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Archiv "Niedergelassene Ärzte: „Notfalls mit harten Bandagen ...“ - Hauptversammlung des Verbandes der niedergelassenen Ärzte bekräftigte gesundheitspolitische Essentials" (21.12.1978)

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ÄRZTEBLATT

Heft 51/52 vom 21.Dezember 1978

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Niedergelassene Ärzte:

„Notfalls mit harten Bandagen ...

Hauptversammlung des Verbandes der niedergelassenen Ärzte bekräftigte gesundheitspolitische Essentials

Grundsatzdiskussion

„Wer glaubt, uns Ärzten gin- ge es nur um ein paar Pro- zentpunkte mehr oder weni- ger Honorar, hat von der Grundsatzdiskussion um das Gesamtgefüge unseres Ge- sundheitswesens bis heute noch nichts begriffen. . ."

Dr. med. Kaspar Roos (Köln), Bundesvorsitzender des Ver- bandes der niedergelasse- nen Ärzte Deutschlands (NAV), anläßlich der Haupt- versammlung 1978 seines Verbandes in Köln.

Zwischen phasenweiser Resignation und kämpferischer, solidarischer Vorwärtsstrategie pendelte das Stimmungsbarometer der 59 Dele- gierten der Bundeshauptversamm- lung des Verbandes der niederge- lassenen Ärzte Deutschlands (NAV) im Verlaufe der dreitägigen Bundes- hauptversammlung vom 24. bis 26.

November 1977 im Kölner Gürze- nich. Wie bereits anläßlich der vor- aufgegangenen Bundeshauptver- sammlung hielt der NAV mit seiner kritischen Beurteilung der aktuellen gesundheits- und sozialpolitischen Situation nicht hinter dem Berg. Die Unzufriedenheit der „Basis" seit In- krafttreten der Ehrenbergschen Pa- ragraphenwerke, insbesondere des mit vielen dirigistischen Elementen durchsetzten „Krankenversiche-

rungs-Kostendämpfungsgesetzes"

(KVKG), ist spürbar gewachsen. Die beruflichen und wirtschaftlichen Be- dingungen vor allem der niederge- lassenen Ärzte haben sich drastisch verschlechtert; die Handlungsspiel- räume sind eingeengt, das Maß des noch Zumutbaren für Arzt und Pa- tient ist bereits überschritten.

Die zum Auftakt der NAV-Tagung aufgeworfene Frage nach dem

„Selbstverständnis des Arztes" in der heutigen Gesellschafts- und So- zialordnung (der Münsteraner Me- dizinhistoriker Prof. Dr. med. Ri- chard Toellner hatte dazu in seinem Statement einiges Kritische und Nachdenkliche angemerkt) hatte den mit großer Mehrheit wiederge- wählten Bundesvorsitzenden Dr.

med. Kaspar Roos (Köln) und die

Delegiertenversammlung dazu in- spiriert, die Rolle der niedergelasse- nen Ärzteschaft im Gesamt unserer Gesellschaftsordnung und im Inter- essengeflecht noch deutlicher zu umreißen.

Das Selbstverständnis des Arztes Das Meinungsspektrum der Exper- ten der NAV-Podiumsdiskussion tags zuvor reichte von der Einord- nung des Arztes als wissenschaftlich fundierten, technisch versierten und gesellschaftspolitisch kenntnisrei- chen „Medizinfunktionär" bis hin zum gesellschaftlich hervorgehobe- nen, verantwortungsvollen, ja auf- opferungsvollen Arzt und uneigen- nützigen Helfer seiner Patienten.

Freilich hätten viele gesellschaftli- che Bedingungen, Gesetzesände- rungen und das gewandelte Arzt-Pa- tienten-Verhältnis dazu wesentlich beigetragen, daß sich letztlich auch das ärztliche Selbstverständnis in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert habe.

