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Archiv "Japan und seine Medizin" (17.10.1974)

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Abbildung 3: Ophthalmologische Klinik Dr. Ohmi, Osaka. Einer von sechs Untersu- chungsräumen

Spektrum der Woche Aufsätze - Notizen

Parapsychologie

obachter, so wenn der Parapsycho- loge Geley Paraffinabdrücke, die der Okkultschwindler Guzik mit dem Gesäß erzeugte, als Beweis für die Anwesenheit eines „Gei- stes" bei der Sitzung ansieht. Man kann solche Gelehrte nur bedau- ern, die unbeirrbar Scheinwunder anstaunen, aber die vielen wahren Wunder nicht sehen, die sich in Gottes freier Natur täglich vor un- seren Augen ereignen. Wie kann einem bloß das Wachs am Hintern eines Betrügers wichtiger und in- teressanter sein als der Ge- schmack eines Apfels oder der Duft einer Rose? Am wahren Le- ben nicht vorbeigehen! Das ist das beste Mittel gegen alle Spökenkie- kerei. Wir wollen den Parapsycho- logen ja gern ihren „After"-Glau- ben lassen. Nur möchten sie ihn

bitte nicht als Naturwissenschaft ausgeben.

Dr. jur. Wolf Wimmer 67 Ludwigshafen Sternstraße 147

ECHO

Zu: „Eine andere Wirklich- keit" von Dr. Wolf Wimmer in Heft 10/1974, Seite 732 ff.

„Im DEUTSCHEN ÄRZTE- BLATT vom 7. März 1974 schreibt Wolf Wimmer . . . aus seiner Kenntnis zu unse- rem Thema. Die Herausgeber des Ärzteblattes meinen dazu in einer redaktionellen Äuße- rung, eine besondere ‚Ge- fahr' stecke im ,Wissen- schaftsanspruch der Para- psychologie, der auf moderne Weise einen alten, zeitweise mörderischen Wahn rechtfer- tigt' ...

Wie jeder Wissenschaft sind auch der Parapsychologie Kritiker zu wünschen; viel- leicht braucht sie sie sogar tatsächlich notwendiger als andere Disziplinen. Aber man muß ihr Kritik wünschen, die ihr in ihrer Arbeit hilft."

(Backnanger Kreis-Zeitung).

BLICK

ÜBER

DIE

GRENZEN

Utz P. Merten und Ulfert Merten

Erste Fortsetzung

4. Der niedergelassene Arzt Wie schon erwähnt, kann sich ein Arzt nach mindestens zwei, meist nach vier oder acht Jahren Tätig- keit am Krankenhaus niederlassen.

Auf Antrag bei den örtlichen Be- hörden erhält er die Krankenkas- senzulassung. Im Gegensatz zu deutschen Gepflogenheiten kann er aber eine oder mehrere „Spezia- listenbezeichnungen" führen, für seine Praxis uneingeschränkt Wer- bung betreiben und je nach seinen fachlichen und finanziellen Mög- lichkeiten unbegrenzt Helferinnen und auch Ärzte einstellen. Die

durch solche Möglichkeiten ent- standene Form der freiberuflichen Praxis ist nur aus der Entwicklung verständlich. Einen niedergelasse- nen Arzt (General Practitioner) gibt es in Japan erst seit etwa 100 Jah- ren. In den vorherigen Jahrhunder- ten sind Ärzte nur an den Universi- tätskrankenhäusern tätig gewesen und von diesen an städtische oder Landeskrankenhäuser gesendet worden. Ärzte wie auch die medizi- nische Versorgung dieser Zeit sind fest an das Krankenhaus gebun- den. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts haben es Kolle- gen vorgezogen, den Patienten und

Japan und seine Medizin

3034 Heft 42 vom 17. Oktober 1974 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(2)

tv.tri>

YCntiiTll-

Augenhinter grund (Foto Audiometrie

Physikalische Anmeldung Therapie

Verwaltung Apotheke Akupunktur Röntgen

re. .=•-••Ei Dunkel-

Augen --

■.1

HNO und Oesophago-

Bronchologig—T-Iy--

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4:411 14.

