenn dieser trotzdem Sahnetorte ißt. Hier kann also offensichtlich sowohl der Arzt wie auch der Pa- tient zwischen den unterschiedli- chen Risiken differenzieren, die für den Nichtdiabetiker und den Dia-

betiker bestehen. Natürlich könnte auch der Arzt auf die Sahnetorte verzichten, denn sie bringt — au- ßer dem Genuß — keinen greifba- ren Nutzen, aber warum sollte er?

Das gleiche gilt aber für die Ziga- rette. Auch sie bringt keinen greif- baren Nutzen — außer dem Genuß!

Den aber stellt Prof. Schmidt über- haupt nicht in Rechnung und ver- letzt damit die primitivste Regel je- der Urteilsbildung: das Abwägen von Pro und Contra. Eine solche Vernachlässigung wäre allenfalls zu verstehen, wenn es sich beim Rauchen um eine extrem seltene Randerscheinung in unserer Ge- sellschaft handeln würde. Davon kann man aber wohl nicht spre- chen, wenn der Pro-Kopf-Ver- brauch in der Bundesrepublik 2085 Zigaretten pro Jahr beträgt.

Man darf wohl annehmen, daß die Raucher nicht etwa rauchen, um ihrer Gesundheit zu schaden, son- dern daß sie es mit oder ohne Kenntnis des damit verbundenen Risikos tun, weil es für sie ein Ge- nuß ist. Wenn jemand dafür kein Verständnis hat, kann er es trotz- dem nicht abstreiten. Offenbar steht also bei einem großen Teil unserer Bevölkerung die Gesund- heit nicht so hoch und alleinbe- stimmend im Kurs, wie Herr Prof.

Schmidt annimmt. Ich brauche wohl nicht aufzuzählen, wieviel an- dere „unnötige" Risiken für Leben und Gesundheit jeder von uns täg- lich auf sich nimmt. Ob ein Risiko aber nötig oder unnötig ist, ob man es eingehen will oder nicht,. bleibt immer eine subjektive Entschei- dung, die sich an den persönlichen Wertmaßstäben orientiert.

Das ganze Dilemma liegt eigentlich darin begründet, daß die medizini- sche Wissenschaft bis heute nicht in der Lage ist, für den Einzelfall anhand individueller Risikofaktoren die möglichen oder zu erwartenden Schäden genauer anzugeben.

Solange wir einem Patienten nur ganz allgemein sagen können, daß jeder 200. oder 1000. Raucher spä- ter mit einem Raucherbein oder Lungenkrebs rechnen muß, ohne

3270 Heft 47 vom 20. November 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Arzt sein und dennoch rauchen?

daß wir spezifische Gründe für sei- nen besonderen Fall angeben kön- nen, halte ich es nicht für gerecht- fertigt, jedem Raucher die Einstel- lung des Rauchens mit ärztlicher Autorität anzuraten, auch wenn der Betreffende nicht an einer auf das Rauchen zurückführbaren Krank- heit leidet. Wenn, wie Prof.

Schmidt zitiert, jeder 6. Krankheits- fall eine Folge des Rauchens ist, aber jeder zweite erwachsene Bun- desbürger raucht, so müßte man doch zunächst einmal feststellen, daß die Mehrzahl der Raucher kei- nen Schaden durch das Rauchen nimmt.

Mit diesen Bemerkungen will ich nicht etwa das Rauchen propagie- ren oder eine Aufklärung über sei- ne Gefahren als unnötig bezeich- nen, aber ich wehre mich ge- gen die Pauschalierung, die unser ungenügendes Wissen verschlei- ert.

Ich halte es für eine ärztliche Hy- bris, jedem Raucher mittels ärztli- cher Autorität seinen Rauchgenuß zu vergällen und dann gar — in- dem man den Spieß herumdreht — daraus die Forderung zu konstru- ieren, daß Ärzte nicht rauchen sol- len, um als Vorbild akzeptiert zu werden.

Logischerweise müßte Professor Schmidt dann eigentlich auch das Übergewicht oder den Besuch von Fortbildungsveranstaltungen im Ur- laub als „nicht standesgemäß"

brandmarken, denn Übergewicht ist bekanntlich ebenfalls ein Risi- kofaktor, und der Urlaub ist zur Er- holung und zum Abschalten da und nicht dazu, Stunden und Tage in verdunkelten Kongreßsälen zu ver- bringen. Da der übergewichtige Arzt aber seinen Bauch nicht so leicht verstecken kann wie der Raucher die Zigarette, müßte Prof.