Der Berliner Psychologieprofessor Professor Dr. Otto Walter Haseloff wies auf die „Krise im Selbstbe- wußtsein des Arztes hin", weil es heute infolge der Spezialisierung und Subspezialisierung der medizi- nischen Wissenschaft und des Arzt- berufes keinen einheitlichen ärztli- chen Berufsstand mehr gäbe. Aus- schlaggebend sei das tatsächliche subjektive Empfinden des Patienten und nicht so sehr objektive Daten, die der Ärzteschaft vorgegeben sind

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Hauptversammlung des NAV

oder von dieser gesetzt würden. Der

"emanzipierte" Patient und das im- mer dichter werdende Netz sozialer

· Sicherungen bestärke den Patienten in seiner Anspruchshaltung gegen- über dem Arzt, einen möglichst per- fekten und rund um die Uhr reichen- den Gesundheitsservice zur Wieder- herstellung .des Wohlbefindens be- reitzuhalten. Der fast uferlose Ge- sundheitsbegriff der Weltgesund- heitsorganisation (WHO) suggerier- te bei manchem Bürger eine kaum mehr zu vertretende Begehrlichkeit.

Ressortpartlkularismus?

Heute sei der Arzt weitgehend her- metisch abgekapselt in sein natur- wissenschaftliches Expertenwissen mit klar definierten Kompetenzen und Bereichsabgrenzungen. Aller- dings, so argumentierte Professor Haseloff: Das eigentliche ärztliche Handeln hat sich weniger geändert, als man gemeinhin annimmt. Geset- zesänderungen, die die Rahmenbe- dingungen geben, seien nicl'lt in der Lage, ärztliches Handeln grundsätz- lich zu verändern (eine Meinung, die nicht nur auf ungeteilten Beifall stieß).

Andererseits sei die zunehmende Fachspezialisierung kein Mittel zur Einschränkung der ärztlichen Kom- petenzen, sondern vielmehr ein Ga- rant dafür, daß der Arzt die ihm übertragenen Aufgaben sachkom- petent übernimmt und die Konse- quenzen seiner Entscheidungen und seines ärztlichen Tuns über- sieht und voll trägt.

Eine der Grundthesen Professor Toellners lautete: .,Ärzte haben kei- ne politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entscheidungen zu treffen,

s~>ndern nur rein ärztliche." Dem Referenten wurde jedoch entgegen- gehalten, daß jede ärztliche Ent- scheidung mittelbar auch finanzielle und soziale Folgen auslösen könne (beispielsweise Arbeitsunfähigkeits- bescheinigungen; die Begutachtung der Erwerbs- und Berufsunfähigkeit usw.). Insoweit gehöre zum Arztbe- ruf auch eine gewisse Sozialbin- dung, die dem Arzt signalisiere, daß

jeder praktizierende Arzt - bei noch so großem Unabhängigkeits- und Freiheitsdrang - auch finanzielle und soziale Situationen und die Le- benslage des einzelnen bei seinem ärztlichen Tun mit berücksichtigen müsse.

Verantwortung für die Gesellschaft ..,. Selbstverständlich habe der Arzt, insbesondere der niedergelassene Arzt, eine Sonderstellung innerhalb der Gesellschaft. Haseloff: Der Arzt hat Tag für Tag Entscheidungen mit stark vitalen Konsequenzen zu tref- fen, die weit außerhalb der Probleme des Alltagsgeschehens liegen. Der Arzt sollte Berater und Vertrauter des Patienten sein; er sollte Rat- schläge erteilen, nach denen man sich richten kann. Dieser verant- wortlichen gesellschaftspolitischen Rolle müsse sich jeder Arzt bewußt sein und sich ständig in Erinnerung rufen, will er nicht sich außerhalb seines gesellschaftlichen Rollenge- füges begeben. Trotz wachsender Spezialisierungstendenzen der me- dizinischen Wissenschaft, trotz ständig fortschreitender Aufgliede- rung ärztlicher Verantwortung und Kompetenz und der perfekter wer- denden Medizintechnik- so war die Meinung des Disk~ssionsforums - werde der hinwendungsvolle, ver- antwortungsvoll tätige freiberuflich tätige Arzt, der Arzt des Vertrauens auch künftLg unersetzbar sein.

Nicht zuletzt erfreuen sich der prak- tische Arzt wie auch der Facharzt nach wie vor eines hohen Ansehens in der Bevölkerung, wie repräsen- tative Meinungsbefragungen erst jüngst wieder übereinstimmend be- stätigten. Allerdings nützt bloßes Schulterklopfen und ein hohes Ver- trauenspotential in der Bevölkerung wenig, wenn das Betätigungsfeld des freiberuflichen Arztes durch po- litische Gefechte immer weiter ein- geengt wird.

