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Archiv "Thema der Konzertierten Aktion: Entwicklung der Zahl der niedergelassenen Ärzte" (19.10.1978)

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Zentrales Thema der Herbstsit- zung der Konzertierten Aktion war die Entwicklung der Zahl der nie- dergelassenen Ärzte, insbesonde- re der Kassenärzte in der Bundes- republik Deutschland.

Die Zahl der Kassenärzte ist in den letzten Jahren durchschnittlich um jeweils 3 v. H. gestiegen. Noch in der Zeit von 1965 bis 1970 be- trug der Nettozuwachs an neu sich niederlassenden Kassenärzten jährlich lediglich 0,3 v. H. Trotz des erheblichen Zuwachses der in der ambulanten kassenärztlichen Ver- sorgung tätigen Ärzte — derzeit sind es rund 56 000 — konnten bestehende Versorgungslücken nicht restlos geschlossen werden.

Allerdings resultieren die noch festzustellenden Versorgungspro- bleme weniger aus einer unzurei- chenden Gesamtzahl an Ärzten als vielmehr aus einer unzureichen- den Arztverteilung zwischen Stadt- und Landgebieten und ei- nem zunehmenden Ungleichge- wicht hinsichtlich der Verteilung der Ärzte nach den verschiedenen Arztgruppen.

In den letzten zehn Jahren hat die Zahl der Praktiker um 5,4 v. H. ab- genommen, während die Zahl der Fachärzte im gleichen Zeitraum um 48 v. H. zunahm. Um diesen Trend zu brechen, bedarf es der Anstrengung aller im Gesund- heitswesen Tätigen. Ziel muß es dabei sein, eine stärkere Hinwen- dung der jungen Mediziner zur All- gemeinmedizin zu erreichen. Dazu muß allseits der Wert der Allge-

meinmedizin für eine ausgewoge- ne, medizinisch sachgerechte und letztlich damit optimale ambulante ärztliche Versorgung anerkannt und deren Bedeutung auch für die ökonomische Balance im Gesund- heitswesen unterstrichen werden.

Die Konzertierte Aktion stellte das Thema in den größeren Zusam- menhang der Entwicklung der Ge- samtzahl der Ärzte.

Angebot

An bekannten Prognosen aus der jüngeren Vergangenheit, die sich

mit dem Angebot an berufstätigen Ärzten beschäftigen, soll zuerst die McKinsey-Studie aus dem Jah- re 1974 genannt werden, die im Auftrag der Bundesregierung er- stellt wurde. Zum damaligen Zeit- punkt wurden noch wesentlich ge- ringere Zahlen an Studienanfän- gern in der Medizin erwartet und entsprechend der Prognose zu- grundegelegt. Diese Zahlen sind heute schon bei weitem übertrof- fen worden. Das für notwendig ge- haltene Angebot an berufstätigen Ärzten im Jahre 2000 wurde in der McKinsey-Studie entsprechend dem ermittelten Bedarf mit 164 300 angegeben.

Zwischenzeitlich sind die Studien- anfängerzahlen in der Medizin sprunghaft gestiegen. Sie haben sich in den letzten sieben Jahren verdoppelt und betragen nunmehr über 11 000 deutsche Studienan- fänger pro Jahr. Hinzu kommt eine große Zahl von „Seiteneinstei-

gern", da die Studentenzahlen im 2. und 3. Studienjahr deutlich über der Zahl des entsprechenden Stu- dentenjahrganges im 1. Studien- jahr liegen.

Für die nächsten Jahre wird mit einem weiteren Anstieg der Stu- dienanfängerzahl in der Medizin gerechnet. Nach Aussage des Ver- treters des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft, Mi- nisterialdirektor Böning, vor der Konzertierten Aktion kann mit ei- nem Absinken der Zahl der Stu- dienanfänger in der Medizin in den nächsten Jahren nicht gerechnet werden.

Vergleicht man diese hohe Zahl der Studienanfänger in der Medi- zin mit den Anfängerquoten ande- rer Länder, so kann man unschwer eine Spitzenposition der Bundes- republik Deutschland feststellen.

In England, mit annähernd glei- cher Bevölkerungszahl wie in der Bundesrepublik Deutschland, nehmen jährlich rund 5000 Stu- denten das Medizinstudium auf, in den USA sind es rund 16 000 Me- dizinstudenten bei 200 Millionen Einwohnern.

In Erkenntnis dieser überschie- ßenden Entwicklung machte der Geschäftsführer des Zentralinsti- tuts für die kassenärztliche Ver- sorgung in der Bundesrepublik Deutschland, Wilhelm Schwartz, im Herbst 1977 in einer Prognose zum ersten Mal deutlich, daß das Angebot an berufstätigen Ärzten in Kürze den tatsächlichen Bedarf deutlich übersteigen wird. Diese Aussage wurde durch die im Fe- bruar 1978 folgende Prognose von F. Beske und H. Rüschmann un- termauert. Zu etwa gleichen Er- gebnissen kommt die jüngste Pro- gnose des Wissenschaftlichen In- stitutes der Ortskrankenkassen (WIdO) vom August 1978. Danach kann erwartet werden, daß bis zum Jahre 2000 die Zahl der berufstäti- gen Ärzte um fast 140 000 auf dann insgesamt 257 000 zuneh- men wird. Dies entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 3 v. H.

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Thema der Konzertierten Aktion:

Entwicklung der Zahl der niedergelassenen Ärzte

Angebot und Bedarf —

Qualität der Ausbildung und der ärztlichen Versorgung

J. F. Volrad Deneke und Eckart Fiedler

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 42 vom 19. Oktober 1978 2395

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Konzertierte Aktion

Die Zahl der berufstätigen Ärzte wird sich also bis zum Jahre 2000 mehr als verdoppelt haben. Unter Berücksichtigung eines leichten Bevölkerungsrückganges wird demnach die Einwohner/Arzt-Re- lation im Jahre 2000 217 pro Arzt gegenüber derzeit 474 Einwohner je Arzt betragen.