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Innere edizin Urolo- Op.

gie, Der- matologie

EKG Geburts- hilfe, Gy- näkologie

Chem. Med. Direktor Labora-

torium Chirurgie

Orthopädie Urin La- boratorium

4Monitor

Video Display Magerj:Darm-Röntgen

Reihen- u.

Vorsorge- Unters.

(Dock-Pa- tienten).

11,4

III

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Japan und seine Medizin

Abbildung 4: Grundriß der lwal-Policlinic, Tokyo

dem Gesundheitswesen in freier Praxis zu dienen. Sie haben die Kranken in deren Wohnung behan- delt oder sie zur besseren Versor- gung ins eigene Haus aufgenom- men, woraus sich im Laufe der Zeit die „Clinics" entwickelt haben.

„Clinics" sind nach der heutigen Definition private Krankenhäuser mit weniger als 20 Betten, die Pa- tienten nur für 48 Stunden stationär aufnehmen sollen. Länger dürfen Patienten nur stationär behandelt werden, wenn zwingende Gründe vorliegen, was aber meist der Fall ist und besonders in ländlichen Ge- bieten mit Bettenmangel von den Behörden sogar gerne gesehen wird. Diese Entwicklung hat die heutige Form der niedergelassenen Praxis geprägt, so daß die beste- henden 69 857 „Clinics" (1971) ins- gesamt 255 409 Betten zur Verfü- gung stellen und damit ungefähr

ein Viertel der gesamten Kran- kenhausbettenanzahl in Japan (1 082 647/1971) darstellen. Mehr als 85 Prozent dieser „Clinics" ge- hören niedergelassenen Ärzten und werden von diesen geleitet. Entwe- der haben diese eine Gruppenpra- xis mit einem oder mehreren Ärz- ten als Partnern, oder sie haben Kollegen als Voll- oder Teilzeitan-

gestellte aufgenommen. Teilzeit- oder Vertretertätigkeit ist in Japan sehr verbreitet und beliebt, da wie

Tabelle 2: Iwai-Policlinic, To- kyo, Abteilungen (siehe da- zu auch Grundriß in Abbil- dung 4)

1 Augen

2 HNO und Ösophago- Bronchologie

3 Innere Medizin

4 Urologie und Dermatolo- gie

5 Chirurgie und Orthopädie 6 OP

7 Gynäkologie und Geburtshilfe 8 EKG

9 Laboratorium 10 Reihen- und

Vorsorgeuntersuchungen (Dock-Patienten)

11 Röntgen

12 Physikalische Therapie 13 Apotheke (Dispensary) 14 Verwaltung

schon oben erwähnt, viele Ärzte zur Weiterbildung unbezahlte Stel- len an Universitätshospitälern ein- nehmen.

In den „Clinics" ist jeweils auch die ambulante Praxis des oder der niedergelassenen Ärzte, die von 40 bis 100 Patienten pro Tag und Arzt aufgesucht werden. Die meisten

„Clinics" sind „General Clinics", viele aber auch gut eingerichtete

„Special-Clinics", wie z. B. die Ophthalmologie-Klinik Dr. Ohmi in Osaka (Abb. 3). Dort werden ne- ben der Ambulanz routinemäßig Schiel- und andere Augenoperatio- nen durchgeführt, und für die Pa- tienten stehen acht Betten mit der gleichen Anzahl Betten für Angehö- rige zur Verfügung.

