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Archiv "Zukunftsmusik in der Konzertierten Aktion" (26.11.1982)

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DEUTSCHES

• ZTEBLATT

Ärztliche Mitteilungen

Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung

Zukunftsmusik in der

Konzertierten Aktion

Die Konzertierte Aktion im Ge- sundheitswesen tagte am 15.

November in Bonn — erstmals nach der Regierungsneubildung.

Bundesarbeits- und Sozialmini- ster Dr. Norbert Blüm gab zum Einstand einen Abriß seiner sozialpolitischen Vorstellungen, der parlamentarische Staatsse- kretär des Hauses, Herbert Fran- ke, einen Überblick über die an- stehenden Haushaltsgesetze.

Empfehlungen verabschiedete die Konzertierte Aktion nicht; es war, wie es im Jargon der Kon- zertierer heißt, eine reine Struk- tursitzung: Es ging um die Lage und um Grundsätze.

Die Tagesordnung:

• Auswirkungen der Haus- haltsgesetzgebung auf die ge- setzliche Krankenversicherung

Finanzentwicklung der ge- setzlichen Krankenversicherung im Jahre 1982

Einbeziehung zusätzlicher medizinischer Daten in die Kon- zertierte Aktion

Bundesarbeitsminister Dr. Norbert Blüm hat in der Konzertierten Aktion heftige Kritik an der Verschiebung von 1,2 Milliarden DM von der Krankenversicherung an die Rentenversicherung einstecken müssen. Bekanntlich sieht dies das Haushaltsbegleitgesetz vor, das im Augenblick im Bundestag beraten wird. Die Bundesregierung deklariert diese Milliardenzahlung als einmaligen Vorgang, als Vor- griff auf eine künftige Beitragszahlung der Krankengeldbezieher an die Rentenversicherung. Blüm verteidigte zwar vor den „Beteiligten des Gesundheitswesens" diesen Schritt, gestand aber ein, daß es sich um einen Sündenfall handele, und versicherte, künftig die einzelnen Sozialversicherungszweige getrennt und sauber zu finan- zieren. Dabei werde für die Beitragsberechnung in Zukunft durch- gängig das Kriterium Lohnersatz maßgebend sein; und Lohnersatz sei auch das Krankengeld. Es sei freilich ein Schönheitsfehler, daß die 1,2 Milliarden bereits jetzt kassiert werden sollten, während der Rentenbeitrag vom Krankengeld erst später — nach dem mittlerweile berühmten Datum des 6. März 1983 — gesetzlich geregelt werden könne.

Zu den ersten Kritikern an der geplanten Milliarden-Verschiebung gehörte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Hans Wolf Muschallik; er wies warnend darauf hin, „daß wir Kassenärzte unserer erfolgreichen Bemühungen, durch Honorarver- zicht eine Ausgabenminderung in der sozialen Krankenversicherung zu bewirken, überdrüssig werden, wenn die Krankenversicherung, weil sie sparsam ist, zugunsten anderer Sozialversicherungszweige fortlaufend finanziell belastet wird." Muschallik erinnerte Blüm an dessen eigene Versicherung, „daß der Verschiebebahnhof demon- tiert wird". Blüm antwortete direkt: Er werde ihn demontieren.

Diese Absicht folgt auch aus der sozialpolitischen Philosophie des neuen Bundesarbeitsministers. Blüm, der sich zum erstenmal der Konzertierten Aktion stellte, umriß dort seine sozialpolitischen Grundsätze. Sie sind der katholischen Soziallehre entnommen (und decken sich offenbar, wie Bremens Gesundheitssenator Herbert Brückner, seines Zeichens evangelischer Diakon, vermerkte, weitge- hend mit der evangelischen Sozialethik). Die Pfeiler von Blüms Sozialpolitik heißen folglich Solidarität und Subsidiarität. Solidarität

Ausgabe B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 47 vom 26. November 1982 13

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Die Information:

Bericht und Meinung Konzertierte Aktion

sei besonders in Krisenzeiten ge- fordert. Sie sei eine Tugend, die heute, da man offensichtlich am Ende der rasanten Wachstumsra- ten sei, gefragt sei. Solidarität müsse die gesamte Gesellschaft umfassen. In diesem Sinne habe er alle zu einer Atempause aufge- fordert. Blüm dankte erneut den Ärzten für die Bereitschaft, bei der Honoraranpassung ein weiteres halbes Jahr zu pausieren. Subsi- diarität sieht Minister Blüm als

„Gliederungsprinzip der Solidari- tät". Nur so könne eine Massen- gesellschaft gesteuert werden.