Die Aussicht auf ein solch hohes Ärzteangebot wirft Fragen nach dem Bedarf in den einzelnen Be- reichen ärztlicher Berufsaus- übung und nach der angemesse- nen Verteilung der Ärzte auf diese Tätigkeitsfelder auf.

Bedarf

Bei der Diskussion des zu erwar- tenden Bedarfs an berufstätigen Ärzten taten sich viele Teilnehmer der Konzertierten Aktion äußerst schwer. So wurden die Prognosen der vorgelegten Untersuchungen mehrfach bezweifelt; vielleicht nicht ganz zu Unrecht, da insbe- sondere der Bedarf an Kranken- hausärzten noch nicht hinrei- chend analysiert ist. Hier spielen Fragen der zukünftigen Struktur und damit Planung wie aber auch der Tarifpolitik eine große Rolle.

Bedarfsprognosen sind zudem grundsätzlich schwierig, da sie Antwort nicht nur auf die Fragen nach einer angemessenen quanti- tativen und qualitativen Versor- gung der Gegenwart, sondern auch der Zukunft geben sollten.

Dazu ist der voraussichtlich zu- sätzlich entstehende Bedarf zu kalkulieren.

Im übrigen ist es problematisch, Bedarfsprognosen zur Richt- schnur für Berufsausübungskapa- zitäten und insbesondere für Aus- bildungskapazitäten zu machen, weil dies mit dem Grundsatz des Bürgerrechts auf Bildung und freie Wahl der Berufsausübung in Kon'kurrenz tritt. Dennoch wird man erkennen und zugeben müs- sen, daß die Verwirklichung dieses Grundrechtes nicht losgelöst von

den Berufschancen gesehen wer- den darf. Aus diesem Grund hat sich die Bundesregierung wieder- holt dazu bekannt — dies gilt auch für die jüngere Vergangenheit —, daß Bildungsplanung trotz der vielfältigen gegen die Zuverlässig- keit von längerfristigen Bedarfs- prognosen vorzubringenden Argu- mente auf Bedarfsvorausschät- zung nicht verzichten kann.

Wie Kostenfragen im Gesund- heitswesen nicht mehr tabu sind, so dürfen Kostenfragen auch im Bildungswesen nicht tabu sein.

Entsprechend sollte mit Hilfe der McKinsey-Studie die Informa- tionsgrundlage für Entscheidun- gen über den längerfristigen Aus- bau der Hochschulkapazitäten im Studienfach Medizin verbessert werden, um eine verstärkte Aus- richtung der Planung am Bedarf zu ermöglichen und damit die nur begrenzt verfügbaren finanziellen Mittel über einen längeren Zeit- raum möglichst effizient einsetzen zu können.

Die McKinsey-Studie kommt zu dem Ergebnis, daß bis zum Jahre 2000 ein Anstieg der Nachfrage nach ärztlichen Leistungen um 50 bis 60 v. H. zu erwarten sei, zu deren Befriedigung dann maximal 175 000 berufstätige Ärzte not- wendig seien; eine Zahl, die mit jährlich 7500 Studienanfängern in der Medizin zu erreichen ist.

Letztere Zahl offenbart angesichts der zwischenzeitlich erreichten und tolerierten Studienanfänger- zahlen in der Medizin die ganze Misere unserer Bildungsplanung der letzten Jahre. Wider bessere Erkenntnisse und mitunter fest- zustellende Einsichten werden Fehlentwicklungen tatenlos, ja schweigend hingenommen, die letztlich die gesamten Strukturen unseres heutigen Gesundheitswe- sens gefährden können.

Die von McKinsey ermittelte, be- darfsgerechte Studienanfänger- zahl kann auch nach den jüngsten Prognosen als noch richtungswei- send, weil zutreffend, angesehen

werden. Für die einzelnen Berei- che ärztlicher Berufsausübung wird folgender Bedarf in den nächsten Jahrzehnten geschätzt:

Krankenhaus

Während die ZI-Prognose noch von einer leichten Rückläufigkeit der Zahl der hauptamtlichen Kran- kenhausärzte ausgeht, sagt das WId0 nur eine leichte Zunahme — von 56 000 Arztstellen im Jahre 1975 auf 62 000 Arztstellen im Jah- re 2000 — voraus. Selbst unter der Annahme weiterer Arbeitszeitver- kürzungen erscheinen diese Pro- gnosen nicht unrealistisch, da zu- künftig die Auswirkung einer nicht unerheblichen Reduzierung der Bettenkapazität zu berücksichti- gen ist. Immerhin wird von einem Abbau von ca. 50 000 Kranken-

hausbetten gesprochen. Auch zur Erreichung einer weiter notwendi- gen Kostendämpfung im Kranken- haussektor kann nur von einem sehr begrenzten Wachstum der Zahl der Arztstellen im Kranken- haus ausgegangen werden. Aller- dings bedarf dieser Sektor, wie schon angedeutet, einer vertieften Bedarfsanalyse, die seitens der Deutschen Krankenhausgesell- schaft angekündigt worden ist.

