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Archiv "Arzt im Krankenhaus: Plädoyer für das Teamarzt-Modell" (05.06.1998)

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rstmals seit dem 74. Deutschen Ärztetag in Mainz (Mai 1971) und den beim Westerländer Ärztetag 1972 beschlossenen Leitsät- zen zur Krankenhausreform wurde beim Kölner Ärztetag 1998 das The- ma der „Struktur des ärztlichen Dien- stes in den Krankenhäusern“ unter dem Motto „Arzt im Krankenhaus:

Standortbestimmung und Zielortbe- stimmung“ wieder zu einem zentralen Tagesordnungspunkt. Die Plenarde- batten waren denn auch eine „Stern- stunde“ (wie ein Delegierter bemerk- te). Während der gut neunstündigen Beratungen wurde das Thema grundsätzlich und mit Tiefgang, mit

viel Engagement und Sachverstand in allen Facetten beleuchtet. Am Ende gab es richtungweisende Beschlüsse und Resolutionen, gerichtet an die Politik und die Öffentlichkeit sowie die Klinikträger, um die Berufsper- spektiven der Klinikärzte zu verbes- sern und um zu tragfähigen Rahmen- bedingungen zu gelangen.

Dr. med. Dr. h. c. Karsten Vilmar, der Präsident der Bundesärztekam- mer, Referent zum Tagesordnungs- punkt IV, konstatierte: Die Struktur- probleme können nicht sektoral gelöst werden. Bereichsübergreifende Initiativen sind dringend erforderlich.

Sowohl die Außen- als auch Innen- struktur des Krankenhauses müssen auf den Prüfstand gehoben werden.

Die Krankenhausmedizin muß in ei- nem Gesamtversorgungsplan durch eine sektorenübergreifende Betrach- tungsweise einbezogen werden.

Die Korreferenten und die Dele- gierten sekundierten dem Ärztetags- Präsidenten: Die Perspektivlosigkeit der Klinikärzte infolge der sich dramatisch verschlech- ternden Rahmenbedingun- gen, aber auch infolge des Wegbrechens des Arbeits- marktes für Klinikärzte er- fordern dringend eine Trendumkehr. Auch die Führungsstrukturen müß- ten geändert und den Er- fordernissen der im Kran- kenhaus konzentrierten Hochleistungsmedizin und der unverzichtbaren flä- chendeckenden Akutver- sorgung angepaßt werden.

Schließlich könne die mo- derne Medizin nicht unter den Bedin- gungen und den rechtlichen Vorgaben von 1935 erbracht werden, als sich die Klinikträger noch auf das Reichskon- kordat berufen konnten. Wer dies auch heute noch beharrlich fordere, müsse in Kauf nehmen, daß auch nur die Medizin von 1935 umgesetzt wer- den kann. Die Krankenhausärzte, die

auf die Solidarität ihrer niedergelasse- nen Kolleginnen und Kollegen bauen können, so versicherten die Delegier- ten, wollten nicht als Kostenträger und fest kalkulierte Budgetgröße ein- gespannt werden. Vielmehr müsse de- ren Kompetenz und Verantwortung, deren Leistungsbereitschaft angemes- sen vergütet werden, damit das Kran- kenhaus als eine interdisziplinäre Ein- richtung und als letzte Interventions- stufe in einem gegliederten Versor- gungssystem agieren kann.

Vilmar betonte: Das Kranken- haus muß den Erfordernissen der Me- dizin angepaßt werden, und nicht um- gekehrt. In dem Maße, wie die Kran- kenhäuser zu hochtechnisierten, lei- stungs- und personalkostenintensiven Einrichtungen ausgebaut worden sei- en, die nach Facharztstandard arbei- ten, müßten auch Strukturverände- rungen vorgenommen und die inter- nen Probleme gelöst werden. Das überkommene hierarchische Chef- arztsystem unverändert beizubehal- ten und lediglich einige Planstellen mehr zu schaffen reiche nicht aus, die Probleme zu lösen. Der Ärztetag sprach sich dafür aus, im Kranken- haus mehr Lebensstellungen für be- rufs- und lebenserfahrene Klinik- fachärzte mit unterschiedlichen Spe- zialkenntnissen zu schaffen. Es sei ei- ne Fehlinvestition, das Krankenhaus nur als „Durchlauferhitzer“ für eine zeitweilige berufliche Betätigung in abhängiger Stellung zu mißbrauchen oder die weiterbildungswilligen Ärzte nach einer Art „Kuli-Ordnung“ in den Routinebetrieb mit hoher Über- stundenbelastung einzuspannen

Funktionswandel

Vilmar zitierte statistische Kenn- zahlen, die den Funktionswandel der Krankenhäuser und der veränderten Relation zwischen ambulantem und stationärem Sektor verdeutlichen:

Seit 1960 ist die Zahl der Klinikärzte von 21 544 um das Fünffache auf 107 468 (1994) gestiegen (1997:

135 000) – mit wachsender Tendenz.