Da die Ambulanzen der Kranken- häuser jedem Patienten auch ohne Überweisung offenstehen (worauf später noch genauer eingegangen wird), besteht ein Konkurrenzkampf der zum Teil die niedergelassenen Ärzte zu den oben angeführten For- men der Praxis gezwungen hat. Die Existenz der freiberuflich tätigen Ärzte ist aber dadurch nicht ge- fährdet. Von den jährlich 375 Millio- nen Patienten der japanischen Ver-

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 42

vom 17. Oktober 1974

3035

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Abbildung 5: lwai-Policlinic, Tokyo, Patienten-Anmeldung. Auf engstem Raum ar- beiten zwölf Angestellte, die neben der Aufnahme von Patientendaten, deren Ver- arbeitung und Speicherung auch den größten Teil aller bürotechnischen Vorgänge der Policlinic durchführen

Abbildung 6: lwai-Policlinic, Tokyo, TV-Überwachung der Patienten-Anmeldung vom Zimmer des Med.-Direktors aus

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Japan und seine Medizin

sicherungen gehen laut Statistik ungefähr 80 Prozent zu niederge- lassenen Ärzten.

In den Großstädten sind zum Teil private Policlinics entstanden, diean Raumangebot und Patientenfre- quenz in der Größenordnung hiesi- ger Ambulanzen an Universitätskli- niken liegen. Als Beispiel sei hier die IWAI-Policlinic in Tokyo näher beschrieben:

Auf 500 qm Fläche arbeiten 13 voll- und 12 teilzeitangestellte Ärzte mit

21 Schwestern, 5 medizinisch-tech- nischen Assistentinnen, 16 Verwal- tungsangestellten und 7 Hilfskräf- ten zusammen. In Tabelle 2 sind die einzelnen Abteilungen und in Abbildung 4 die räumliche Auftei- lung aufgezeigt. Wie die Clinics ist auch die Policlinic nach dem ja- panischen Grundsatz „all in one"

eingerichtet, so daß hier den Pa- tienten ein möglichst breites Spek- trum an Diagnostik und Therapie

geboten werden kann. Von Vor- sorgeuntersuchungen (sogenannte Dock-Patienten), die hauptsächlich

auf die Frühdiagnose des Magen- Darm-Ulkus und Karzinoms ausge- richtet sind, über die wichtigsten Fachgebiete der Medizin bis zur Versorgung des Patienten mit den notwendigen Medikamenten reicht das Angebot der Policlinic. Nicht unerwähnt soll bleiben, daß hier routinemäßig die Akupunktur in der Therapie (z. B. bei HWS-Syndrom) mit elektrisch in Schwingung ge- setzten Nadeln durchgeführt wird.

Bis 600 Patienten täglich werden untersucht und behandelt. Der da- für erforderliche bürotechnische Aufwand wird mit japanischer Fi- nesse auf kleinstem Raum abge- wickelt (Abb. 5). Auch eine Fern- sehüberwachung der Arbeitsplätze findet ihre Anwendung (Abb. 6). Die einzelnen Abteilungen sind mit technischen Geräten gut ausgerü- stet, wobei die Röntgenabteilung wegen der häufigen Magen-Darm-

Untersuchungen, mit vier Röntgen- apparaten, Monitor und Videodis- play eine bevorzugte Stellung ein- nimmt. Die Policlinic besitzt auch Ambulanzwagen, mit denen Rei- henuntersuchungen, meist röntge- nologischer Art, direkt in Fabriken oder Gewerbebetrieben durchge- führt werden können.

Aus dem Bestreben des „all in one"-Systems und dem hier übli- chen Abrechnungsverfahren haben die Ärzte die Versorgung des Pa- tienten mit Medikamenten in der ei- genen Praxis bis heute beibehal- ten. Die notwendigen Medikamen- tenkombinationen werden dem Pa- tienten, in Einzeldosen verpackt, verabreicht.

Es findet sich jedoch nur ein klei- nes Laboratorium, in dem fast aus- schließlich Makromethoden durch- geführt werden und eine Automa- tion noch keinen Eingang gefunden hat. Im Gegensatz zu Deutschland, wo sich eine detaillierte Laborato- riumsmedizin auch in der freien Praxis durchgesetzt hat, werden in Japan nur die Untersuchungen ei- nes etwas erweiterten Notfallabo- ratoriums durchgeführt. Alle schon etwas komplizierten Untersuchun- gen werden in die Laboratorien von

3036 Heft 42 vom 17. Oktober 1974

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Spektrum der Woche Aufsätze -Notizen

Japan und seine Medizin

Krankenhäusern geschickt. Um den damit verbundenen Zeitauf- wand zu reduzieren und die ärztli- che Versorgung der Bevölkerung zu verbessern, hat seit 1968 die Ja- pan Medical Association 300 „La- boratory Testing Centers" für die niedergelassenen Ärzte errichtet oder ihre Einrichtungen gefördert

(T. Takemi). Über die „Government

Medical Care Financing Corpora- tion" werden den niedergelassenen Ärzten günstig Langzeitkredite zur Errichtung solcher Zentren und ih- rer Praxen zur Verfügung gestellt.

