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Archiv "Ärzte-Umfrage 1992 und 1998: Ärztinnen haben geringere Einkommen" (03.12.1999)

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ie pessimistischen Prognosen über die Einkommensent- wicklung niedergelassener Hausärzte treffen nicht zu. Die EBM- Reform von 1996 hat den westdeut- schen Hausärzten leichte Umsatzzu- wächse gebracht und kann daher als Teilerfolg bewertet werden. Die Ein- kommensunterschiede zwischen West und Ost sind aufgrund unterschiedli- cher Kostenstrukturen nicht sehr stark ausgeprägt. Es bestehen jedoch erhebliche Einkommensunterschiede zwischen niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten. Das ergab eine Studie des Instituts für Angewandte Sozialfor- schung und des Seminars für Soziolo- gie der Universität zu Köln (siehe Ka- sten).

Die Einkommen niedergelasse- ner Ärzte stehen im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses, da deren Durchschnittseinkommen über dem Durchschnitt der übrigen Freiberufler liegen. Um die Ergebnisse beurteilen zu können, wurde eine Prognose des Sachverständigenrates für die konzer- tierte Aktion im Gesundheitswesen zugrunde gelegt. Man ging davon aus, daß sich der Umsatz je Kassenarzt im Vergleich zu 1982 bis zum Jahr 2000 halbieren werde und bei Allgemein- ärzten dann bei 150 000 bis 200 000

DM liegen werde. Doch den Ergeb- nissen zufolge sind die Umsätze im Westen stabil. Lediglich zwischen 1994 und 1995 gehen die Umsätze leicht zurück, was wir auf die Budge- tierung zurückführen. Die EBM-Re- form von 1996 hat den westdeutschen Hausärzten eine leichte Umsatzstei-

gerung gebracht. Im Osten steigen die Umsätze von 1993 bis 1996 kontinu- ierlich, im Jahr 1997 ist der Umsatz je- doch deutlich zurückgegangen.

Der West-Ost-Vergleich zeigt ei- ne ausgeprägte Differenz: Die Umsät- ze im Osten betragen zwischen 69 und 83 Prozent der Umsätze, die in den westdeutschen Praxen erwirtschaftet werden. Damit entsprechen die Be-

fragungsdaten den generellen Befun- den der Kassenärztlichen Vereinigun- gen. Die westdeutschen Hausärzte ha- ben somit von der EBM-Reform im Jahr 1996 profitieren können. Dage- gen scheint für die ostdeutschen Hausärzte mit der EBM-Reform der Aufholprozeß erst einmal gestoppt worden zu sein.

Im Westen sind die Betriebsko- sten über den gesamten Zeitraum re- lativ stabil. Die Kosten stagnieren bei einem durchschnittlichen Betrag um etwa 210 000 DM. Im Osten sind die Praxiskosten in den Jahren kurz nach der Wiedervereinigung jährlich gestie- gen. Von 1996 an haben sich die Betriebskosten im Osten auf durch- schnittlich 160 000 DM eingependelt.

Sie sind somit geringer als die im We- sten. Dafür dürften vor allem die Per- sonalkosten verantwortlich zu machen

sein. Der Kostenanteil am Umsatz be- trägt im Westen zirka 57 Prozent, im Osten sind es zirka 52 Prozent.

Ärztinnen im Westen liegen deutlich hinter den Einkommen der männlichen Berufskollegen zurück (siehe Tabelle). Sie erreichen lediglich 50 bis 60 Prozent des Einkommens der Ärzte. Die Ärztinnen im Osten liegen zwar ebenfalls hinter den Ein- kommen der ostdeutschen Ärzte, sie verdienen aber etwa 65 bis 75 Prozent der Einkommen der ostdeutschen Ärzte. Überraschend ist, daß die Ärz- tinnen in den westlichen Bundeslän- dern das untere Ende der Einkom- mensskala besetzen. Ärztinnen im Osten haben signifikant höhere Ein- kommen als ihre Kolleginnen im We- sten.

Als mögliche Erklärung bieten sich zwei miteinander verknüpfte Er- klärungen an: Zum einen sind 40 Jah- A-3093 Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 48, 3. Dezember 1999 (29)

T H E M E N D E R Z E I T BERICHTE

Ärzte-Umfrage 1992 und 1998

Ärztinnen haben geringere Einkommen

Die westdeutschen Ärztinnen erreichen lediglich 50 bis 60 Prozent des Einkommens ihrer männlichen Kollegen.

