ie Kritik der niedergelassenen Allgemeinärzte und Interni- sten an der Arbeit der ärztli- chen Interessenvertretungen nimmt zu.
Die bereits nicht sonderlich gute Beur- teilung der Verbandsarbeit im Jahr 1992 hat sich 1998 durchgängig ver- schlechtert. Das ergab eine Studie des Instituts für Angewandte Sozialfor- schung und des Seminars für Soziologie der Universität zu Köln (siehe Kasten).
Neben politischen Parteien sind auch die Interessenvertretungen am politischen Prozeß beteiligt. Aus Sicht der Verbandsführung muß neben der Sicherung des politischen Einflusses auch die Rückkopplung an die Mit- gliederbasis gewährleistet sein. Für die Führungsebene der untersuchten
Verbände sind unsere Ergebnisse von Interesse, da die Mitglieder die zen- trale Ressource und Bezugsgruppe der Verbandsarbeit sind.
Die Ergebnisse machen generell deutlich, wie wenig zufrieden die Ärz- te mit der Arbeit ihrer Berufsorgani- sationen sind (siehe Tabelle). Es wird kein Wert erreicht, der bei der Note 2,0 oder besser liegt. Auffällig ist das schlechte Abschneiden der Ärzte- kammern 1998 im Osten (3,81). Ver- bände mit Pflichtmitgliedschaft wer- den den Ergebnissen zufolge im We- sten und im Osten schlechter beurteilt als die Verbände mit freiwilliger Mit- gliedschaft. Eine Ausnahme bilden die KVen im Osten, die besser beurteilt werden als der Hartmannbund. Rela-
tiv gut wird die Interessenpolitik des Berufsverbands der Allgemeinärzte Deutschlands (BDA) akzeptiert. Die guten Werte erzielte der BDA nicht nur bei seinen Mitgliedern, die ihn be- rufspolitisch mit 2,34, wirtschaftlich mit 2,69 beurteilten. Die Nicht-Mit- glieder beurteilten ihn berufspolitisch mit 3,08, wirtschaftlich mit 3,18.
Unter dem damaligen Bundes- gesundheitsminister Horst Seehofer wurden die Ärzteverbände unerwar- tet von der Politikformulierung zeit- weise ausgeschlossen. Mit dem Ge- sundheitsstrukturgesetz (GSG) 1993 waren die Parteien in der Lage, einen parteiübergreifenden Gesetzeskom- promiß zu finden (Lahnsteiner Kom- promiß). Die ärztlichen Verbände ge- rieten in der Öffentlichkeit unter Rechtfertigungsdruck. Dazu kam die Unzufriedenheit der Basis mit der In- teressenpolitik ihrer Verbände. Auf die Frage: „Wie zufrieden sind Sie im Hinblick auf das Zustandekommen und die Realisierung der Interessen der Ärzteschaft bezogen auf das GSG“ erhielten wir Werte zwischen 2,98 und 3,96 (1 = sehr zufrieden, 5 = sehr unzufrieden). Die Ärztekam- mern erzielten erneut die schlechte- sten Werte (West: 3,96; Ost: 3,90). Der BDA schnitt erneut am besten ab (West: 2,99; Ost: 2,98).
Die gegenwärtige Diskussion er- schwert offenbar die Arbeit übergrei- fender Verbände und begünstigt Ver- bände, die eine mitgliederspezifische Berufspolitik betreiben.
Dr. Thomas Brechtel, Melanie Schnee
A-3233 Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 50, 17. Dezember 1999 (25)
T H E M E N D E R Z E I T BERICHTE
Ärzte-Umfrage 1992 und 1998
Steigende Unzufriedenheit mit Interessenverbänden
Niedergelassene Allgemeinärzte und Internisten kritisieren die Arbeit ihrer Interessenvertretungen.
D
Tabelle
Die Zufriedenheit der Befragten mit der Arbeit der Verbände (Mittelwerte auf einer Skala von 1 [sehr gut] bis 5 [sehr schlecht])
1992 1998
West Ost West Ost
Ärztekammer
berufspolitisch 3,21 2,79 3,62 3,62
wirtschaftlich 3,61 3,28 3,77 3,81
Kassenärztliche Vereinigungen
berufspolitisch 3,11 2,73 3,50 3,25
wirtschaftlich 3,34 2,92 3,69 3,38
Hartmannbund
berufspolitisch 3,05 2,72 3,36 3,34
wirtschaftlich 3,16 2,96 3,53 3,59
NAV-Virchow-Bund
berufspolitisch 2,71 2,75 3,02 3,18
wirtschaftlich 2,89 2,96 3,17 3,33
Berufsverband der Allgemeinärzte
berufspolitisch * * 2,48 2,43
wirtschaftlich * * 2,74 2,80
* Daten über die Beurteilung des Berufsverbandes der Allgemeinärzte Deutschlands/
Hausärzteverband (BDA) liegen nur für die 1998er Befragung vor.
Das Institut für Angewandte So- zialforschung (Prof. Meulemann) und das Seminar für Soziologie (Prof.
Kunz) der Universität zu Köln haben 1992 und 1998 Allgemeinärzte und In- ternisten aus den alten und neuen Bundesländern zu folgenden Themen befragt: Arbeitszeit, Interessenorga- nisation, hausärztliche Versorgung, Einkommenssituation. Von den 1992 befragten 1 416 Ärzten haben 275 an der Wiederbefragung teilgenommen.
Das Projekt wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert und von der Bundesärztekammer so- wie dem Deutschen Ärzte-Verlag un- terstützt. Wir berichten in vier Teilen über die wichtigsten Ergebnisse.