Auch die Selbstverwaltung brau- che überschaubare Einheiten.

Durch Selbstverwaltung erhofft sich Blüm „Entstaatlichung ohne Privatisieru ng".

Blüm hegt die gute und glaubhafte Absicht, die Trennlinien zwischen Staat und Sozialversicherung wie- der deutlicher zu ziehen, zwischen den Sozialversicherungseinrich- tungen wieder sauberer abzugren- zen. An sich und die Konzertierte Aktion appellierte er, „gemeinsam die gesetzliche Krankenversiche- rung davon zu befreien, daß sie ihre Zuständigkeit immer weiter ausweitet".

Neben solchen sozialpolitischen Überzeugungen beschäftigten die Konzertierte Aktion die aktuelle fi- nanzielle Lage der gesetzlichen Krankenversicherung und — über

die 1,2-Milliarden-Verschiebung hinaus — Einzelheiten der vorgese- henen sozialpolitischen Haus- haltsmaßnahmen. Über Stunden glich die Konzertierte Aktion dabei einem vorgezogenen Verbände- Hearing zum Haushaltsbegleitge- setz, zumal der parlamentarische Staatssekretär im Bundesarbeits- ministerium, Heinz Franke, die Maßnahmen im einzelnen erläu- terte (wir haben diese bereits in Heft 45 vorgestellt und kommen anläßlich der Bundestagsberatun- gen wieder darauf zurück). Die Fi- nanzlage der Kassen ist, der Dar- stellung von Franke zufolge, im Augenblick insgesamt erfreulich:

Die Ausgaben je Mitglied stiegen nur um 1,9 Prozent im 1. Halbjahr 1982! Nachdem in früheren Kon- zertierten Aktionen immer mit Be- sorgnis über die Stabilisierung der Beitragssätze gesprochen worden war, wurde diesmal sogar von Senkungen bei einzelnen Kassen berichtet. Die Kostendämpfungs- anstrengungen haben gewirkt, al- lerdings unterschiedlich in den einzelnen Leistungsbereichen.

Das zeigt die folgende, von Franke vorgelegte Aufstellung:

Leistungsausgaben gesamt + 1,9 davon

> ärztliche Behandlung + 2,9

> zahnärztliche Behandlung + 2,7

> Zahnersatz + 2,8

> Arzneien aus Apotheken — 0,4

> Heil- und Hilfsmittel — 4,3

> Stationäre Behandlung + 8,2

> Krankengeld — 10,6 Zum Vergleich: Der Grundlohn stieg in dieser Zeit je Mitglied um 4,8 Prozent.

Der Ausreißer bleibt der Kran- kenhaussektor. Die Vertreter der Deutschen Krankenhausgesell- schaft gestanden das auch mit ei- nem in Maßen schlechten Gewis- sen ein, wiesen indes darauf hin, daß ihre Kosten, jedenfalls unter dem bisherigen Finanzierungssy- stem, nur schwer zu beeinflussen seien. In der Konzertierten Aktion wurde daher unisono eine Novel- lierung des Krankenhausfinanzie- ru ngsgesetzes gefordert. Im Grun- de stehen aber der Gesetzgeber wie auch die Beteiligten des Ge- sundheitswesens der ausufernden Entwicklung im Krankenhaussek- tor einigermaßen ratlos gegen- über. Blüm bekannte ganz offen, daß er immer noch auf der Suche nach „Regelkreisen, die sich selbst steuern", sei.