D

Tabelle

Durchschnittlicher Überschuß pro Arzt nach Abzug der Betriebskosten vor Steuern, in Tausend DM

1993 1994 1995 1996 1997

West

männlich 174 168 166 171 177

weiblich 98 95 108 103 81

Ost

männlich 150 155 167 171 151

weiblich 100 113 116 125 115

„Arztberuf und Ärztliche Praxis im sozialen Wandel“

Die Ergebnisse des Forschungsprojekts „Arztberuf und Ärztliche Praxis im sozialen Wandel“ liegen vor. Das Institut für Angewandte Sozialforschung (Prof. Meulemann) und das Seminar für Soziologie (Prof. Kunz) der Universität zu Köln haben 1992 und 1998 Allgemeinärzte und Internisten aus den alten und neuen Bundesländern zu folgenden Themen befragt: ärztliche Arbeitszeit, ärzt- liche Interessenorganisation, hausärztliche Versorgung, Einkommenssituation.

Von den 1992 befragten 1 416 Ärzten haben 275 an der Wiederbefragung teilge- nommen. Das Projekt wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finan- ziert und von der Bundesärztekammer und dem Deutschen Ärzte-Verlag unter- stützt. Wir berichten in vier Teilen über die wichtigsten Ergebnisse.

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A-3094 (30) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 48, 3. Dezember 1999

T H E M E N D E R Z E I T

in Zeichen der Hoffnung oder eher eine Beschwörungsfor- mel? An der nackten Beton- wand der medizinischen Ambulanz in Velika Hoca hängt ein billiger Kunst- druck mit der Friedenstaube, die ihren Zweig im Schnabel durch die Lüfte trägt. „Peace and Love“ hat je- mand dazu geschrieben – ein frommer Wunsch angesichts des ethnischen Wahnsinns zwischen Albanern und Serben, der von Tag zu Tag stärker zu werden scheint.

Seit vier Wochen ist heute erst- mals wieder ein Arzt in die kleine Po- liklinik gekommen, um die Dorfbe- wohner zu behandeln. Vor der Tür drängeln sich die Menschen, und Dr.

med. Martin Wolf, stellvertretender Landesarzt der bayerischen Johanni- ter, kommt mit der Arbeit nicht hin-

terher. Schließlich entschließt er sich dazu, nur die dringendsten Fälle zu versorgen und die anderen auf ein späteres Datum zu vertrösten. Die wenigen Medikamente, die im Lager- raum des unzerstört gebliebenen Ge- bäudes gestapelt sind, reichen oh- nehin nur für die akutesten Erkran- kungen. Medizinische Geräte, Strom und Wasser? Fehlanzeige! In Velika Hoca mangelt es zur Zeit wie im ge- samten Kosovo am nötigsten, um die medizinische Versorgung der Bevöl- kerung aufrechtzuerhalten.

Trotzdem: Die Lage ist längst nicht mehr so hoffnungslos wie noch vor einigen Monaten. Die Hilfe der internationalen Organisationen, die Medikamente und Geräte in das Bür- gerkriegsland schaffen, Ärzte und Pflegepersonal schicken sowie die BERICHTE/BLICK INS AUSLAND

re Frauenerwerbstätigkeit in der ehe- maligen DDR für dieses Muster ver- antwortlich. Damit hängt das Konzept der Sicherung des „Familieneinkom- mens“ zusammen. Während im Osten das Familieneinkommen oftmals al- lein von Frauen erwirtschaftet wird, wird es im Westen eher von der Er- werbstätigkeit des Mannes bestritten.

Ärztinnen scheinen bei dieser Varian- te eher ein zusätzliches Nebenein- kommen beizusteuern.

Da Einkommensunterschiede eventuell sehr stark von der gesamten wöchentlichen Arbeitszeit abhängig sein können, wurde die variable Ar- beitszeit zur Kontrolle herangezogen.

Für 1998 zeigte sich, daß westdeutsche Ärztinnen etwa sieben Stunden weni- ger arbeiten als ihre männlichen Kol- legen, die Arbeitszeit der ostdeut- schen Ärztinnen und Ärzten unter- scheidet sich dagegen kaum. Das be- stätigt die Annahme über die Auswir- kungen der 40jährigen Realität von Frauenerwerbstätigkeit. Die geringe- re Arbeitszeit der westdeutschen Ärz- tinnen erklärt jedoch nicht den Ein- kommensrückstand auf die männli- chen Kollegen.

Künftige Strategie:

Abbau von Personalkosten

Was die Verteilung der Kosten auf Personalkosten, Raumkosten, Sachkosten und sonstige Kosten be- trifft, machen die Personalkosten den jeweils höchsten Einzelposten aus. Sie sind sowohl 1992 als auch 1998 die größten Belastungen mit durch- schnittlich 80 000 bis 100 000 DM im Jahr. Die Personalausgaben sind im Westen höher als im Osten.