Die Entwicklung der „Laboratory Testing Centers" läuft parallel mit dem Entstehen einer neuen Art von Hospital, dem „Open-staff-Hospi- tal". Da die öffentlichen Kranken- häuser in Japan unter dem Mangel an medizinischen Angestellten (Ärzte, MTAs und Krankenschwe- stern) leiden, haben sie sich an die niedergelassenen Ärzte gewandt mit der Bitte um Zusammenarbeit.

Diese Zusammenarbeit ist nicht mit dem sogenannten Belegarztsy- stem gleichzusetzen, sondern unter Leitung der Japan Medical Asso- ciation hat sich das „Open-staff-Sy- stem" als echte Weiterentwicklung gebildet, das heute ein zunehmen- des Interesse unter der Bevölke- rung, dem medizinischen Personal und der Ärzteschaft findet.

Eine genaue Definition des „Open- staff-Hospitals" existiert noch nicht. Professor Yoshyoka') deutet es als ein System, das für die Ge- meinschaft und für den niederge- lassenen Arzt offensteht. Das heißt:

Der niedergelassene, dem Kran- kenhaus angeschlossene Arzt weist seine Patienten bei stationärer Be- handlung dorthin ein, führt tägliche Visiten durch und behandelt die Patienten. Da die assoziierten Ärz- te die Krankenhausambulanz tur- nusmäßig betreuen, ist für jeden Patienten, stationär oder ambulant, einer der assoziierten Ärzte zustän- dig. Das Krankenhaus offeriert Pa- tient wie Arzt auch ambulant alle seine Einrichtungen und spielt die

1) Ärztlicher Direktor des Shinsenri (open staff) Hospitals Shinsenri, Osaka, Ja- pan

Rolle eines medizinischen Dienst- leistungszentrums. Es bietet allen Patienten eine bestmögliche medi- zinische Versorgung, und die betei- ligten Ärzte können ihre klinische Erfahrung weiterhin praktizieren und dem Patienten zugute kommen lassen.

Professor Yoshyoka hält folgende Punkte für ein wesentliches Kenn- zeichen des „Open-staff-Hospi- tals":

> es handelt sich um eine freiwil- lige Einrichtung,

I> der assoziierte Arzt kann die Einrichtung des Krankenhauses voll benutzen und braucht keine In- vestitionen für aufwendige Geräte einzugehen,

I> für den Patienten bleibt der einweisende auch der behandelnde Arzt,

> Untersuchungen, die ambulant durchgeführt worden sind, brau- chen nicht wiederholt zu werden, da sie ambulant wie stationär von den gleichen Laboratorien erbracht werden,

> für alle Ärzte besteht eine fort- laufende Weiterbildungsmöglich- keit, und die Konsultation anderer Fachbereiche ist vereinfacht.

Ein solches Hospital, wie es zum Beispiel in Shinsenri bei Osaka entstanden ist, wird von einem ärzt- lichen Direktor geleitet und hat ei- nige festangestellte Ärzte. Auch in diesem Krankenhaus ist das „all in one"-System sogar mit voll einge- richteter zahnärztlicher Station durchgeführt.

In der Japan Medical Association (JMA), die eine einflußreiche Orga- nisation in Japan darstellt, sind 74 Prozent aller japanischen Ärzte vertreten, da es keine Pflichtmit- gliedschaft gibt. Sie vertritt die Standesinteressen und versteht sich als politische Interessengrup- pe, die sich für die Verbesserung des medizinischen Versorgungssy- stems einsetzt. Daß dies nicht nur durch Vorschläge, sondern auch

durch praktische Durchführung ge- schieht, zeigen die Einrichtungen der „Open-staff-Hospitäler" und der „ Laborato ry-Testing-Centers".