Forschung, Verwaltung und sonstige abhängige Tätigkeit Im Bereich „Forschung, Verwal- tung und sonstige abhängige Tä- tigkeit" sind derzeit 10 300 Ärzte beschäftigt. In diesem Bereich ist ohne Zweifel der stärkste prozen- tuale Bedarf nachweisbar. Nach Schätzungen des WIdO können im öffentlichen Gesundheitsdienst, in der Sozialversicherung und als Gewerbeärzte, bei der Bundes- wehr, beim Bundesgrenzschutz, bei der Polizei, in wissenschaftli- chen Instituten und in der For- schung sowie in der werksärztli- chen Versorgung insgesamt zu- sätzlich 11 900 Ärzte Anstellung finden. Diese beachtliche Steige- rungsschätzung darf selbstver- ständlich nicht darüber täuschen,

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Die „Regierungsbank", den Vertretern der am Gesundheitswesen Beteiligten konfrontiert: rechts neben Bundesarbeitsmini- ster Dr. Herbert Ehrenberg die Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit, Antje Huber; daneben Staatssekretär Hermann Buschfort (BMAuS) und Ministerialdirektor Dr. Eberhard Böning (Wissenschaftsministerium); links neben Ehrenberg:

Staatssekretärin Anke Fuchs, Ministerialdirektor Albert Holler, Ministerialdirigent Gerd Fischwasser (alle BMAuS)

daß die Absolutzahl an Ärzten, die in der Forschung, Verwaltung und sonstiger abhängiger Tätigkeit zu- sätzliche Arbeitsplätze bis zum Jahre 2000 finden können, bezo- gen auf den erwarteten Gesamtzu- wachs an berufstätigen Ärzten sfast nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein darstellt.

Dennoch sollten nach überein- stimmender Auffassung der Betei- ligten der Konzertierten Aktion so- wohl die Medizinstudenten wie aber auch die jungen Ärzte über die Berufsaussichten und -mög- lichkeiten in diesem Bereich ein- gehender informiert und damit für eine entsprechende Berufsaus- übung interessiert werden.

Freie Praxis

„Um das allgemeine Versorgungs- niveau und den allgemeinen Ver- sorgungsstil, woran wir uns histo- risch gewöhnt haben, aufrechtzu- erhalten, ggf. einzelne Versor-

gungsengpässe oder -lücken auf- zufüllen oder neue als erfolgver- sprechend eingeschätzte Vorsor- ge- und Versorgungsmaßnahmen einzuführen", beziffert das WId0 den zusätzlichen Bedarf an Ärzten in freier kassenärztlicher Praxis auf 10 000 bis 20 000 Ärzte. Im Jahre 2000 würden also rund 65 000 bis 75 000 Kassenärzte ge- nügen, um den Bedarf an ärztli- chen Leistungen zu decken.

Eingehender diskutiert das Zentral- institut in seiner jüngsten Studie

„Der Bedarf an Ärzten in der kas- senärztlichen Versorgung 1978 bis 1990" die Bedarfsfrage für die freie Praxis. Unter Berücksichtigung der jetzigen Altersgliederung der Kas- senärzte, einer früheren Aufgabe der Praxistätigkeit im Alter, der Be- seitigung von bestehenden regio- nalen Verteilungsdisparitäten so- wie einer Ausweitung der Früher- kennungsmaßnahmen rechnet das Zentralinstitut einen Ersatzbedarf und qualitativen Zusatzbedarf von 28 000 bis 34 000 Ärzten. Bei dieser

Berechnung vernachlässigt das Zentralinstitut nach eigener Aussa- ge sowohl den höheren Aktivitäts- koeffizienten nachrückender jun- ger Ärzte als auch die teilweise bereits bestehenden Überversor- gungsphänomene.

Zusammenfassend kann also fest- gestellt werden, daß bei aller ge- botenen Vorsicht gegenüber den Prognosezahlen das Angebot an Ärzten den ermittelten Bedarf weit übersteigen wird.

Im Jahre 2000 steht nach dem der- zeitigen Erkenntnisstand der ver- schiedenen wissenschaftlichen In- stitute einem Bedarf von ca.

140 000 Ärzten ein Angebot von rund 260 000 Ärzten gegenüber.

Selbst, wenn diese Schätzungen bei erneuter Überprüfung des Be- darfs korrigiert werden sollten, wurde seitens der Teilnehmer der Konzertierten Aktion schon jetzt ein deutliches Überangebot an Ärzten in den nächsten beiden Jahrzehnten angenommen.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 42 vom 19. Oktober 1978 2397

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Konzertierte Aktion

Je weniger Stellen im Kranken- hausbereich wie aber auch in der Forschung oder in der öffentli- chen Verwaltung zusätzlich ange- boten werden, desto größer wird der Angebotsdruck auf die freie Praxis. Angesichts fehlender Steuerungsinstrumente werden die über den Bedarf hinaus ausge- bildeten Ärzte von der Niederlas- sungsfreiheit und angesichts der ab 1980 entfallenden Vorberei- tungszeit auch unmittelbar von der Zulassungsmöglichkeit zur Kassenpraxis Gebrauch machen.

Diese Ärzte werden wegen fehlen- der Stellen dann keine Chance zur Weiterbildung im Krankenhaus gehabt haben. Mängel der Ausbil- dung werden dann also auch nicht mehr durch Weiterbildung im Krankenhaus kompensiert werden können. Von der bisherigen Regel, nämlich einer Beschäftigung zu- nächst im Krankenhaus, um die für die selbständige, verantwortliche ärztliche Tätigkeit notwendigen praktischen Erfahrungen und Er- kenntnisse zu erwerben, kann zu- künftig nicht mehr ausgegangen werden. Damit wird die Notwen- digkeit einer qualifizierten, stärker praxisorientierten Ausbildung überdeutlich.

Die Qualität der ambulanten kas- senärztlichen Versorgung wird entscheidend von der Qualität der medizinischen Ausbildung abhän- gen. Alle Bemühungen der Kas- senärztlichen Vereinigungen zur Beibehaltung und weiteren Anhe- bung der Qualität der ambulanten kassenärztlichen Versorgung sind zum Scheitern verurteilt, wenn es nicht gelingt, die Ausbildung zum Arzt so zu gestalten, daß mit Ertei- lung der Approbation zutreffen- derweise die Möglichkeit des ei- genverantwortlichen ärztlichen Handelns bescheinigt werden kann.