Schmidt, der dem Arzt das Rau- chen ja nur in der Öffentlichkeit untersagen will, übergewichtigen Kollegen wohl empfehlen, ihre Tä- tigkeit auf telefonische Ratschläge zu beschränken und sich in der Öf- fentlichkeit nicht mehr blicken zu lassen.

Daß das Rauchen während jeder beruflichen Tätigkeit, bei der man auch mit Nichtrauchern zu tun hat, die sich dadurch belästigt fühlen könnten, an ihr Einverständnis ge- bunden werden sollte — auch wenn sie in der Minderheit sind —, ist eine Frage der Höflichkeit.

Wenn es eine Zigarette ohne Rauch gäbe, die den anderen nicht belästigt, wären die Rauchgegner in ihrer Argumentation wahrschein- lich genauso sachlich wie die Geg- ner der Übergewichtigkeit.

Ist die Anerkennung eines Arztes durch seine Patienten wirklich da-

von abhängig, ob sein Lebenswan- del unter der Maxime der Gesund- heit steht? Dann sollten manche Kollegen wohl auch ihren 16stündi- gen Arbeitstag, mit dem sie sich gerne brüsten, besser schamhaft verschweigen! Nein, ich glaube, der mündige Bürger, zu dem der Staat uns machen will, erwartet vom Arzt eine sachliche Beratung, ein persönliches Engagement und eine fachkundige Behandlung, aber nicht das Verhalten eines mo- ralisierenden Gesundheitsapostels.

Ist das Rauchen (und das Überge- wicht) erst einmal für Ärzte als nicht standesgemäß erklärt, so sehe ich am Horizont schon ein ge- nerelles staatliches Rauchverbot und weitere Eingriffe in die Indivi- dualsphäre, bis wir eine ebenso perfekte wie sterile Lebensqualität erreicht haben.

Dr. Udo Smidt 413 Moers Filderstr. 133

Aktivierung

der Standesvertretung?

... Sowohl in meiner dienstlichen Eigenschaft als auch privat identifi- ziere ich mich voll mit diesen Ge- dankengängen, Vorstellungen und Forderungen und bin jederzeit be- reit, dies zu unterstützen. Meines Erachtens sollte auch die Standes- vertretung der deutschen Ärzte- schaft in diesem Sinne aktiv wer- den, damit wir unsere Glaubwür- digkeit behalten und bewahren können.

Dr. Bauer

Leitender Medizinaldirektor Rheinland-Pfalz

672 Speyer Eichendorffstr. 8

Der Staat verdient

... Ich möchte den Artikel von Pro- fessor Schmidt voll unterstreichen:

Das Zigarettenrauchen wird noch immer mit staatlicher Lizenz propa- giert (riesige Reklamen, die Millio- nen DM kosten und schließlich Mil- lionen an Steuergeldern einbrin- gen), obgleich es keine Krankheits- ursache gibt, die in vergleichbarem Ausmaß die Gesundheit schädigt, wie das Zigarettenrauchen. In ca.

97 Prozent aller „jugendlichen Herz- infarkte" (d. h. vor dem 60. Le- bensjahr) ohne arteriellen Hyperto- nus, Diabetes oder schwere Fett- stoffwechselstörung, ist das Ziga- rettenrauchen die wesentliche Ur- sache der koronaren Mangeldurch- blutung.

Es stimmt auch nicht, daß Frau- en durch ihre Sexualhormone geschützter seien. Wir haben zahl- reiche Frauen mit Herzinfarkt in den letzten Jahren behandelt, die jünger als 50 Jahre waren. Nicht eine einzige war Nichtraucherin!

Analoges gilt für die Arteriosklero- se der Bein- und Fußarterien sowie die Halsschlagadern, in etwas ge- ringerem Maße auch für die Hirnar- terien. ... Nun noch einen Tip:

Wenn Patienten auf andere Perso- nen hinweisen, denen das Rauchen ja nicht geschadet habe, so ant-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 47 vom 20. November 1975 3271

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