Bei anhaltendem Kostendruck wird die Strategie der Ärzteschaft darin bestehen, die Personalkosten abzubauen, keine weiteren Gehaltser- höhungen an die Mitarbeiter zu ver- geben oder sogar Entlassungen der Mitarbeiter in Kauf zu nehmen. Bei den befragten Ärzten konnte keine Entlassungswelle festgestellt werden.

Der Trend geht zur Einstellung höher qualifizierter Mitarbeiter und damit zu Lasten des geringer qualifizierten Personals.

Dr. Thomas Brechtel Melanie Schnee

Kosovo

Die Hilfe beginnt zu greifen

Krieg und jahrelange Unterdrückung haben die medizini- sche Versorgung im Kosovo um Jahrzehnte zurückgeworfen.

Fünf Monate nach dem Einmarsch der Kfor-Schutztruppe keimt bei den Hilfsorganisationen dennoch Optimismus auf.

E

Ein Rettungsassistent, der mit einer mobilen Ambulanz unterwegs ist, behandelt einen kleinen Jungen.

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zerstörten Krankenstationen auf den Dörfern renovieren oder mit mobilen Arztpraxen aushelfen, beginnt zu greifen.

Der Haß macht auch vor der Ambulanz nicht halt

Die „Ambulantas“, ein beinahe flächendeckendes System kleiner Po- likliniken auf dem Lande, arbeiten wieder, wenn auch, wie in der serbi- schen Enklave Velika Hoca, meist un- ter erbärmlichen Bedingungen. Der Haß zwischen den Völkern des Koso- vo ist selbst im Behandlungszimmer der Ambulanz noch spürbar: Ein al- banischer Arzt aus der benachbarten Kleinstadt Orahovac mußte nach Morddrohungen seiner Landsleute die Behandlung der serbischen Dorf- bewohner wieder aufgeben. Zwei schwangere Frauen, bei de-

nen schwere Geburtskom- plikationen vermutet wur- den, weigerten sich, in die Krankenhäuser in Prizren oder Pristina zu gehen, weil sie Angst hatten, dort von den albanischen Ärzten er- mordet zu werden. Schließ- lich mußten sie mit einem Krankenwagen nach Serbi- en verlegt werden.

Auch im Ambulanz- Container in Korisa, den die Johanniter bis zur Sanierung der kleinen Krankenstation zur Verfügung stellen, klopft der Rassenwahn an die Tür:

Ungerührt gehen die albanischen Dorfbewohner über ein frisch ge- pflügtes Feld, um zur Ambulanz zu kommen. Kein Stein, keine Blumen, kein Kreuz erinnert mehr daran, daß sich hier einst der serbische Friedhof befand.

Der albanische Arzt in der Am- bulanz hat wenig Muße, darüber nachzudenken, daß hier die Kultur der früheren Nachbarn brachial un- tergepflügt und vernichtet wurde. In wenigen Wochen hat er einige hun- dert Patienten in dem stickig-heißen Container behandelt. Die Zahl der Kriegsverletzungen ist in dieser Zeit, abgesehen von Minenopfern, zwar stark zurückgegangen, doch dem Arzt bereiten jetzt vor allem die chroni-

schen Erkrankungen Kopfzerbre- chen. Wochenlang konnten die Men- schen während des Krieges keinen Arzt aufsuchen, um Diabetes oder Hypertonie medikamentös einstellen zu lassen. Jetzt kämen die Patienten teilweise mit astronomischen Werten zu ihm, erzählt der Arzt.

Auch mit bislang auf dem Balkan weitgehend unbekannten Krank- heitsbildern müssen sich die Ärzte jetzt beschäftigen. Immer wieder kommen Patienten mit posttraumati- schem Streß-Syndrom in die Sprech- stunden. Die Erlebnisse während der Vertreibung suchen sich bei ihnen in Form von Nervenzusammenbrüchen oder unangepaßten Aggressionen ein Ventil. Plötzlich werden die bislang kaum genutzten Psychopharmaka wichtige Therapiemittel. Die techni- sche Ausstattung der meisten Ambu- lanzen ist kaum noch existent. Sofern

es überhaupt Strom gibt, fehlen Kühl- schränke, um Insulin und andere Me- dikamente zu kühlen, EKGs und Computer. Auch Laborgeräte für Blutuntersuchungen sind meist Man- gelware.