Die Zahl der leitenden Klinikärzte hat sich im gleichen Zeitraum ledig- lich verdoppelt, und zwar von 4 111 auf knapp 10 000. Die Hierarchie im Krankenhaus wird dadurch unterstri-

Arzt im Krankenhaus

Plädoyer für das Teamarzt-Modell

Der Deutsche Ärztetag plädiert für einen Strukturwandel:

statt der hierarchischen soll es in Zukunft eine funktionale Gliederung geben. Ärzte wollen zudem

bei der Krankenhausbedarfsplanung aktiv mitwirken.

E

Dr. Frank Ulrich Montgomery: „Wir brauchen Strategien, um die Kom- petenzzentren Krankenhäuser fortzuentwickeln.“

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chen, daß nur noch zehn Prozent der Klinikärzte leitende Funktionen in- nehaben (von ursprünglich rund 18 Prozent im Jahr 1960). Der Anteil der Klinikärzte hat sich von 1960 bis heu- te auf mehr als 54 Prozent erhöht (nur alte Länder). Hingegen hat sich in den letzten 28 Jahren der Anteil der frei- beruflich tätigen niedergelassenen Ärzte verdoppelt – auf heute rund 115 000; sie repräsentieren einen An- teil von 46 Prozent an der Gesamtzahl der Ärzte (siehe Grafik).

Zwischen 80 und 90 Prozent der Klinikärzte mit abgeschlossener Wei- terbildung haben eine berufliche Ver- weildauer im Krankenhaus von maxi- mal zehn Jahren, absolvieren dort also lediglich etwa ein Drittel ihrer Lebens- arbeitszeit. Befristete Arbeitsverträ- ge, unbefriedigende berufliche Streß- situationen und Unterordnungsver- hältnisse ebenso wie die Ausgaben- deckelung und rigide Budgetvorschrif- ten täten ein übriges, die Klinikärzte zur „Verfügungsmasse“ zu machen.

Die Folge: Viele Klinikärzte se- hen im Arztberuf längst keinen Traumberuf mehr; wegen der fehlen- den beruflichen Perspektiven seien viele bereits im Zustand der „inneren Kündigung“. Immer mehr Berufsan- fänger, aber auch Fachärzte sowie

Chef- und Oberärzte sind von Ar- beitslosigkeit und Unterbeschäfti- gung wegen der Schließung von Kran- kenhäusern betroffen.

Nach Einschätzungen von Vil- mar sind auch die gesetzlichen Rah- menbedingungen kontraproduktiv, was die Reform und Weiterentwick- lung der internen Klinikstrukturen betrifft. Die immer weiter perfektio- nierte staatliche Krankenhausbe- darfsplanung stelle auf fachbezogene Bettenkontingente ab. Dadurch wür- den die Strukturen weitgehend ze- mentiert. Ärztetags-Referent Priv.- Doz. Dr. med. Dietrich Weisner, Vor- sitzender der Krankenhausgremien der Bundesärztekammer, folgerte daraus: Die Abkoppelung der medizi- nischen Versorgung von der Betten- planung ist überfällig. Der Patienten- versorgung sei es auch zuträglich, eine durchlässigere und durchgängige Krankenversorgung zu implementie- ren und zumindest an den Schnittstel- len zwischen ambulanter und sta- tionärer Versorgung die strikte Tren- nung beider finanziell abgeschotteter Sektoren aufzuheben.

Auch die Korreferenten zum Thema „Arzt im Krankenhaus“, Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, Hamburg, und Dr. med. Günther

Jonitz, Berlin, plädierten für eine Überwindung der hierarchischen Grundstrukturen im klinikärztli- chen Dienst nach dem Muster eines

„preußischen Feldlazaretts“ (Mont- gomery). Die Ärzte dürften aber nicht in die Rolle von Anklägern und Weh- klagenden verfallen, warnte Mont- gomery. Selbstbewußtsein, Entschei- dungsbereitschaft, Verantwortungsü- bernahme und kollegiale Teamfähig- keit seien hingegen die geeignete Ant- wort an alle jene, die den „Herr-im- Hause-Standpunkt“ verfechten.

Wer Einsicht in die medizinisch- ärztlichen Verantwortungs- und Ent- scheidungsabläufe respektiere, müsse auch Tradiertes und Obsoletes in Fra- ge stellen. Die Forderung nach Struk- turveränderungen innen und außen hätten nichts mit einer überzogenen Demokratisierungsforderung oder gar einem Einzug von Chaos und Abstim- mung am Krankenbett zu tun, so Dr.

Vilmar. Vielmehr sei das Teamarzt-Sy- stem eine adäquate, zeitgemäße Ant- wort auf die Entwicklungen in der Me- dizin und im komplexen Dienstlei- stungszentrum Krankenhaus.