Immerhin, nach allen Bekenntnis- sen in der Konzertierten Aktion bestehen für die nächste Legis- laturperiode Aussichten, daß das

Krankenhausfinanzierungsgesetz gründlich überarbeitet wird. Ein weiteres Vorhaben, das der Ge- setzgeber angehen dürfte, ist die Ausforstung des Leistungskatalo- ges der gesetzlichen Krankenver-

Gesprächspartner (rechtes Bild): Dr. Rosemarie Scheurlen (saarländische Gesundheitsministerin), Dr. Karsten Vilmar (BÄK).

Vertragspartner (linkes Bild): Dr. Hans Wolf Muschallik (KBV), Willi Heitzer (BdO)

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Die Information:

Bericht und Meinung

Regierung und „Beteiligte des Gesundheitswesens" sitzen sich in der Konzertierten Aktion gegenüber. Das Gegeneinander muß nicht Konfrontation bedeuten: Minister Blüm betont das Gemeinsame. — Auf einer gemeinsamen „Bank": Ortskrankenkas- sen und Ärzte (ganz oben). Darunter (rechts) die „Neuen": Minister Dr. Norbert Blüm und parlamentarischer Staatssekretär Heinrich Franke. Gesprächsgruppen (Fotos links): Vertreter von Kassen, Ärzten, Ministerium Alle Fotos: Darchinger

Ausgabe B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 47 vom 26. November 1982 15

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Außergewöhnliche Anstrengungen

Dr. Hans Wolf Muschallik vor der Konzertierten Aktion Die deutschen Kassenärzte fühlen sich als ein Glied in der Kette unse- rer Sozialversicherung, und sie wis- sen um die damit verbundene Ver- antwortung. Ihre Bereitschaft, diese Verantwortung mitzutragen, haben die Kassenärzte in den Jahren der Rezession 1966/67 sowie in den Jahren seit 1976 bis heute durch ihr honorarpolitisches Verhalten unter Beweis gestellt. Es ist also kein

„Solitär" für die derzeitige Bundes- regierung, wenn ich für die Kassen- ärztliche Bundesvereinigung erneut zum Ausdruck bringe, daß sich die Kassenärzte der Aufforderung zu ei- ner „Anspruchspause" nicht ent- ziehen werden.

In diesem Zusammenhang betone ich aber, daß wir Kassenärzte unse- rer erfolgreichen Bemühungen, durch Honorarverzicht eine Ausga- benminderung in der sozialen Kran- kenversicherung zu bewirken, über- drüssig werden, wenn die Kranken- versicherung, weil sie sparsam ist, zugunsten anderer Sozialversiche- rungszweige fortlaufend finanziell belastet wird. Damit wird die Kran- kenversicherung zu einem Sorgen- kind gemacht, was sie nicht ist und nicht zu sein braucht, wenn man die Säulen unserer sozialen Sicherung unabhängig voneinander auf eine solide finanzielle Basis stellt. Der Selbstverwaltung insbesondere in der gesetzlichen Krankenversiche- rung muß zudem der erforderli- che Entscheidungsspielraum ohne

staatlichen Dirigismus überlassen bleiben.

Ich vertraue darauf, daß Ihre Aussa- ge, Herr Bundesarbeitsminister,

„daß der Verschiebebahnhof de- montiert wird", in die Tat umge- setzt wird. Gemäß dieser grund- sätzlichen Auffassung unterstützen wir Kassenärzte die neue Philoso- phie für Staat und Wirtschaft: weni- ger Ansprüche an den Staat, mehr Besinnung auf eigene Kräfte. Unter dieser Devise, die sich ja an alle Bürger richtet, sind wir zu außerge- wöhnlichen Anstrengungen bereit.

Solche außergewöhnlichen An- strengungen sehe ich in der Bereit- schaft, obgleich seit anderthalb Jahren die Honorare der Kassenärz- te nicht erhöht wurden, diese An- spruchspause um ein weiteres hal- bes Jahr zu verlängern.