Kämpflrische Solidarität

"Das Selbstverständnis eines Arztes kann grundsätzliche Änderungen in.

unserer Gesellschaft nicht unbeach- tet lassen. Gemeinsam müssen wir Ärzte uns alle bemühen, die dadurch notwendigen Korrekturen behut- sam, aber trotzdem wirksam vorzu- nehmen." Diesen Appell richtete der NAV-Bundesvorsitzende Dr. Kaspar Roos an seine Kollegen. Sollten al- lerdings gesellschafts- und gesund- heitspolitische Veränderungen ein- seitig zu Lasten der Ärzteschaft ge- hen, so würde der NAV sich diesem Trend mit kämpferischer Solidarität entgegenstemmen. Roos verwies auf eine soeben fertiggestellte Um- frage der Bundesvereinigung Deut- scher Ärzteverbände (BDÄ) zum .,Selbstbildnis des Arztes und die Beurteilung ärztlicher Organisatio- nen durch den Arzt". Danach verur- sachen in den Augen der befragten, in eigener Praxis tätigen Ärzte einige gesellschaftliche Gruppierungen und Institutionen den Ärzten ganz besondere Schwierigkeiten. Nach der Reihenfolge ihrer Gewichtung sind dies der Deutsche Gewerk- schaftsbund (DGB), das Bundesar- beitsministerium, die Presse, die SPD, die R'vO-Krankenkassen, das Fernsehen und das Bundesgesund- heitsministerium.

Den übrigen Gruppen in der Bevöl- kerung trauen die Ärzte allenfalls Neutralität zu, außer der Pharmain- dustrie und den Apotheken. Als .. neutral" gelten die evangelische und katholische Kirche, als .,über- wiegend neutral" und sonst mit ei- nem mehr politischen Akzent verse- hen, die Universitäten, die private Krankenversicherung, die CDU und die CSU. Als ;,neutral" und "teils po- sitiv, teils kritisch" gesonnen gelten die Ersatzkassen und die Arbeitge- ber. Die FDP wird von den Ärzten zur Hälfte als .. neutral" eingestuft, wäh- rend die andere Hälfte der Ärzte- schaft unterstellt, die FDP mache ih- nen Schwierigkeiten.

Laut Roos bedarf diese Beurteilung hinsichtlich der tatsächlichen Gege- benheiten einiger Korrekturen. Zu- mindest seitens einiger Akademien der evangelischen Kirche sei seit einiger Zeit ein sehr kritischer Trend gegenüber den Ärzten zu erkennen gewesen, wenn nicht sogar in Ein-

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Hauptversammlung des NAV

zelfällen Aggressionen deutlich ge- worden seien. Um so erfreulicher ist es für Roos, daß sich gerade der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) nachdrücklich gegen die pauschale Verunglimp- fung der Ärzte gewandt habe und dabei sogar betonte, die Kirche sei es den Ärzten schuldig, diese "Het- ze" abzuwehren, weil sie auch das Vertrauen der Patienten zu ihren Ärzten zerstöre.

Sehr gespannt sei inzwischen das Verhältnis der Ärzteschaft zu den Ar- beitgebern und deren Spitzenver- bänden, da diese nicht selten die Gewerkschaften und Krankenkas- sen in ihrer antiärztlichen Haltung noch "überboten" hätten. Diese Lehren und Erfahrungen in der Ver- gangenheit kleidete Roos in den Vorschlag, die sogenannten "Lei- stungsanbieter" im Gesundheitswe- sen (Ärzte, Zahnärzte, Apotheker und Pharmaindustrie) sollten den Gesetzgeber auffordern, "zu prüfen, ob die paritätische Selbstverwaltung Arbeitnehmer/Arbeitgeber

in

der ge-

setzlichen Krankenversicherung nicht als Relikt der Vergangenheit zu betrachten ist, zumal bei den Er- satzkassen die Selbstverwaltung seit eh und je nur durch die Vertreter der Arbeitnehmer erfolgt."