Verschiedentlich sei behauptet worden, das Teamarzt-Modell sei gescheitert und die Westerländer Leitsätze hätten keine Früchte getra- gen – bis auf rund 75 Teamarztstruk- turen, die in Krankenhäusern bisher realisiert sind, berichtete Vilmar.

Richtig sei vielmehr: Die Organisati- on der spezialärztlichen Versorgung im Team habe sich im benachbarten Seit Anfang der fünfziger Jahre ist der Anteil der in freier Praxis tätigen Ärzte, gemessen an der Gesamtzahl

aller Ärzte, stetig zurückgegangen (1995: 46 Prozent), der Anteil der Klinikärzte stieg hingegen von ur- sprünglich 32 Prozent (1955) auf heute rund 54 Prozent. Im Krankenhaus ging der Anteil der leitenden Ärzte zurück, wohingegen der Anteil der Oberärzte seit 1975 um zwei Prozentpunkte stieg.

Prof. Dr. Klaus-Dirk Henke: „Es geschieht nichts, es sei denn, man tut es.“

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Ausland – so in den Niederlanden und in Großbritannien – ebenso bewährt wie in den USA. Dort wurde der rich- tige Weg eingeschlagen, nicht für jede hinzukommende Spezialdisziplin oder Subspezialität eine eigenständi- ge Abteilung zu gründen. Organisato- rische Umstellungen seien am ehesten zu bewältigen, wenn Neu- oder Um- gründungen im Klinikbereich erfol- gen, ein Chefarztwechsel erfolgt oder systemintegrative Versorgungseinrich- tungen gestartet werden, etwa Beleg- kliniken, Praxiskliniken oder Ver- bundeinrichtungen von Klinik und Praxis und bei einer Kooperation von niedergelassenen Spezialärzten mit dem Team der Klinikärzte.

Vilmar: „Das Teamarzt-Modell ist längst erwachsen, man muß jetzt endlich etwas für seine Lebensfähig- keit tun.“ Bereits in den achtziger Jah- ren sind Verhandlungen mit den Krankenhausträger-Organisationen begonnen worden, um bei den Team- arztstrukturen vorwärtszukommen – bisher allerdings ohne Erfolg. Es müs- se jedoch auch berücksichtigt werden, daß die gesetzlichen Rahmenbedin- gungen und die finanziellen Voraus- setzungen geschaffen werden müssen.

Die Länder und die Landeskranken- hausgesetze seien hier gefordert, Strukturinnovationen zu ermögli-

chen, etwa über die Einführung des kooperativen Belegarztsystems oder eine Berücksichtigung in der Landes- krankenhausbedarfsplanung und in den Ländergesetzen (bis hin zu Vor- gaben im KHG und in der Bundes- pflegesatzverordnung). In der Diskus- sion wurde ein häufig anzutreffendes

Mißverständnis zu- rechtgerückt: Team- arztstrukturen und Kollegialsysteme sind unabhängig davon zu realisie- ren, ob die Klinik- ärzte im Ange- stelltenverhältnis arbeiten oder dem Freiberuflerstatus angenähert wer- den und in Form genossenschaftli-

cher Selbstverwaltungs- und Sicher- stellungskörperschaften zusammen- arbeiten. Übereinstimmend betonten die Referenten, daß die Weiterent- wicklung zu Kollegialstrukturen nicht durch eine „Revolution“ durchgesetzt werden könne, sondern eine „Bottom- up-Reform“ nur evolutionär und im Konsens mit den Klinikträgern von- statten gehen müsse. Utopisch wäre es zu glauben, daß es ein völlig hierar- chiefreies Krankenhaus geben könne, so Montgomerys Überzeugung.

Auch dürften Klinikarzt-Teams keine „Verantwortungsverschiebungs- vereine“ werden. Die Kompetenzen müßten allerdings neu verteilt und die Hierarchien abgeflacht werden. Künf- tig könne es nur drei Funktionen von Klinikärzten geben: Ärzte, die noch

lernen; Ärzte, die es schon können (Fachärzte); und solche Klinikfach- ärzte, die zusätzli- che administrative und Führungs- funktionen über- nehmen. Jeden- falls müsse der ärztliche Dienst im Krankenhaus von

„skurrilen Abhän- gigkeiten und Pri- vilegien“ entledigt werden und ärztli- cher Sachverstand und persönliche Mitarbeit in das Management und in die Entscheidungsebene eingebunden werden, so das Petitum des Referen- ten Dr. Günther Jonitz, Vizepräsident der Ärztekammer Berlin. Im Plenum wurde die Meinung vertreten, am be- sten wäre es, einen sektorenübergrei- fenden Sicherstellungsauftrag zu im-

plementieren, bei dem bereichsüber- greifende Bedarfsplanungsvorgaben gelten. Dadurch könne auch ein „Kul- tursprung“ resultieren, der die Hand- lungs- und Gestaltungsfähigkeit der Klinikärzte unter Beweis stellt. Ob ei- ne eigenständige selbstverwaltete Körperschaft der Krankenhäuser oder Krankenhausärztliche Vereini- gungen geschaffen werden sollten (Diskussionsstoff Anfang der siebzi- ger Jahre) oder aber die Vorteile einer BAT-bezogenen arbeitsrechtlich ab- gesicherten Anstellung mehr Vorteile biete, war bei den Delegierten um- stritten.