5. Das japanische Krankenhauswesen

Nach dem letzten Krieg sind die bestehenden Armeehospitäler in

„National Health Hospitals" umge- wandelt worden. In ihnen werden die Mitglieder der Krankenversi- cherungen stationär und ambulant behandelt, ohne daß ihnen zusätzli- che Kosten entstehen. Diese Hos- pitäler, entstanden in der Notlage der Nachkriegszeit, stellen auch heute noch eine Besonderheit dar, wird die Verteilung der Betten in anderen Hospitälern, seien sie staatlich, kommunal oder privat, berücksichtigt. In anderen Hospitä- lern besteht für den Patienten ein Unterschied zwischen Zimmern mit

1 bis 5 oder solchen mit 6 bis 8

Betten. Nur in den großen Zimmern entstehen ihm keine zusätzlichen Kosten, während für Räume mit 1 bis 5 Betten ein Zuschlag von 2300 bis 22 000 Yen (zwischen 20 und 200 DM) pro Tag und Patient er- hoben wird. In einigen Hospitälern wird sogar für ein 6-Bett-Zimmer eine zusätzliche Gebühr von 150 bis 500 Yen erhoben.

In den meisten Krankenhäusern beträgt der Prozentsatz der zu- schlagfreien Betten nur 10 bis 25 Prozent. Daraus ergibt sich zwangsläufig, daß bei den verhält- nismäßig langen Liegezeiten (auf die weiter unten genauer eingegan- gen wird) sich für die auf kosten- freie Betten angewiesenen Patien- ten lange Wartezeiten ergeben.

Viele Kranke ziehen daher die schneller erreichbaren, dafür mit zusätzlichen Kosten verbundenen Betten in kleineren Zimmern vor.

Dieser Umstand führt oft zu Härte- fällen bei Erkrankungen, die nicht einer sofortigen stationären Be- handlung bedürfen. Für lebensbe- drohlich Erkrankte oder Unfallpa- tienten werden Ausnahmen ge- macht, und auf dem Gebiet der Krebs- und Seuchenfürsorge beste-

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Heft 42 vom 17. Oktober 1974 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Tabelle 3: Prozentuale Aufteilung der verschiedenen Tätig- keitsgebiete japanischer Ärzte

(1971: 11,5 Ärzte pro 10 000 Einwohner)

Hospitälern oder Clinics Hospitälern oder Clinics Lehre und Forschung der klinischen Medizin Lehre und Forschung in Instituten und im öffentlichen Gesundheitswesen

Prozent 51,1 34,4 9,7

3,3 Eigentümer von

Angestellte in Angestellte in Angestellte in

Tätigkeit auf anderen Gebieten 1,5

Tabelle 4: Anzahl der Krankenhäuser und Krankenhausbetten in Japan

Hospitäler

Gesamt Allg. Krhs. Allg. Clinic Krankenhäuser

Betten

7.819 1.033.550

6.708 811.135

68.305 1969

Krankenhäuser Betten

7.974 1.062.553

6.869 836.955

68.997 1970

Krankenhäuser Betten

8.026 1.082.647

6.943 627.437

69.857 255.409 1971

Abbildung 7: lwai-Policlinic, Tokyo, HNO-Abteilung; Anamnese-Erhebung, Untersu- chung und Therapie werden häufig in Anwesenheit anderer Patienten durchgeführt

Spektrum der Woche Aufsätze -Notizen Japan und seine Medizin

hen und entstehen weitere Kran- kenhäuser, die den Patienten bei Hospitalisierung keine zusätzlichen Gebühren abverlangen.