Legitime Interessenwahrung Die Situationsanalyse des Bundes- vorsitzenden mündete in eine Reihe von konkreten Vorschlägen und Forderungen, die der Verband zu ei- nem beachtlichen Teil in den gut 30 Entschließungen bekräftigte. Not- falls werde man .. auch mit harten Bandagen" kämpfen und, wie jeder Interessenverband als legitimes Recht für sich in Anspruch nimmt, seine Grundanliegen mit Nachdruck verteidigen.

Von der Verbandsführung wurde verlangt, wieder zu einer "kämpferi- schen Linie zurückzufinden und die Öffentlichkeitsarbeit zu verstärken".

Tunliehst will man die Solidarität zwischen bereits "etablierten" Ärz- ten und der nachwachsenden Gene- ration erhalten. Die negativen Erfah-

rungen nach dem Zweiten Weltkrieg hätten die Ärzteschaft sensibilisiert, und in keinem Fall dürfe sich ein Verteilungskampf innerhalb der Ärz- teschaft wiederholen.

Die Erhaltung der Solidarität inner- halb der Ärzteschaft verlange eine Leistungsverteilung unter allen nie- dergelassenen Ärzten. Man werde sich energisch zur Wehr setzen, falls Pläne von Funktionären der Orts- krankenkassen die ärztlichen Ein- kommen "auf das Arbeitnehmerein- kommen herunterstufen" oder auf die "untere Beamtenebene" ab- markten wollen.

..,.. Bei aller Anerkennung der Ko- stendämpfungsbemühungen for- dern die niedergelassenen Ärzte ei- ne Honorarpolitik, die auf eine kür- zere Zeit der Erwerbstätigkeit, die Risiken des freien Berufes, die Ko- stensituation, das Leistungsvolu- men, die Arbeitszeit und die Infla- tionsrate Rücksicht nimmt.

Skepsis zur Konzertierten Aktion Sehr skeptisch äußerte sich der NAV zur "Konzertierten Aktion im Ge- sundheitswesen" in ihrer jetzigen Konstruktion. Bundestag und Bun- desrat sollten bei der anstehenden Novellierung des Krankenhausfinan- zierungsgesetzes (KHG) darauf ach- ten, daß alle Bereiche des Gesund- heitswesens- auch die Krankenhäu- ser- bei der Kostendämpfung in die Pflicht genommen werden. Würden die Krankenhäuser ausscheren, so sei die .. Konzertierte Aktion" insge- samt gescheitert. Eine Bindung der Kosten der stationären ärztlichen Versorgung an volkswirtschaftliche Orientierungsdaten durch Empfeh- lungen der "Konzertierten Aktion"

entbehre gewiß jeder Logik, dieses gelte aber auch uneingeschränkt für den ambulanten Sektor. Bei einem Ausscheren der Krankenhäuser blie- be den niedergelassenen Ärzten nur noch ein Austritt aus der "Konzer- tierten Aktion" und die Bildung ei- nes "G~emiums auf freiwilliger Ba- sis". ln Absprache mit den Zahnärz- ten, Apothekern und der Pharma- zeutischen Industrie sollten Aussa- ·

gen über die zukünftige Entwick- lung gemacht werden. ln dem Gre- mium sollten auch Bundesarbeits- und Bundesgesundheitsministerium 'Yertreten sein. Gemeinsam sollten Wege aufgezeigt werden, "die ein überproportionales Wachstum für das Honorar des einzelnen Arztes nicht zulassen.

Die Gesundheitspolitik müsse sich auch in Zukunft auf eine erheblich größere Zahl von Kassenärzten ein- stellen. Offenbar wünsche auch die Öffentlichkeit mehr Ärzte in eigener Praxis. Doch scheine es vielen Bür- gern noch nicht klar zu sein, daß eine Vermehrung der Zahl der Kas- senärzte auf jeden Fall auch eine Vermehrung der Zahl der ärztlichen Leistungen mit sich bringe. Im we- sentlichen seien es deshalb die Ver- sicherten und nicht die Ärzteschaft, die die Arbeitszeit und Leistun!is- möglichkeiten der Ärzte unmittelbar und mittelbar beeinflußten.