Unabhängig von der Prämisse, die wegen der jetzt schon fehlenden klinischen Ausbildungskapazität sinnvollerweise zu einer Reduzie- rung der Zahl der Studierenden in der Medizin führen müßte, muß nach den vorliegenden Prognosen

mit der Verdreifachung der Zahl der in freier Praxis tätigen Ärzte bis zum Jahre 2000 gerechnet werden.

Die Forderung, die Zahl der Stu- dienplätze in der Medizin stärker als bisher am tatsächlichen Bedarf auszurichten, wurde in der Kon- zertierten Aktion bewußt nicht er- hoben, obwohl in der Resolution 77/30 vom 28. 9. 1977 das Mini- sterkomitee des Europarates in ei- ner Empfehlung von den Regie- rungen der Mitgliedsstaaten „eine Planung fordert, die die Zahl der Medizinstudenten zu der Zahl der von der Gesellschaft benötigten Ärzte in Beziehung setzt". Aller- dings darf das in der Verfassung garantierte Recht der freien Be- rufswahl nicht dahin mißverstan- den werden, daß grundsätzlich je- dem Bewerber der Zugang zum Medizinstudium zu ermöglichen ist.

Die Kapazität der Ausbildungsplät- ze muß

an den vorhandenen Möglich- keiten für eine umfassende, ord- nungsgemäße und damit auch praxisbezogene Ausbildung,

fp

an den Chancen der Berufs- ausübung selbst bei großzügiger Bedarfsplanung und

(;) an den sinnvollerweise der Ge- sellschaft der Steuerzahler zumut- baren finanziellen Belastungen ausgerichtet werden.

Die Konzertierte Aktion be- schränkte sich auf die Aussage, daß die Studienbewerber in ver- stärktem Maße über die derzeit ab- schätzbare Entwicklung des Be- darfs und des Angebots an Ärzten und über ihre Berufschancen in- formiert werden sollten. Sie nahm jedoch auch mit Befriedigung die Mitteilung des Vertreters des Bun- desministers für Bildung und Wis- senschaft entgegen, wonach die Zahl der Ausbildungsplätze in der Medizin nicht noch weiter erhöht werden soll.

Qualität

der Medizinerausbildung Auf den engen Zusammenhang zwischen der starken Zunahme der Zahl der Medizinstudenten und der schwindenden Qualität der Ausbildung wies der Präsident der Bundesärztekammer, Karsten Vilmar, sowohl einleitend als auch im Verlauf der Diskussion in der Konzertierten Aktion hin. Mit den gegenwärtigen Aufnahmezahlen in der Medizin ist die Grenze der klinischen Ausbildungskapazität in der Bundesrepublik erreicht, wenn nicht schon überschritten.

Das Verhältnis der in den Universi- tätskliniken vorhandenen planmä- ßigen Betten je Studienanfänger von 8,56 im Jahre 1967 ist auf 4,55 im Jahre 1977 abgerutscht; je Stu- dent standen im Jahre 1976 nur noch 0,91 planmäßige Betten zur Verfügung.

Deshalb muß sichergestellt wer- den, daß die klinische Ausbil- dungskapazität bei Festsetzung der Höchstzahl im Zulassungsver- fahren stärker als bisher berück- sichtigt wird. Eine Erhöhung der Bettenzahl in den Universitätskli- niken kommt wegen der Gefahr des Bettenüberangebotes nicht in Betracht. Damit liegt der kapazi- tätsbegrenzende Faktor, wie Vil- mar unterstrich, bei der „Patien- tenbeanspruchung", die derzeit als schon zu hoch angesehen wer- den muß.

Den Vorschriften der Approba- tionsordnung für Ärzte vom 28. 10.

1970, wonach eine Unterrichtung in kleinen Gruppen und bei den praktischen Übungen in den kli- nisch-praktischen Stoffgebieten eine Unterweisung am Patienten für erforderlich gehalten wird, kann wegen der hohen Zahl von Medizinstudenten nur ungenü- gend nachgekommen werden.

Noch kritischer steht es um die Ausbildung im sogenannten Prak- tischen Jahr.

In Kürze wird nach den Berech- nungen des Medizinischen Fakul- tätentages ein Fehlbedarf von 3000 bis 4000 praktischen Ausbil- dungsplätzen vorliegen. Die Ein-

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I n der Lobby zur „Konzertier- ten Aktion im Gesundheitswe- sen" war noch am frühen Nach- mittag des 10. Oktober zu hö- ren, das Bundesarbeitsministe- rium habe einen Konsens aller Beteiligten zum Thema „Bet- tenüberhang im Krankenhaus- bereich" formuliert. In der abendlichen Pressekonferenz betonten der Minister und seine Staatssekretärin, dergleichen sei zu diesem Tagesordnungs- punkt von vornherein nicht er- strebt worden.

Was war geschehen?

Im vorbereitenden Ausschuß zur Herbstsitzung der Konzer- tierten Aktion im Gesundheits- wesen bestand Einigkeit dar- über, daß zur Entwicklung der Zahl der niedergelassenen Ärz- te nach intensiven Vorgesprä- chen, insbesondere der Ärzte und Krankenkassen, aber auch fast aller anderen Beteiligten ein formuliertes Ergebnis er- strebt werden sollte. Es bestand ebenfalls Übereinstimmung darüber, daß weder zur Ent- wicklung der Zahl der niederge- lassenen Zahnärzte wie der Apotheken noch zum Thema

„Bettenüberhang im Kranken- hausbereich" formulierte Er- gebnisse erstrebt werden sollten.

