Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 48|
30. November 2012 A 2393 EINKOMMEN DER NIEDERGELASSENENWas verdienen Ärzte wirklich?
Zahlen kursieren viele. Doch wie ist die wirtschaftliche Situation in den Praxen?
Bei einer Fachtagung wurde klar: Es fehlen unumstrittene Daten, etwa zu Kosten.
Zudem lähmt der Honorarstreit die Suche nach hilfreichen Berechnungsmodellen.
A
ls der Streit um die Honorare für 2013 noch lange nicht ent- schieden war, schlug der Leiter der Abteilung Ambulante Versorgung beim GKV-Spitzenverband Bund (Spibu), Dr. Manfred Partsch, Fol- gendes vor: Man möge sich doch in Zukunft auf gemeinsame Be - rechnungsmodelle für die Kosten- und Preisentwicklung in Arztpra- xen verständigen. Den Vorschlag wiederholte er Ende November bei einer Fachtagung des Zentralin - stituts für die kassenärztliche Ver- sorgung in Deutschland (ZI) zum Thema Wirtschafts- und Arbeitssi- tuation der Vertragsärzte: „Wir wol- len keine Wiederholung der Ausein - andersetzungen wie dieses Jahr.“Mancher Teilnehmer stimmte Partsch zu. Doch das Vorhaben wird schwierig. Nicht umsonst wies der Statistiker Prof. em. Dr. Peter von der Lippe darauf hin, dass Sta- tistik am Ende eine Sache des Ver- trauens sei – und daran mangelt es zwischen Spibu und Kassenärzt - licher Bundesvereinigung. Deshalb musste sich das ZI vorhalten lassen, mit Hilfe seines Praxispanels ZIPP (Kasten) rechne es die Ärzte arm, während den Krankenkassen vorge- worfen wurde, die Ärzte beispiels- weise durch praxisferne Kosten- strukturannahmen reich zu rechnen.
Einigkeit herrschte am ehesten darüber, dass eine breitere Daten - basis wünschenswert wäre. Zwar ist festgelegt, dass die Entwicklung von Investitions- und Betriebskos- ten in die Weiterentwicklung des Honorars einfließen muss. Doch beide, amtliche Statistik wie ZIPP, können nur auf Datensätze von circa 4 000 Praxen zurück greifen.
Das ZI verlangt immerhin steuer - liche Testate, das Statistische Bun- desamt nur freiwillige Auskünfte.
Gleichwohl unterstellten Kassen-
vertreter, beim ZI-Panel würden sich vor allem diejenigen beteili- gen, die mit Umsatz und Gewinn unzufrieden sind. Auch die angege- benen Wochenarbeitszeiten wurden angezweifelt.
Auf Dauer nutzt Empirie ZI-Geschäftsführer Dr. med. Domi- nik von Stillfried wies diese Kritik zurück, nicht zuletzt, weil sein Insti- tut die anonymisierten Angaben aus den Praxen mit Abrechnungsdaten abgleichen kann. Schwerer zu ent- kräften war der Vorwurf, das ZI rechne die Ärzte arm, indem es ärztliche und Psychologische Psy- chotherapeuten ins Panel einbezie- he, obwohl diese auf andere Praxis- kosten und Wochenarbeitszeiten kämen als andere Facharztgruppen.
„Wir akzeptieren diese Vorgehens- weise nicht“, stellte Partsch klar.
Von Stillfried konterte, dass auch ohne diese Gruppen das Einkommen der niedergelassenen Ärzte im Schnitt nicht den Referenzwert er- reiche, auf den man sich im Jahr 2009 geeinigt habe.
Dr. Ronny Wölbing (Prognos) musste sich ebenfalls Kritik gefallen lassen: Er setze den Anteil an fixen Kosten in Arztpraxen zu hoch an, seinen Analysen fehlten Hinweise auf regionale Unterschiede und Un- terschiede innerhalb von Facharzt- gruppen. Wölbing geht davon aus, dass sich generell in gewissem Um- fang Kosten pro Patient reduzieren lassen, also Effizienzsteigerungen möglich sind. Auch dass die Nieder- gelassenen mehrheitlich am Limit arbeiteten, bezweifelt er: Nur führ- ten die im System eingebauten Men- genbegrenzungen „dazu, dass Ärzte sich sehr genau ausrechnen können, wann es sich lohnt, einen Termin zu verschieben“.
ZI-Geschäftsführer von Stillfried schloss die Tagung mit dem Hin- weis, er sei weiterhin von einer
„empirisch gestützten Verhand- lungskultur“ überzeugt. Und weil man noch an den Grundlagen des Praxispanels arbeitet, ergänzte er:
Nicht jeder Vorwurf müsse dauer- haft auf dem ZI sitzen bleiben.
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Sabine Rieser Der Streit zwischen Kassenärztlicher Bundesver-
einigung (KBV) und GKV-Spitzenverband Bund (Spibu) darüber, wie viel niedergelassene Ärzte und Psychologische Psychotherapeuten in den letzten Jahren verdient haben, ist nicht ausge- fochten. Argumentiert wird unter anderem mit Daten des Praxispanels des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung und denen des Prognos-Gutachtens, das vor allem auf Angaben des Statistischen Bundesamts beruht.
Während KBV-Vorstand Dr. med. Andreas Köh- ler im Frühjahr als Ausgleich für gestiegene Be- triebskosten und für Investitionen in Praxen 1,7 Milliarden Euro mehr für 2013 forderte, verlangte
Spibu-Verhandler Johann-Magnus von Stackelberg Einsparungen von circa zwei Milliarden Euro.
Nach dem Praxispanel erzielten Praxen 2008 einen Überschuss von 92 000 Euro statt des von KBV wie Spibu als angemessen festgelegten Überschusses von 105 000 Euro pro Jahr aus der Behandlung gesetzlich Krankenversicherter.
Die Praxiskosten seien erheblich gestiegen, zwei Milliarden Euro für Investitionen fehlten. Prognos rechnet anders: Der Überschuss habe im Jahr 2011 bei durchschnittlich 134 000 Euro gelegen, und zwar ohne Einnahmen aus Privatbehandlung.
Zwar seien die Kosten gestiegen, die Einnahmen aber weit mehr.