Der NAV erinnerte an eine Vorschrift des , , Kostendämpfu ngsgesetzes'', wonach bei der Veränderung der Gesamtvergütung der Ärzte durch die Krankenkassen auch "die zu er- wartende Entwicklung ... der für kassenärztliche Tätigkeit aufzuwen- denden Arbeitszeit . .. " zu berück- sichtigen ist. Diese Bestimmung könne sich nicht nur auf die Arbeits- zeit des einzelnen Arztes beschrän- ken, sie müsse vielmehr den zeitli- chen Arbeitsaufwand sämtlicher Kassenärzte- der bisherigen wie der neu zugelassenen - in seiner Ge- samtarbeitszeit erfassen. Keinesfalls ist die niedergelassene Ärzteschaft bereit, weiterhin das Morbiditätsrisi- ko einseitig zu tragen.

Einnahmenorientierte Kassenpolitik

Dr. Roos erteilte der praktizierten einnahmenorientierten Ausgaben- politik eine Absage: "Die gesetzli- chen Vorschriften der RVO beinhal- ten nach wie vor die Möglichkeit, in ausreichender Beweglichkeit zwi- schen Krankenkassenverbänden und Kassenärztlichen Vereinigun- gen die Gesamtvergütung zu verein-

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Die Rolle und das Selbstverständnis des Arztes in der heutigen Gesellschafts- und Sozialordnung standen im Mittelpunkt der Offentliehen Veranstaltung zum Auftakt der Bundeshauptversammlung 1978 des Verbandes der niedergelassenen Ärzte Deutsch- lands (NAV) vom 24. bis 26. November im Isabellensaal des Kölner Gürzenich Fotos: H. Cl adelZellerhoff

baren. Das gilt um so mehr, als aus- drücklich auch die Berechnung der Gesamtvergütung nach Einzellei- stungen als Möglichkeit in der RVO erhalten geblieben ist. Eine perma- nente Bindung der kassenärztlichen Honorare ausschließlich unter dem Gesichtspunkt einer einnahmen- orientierten Ausgabenpolitik der Krankenkassen können und werden wir für längere Zeit nicht hinneh-

men." Und im Hinblick auf die

Glaubwürdigkeit des ärztlichen An- liegens erklärte Dr. Roos:

..,. "Wer glaubt, uns Ärzten ginge es nur um ein paar Prozentpunkte mehr oder weniger Honorar, hat von der Grundsatzdiskussion um das Gesamtgefüge unseres Gesund- heitswesens bis heute . nichts be- griffen."

Richtpunkte der künftigen Verbandspolitik

Die von den Delegierten mit großer Mehrheit angenommenen Beschlüs- se und Resolutionen umreißen t.len

Forderungs~atalog des NAV:

..,. Bei der Novelle zum Kranken- hausfinanzierungsgesetz sollten auch die Krankenhäuser "in die Pflicht" genommen werden, das heißt, Empfehlungen der "Konzer- tierten Aktion" über die Verände- rung der Ausgaben der Krankenkas-

sen sollten auch für die Kranken- hauspflege gelten - falls man den bisherigen Modus beibehalte.

..,. Von der Schließung weiterer klei_- ner Krankenhäuser sollte abgesehen·

werden. Dies widerspreche dem Ziel der Kosteneinsparung, vermindere ärztliche Ausbildungsstellen und ebenfalls die Patientennähe.

..,. Die Öffentlichkeit soll ständig darauf aufmerksam gemacht wer- den, daß die Auswirkungen des "Ko- stendämpfungsgesetzes" die Arbeit des niedergelassenen Arztes er- schweren und seiner Absicht entge- genstehen, moderne Erkenntnisse der Diagnostik und Therapie unver- züglich umzusetzen.