Nicht zuletzt diese Absprache führte zu einer freimütigen und damit außerordentlich frucht- baren Aussprache über Kran- kenhausfinanzierungsproble- me unter allen Beteiligten. Um so überraschter war ein Teil der Beteiligten, als der Bundesar- beitsminister eine offenbar von ihm vorbereitete und, wie er im Verlaufe der Diskussion zuge- ben mußte, nur mit einem Teil der Beteiligten zuvor abgespro-

Sensibles Instrument

chene „Zusammenfassung" als Verhandlungsergebnis verlas, in der sogar Konsens über nichtdiskutierte Themen fest- gestellt werden sollte.

Das stieß sofort auf Wider- spruch durch den rheinland- pfälzischen Minister Gölter (CDU). Trotz weitgehender in- haltlicher Übereinstimmung mit dem vom Ministerium vorberei- teten Text mußten sich auch die Vertreter der Ärzteschaft un- mißverständlich gegen dieses Verfahren wehren, weil das In- strument „Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen" seinen gesetzlichen Auftrag nur erfül- len kann, wenn alle Minderhei- tenrechte gewahrt bleiben, nie- mand versucht — auch nicht wohlmeinend —, Minderheiten zu „überfahren", und alle Fair play mit offenen Karten in Vor- bereitung und Durchführung der Sitzungen spielen.

Was ist die Moral

von der Geschicht'?

Die Konzertierte Aktion im Ge- sundheitswesen hat in ihrer Frühjahrstagung nur insoweit funktioniert, als die Betroffenen und Hauptbeteiligten, also die gemeinsame Selbstverwaltung, vorher zum Konsens gekom- men waren. Wo dies, wie in der zahnärztlichen Honorarfrage, nicht geschah, hat auch die Konzertierte Aktion keinen Er- folg gebracht, sondern zusätzli- che Probleme geschaffen. Wo auf breitester Basis entspre- chende Vorbereitung für die

Herbstsitzung getroffen war, kam die Konzertierte Aktion zu einem übereinstimmenden Er- gebnis. Gerade weil in diesem Gremium nicht durch Abstim- mung über Minderheitsinteres- sen hinweggegangen werden kann, kommt es nur zum wohl- gelungenen Konzert, wenn sich auch der Dirigent an die vorher verteilten Partituren hält.

Nach dem Willen des Gesetzge- bers ist die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen kein In- strument des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, sondern ein Instrument aller Beteiligten. Es hat sich als au- ßerordentlich sensibles Instru- ment erwiesen, das bei eigen- williger oder gar eigenmächti- ger Interpretation der vom Ge- setzgeber verteilten Partituren in Dissonanzen reagiert.

Die im Widerspruch zum beab- sichtigten Verfahren klaren und begrüßenswerten Ausführun- gen des Bundesarbeitsmini- sters in der abendlichen Pres- sekonferenz belegen, daß auch der Minister dies erkannt hat. Er hat die ihm vom Präsidenten der Bundesärztekammer, Dr.

Karsten Vilmar, gebaute Brücke neuerlicher Beratung des Ta- gesordnungspunktes „Betten- überhang im Krankenhausbe- reich" in der Frühjahrssitzung 1979 nach sorgfältiger Vorklä- rung im vorbereitenden Aus- schuß und nach sorgfältiger Abstimmung mit den Länderge- sundheitsministern beschritten.

Der Gedanke des alle Minder- heitenrechte achtenden, auch im Verfahren behutsamen, wohlvorbereiteten Fair play im Zusammenwirken der Konzer- tierten Aktion im Gesundheits- wesen ist damit gestärkt wor- den. FM

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 42 vom 19. Oktober 1978 2399

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Konzertierte Aktion

beziehung weiterer Lehrkranken- häuser bedingt eine Erhöhung der Assistentenstellen um 30 v. H. in diesen Kliniken. Wegen der Ko- stenprobleme wurde aber gerade der Personaletat der Kliniken in letzter Zeit gekürzt. Die zugelasse- nen Lehrkrankenhäuser erfüllen nach Ansicht vieler Hochschulleh- rer vielfach nicht die Anforderun- gen der Approbationsordnung, woraus letztlich wiederum ein Qualitätsverlust der Ausbildung resultieren würde.

Die Konzertierte Aktion hat diese Fakten anerkannt: „Die Qualität der praktischen Ausbildung von Medizinstudenten ist zu verbes- sern. Daher sollte geprüft werden, inwieweit weitere Lehrkranken- häuser in die Ausbildung einbezo- gen werden können. Die Zahl der Studienplätze sollte eine Größen- ordnung nicht überschreiten, die den Kapazitäten für eine praxisbe- zogene Ausbildung entspricht."

Auswahlverfahren

Außer den Ausbildungsproble- men, die aus der großen Zahl von Medizinstudenten resultieren, müssen Mängel im Auswahlver- fahren zum Medizinstudium ge- nannt werden. Das derzeitige Aus- wahlverfahren stellt zu über 50 v. H. eine Auslese unter den Stu- dienbewerbern nach dem Abitur- notendurchschnitt dar. Bisweilen muß eine Durchschnittsnote von 1,5 und weniger erreicht werden, 'um zum Medizinstudium zugelas- sen zu werden. Völlig unbeachtet bleibt bei diesem Auswahlverfah- ren die Frage nach der persönli- chen Eignung, ja Neigung zum ärztlichen Beruf. Vielmehr kann festgestellt werden, daß die hohen Anforderungen für die Zulassung zum Medizinstudium die Abituri- enten, die sie erfüllen, aus Presti- gegründen nahezu verpflichten, Medizin als Fach zu wählen.

Es wird daher zu Recht gefordert, die „ärztliche Berufsfähigkeit"

nicht als formales Endresultat ei- nes ordnungsgemäß absolvierten

Studiums zu bescheinigen, son- dern es muß schon vor Beginn des wissenschaftlich vertieften Stu- diums ermittelt werden, ob eine problembewußte Eignung zur ärztlichen Berufsausübung ange- nommen werden kann. Der zu- künftige Medizinstudent soll also bereits vor Beginn des Studiums geprüft werden, ob er willens und fähig zur persönlichen, pflegeri- schen und menschlichen Hilfelei- stung ist.