In den großen Krankenhäusern in Prizren und Pristina ist die Lage nicht besser. Als Dr. med. Martin Wolf die Klinik in Prizren besucht, äußert die Leitung den Wunsch nach einem Neurochirurgen. Müde lächelnd winkt der deutsche Arzt ab: „Unter diesen katastrophalen Zuständen im OP könnte ein Neurochirurg niemals ar- beiten.“ Die Ausstattung ist ebenso desolat wie die hygienischen Gege- benheiten, die Sterilisation und die Pflege der Patienten. Techniker, die

sich um die wenigen verbliebenen Geräte kümmern, gibt es nicht, eben- so Physiotherapeuten und Orthopä- dietechniker, die dringend die Nach- versorgung der zahlreichen Minenop- fer übernehmen müßten.

Kaum ein Augenmerk wurde bis- lang auf die Wirtschaftsbereiche der Kliniken gelegt. Das Krankenhaus Prizren ist mit seinen 670 Betten im- merhin für ein Viertel der zwei Millio- nen Kosovaren zuständig, doch in der Küche funktioniert kein einziger Kühlraum mehr. Wer als Patient keine Angehörigen hat, die täglich etwas zu essen vorbeibringen, ist arm dran.

Der katastrophale Zustand der medizinischen Versorgung ist aller- dings nicht nur auf den Krieg und die Zerstörungen in den vergangenen Monaten zurückzuführen. Bereits 1989, als Serbiens Diktator Slobodan Milosevic die Teilautonomie des Ko- sovo aufkündigte, wurden albanische Ärzte, Pfleger, Techniker und Verwaltungs- fachleute systematisch aus dem Gesundheitssystem ge- drängt und alle Investitio- nen gestoppt. Das öffentli- che Gesundheitswesen wur- de auf ein Niveau weit unter dem jugoslawischen Durch- schnitt zurückgefahren.

Parallel zum serbisch domi- nierten öffentlichen Ge- sundheitssektor entwickelte sich ein albanisches Schat- tensystem – ein Umstand, der sich jetzt für die interna- tionalen Hilfsorganisationen als Glücksfall erweist, denn „an gut ausgebildeten und arbeitswilligen Kräften herrscht kein Mangel“, freut sich Dr. Wolf. Fachlich lassen die mei- sten westlichen Ärzte nichts auf ihre albanischen Kollegen kommen, denen sie durchweg große Erfahrung atte- stieren. Einzig minimalinvasive Ope- rationsmethoden sind in dem Balkan- land bislang noch unbekannt.

Dr. Besnil Nurebini, der in der Ambulanz in Krusa arbeitet, hat aller- dings schon seit Wochen kein Geld mehr gesehen, obwohl er mit einem Kollegen und zehn Mitarbeitern von sieben Uhr morgens bis acht Uhr abends Patienten versorgt. Sofern sie nicht von einer Hilfsorganisation an- gestellt werden, hoffen, wie Nurebini, A-3095 Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 48, 3. Dezember 1999 (31)

T H E M E N D E R Z E I T BLICK INS AUSLAND

Die Johanniter im Kosovo

c Medizinische Betreuung der Bevölkerung in zehn stationären und vier mobilen Ambulanzen. Zwei weitere mobile Einheiten sollen hinzukommen, eine davon als Zahnarztpraxis.

c Unterstützung der Klinik in Prizren mit Hilfsgü- tern, Fortbildung des Personals

c Hilfsgütertransporte in abgelegene Bergdörfer c Betrieb eines Kindergartens in Prizren, zwei weite- re sollen folgen.

Informationen: Die Johanniter, Bundesgeschäftsstel- le, Lützowstraße 94, 10785 Berlin. Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft Köln, Konto: 88 88, BLZ 370 205 00, Stichwort „Kosovo“.

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viele Ärzte und Pfleger dar- auf, irgendwann wieder in den Staatsdienst übernom- men zu werden.

Eine funktionierende Gesundheitsverwaltung wür- de auch Dr. med. Dietrich Schnell weiterhelfen. Der Urologe vom Bundeswehr- krankenhaus Berlin hat in den vergangenen Wochen in der kleinen Provinzklinik im stark zerstörten Malisevo ei- nige Probleme gemeistert:

Im Treppenhaus ließ er von Serben versteckte Spreng- fallen räumen, das Techni- sche Hilfswerk sanierte die verwüsteten Räume, und die Bundeswehr schaffte Gerä- te und medizinisches Ver- brauchsmaterial heran. Doch jetzt steht der Arzt ratlos in den frisch getünchten Räu- men und fragt sich, wem er das Krankenhaus nach der Sanierung übergeben soll.

Es gebe zwar jede Menge Patienten und Ärzte für das 20-Betten-Haus, doch eine zivile Verwaltung als Träger der Klinik sei nicht in Sicht.