In dem tarifpartnerschaftlichen Zu- sammenwirken zwischen Kranken- kassen und Kassenärzten bedarf es dazu eingehender Beratungen und Absprachen, bei welchen auch die honorarpolitische Entwicklung der anschließenden Zeiträume sowie strukturelle Probleme Beachtung finden müssen.

Ich gebe der Zuversicht Ausdruck, daß der Staat zukünftig sich auf die Festlegung von Rahmenbedingun- gen in der Sozialversicherung be- schränkt und daß es der gemeinsa- men Selbstverwaltung von Kran- kenkassen und Ärzten gelingt, unter Erhalt der derzeitigen Qualität der medizinischen Versorgung in un- serer Bundesrepublik erfolgreich für eine Kostenbalance in unserem Gesundheitswesen sorgen zu kön-

nen.

Die Information:

Bericht und Meinung Konzertierte Aktion

sicherung. Blüm hat das angedeu- tet. Auch aus der Konzertierten Aktion kamen, und zwar aus poli- tisch unterschiedlichen Ecken, entsprechende Forderungen. So forderten der Berliner Gesund- heitssenator Ulf Fink (CDU) und Alfred Schmidt (DGB), abzugren- zen, was künftig zu Lasten der Solidargemeinschaft finanziert werden müsse. Schmidt sieht eine Begrenzung des Leistungs- katalogs als Alternative zu „Hek- kenschnitt-Selbstbeteiligungen".

Konkret scheint der DGB an „Aus- grenzungen" (Schmidt) bei den Arzneimitteln zu denken. Schmidt verteidigte jedenfalls die Negativli- ste und schien auch Positivlisten (die Blüm eindeutig ablehnte) nicht abgeneigt zu sein. Über die Negativliste wird in den nächsten Wochen noch heftig gestritten werden. Sie ist in der von der Bun- desregierung geplanten Form für die Ärzte nicht akzeptabel.

Der Hauptgeschäftsführer der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung, Dr. Eckart Fiedler, nannte in der Konzertierten Aktion noch ein- mal die kritischen Punkte: Das Kri- terium „geringfügige Störungen"

läßt sich aus medizinischer Sicht nicht befriedigend definieren;

das Gesetzesvorhaben enthält ver- waschene Ausnahmeregelungen.

Fiedler: „Der Kassenarzt darf aber nicht derjenige sein, der die Lei- stungspflichtigkeit der Kassen be- stimmt."

Krankenhausfinanzierung und Lei- stungskatalog — das weist schon

in die Zukunft; bis zum 6. März tut sich da nichts. Ein langfristig an- gelegtes Projekt ist auch die von der Ärzteschaft besonders betrie- bene Berücksichtigung medizini- scher Orientierungsdaten bei den Empfehlungen der Konzertierten Aktion. Es geht darum, wie Bun- desärztekammer-Präsident Dr.

Karsten Vilmar erläuterte, Ände- rungen und Fortschritte in der Me- dizin, Verschiebungen in der Be- völkerungszusammensetzung und deren Auswirkungen auf die The- rapie zu untersuchen. Man müsse von der einseitigen Kostendämp-

fungspolitik auf Dauer wieder wegkommen und zu einer ver- nünftigen Gesundheitspolitik fin- den. Seitens der Ortskrankenkas- sen wurde dieser Wunsch so inter- pretiert, als solle eine einnahme- orientierte Ausgabenpolitik aufge- geben werden, während doch die gesamte Konzertierte Aktion einer solchen Politik verpflichtet sei.

Prof. J. F. Volrad Deneke, Haupt- geschäftsführer der Bundesärzte-

kammer, bekräftigte demgegen- über, daß die Ärzteschaft sich das Schlagwort der einnahme- orientierten Ausgabenpolitik nie zu eigen gemacht habe. Dr. Fied- ler erinnerte schließlich daran, daß die Konzertierte Aktion von Geset- zes wegen neben ökonomischen auch medizinische Daten bei ihren Ausgabenempfehlungen berück- sichtigen müsse. Dies sei in der Vergangenheit wohl vergessen worden. NJ

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