In diesem Sinne wurde in der Kon- zertierten Aktion auch darüber diskutiert, dem eigentlichen Stu- dium ein halbes Jahr qualifiziertes Pflegepraktikum oder ein Propä- deutisches Jahr vorzuschalten.

Beide zusammen böten eine echte Möglichkeit der Auslese, wirklich Geeignete zum Medizinstudium zuzulassen.

Allerdings bergen auch diese Vor- schläge erhebliche Rechtsproble- me in sich, auf die der Vertreter des Bundesministeriums für Bil- dung und Wissenschaft hinwies.

Er sagte zu, daß alle Möglichkeiten für ein verbessertes Auswahlver- fahren sorgsam geprüft werden.

Die Konzertierte Aktion sprach sich einhellig für die Entwicklung von Auswahlmaßstäben für den Zugang zum Medizinstudium aus, die der ärztlichen Tätigkeit besser gerecht werden.

Die in ihrer Anlage gute, aber nur für 4000 bis 6000 Studienanfänger ausgelegte Approbationsordnung für Ärzte droht das Gegenteil ihrer ursprünglichen Zielsetzung zu be- wirken.

Anstatt zu größerer Praxisbezo- genheit führt sie zur Theorielastig- keit und zur Überbewertung rein kognitiver Fähigkeiten. Dabei sei ein Mehr an Bürokratie und gigan- tischer Prüfungsmaschinerie bei schwindender Transparenz und wachsender Anonymisierung ent- standen. Schwergewichtig sind folgende Kritikpunkte zu nennen:

Das Fehlen einer Definition des Ausbildungszieles in der Approba-

tionsordnung für Ärzte wird als ei- ne der UrsacherLfür ein unzurei- chendes und zu wenig praxis- orientiertes Lehrangebot durch die Hochschulen bezeichnet. In der Tat muß das Fehlen einer explizi- ten Zielvorstellung von den Aufga- ben des Arztes als Mangel emp- funden werden. Die Ausbildung der künftigen Ärzte darf nicht mehr nur durch einen stets länger werdenden „Fächerkanon", son- dern sollte durch ein generelles ärztliches Leitbild mit vorgezeich- neten Fähigkeiten — wozu auch das Erkennen der eigenen Lei- stungsfähigkeit und ihrer Grenzen gehört — beschrieben werden.

Ziel der Ausbildung muß ein Arzt sein, der die ärztliche Kunst sach- gerecht, eigenverantwortlich und unabhängig ausüben kann.

Um dies sicherzustellen, muß nicht nur der Unterricht am Pa- tienten intensiviert werden, son- dern auch die allgemeinmedizini- schen Kenntnisse und Fähigkeiten müssen stärker betont und gelehrt werden. Zur Wertigkeit der Allge- meinmedizin in der ärztlichen Ver- sorgung und der entsprechenden inhaltlichen Ausgestaltung des medizinischen Studienganges soll auf die Resolution 77/30 des Euro- parat-Ministerkomitees zum „Al- gemeinpraktiker, seine Ausbil- dung und Ausbildungswege zur Weckung seines Sendungsbe- wußtseins" verwiesen werden.

Mit der Einführung der Approba- tionsordnung für Ärzte im Jahre 1970 wurde ein Prüfungsverfahren obligatorisch, das der praktischen Medizin fremd ist. Anhand zentral gesteuerter Leistungstests werden lediglich Fakten abgefragt; auf den eigentlichen Nachweis der Berufseignung wird verzichtet.

Eine entsprechende Änderung des Prüfungsverfahrens ist schon des- halb zu fordern, weil der derzeitige Modus wiederum nur diejenigen bevorzugt, die in kurzer Zeit viele Fakten auswendig lernen können, wodurch das fragwürdige Aus- wahlverfahren zur Zulassung zum

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Neben den Repräsentanten der Krankenversicherung sind in der Sitzordnung der „Konzertierten Aktion im Gesundheitswe- sen" die acht Repräsentanten von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung plaziert. Bild oben (v. I.):

Dr. Hans Wolf Muschallik (KBV), Dr. Eckart Fiedler (KBV), Dr.

Karsten Vilmar (BÄK); zwischen den beiden Letztgenannten in der zweiten Reihe: Dr. Kaspar Roos (BÄK); rechts (v. I.): Prof. J.

F. Volrad Deneke (BÄK), Dr. Jörg-Dietrich Hoppe (BÄK); links unten (v. r.): Dr. Horst Bourmer (BÄK), neben ihm (v. r.): Dr.

Goetz Alberti (Arbeitsgemeinschaft der Berufsvertretungen deutscher Apotheker) und Dr. Christoph Uleer (Verband der privaten Krankenversicherung); rechts unten (v. r.): Dr. Jürgen W. Bösche (KBV), links daneben: Dr. Kurt Friede (Bundesver- band der Betriebskrankenkassen) Fotos (9): Darchinger

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 42 vom 19. Oktober 1978 2401

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Konzertierte Aktion

Medizinstudium in seiner Einsei- tigkeit potenziert wird. Weiter wird durch das jetzige Prüfungssystem nicht nur das Praktische Jahr da- durch de facto auf die Hälfte redu- ziert, weil mindestens sechs Mo- nate vor dem letzten Prüfungster- min (III. Abschnitt der Ärztlichen Prüfung) das Büffeln nach Frage- katalogen beginnt, sondern auch die Teilnahme an den großen Vor- lesungen von den Studenten viel- fach als überflüssig angesehen wird. Die im Februar dieses Jahres verkündete Zweite Verordnung zur Änderung der Approbationsord- nung für Ärzte bringt zu letzterem Punkt insoweit Abhilfe, als der Be- such systematischen Unterrichts neuerdings zur Pflicht gemacht werden kann.