Der Pflegesatz, den ein Kranken- haus von den Krankenkassen pro Tag und Patient erhält, beträgt ma- ximal 2290 Yen (ca. 25,— DM). Die- se Summe ist nur für die stationäre Pflegebehandlung und schließt nicht die ärztlichen, operativen, La- boratoriums- und Röntgenkosten ein. Diese werden getrennt nach dem Punktesystem über den „So- cial Insurance Medical Payment Fund" abgerechnet (Abbildung 2).

Trotzdem arbeiten nach Auskunft der JMA 80 Prozent aller privaten Hospitäler mit Ausnahme der priva- ten Lehrkrankenhäuser mit Defizit.

Die Krankenzimmer entsprechen in Fläche und Einrichtung dem euro- päischen Standard. In keinem der von den Autoren besichtigten 15 Krankenhäuser oder „Clinics" ha- ben sie Räume mit mehr als acht Betten gesehen. In einigen Zim- mern stehen den Eltern oder Ange- hörigen Zusatzbetten kostenlos zur Verfügung. Das ist besonders in Kinderabteilungen häufig der Fail und hängt mit der ausgeprägten Familientradition des Japaners zu- sammen. Auf einigen Kinderstatio- nen nehmen die Kinder, wenn sie nicht bettlägerig sind, ihre Mahlzei- ten zusammen mit einem Arzt ein.

Während einerseits auf das indivi- duelle des Patienten oft eine her- vorzuhebende Rücksicht genom- men wird, ist andererseits die Pri- vatsphäre des Patienten häufig nicht gewahrt, da Anamnesenerhe- bung und klinische Untersuchung zum Teil in Anwesenheit anderer Patienten oder in nicht geschlosse- nen Kabinen durchgeführt werden (Abbildung 7).

Jeden Tag befinden sich von tau- send Japanern 66 in ärztlicher Be- handlung, davon 9 in stationärer und 57 in ambulanter Behandlung.

Von diesen 57 ambulanten Patien- ten gehen 36 in die Sprechstunde der niedergelassenen Ärzte, 10 in Hospitalambulanzen und 11 in zahnärztliche Behandlung. Die ja-

panische Bevölkerung wird von 133 885 Ärzten betreut, deren un- terschiedliche Wirkungskreise in Tabelle 3 aufgeschlüsselt darge- stellt sind. Um hier auch einen Überblick zu geben, wieviel Hospi- täler und „Clinics" den Patienten

zur Verfügung stehen, sei Tabelle 4 eingefügt, die einige der wichtigen statistischen Daten aufzeigt.

Bei einer Bewertung dieser Stati- stik müssen die Eigenarten der ja- panischen Krankenhausstrukturen

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 42 vom 17. Oktober 1974 3039

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Japan und seine Medizin

berücksichtigt werden. Durch den schon früher erwähnten Unter- schied zwischen Hospital und „Cli- nics" ist ein Vergleich mit anderen Statistiken nur schwer möglich.

Nur etwa die Hälfte der aufgeführ- ten „Clinics" stellen die angegebe- nen Betten zur Verfügung, die rest- lichen „Clinics" sind Policlinics oder große ambulante Praxen nie- dergelassener Ärzte. Von den Hos- pitälern sind 1083 Spezialkranken- Abbildung 8: Kitasato-University Hospital, bei Tokyo, TV-Überwachung, wie sie in häuser, davon 900 neurologisch- der Operationsabteilung, den Intensivstationen und der Röntgen- und Strahlenab- psychiatrische, 139 Tbc-, 14 Lepra-

teilung Anwendung findet und 30 Seuchenkrankenhäuser mit

insgesamt 455 210 Betten.

Abbildung 9: Kitasato-University Hospital, bei Tokyo, EDV-Abteilung

Abbildung 10: Osaka-University Hospital, Osaka, Ansicht eines in japanischen Krankenhäusern häufig anzutreffenden Großraumlaboratoriums

Pro 1000 Einwohner stehen 10 Hos- pitalbetten zur Verfügung. Bei Ein- beziehung der Clinicbetten erhöht sich diese Verhältniszahl auf 12,5.

