DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
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m Vorabend der Früh- jahrssitzung der „Kon- zertierten Aktion im Ge- sundheitswesen", die am 26.März (nach Redaktionsschluß dieser Ausgabe) in Bonn statt- fand, haben die Repräsentanten der Leistungsträger im Gesund- heitswesen folgende Erklärung abgegeben:
„Die Leistungsträger im Gesundheitswesen stellen fest, daß im Gutachten des Sachver- ständigenrates für die Konzer- tierte Aktion im Gesundheits- wesen Medizinische Orientie- rungsdaten erarbeitet und ana- lysiert wurden, die jedoch ihrem Stellenwert entsprechend kei- neswegs vollständig und er- schöpfend sind. Auffallend sind die daraus gezogenen Schlußfol- gerungen, die keine Begrün- dung im analytischen Teil des Gutachtens finden und dazu oft
Budgetierung
Falscher Weg
sogar im Widerspruch stehen. — Die Leistungsträger weisen alle Vorstellungen zurück, die auf Budgetierung für einzelne Lei- stungsbereiche hinauslaufen, da diese niemals einer der weiter- hin raschen Entwicklung medi- zinisch-wissenschaftlicher Er- kenntnisse und technischer Möglichkeiten entsprechenden, individuellen Versorgung der Patienten gerecht werden kann.
Das Gutachten muß unter Nutzung der schon abgegebenen und der von den Betroffenen noch zu erwartenden Stellung- nahmen überarbeitet werden.
Die Leistungsträger stellen erneut fest, daß das Defizit der Krankenversicherung der Rent-
ner im Jahre 1986 weiter gestie- gen ist und aus erhöhten Beiträ- gen der Aktivversicherten mitfi- nanziert werden muß. Eine dau- erhafte Sicherung der Finan- zierung der Krankenversiche- rung der Rentner ist daher vor- dringlich."
Formuliert von den Präsidenten bzw.
Vorsitzenden und Hauptgeschäftsführern der Bundesärztekammer, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der Kassenzahnärzt- lichen Bundesvereinigung, der Bundeszahn- ärztekammer, der Bundesapothekerkammer, des Hartmannbundes — Verband der Ärzte Deutschlands e. V., des Marburger Bundes—
Verband der angestellten und beamteten Ärzte Deutschlands e. V., des NAV-Ver- band der niedergelassenen Ärzte Deutsch- lands e. V. , des BPA Berufsverbandes der Praktischen Ärzte und Ärzte für Allgemein- medizin Deutschlands e. V., der Gemein- schaft Fachärztlicher Berufsverbände (GFB), des Verbandes der leitenden Krankenhaus- ärzte e. V., des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte e. V., der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, des Deut- schen Apothekervereins e. V., der Medizi- nisch-Pharmazeutischen Studiengesellschaft e. V. und der Deutschen Krankenhausgesell- schaft. DÄ
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bgesehen von Krieg und Frieden, von Abtrei- bung und Recht auf Le- ben, von Erfahrungsheilkunde und Schuldmedizin — abgesehen also von solch bedeutenden Themen, die auch eine festge- fügte Anhänger- und Gegner- schaft zu mobilisieren vermö- gen, gibt es noch ein Thema, bei dem die Redaktion auf eine große Resonanz aus dem Le- serkreis stetig hoffen darf:Sprachliches. Heft 12, jenes mit dem SIDA/AIDS-Titel, bot ei- nen hervorragenden Anlaß.
War doch da auf „seite eins"
vom Virus männlichen Ge- schlechts die Rede. Der Virus stand da, das Virus hätte es hei- ßen müssen. Eine Vielzahl auf- merksamer Leser hat spontan reagiert.
Das Virus teilt sein sprach- liches Schicksal mit dem Ulkus.
Korrekt ist das Neutrum, häufig gebraucht wird das Maskuli- num. Während es aber (bisher) immer falsch ist, dem Ulkus das männliche Geschlecht zuzubilli- gen, läßt der Duden beim Virus beides gelten. „Der" für den allgemeinen Sprachgebrauch,
Sprachliches
Vom Geschlechte
„das" für die Fachsprache. Die Naturwissenschaftler und Medi- ziner im 19. Jahrhundert hatten das Virus korrekt aus dem La- teinischen übernommen: virus, der Schleim, n. Weshalb die La- teiner, die den Begriff wieder- um dem Griechischen entnom- men hatten, das griechische iö (Flüssigkeit, Gift), m., ins Neu- trum transponierten — vielleicht weiß einer unserer sprachmäch- tigen Leser Rat? Wie diese An- frage auch ausgehen möge — für das Deutsche Ärzteblatt gilt selbstverständlich die (lateini- sche) Fachsprache, es ist nun einmal ein Fachblatt. Neutrum, Punktum. Das auch zur Besänf- tigung der kundigen Leser.
über das Geschlecht des Virus sind viele Leser offenbar derart gestolpert, daß sie nicht in der Lage waren weiterzule- sen. Dann wäre ihnen aufgefal- len, daß im Namen des AIDS- Forschers Luc Montagnier mehrfach das „i" vertauscht
worden ist: Montaigner, statt — richtig — Montagnier. Solche Fehler pflegen Redaktionen gerne dem Druckfehlerteufel zuzuschreiben. Häufig freilich liegt die Schuld gar nicht bei die- sem Unhold (den ohnehin noch nie jemand gesichtet hat), son- dern schlicht beim Autor oder Redakteur; so auch hier.
Tröstlich immerhin, daß der große Virologe Montagnier auf diese Weise sprachlich in die Nähe des großen Moralisten und Philosophen Montaigne ge- rückt ist. Und wer im FAZ-Ma- gazin vom 20. März das Inter- view mit Luc Montagnier gele- sen hat, dem mag aufgefallen sein, daß der Virologe nicht nur sprachlich in die Nähe seines Landsmannes aus dem 16. Jahr- hundert geraten ist. Luc Monta- gnier kommt über seine Entdek- kung und die selbst von ihm un- geahnten medizinischen Folgen seinerseits ins Philosophieren.
Um aber nochmal auf den Anfang zurückzukommen: das Virus, deutsch. Für Luc Monta- gnier — wie für alle, die eine ro- manische Sprache sprechen — ist das Virus männlich: le virus. NJ
Dt. Ärztebl. 84, Heft 14, 2. April 1987 (1) A-873