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Archiv "Kultur und Krankheit" (23.04.1993)

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Kultur und Krankheit

ten und ein kleines Labor. Von dort werden die Patienten in das Provinz- krankenhaus überwiesen, wo Ärzte und Fachärzte tätig sind. Die Kosten für den Aufenthalt, die Medikamen- te und auch die Transportkosten zum Krankenhaus werden vom Staat getragen. Traditionelle Medizin fin- det man noch in den Dörfern. Kräu- terkundige und Zauberer werden häufig als erste konsultiert.

Für die Ärzteausbildung steht in der Hauptstadt die medizinische Fa- kultät der Universität zur Verfügung.

Nach dem Staatsexamen folgt eine zweijährige Zeit am Krankenhaus mit Rotation durch alle Abteilungen.

Diese Zeit ist recht hart mit täglicher Dienstbereitschaft und Anwesen- heitspflicht rund um die Uhr. Nach dieser Zeit wird der junge Arzt eine Zeitlang in ein Krankenhaus in einer entlegenen Provinz oder in ein Busch-Krankenhaus geschickt, wo er alleinverantwortlich arbeiten muß.

Anschließend darf er sich für eine Weiterbildung bewerben. Bei An- nahme absolviert er zunächst ein Probejahr in dem jeweiligen Fachge- biet, und dann wird entschieden, ob er die Weiterbildung beginnen soll.

Sie ist so organisiert, daß die anlei- tenden Ärzte regelmäßig wechseln.

So bleiben auch am Angau-Memori- al-Hospital die Ärzte in der fachchir- urgischen Ausbildung in der Regel nur ein Jahr. Die Weiterbildung wird abgeschlossen mit einer Prüfung vor englischen und australischen Ärzten des jeweiligen Fachgebietes. Vom Ausland werden Fachärzte mit ei- nem festen Ausbildungsauftrag an- gefordert. Die Zeit ist abzusehen, wo Papua Neuguinea in Hinblick auf den ärztlichen Nachwuchs auf eige- nen Füßen stehen wird.

Es ist gut, daß die Ausbildung im Land selbst qualifiziert vorgenom- men wird und die Ärzte nicht zur Ausbildung ins Ausland müssen. So betrachtet ist die Tätigkeit als Chir- urg in einem Land wie Papua Neugu- inea Hilfe zur Selbsthilfe.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Oluf Hübner Malteser-Krankenhaus Bonn-Hardtberg Chirurgische Abteilung Von-Hompesch-Str. 1 W-5300 Bonn 1

Beim Versuch, psychische Er- krankungen von Migranten/Flücht- lingen im Kontext der „kulturellen Hintergründe der Herkunftsländer"

zu verstehen, wird oft der biographi- sche Aspekt vernachlässigt, vor allem die Situation, die zu Flucht/Migrati- on geführt hat, oder die interkultu- rellen Konflikte im Aufnahmeland.

Individuell-seelische Probleme wer- den dabei ausschließlich auf „kultu- relle Besonderheiten" des Betroffe- nen oder seiner Heimat reduziert.

Meistens geht es um eine vereinfach- te Vorstellung von Kultur als Sam- melbegriff für immer gleich bleiben- de Sitten und Gebräuche. Kultur wird als stagnierend und nicht als dy- namisches Wert- und Normsystem verstanden. Gemeinsamkeiten der Kulturen werden gern zugunsten ih- rer Unterschiede verdrängt.

Ein Beispiel für diese Tendenz der Verallgemeinerung individuell- seelischer Probleme als „kulturelle Besonderheiten" gab ein Symposium zum Thema „Psychiatrische Versor- gung von Migranten", das in der Me- dizinischen Hochschule Hannover stattfand. Der Normalitäts- und Krankheitsbegriff, der bei dieser Fachtagung im Kontext mit kurdi- scher Kultur von einem der Referen- ten vertreten wurde, ist kritikwürdig:

Ich halte ihn ethisch nicht für ver- tretbar, da er an die Anthropologie der Kolonialzeit erinnert, und auch nicht für wissenschaftlich haltbar.

Seitdem die Menschen von den Bäumen heruntergekommen sind, auf dem Boden der Realität seßhaft und zivilisiert leben, haben die Kul- turen neben ihren Varianten auch universelle Aspekte, in denen sie sich kaum voneinander unterschei- den. So findet man heute keine grö- ßere Gesellschaftsformation, in der Menschen zur Abwehr psychosozia- ler Konflikte und Probleme auf Bäu- me klettern oder in bedrohlicher Si- tuation die Zähne als Verteidigungs- waffe benutzen würden. Es sei denn, jemand regrediert auf diese Phase des Menschseins aufgrund spezifi- scher psychischer Probleme. In die- sem Fall wird man den Ausbruch ei- ner psychischen Erkrankung diagno-

stizieren. Nicht so bei der genannten Fachtagung in Hannover:

Dort wurde in einem Fallbei- spiel die ärztlich erstellte Diagnose

„schizophrene Psychose" bei einem Kurden von einem Referenten zur Fehldiagnose gestempelt. Weil näm- lich, wie der Referent explizierte, das Verhalten dieses Kurden, der wegen des engen Lebensraumes und seiner ständig schimpfenden Frau auf einen Baum geklettert war und nach der Rettungsaktion der Feuer- wehr sich gegen den behandelnden Arzt mit einem Biß in dessen Hand zur Wehr gesetzt hatte, im Rahmen seiner heimatlichen Kultur als „nor- mal" zu betrachten sei.

Der gleiche Referent berichtete außerdem über Halluzinationen, die nach seiner Meinung keinen Krank- heitswert haben, weil sie „normal"

seien: Ein kurdischer Patient in der Türkei habe Dämonen gesehen, sein kurdischer Dolmetscher habe diesel- ben Visionen gehabt. Da er dies noch bei weiteren Kurden feststellen konnte, kam er zu dem Schluß: Dä- monen zu sehen ist bei Kurden, ent- sprechend ihrem kulturellen Hinter- grund, normal.

Gerade im Rahmen der psychia- trischen und psychologischen Ver- sorgung von Migranten/Flüchtlingen sind angemessene Verständigungs- möglichkeiten zwischen dem Thera- peuten und dem nichtdeutschen Pa- tienten vonnöten. Dazu gehören auch Kenntnisse über die Kultur der jeweiligen Herkunftsländer. Solche Kenntnisse sind jedoch nicht durch Simplifizierungen und durch Redu- zierung psychischer Probleme auf

„kulturelle Besonderheiten" zu ver- mitteln, wie sie den Teilnehmern der Fachtagung in Hannover angeboten wurden. Ganz davon abgesehen, daß solche Verallgemeinerungen dem notwendigen tieferen Verständnis von Menschen mit anderem kulturel- len Hintergrund nicht förderlich sind.

Dr. Mansur Bakhtiar,

Psychosoziale Beratungsstelle der Initiative für ein internationales Kulturzentrum,

Scheidestraße 24, W-3000 Hannover 1 Dt. Ärztebl. 90, Heft 16, 23. April 1993 (37) A1-1177

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