Entsprechend der Statistik beste- hen damit in Japan relativ 50 Pro- zent mehr Krankenhausbetten als in den USA (K. Kiikuni). Dieser Ver- gleich ist jedoch nicht verwertbar, da er nichts über die durchschnitt- liche Liegezeit der hospitalisierten Patienten aussagt. In den USA be- steht eine durchschnittliche Liege- zeit von 8,5 Tagen pro Patient, in Japan hingegen bleiben Kranke durchschnittlich 32 Tage im Kran- kenhaus. Die „Verfälschung" der Statistik kommt dadurch zustande, daß es in Japan kaum sogenannte

„akute" Krankenhäuser gibt. Da der Aufbau von geriatrischen und Pflegekrankenhäusern erst in den letzten Jahren ins Auge gefaßt wor- den ist, werden viele Betten von sogenannten Pflegefällen belegt.

Hinzu kommt, daß die japanischen Wohnverhältnisse meist wenig Platz bieten und eine Hauspflege erschweren, wenn nicht sogar ver- hindern.

In den letzten Jahren ist die Anzahl der Krankenhausbetten erheblich gestiegen. So sind zum Beispiel al- lein 1970 etwa 30 000 Krankenhaus- betten hinzugekommen. Wie in Eu- ropa haben sich auch in Japan die Neubauten mehr auf die städti- schen Gebiete konzentriert, so daß die Benachteiligung der ländlichen Gebiete noch deutlicher hervorge- treten ist. Um diesen Fehlplanun-

3040 Heft 42 vom 17. Oktober 1974 DEUTSCHES ARZTEBLATT

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Japan und seine Medizin

gen zu begegnen, ist schon 1963 der japanische Gesetzgeber einge- schritten und hat im „Medical Ser- vice Law" der Regierung die Mög- lichkeit eingeräumt, in die Planung und Verteilung öffentlicher Kran- kenhäuser regulierend einzugrei- fen. Im Einvernehmen mit der JMA ist damals beschlossen worden, in Gebieten mit mehr als 52 Kranken- hausbetten pro 1000 Einwohner keine weiteren Hospitäler von sei- ten der öffentlichen Hand zu bau- en. Trotz dieser Maßnahmen wird die medizinische Versorgung der Landbevölkerung auch heute noch als unzureichend angesehen, und es bleibt abzuwarten, ob die ge- setzlichen Möglichkeiten und die daraus resultierenden Maßnahmen auf die Dauer zu Erfolgen führen.

In der Nähe Tokyos ist das „Kitasa- to University Hospital" als eine der modernsten Universitätskliniken Japans entstanden. Es wird von der JMA und den Vertretern des „Ja-

pan Institute of Hospital Architectu- re" als richtungweisendes Beispiel einer modernen Krankenhausein- richtung bezeichnet. Die für Japan typische Art, Krankenhäuser zu planen, zeigt sich hier besonders deutlich. Der Arzt im Team wendet sich mit klaren Vorstellungen an die Krankenhausplaner des oben aufgeführten Institutes. Die Pla- nungszeiten betragen oft sieben oder acht Jahre, und Ärzte wie Ar- chitekten reisen mit gezielten Vor- stellungen in europäische und amerikanische Länder, um sich über den neuesten Stand im Kran- kenhauswesen zu informieren. Die Initiative für Neubauten kommt fast ausschließlich von Medizinern, we- niger von staatlichen Stellen. Dem Staat obliegt Prüfung und Geneh- migung der Pläne, und er stellt zinsgünstige Kredite mit einer Laufzeit von 10 bis 20 Jahren zur Verfügung. Den meisten Kranken- häusern ist es möglich, diese Kre- dite schon nach der Hälfte der Laufzeit zu tilgen.

Auf der Grundlage dieser fachli- chen Zusammenarbeit ist das pri- vate „Kitasato University Hospital"

als das fortschrittlichste Kranken- haus Japans entstanden. Beim Be-

treten dieses Hospitals fühlt sich der Patient eher wie in einem gro- ßen Hotel, wobei dieser Eindruck durch großzügige Hallen, Rolltrep- pen, Läden und einer Cafeteria mit Blick und Ausgang in einen im alt- japanischen Stil angelegten Garten und Park entsteht. Verstärkt wird dieses Gefühl noch durch die im- mer gleichbleibende Freundlichkeit der Angestellten, die Ungeduld, schlechte Laune und Verärgerung, in der Öffentlichkeit jedenfalls, nicht zeigen, was im übrigen für fast ganz Japan zutrifft.