Kernpunkt der Kritik an der heuti- gen Medizinerausbildung ist die mangelhafte Vermittlung prakti- scher Kenntnisse und Fähigkeiten.

Dies gilt primär für die klinische Ausbildung, die deshalb auch als Steuerungsfaktor für die Zulas- sung zum Studium der Humanme- dizin angesehen werden sollte.

Dem Vorwurf eines fehlenden Pra- xisbezugs in der Ausbildung muß auch deshalb mit allem Ernst nachgegangen werden, weil die früher vorgesehene Phase der Be- rufsvorbereitung im Anschluß an die Hochschulausbildung (Medizi- nalassistentenzeit) fortgefallen ist.

Deshalb muß im Studium unmittel- bar in wesentlich stärkerem Maße als bisher den Studenten der Um- gang mit Patienten ermöglicht werden, um ihnen so die notwen- digen praktischen Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln.

Die Arbeitsgemeinschaft Wissen- schaftlicher Medizinischer Fach- gesellschaften hat auch ihrerseits nochmals die praktische Ausbil- dung des ärztlichen Nachwuchses kritisiert. Sie weist nachdrücklich darauf hin, daß das Praktische Jahr während des Studiums kein Ersatz für die fortgefallene Medizi- nalassistentenzeit sein kann, und schlägt vor, die Erlaubnis zu selb- ständiger ärztlicher Tätigkeit erst nach einer zweijährigen ärztlichen

Schulung in Kliniken und Kran- kenhäusern zu erteilen.

In diese Richtung zielen weitere Vorschläge, die allerdings im Zu- sammenhang mit der als notwen- dig anzusehenden Novellierung der Approbationsordnung für Ärz- te diskutiert werden müssen.

Zusammenfassend kann festge- stellt werden, daß eine Novellie- rung der Approbationsordnung für Ärzte aus vielerlei Gründen emp- fohlen werden muß. Dabei ist das Schwergewicht auf die praktische, Ausbildung der Studenten, vor al- lem auch in der Allgemeinmedizin, zu legen. Außerdem ist zu prüfen, inwieweit Kriterien entwickelt wer- den können, die für die Ermittlung der klinischen Ausbildungskapazi- tät eine angemessene Relation von Ausbildungsbetten zu Studen- tenzahlen festlegen.

Die Probleme der Novellierung der Approbationsordnung für Ärzte konnten nicht sämtlich in der Sit- zung der Konzertierten Aktion vor- getragen werden. Ihre Diskussion gehört auch nicht in dieses Gre- mium. Mit aus diesem Grunde wurde dankenswerterweise durch den Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit, Frau Hu- ber, die Einberufung einer Sach- verständigenkommission ange- kündigt, der neben Vertretern der beteiligten Bundesministerien Sachverständige aus der Gesund- heitsministerkonferenz, der Kul- tusministerkonferenz, dem West- deutschen Medizinischen Fakul- tätentag, der Ärzteschaft und der Studentenschaft angehören sol- len.

Einigkeit bestand unter den Teil- nehmern der Konzertierten Aktion über eine notwendige praxisbezo- genere Medizinerausbildung, eine Auffassung, die sich in folgender Feststellung dokumentiert:

„Die Ausbildung muß verstärkt auf das Ziel ausgerichtet werden, Ärz- te zu einer eigenverantwortlichen Tätigkeit zu befähigen. Die dafür notwendigen Kenntnisse und Er-

fahrungen müssen den Medizin- studenten im Rahmen ihrer Aus- bildung vermittelt werden. Die Be- mühungen aller Beteiligten um ei- ne entsprechende Durchführung der Approbationsordnung sollten intensiviert werden. Dabei ist zu prüfen, inwieweit eine Novellie- rung der Approbationsordnung der Ärzte notwendig ist. Diese Fra- gen werden von einer Kommission der Bundesregierung aufgegrif- fen."

Erhaltung der Qualität der ambulanten

kassenärztlichen Versorgung Die Erhaltung der Qualität der am- bulanten kassenärztlichen Versor- gung war die Kernforderung des Vorsitzenden der Kassenärztli- chen Bundesvereinigung, Hans Wolf Muschallik, vor der Konzer- tierten Aktion. Er wies darauf hin, daß im Rahmen der EG-Harmoni- sierung im Jahre 1980 jegliche Vorbereitungszeit für die Nieder- lassung als Kassenarzt entfallen wird. Demnach kann ab diesem Zeitpunkt jeder frisch approbierte Arzt ohne weitere Vorbereitung sich unmittelbar nach dem Ex- amen auch als Kassenarzt nieder- lassen. Angesichts der zu erwar- tenden Entwicklung wird vielen jungen Medizinern wegen fehlen- der Weiterbildungsstellen im Krankenhaus keine andere Wahl bleiben, als sich in freier Praxis unmittelbar nach Beendigung der Ausbildung niederzulassen. Der- zeit weisen neu sich niederlassen- de Kassenärzte noch eine durch- schnittliche sechsjährige Weiter- bildung im Krankenhaus auf.

Dieser zwangsläufige Zustrom von unzureichend praktisch ausgebil- deten Ärzten in die freie Praxis wird eine schwere Belastung für die ambulante kassenärztliche Versorgung der Zukunft darstel- len. Bei aller Anerkennung des Ri- sikoprinzips der freien Berufsaus- übung darf nicht verkannt werden, daß extreme Wettbewerbssituatio- nen fragwürdige Auswirkungen sowohl auf die Qualität als auch

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die Quantität ärztlicher Leistungen haben können.