..,. Künftig sollten bei Honorarprü- fungen statt der bisher zugrunde ge- legten Fachgruppendurchschnitte nunmehr Leistungsgruppendurch- schnitte angewendet werden. Be- gründet wird dies mit der großen Heterogenität der Fachgruppen, das heißt, die Leistungsspektren der ein-·

zeinen Praxen in den Fachgruppen weichen stark voneinander ab. ..,. Ärztliche Organe sollten bei der Erstellung der neuen Gebührenord- nung im Bundesarbeitsministerium aktiv mitwirken. Erwartet wird unter anderem eine klare Trennung zwi- schen einer Gebührenordnung für den privatärztlichen Gebrauch und einer solchen für die Verrechnung

ärztlicher Leistungen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversiche- rung. Der Gesetzgeber sollte sich verpflichten, bei der Verwendung ei- nes Punktwertsystems in jährlichen Abständen bis zum 1. März jeweils den Punktwert entsprechend der fortschreitenden Teuerung festzu- setzen.

..,. Das Medizinstudium sollte mit dem Ziel reformiert werden, neben der Neigung auch die Eignung des Bewerbers für den ärztlichen Beruf stärker zu prüfen. Geeignet dafür sei ein mindestens einsemestriges Krankenpflegepraktikum.

..,. Es sollten rechtliche Vorausset- zungen geschaffen werden, um die gesamte Weiterbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin auch bei {er- mächtigten) niedergelassenen Ärz- ten aller Fachgebiete durchzu- führen.

..,. Der NA V-Bundesvorstand wird beauftragt, Richtlinien zu erarbei- ten, die die Zusammenarbeit mit den Sozialstationen regeln. Die nieder- gelassene Ärzteschaft wird aufge- fordert, sich im verstärkten Maße der ihnen von den Sozialstationen gebo- tenen Möglichkeiten in der ambu- lanten Krankenversorgung zu be- dienen.

..,. Die generelle Einführung eines Plastik-Versichertenausweises ge- mäߧ 319 RVO wird abgelehnt {Be-

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NA V-Hauptversammlung

gründung: ungelöste Probleme des Datenschutzes; unkontrollierte In- anspruchnahme ärztlicher Leistun- gen und zusätzliche Kostensteige- rungen bei den Krankenkassen). ..,.. Künftig sollte der bisher undif- ferenzierte Gesamtsozialversiche- rungsbeitrag auf den Lohn- und Ge- haltsstreifen nach Renten-, Kran- ken- und Arbeitslosenversiche- rungsbeiträgen aufgeschlüsselt werden, um so mehr Kostentranspa- renz zu schaffen.

..,.. Die pharmazeutischen Unterneh- men werden aufgefordert, die ge- genwärtig verwendeten Beipackzet- tel in Arzneimittelpackungen so zu gestalten, daß diese ausschließlich für den Patienten bestimmt und die darin enthaltenen Informationen auch für ihn verständlich sind. Den Ärzten sollte ein genormtes und nur für sie bestimmtes Informationsblatt zur Verfügung gestellt werden, wel- ches das gesamte notwendige Wis- sen bei der Applikation vermittelt.

..,.. Die Kosten bei verordneten Heil- und Hilfsmitteln (orthopädische Schuhe, Brillen, Rollstühle usw.) sollen für den Versicherten transpa- renter gestaltet werden, um auch hier eine vertretbare Kostendämp- fung zu erreichen.

..,.. Die Ärzteschaft sollte verstärkt um die Inanspruchnahme der Krank-

heitsfrü herken nu ngsu ntersuch u n- gen werben und über die nachge- wiesenen Erfolge dieser Maßnah- men aufklären.

..,.. Bei stationärer Krankenpflege sollten die Patienten -soziale Härte- fälle ausgenommen - in Höhe von 5 bis 10 DM täglich an den Pflegeko- sten beteiligt werden (Beispiel:

Schweden!).

..,.. Der NA V-Bundesvorstand soll ein

.,Grundsatz- und Strategiepro-

gramm" ausarbeiten, das Ende März in einer außerordentlichen Delegier- tenversammlung beraten werden soll. Zugleich soll es als Beratungs- unterlage für die Neufassung des sogenannten Blauen Papieres der deutschen Ärzteschaft dienen.

Dr. Harald Clade

BRIEFE AN DIE REDAKTION

ERRATA

Zu seinem Feuilletonbeitrag .,Mozart und Hildesheimer··. veröffentlicht im Feuille- ton der Hefte 42 und 43/1978 (Seite 2466 und Seite 2546), berichtigt der Autor fol- gende Errata:

Mozart und Hildesheimer

1. Hildesheimers Mozart-Buch er- schien 1977, nicht 1976. 2. Die Per- sonalbeschreibung .,schlechthin unausstehlich, angelegt zwischen Heulsuse und Racheengel" hat Hil- desheimer in seinem Mozart-Buch nicht Donna Anna, sondern Donna Elvira zugedacht (Seite 233 in sei- nem Buch).