Auch die Mission der Vereinten Nationen für das Kosovo und das Flüchtlings- hilfswerk UNHCR sind noch

weit davon entfernt, das Chaos in ge- regelte Bahnen zu lenken. „Die wa- ren doch monatelang nur damit be- schäftigt, Autos zu kaufen und Büros anzumieten“, ärgert sich Andreas Sturm, Projektleiter der Johanniter für die in Prizren stationierten mobi- len Ambulanzen, über die vermeintli- che Untätigkeit der beiden Dachorga- nisationen. Wer nicht regelmäßig zu langatmigen Meetings erscheine, so Sturm, habe kaum Chancen, für seine Projekte Gelder aus den Fördertöp- fen der Vereinten Nationen zu be- kommen. „Der erhobene Zeigefinger des UNHCR macht mich noch ganz krank“, erbost sich Sturm außerdem darüber, daß neue und kreative Ideen, die nicht in die eingefahrenen Kon- zepte des Flüchtlingshilfswerks pas- sen, kaum unterstützt werden.

Bestes Beispiel sei das „Shelter Programm“, bei dem Plastikplanen verteilt werden, um die zerstörten

Häuser notdürftig winterfest zu ma- chen. „Das taugt allenfalls dazu, Ar- beitsplätze beim UNHCR zu erhal- ten, denn im nächsten Jahr müssen die Häuser ja doch repariert werden“, meint Sturm. Sein Vorschlag, jeder Hilfsorganisation ein Dorf zuzuteilen, das diese dann bis zum Winterein- bruch gemeinsam mit den Bewohnern mit richtigen Baumaterialien saniert, hat allerdings kaum Chancen auf Rea- lisierung. Denn auch den zahllosen Hilfsorganisationen fehlt ein gemein- sames Konzept. Wer zuerst kommt, genügend Spendenmittel und eine Idee mitbringt, fängt an zu helfen – und fragt häufig erst hinterher, ob nicht schon ein anderer die gleiche Idee hatte.

Die Zeit wird knapp. In den bis zu 2 600 Meter hohen kosovarischen Bergen tobt sich der Winter schon Anfang Oktober mit bis zu drei Meter hohen Schneewächten und Minus-

temperaturen von bis zu 30 Grad aus. „Wie es dann wei- tergehen soll, weiß noch nie- mand so genau“, sagt Sturm, der Tag für Tag mit vier mo- bilen Ambulanzen die Be- wohner abgelegener Dörfer rund um Prizren medizi- nisch versorgt. Irgendwann ist auch für die Allrad- lastwagen, die mit einem Notstromaggregat und ei- nem Behandlungscontainer ausgerüstet sind, kein Durch- kommen mehr. Ein deut- scher Rettungsassistent, eine albanische Krankenschwe- ster und ein albanischer Arzt gehören zur Besatzung ei- ner solchen rollenden Land- arztpraxis, die sich nicht nur um Infektionen oder Bluthochdruck kümmern muß.

„Manchmal bringen wir den Bewohnern, die nicht mehr in die Stadt können, Lebensmittel mit oder trans- portieren Nachrichten zwi- schen einem serbischen Mann und seiner albani- schen Frau, die sich schon seit Wochen nicht mehr ge- sehen haben“, beschreibt Andreas Sturm den Alltag der mobilen Helfer. Dem- nächst sollen noch zwei weitere Fahr- zeuge hinzukommen, eines davon als Zahnarztpraxis ausgestattet. Nicht nur der Blick auf die Zahnruinen in den Mündern vieler Kosovaren be- weist, daß die Zahnmedizin zur Zeit völlig am Boden liegt. Von den 14 Be- handlungsstühlen, die es im zahnme- dizinischen Zentrum in Prizren gab und die sich 48 Ärzte in mehreren Schichten teilten, ist kein einziger mehr funktionstüchtig.

Trotz der derzeit noch desolaten Versorgung ist Dr. Martin Wolf da- von überzeugt, daß die Hilfsorgani- sationen die Lage in den Griff be- kommen werden – nicht zuletzt durch die Mithilfe der Kosovaren:

„Was mich am meisten beeindruckt, ist der Wille der Menschen, ihr Land wieder aufzubauen. Auch wenn die Leute noch nicht viel tun können und kein Geld haben, sie packen dort an, wo es nötig ist.“ Armin Jelenik A-3096 (32) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 48, 3. Dezember 1999

T H E M E N D E R Z E I T BLICK INS AUSLAND

Leben in Trümmern: Das Mädchen wohnt mit seinen Eltern im Keller des völlig

zerstörten Hauses. Fotos: Armin Jelenik

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