Wie können den jungen Medizi- nern vor ihrer Niederlassung als Kassenarzt die notwendigen prak- tischen Erfahrungen vermittelt werden? Allein die Last auf die in freier Praxis niedergelassenen Ärzte abzuwälzen, indem sie durch Aufnahme von Mitarbeitern den Erwerb der zur selbständigen Be- rufsausübung notwendigen Quali- fikation vermitteln sollen, kann auch angesichts der knapperen Umsatzentwicklungen als nicht zumutbar und nicht sachgerecht empfunden werden.

In anderen EG-Ländern, die vor ähnlichen Problemen stehen, sind Regelungen getroffen worden, die eine Pflichtweiterbildung zum In- halt haben. In Dänemark müssen nach dem Gesetz 553 vom 25. 11.

1976 alle dänischen Ärzte eine dreijährige Weiterbildung im Kran- kenhaus absolvieren, bevor sie sich als Kassenarzt niederlassen können. Zwar gilt diese Vorschrift nicht für Ärzte aus den übrigen EG-Ländern, aber durch eine strenge Bedarfsprüfung ist die Zu- weisung einer Kassenarztstelle für ausländische Ärzte außerordent- lich schwer erreichbar.

In Großbritannien und Irland kann sich ein Arzt nach der Registrie- rung erst niederlassen, wenn er ein Jahr im Krankenhaus tätig war.

Es wird erwogen, diese Zeitspanne auf zwei Jahre auszudehnen.

In Holland besteht eine einjährige Weiterbildungspflicht, bevor eine Niederlassung als praktischer Arzt möglich ist. Von diesem Jahr muß ein halbes Jahr bei einem prakti- schen Arzt abgeleistet werden.

Angesichts der mangelhaften praktischen Ausbildung mu3 zum Zwecke der Erhaltung der Qualität der ambulanten kassenärztlichen Versorgung auch bei uns bis zum Wirksamwerden einer Novellie- rung der Approbationsordnung für Ärzte und damit der Sicherstellung einer ausreichenden praktischen

ärztlichen Ausbildung an die vor- übergehende Einführung einer Pflichtassistentenzeit gedacht werden. Dies läßt sich durch eine Änderung der Zulassungsord- nung, die im übrigen auch für aus- ländische Ärzte verpflichtend sein sollte, erreichen.

Die vorgeschlagene Änderung der Zulassungsordnung stellt selbst- verständlich keine Lösung für die aufgezeigten Ausbildungsproble- me dar. Ziel der gemeinsamen Be- mühungen muß es daher in erster Linie sein, die Qualität der Ausbil- dung so zu heben, daß zukünftig der frisch approbierte Arzt in der Lage ist, eigenverantwortlich, selbständig ärztlich tätig zu sein.

Die weitere Novellierung der Ap- probationsordnung für Ärzte wird noch gewisse Zeit in Anspruch nehmen; des weiteren vergehen nach Inkraftsetzung einer neuen Approbationsordnung nochmals sechs Jahre, bis sich eine geän- derte bzw. neugefaßte Approba- tionsordnung auswirkt. Zur Über- brückung dieses Zeitraumes wird die Änderung der Zulassungsord- nung vorgeschlagen.

Es ist zu begrüßen, daß die Teil- nehmer der Konzertierten Aktion im Sinne dieser Forderung über- einstimmend den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung um Prüfung gebeten haben, „welche Möglichkeiten vorübergehend be- stehen, zur kassenärztlichen Ver- sorgung nur diejenigen Ärzte zu- zulassen, die eine angemessene — etwa zweijährige — praktische Be- rufserfahrung als Assistent im Krankenhaus und in freier Praxis nachweisen."

Die der Konzertierten Aktion un- terbreiteten und von ihr anerkann- ten Vorschläge zur Lösung der Probleme aus der Arztzahlent- wicklung können nur als erste Schritte zur Erhaltung der Qualität der ärztlichen Versorgung und zur Verhinderung eines übermäßigen Anwachsens der Arztzahl gewertet werden. Jedoch muß anerkannt werden, daß in der Herbstsitzung

der Konzertierten Aktion erstmals alle für das Gesundheitswesen verantwortlichen Kräfte die Be- deutung der Entwicklung der Zahl der niedergelassenen Ärzte für das Gesundheitswesen schlechthin unterstrichen haben. Sie haben damit zum Ausdruck gebracht, daß die bisherigen Warnungen aus der Ärzteschaft nicht primär inter- essengesteuert, sondern von Be- deutung für die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung und damit für das Gemeinwohl sind.

Auf Anregung des bayerischen Staatsministers, Dr. Fritz Pirkl, hat die Bundesregierung zugesagt, ein Forschungsvorhaben zu finan- zieren, welches die Veränderun- gen im Ärztebedarf und im Bedarf der übrigen medizinischen Berufe unter Einbeziehung der Bedarfs- planungen der Kassenärzte und der Krankenkassen unter Berück- sichtigung der Finanzierbarkeit vorausschauend ermitteln soll. Ei- ne besondere Betonung der Fra- gestellung dieses Forschungsvor- habens liegt nach der Anregung Pirkls auf der Finanzierbarkeit.

Insofern wird gegenüber bisheri- gen Bedarfsprognosen ein neues entscheidend wichtiges Kriterium eingebracht. Dieses Vorhaben schließt die Notwendigkeit ein, die

„Entwicklung der Zahl der Ärzte"

auch zum Thema der Bericht- erstattung für die Herbstsitzung 1979 der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen zu machen.

Anschriften der Verfasser:

Prof. J. F. Volrad Deneke Hauptgeschäftsführer der Bundesärztekammer Haedenkampstraße 1 5000 Köln 41

Dr. med. Eckart Fiedler Hauptgeschäftsführer der Kassenärztlichen

Bundesvereinigung Haedenkampstraße 3 5000 Köln 41

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 42 vom 19. Oktober 1978 2403

Referenzen

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