Professor Dr. Dr. A. Greither Moorenstraße 5

4000 Düsseldorf

ARZNEIMITTEL

Zu dem Artikel .,Der Spiegel - Vorkämp- fer für Placebos" von Prof. Dr. med. K. F.

Sewing in Heft 42/1978 .

Regelkreis

Ob es wirklich berechtigt ist, von .,den Leuten" sprechen zu dürfen, die .,auf der Seite der sogenannten besonderen Therapieverfahren ste- hen und sich einem Wirksamkeits- nachweis mit wissenschaftlichen Methoden entziehen"? Es sei daran erinnert, daß der doppelte Blindver- such ausgerechnet vom Verein ho- möopathischer Ärzte Österreichs 1884 eingeführt wurde, um die aus- gedehnte Diskussion über Arznei- wirkung und Spontanheilung und über die .. Droge Arzt" durch klini- sche Versuche auf einen sachlichen Boden zu stellen ... Über Placebo und Arzneiwirkung wissen wir ho- möopathischen Ärzte, so bin ich überzeugt, wahrscheinlich mehr, als Herr Kollege Sewing glaubt. Und wenn wir Gründe haben, für unsere Arzneien Wirkungsnachweise, die ihrer Eigenart entsprechen. erbrin- gen zu dürfen. dann braucht jetzt nicht ständig .,von den Leuten, de- nen unsere Arzneien ein Dorn im Auge sind" (jetzt sage ich es mal genauso wie Herr Kollege Sewing)

darauf herumgehackt zu werden, daß sich die Legislative unseren besseren Argumenten aufgeschlos- sen gezeigt hat. Es ist doch gewiß ein gewaltiger Unterschied, ob Ärz- te, die für die von ihnen verordneten Arzneien geradestehen können, weil sie a priori wissen, wie die Wirksam- keit sein wird, diese Arzneien weiter für ihre Therapie fordern oder ob eine Industrie, die uns eine Wirkung und Wirksamkeit mit Hilfe gewalti- gen Reklameaufwands aufschwat- zen muß, den Nachweis erbringen soll, ob die Behauptungen über- haupt stimmen ... Die unstudierte Zweitwirkung nennt man -weil un- erwünscht: Nebenwirkung. Diese Konträrtherapie greift im Regelkreis im Bewältigungsprogramm direkt an und fördert ein Endverhalten, das eigentlich eine Unheilung ist, weil die überall vorhandenen Regelsyste- me im allgemeinen ungenützt gelas- sen werden ... Es ist ja völlig rich-

tig, daß es viele Fälle gibt, in denen

eine an der notfallbezogenen Erst- versorgung orientierte Klinische Me- dizin so therapieren muß, aber es gibt wesentlich mehr Fälle, in denen das nicht nötig ist. Gerade der Re- gelkreis zeigt uns deutlich, daß der biologisch Denken gelernt habende Arzt nichts tun darf, das die Selbst- heilungstendenz stört. Diese Natur- heilung durch Angreifen an der Re- gelgröße zu fördern ist eine Domäne der Homöopathie, deren Wirksam- keit durch Cito-tuto-et-jucunde-Hei- lungen von Säuglingen, Tieren, Be- wußtlosen u. a. m., durch Erstver- schlimmerungen und Eliminations- phasen vieltausenfach belegt ist, insbesondere dadurch, daß Place- bosymptome Placebogaben nicht wichen. sondern dem passenden, d. h. dem homöopathischen Mittel.

Über den Spiegel wollen wir lieber nicht reden. Wir sollten uns aber im kollegialen Umgang um die Wahr- heitsfindung bemühen. Das ge- schieht jedoch keineswegs durch die ständige Wiederholung falscher Behauptungen von sonst honorigen Kollegen ...

Dr. med. Manfred Freiherr von Ungern-Sternberg Gartenstraße 12 4930 Detmold

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