Die Mindestanforderungen gemäß Artikel 16 der japanischen Kran- kenhausordnung von 6,3 qm pro Patient in Privatzimmern, 4,3 qm pro Patient bei mehr als zwei Kran- ken pro Raum und 2/3 dieser Fläche in Kinderkrankenzimmern sind in dieser Klinik weit überschritten worden. Eingerichtet ist das „Kita- sato University Hospital" mit den neuesten Apparaten medizinischer Technik für Diagnostik, Therapie und Krankenpflege (Abbildung 8).

Großzügig eingerichtete internisti- sche und chirurgische Intensivsta- tionen, Operationsabteilungen, La- boratorien und eine großflächige Röntgenabteilung im Doppelflursy- stem prägt weiterhin das Bild eines modernen Hospitals. Verständli- cherweise gilt das „Kitasato Uni- versity Hospital" für die JMA als Prototyp und Paradebeispiel mo- derner japanischer Medizin.

In dieser, wie auch in einigen an- deren Universitätskliniken haben Computer ihren Eingang in die Me- dizin gefunden (Abbildung 9). Fast alle Anlagen befinden sich aber noch im Aufbaustadium, und selten sind ihnen schon Teilbereiche der Krankenhausverwaltung übertra- gen worden. Für den Patienten di- rekt werden sie nur ganz vereinzelt eingesetzt. Eine Ausnahme bietet das „Tokyo Women College Hospi- tal", das eine Computeranlage für die Patienteneinbestellung verwen- det. Datum und Zeitpunkt der ambu- lanten Untersuchungen von Patien- ten werden durch die Anlage koor- diniert, wodurch den Patienten Wartezeiten erspart werden. Allge-

mein kann jedoch gesagt werden, daß trotz des fortgeschrittenen Standes japanischer Computer- technik diese noch nicht eine ad- äquate Anwendung in der Medizin findet.

Auch in großen klinischen Labora- torien, von denen in den USA und in Europa die Anwendung von Computern in der Medizin ausgeht, sind EDV-Anlagen in Japan kaum anzutreffen. Die Laboratorien in großen Krankenhäusern sind oft mit halb- und vollmechanisierten Analysatoren und anderen Geräten modernster Laboratoriumsmedizin ausgestattet. Eine großräumige und großzügige Einrichtung der Labo- ratorien ist durch eine Zentralisie- rung und Zusammenlegung aller Krankenhauslaboratorien ermög- licht (Abbildung 10), da in Japan wie in den USA die Bereiche Pa- thologie, Laboratoriumsmedizin Bakteriologie, Virologie und Blut- bank in einer „Abteilung für klinische und anatomische Pa- thologie" zusammengeschlossen sind. Die anderen diagnostischen Abteilungen, wie Endoskopie und Röntgenabteilung sind oft über- durchschnittlich gut und großräu- mig eingerichtet. Auffallend ist, daß die diagnostischen Abteilungen fast aller Krankenhäuser für erheb- lich größere Untersuchungsfre- quenzen eingerichtet sind, als sich aus der bestehenden Bettenzahl ableiten läßt. Die Bereitstellung solch großer Kapazitäten resultiert aus der hohen Anzahl ambulanter Patienten, die ein japanisches Krankenhaus pro Tag besuchen, und die oft das Drei- bis Vierfache der Zahl der stationären Patienten ausmachen.

Wird fortgesetzt Anschrift der Verfasser:

Dr. med. Utz P. Merten Youngstown Hospital Ass.

North Unit

Department of Pathology Youngstown, Ohio 44 501 USA

Architekt Ulfert Merten 4032 Lintorf

Duisburger Straße 6

3042 Heft 42 vom 17. Oktober 1974 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

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