Entstaatlichung der Klinik-Planung

Der beschlossene Leitantrag plä- diert für eine Entstaatlichung der Krankenhausplanung und eine Mitbe- teiligung der Ärzteschaft auch bei den Investitionsprogrammen im Kliniksek- tor. Im Teamarztmodell müßten wie- der Verantwortung und Kompetenz zusammengeführt werden. Vorausset- zung seien aber auch intakte äußere Strukturen bis hin zur leistungsgerech- ten Finanzierung der Krankenhäuser und ihrer Manpower. Eine verläßliche und langfristige Sicherung der Lei- stungsfähigkeit und Finanzierung der Kliniken sei dabei unerläßlich. Nur da- durch würden die Krankenhäuser in- stand gesetzt, die geleisteten Über- stunden abzubauen und mehr Planstel- len für Lebensstellungen zu schaffen.

Eine Notwendigkeit, die spe- zialärztliche Versorgung besser zu verzahnen, bestehe vor allem in Klini- ken der Grund- und Regelversor- gung. Diese könne durch angestellte oder freiberuflich tätige Spezialärzte Demonstrativer Beifall für Dr. Karsten Vilmar, der die Sach- und Stimmungslage

offenbar genau getroffen hatte.

Dr. Günther Jonitz (l.) und Priv.-Doz. Dr. Dietrich Weisner, Referenten zum Tages- ordnungspunkt „Arzt im Krankenhaus“

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gewährleistet bleiben. Das Belegarzt- system und praxisklinische Einrich- tungen könnten hier eine Pionierrolle spielen. Die spezialärztliche Versor- gung in den Kliniken könnte durch ein Team freiberuflich tätiger Ärzte und Ärzte mit besonderen Kenntnissen und Erfahrungen organisiert und ge- währleistet werden.

Anstelle der hierarchischen Glie- derung tritt dann eine arbeitsteilige, funktional ausgerichtete Tätigkeit im Team. Dadurch sei eher zu erreichen, daß die unterschiedlichen Spezial- kenntnisse im gleichen Fachgebiet umfassend genutzt werden und konsi- liarischer Beistand gesichert ist. Die Teamärzte müßten auch die Weiter- und Fortbildung übernehmen und für die Arbeitsteilung und Koordination sorgen. Diese Strukturvorgaben müß- ten unterschiedslos auch für die Universitätskliniken gelten, deren

„kleine Königreiche“ und veralterten Führungsprinzipien keine „funktio- nalen Hierarchien“ duldeten, so Dr.

Montgomery. Der Ärztetag wider- sprach Forderungen, die Kranken- häuser auf institutioneller Basis noch mehr als bisher für ambulante Lei- stungen zu öffnen. Dies sei der falsche Weg, betonte Dr. Vilmar. Denn dann

würden den Patienten Möglichkeiten eröffnet, qua Institution die teure Kli- nikinfrastruktur zu nutzen und zu blockieren, ohne sie tatsächlich zu benötigen. Mit dem Beschluß wird be- tont, daß die klinische Versorgung im Bereich der Hochleistungsmedizin den stationär im Kollegialsystem täti- gen Spezialisten in Schwerpunktkran- kenhäusern vorbehalten bleiben müs- se. Weitere Strukturmaßnahmen müß- ten der personalen Integration dienen:

– Förderung des kooperativen Belegarztwesens und Zuschnitt „kon- genialer“ Organisationsstrukturen;

– kooperative ambulante und stationäre Nutzung der Infrastruktur und der Geräte des Krankenhau- ses insbesondere durch die Zulas- sung von Laborärzten, Nuklearmedi- zinern, Pathologen, Radiologen und anderen Vertragsärzten mit Vertrags- sitz im Krankenhaus oder in seinem Umfeld;

– vermehrte persönliche Ermäch- tigung von Klinikfachärzten zur Er- bringung hochspezialisierter Leistun- gen;

– Förderung vernetzter Struktu- ren und strikte Umsetzung einer ver- sorgungsadäquaten gestuften Kran- kenversorgung, durchgängig vom am- bulanten zum stationären Sektor in ei- ner gemeinsam gestalteten „Versor- gungskette“.

„Teamarbeit fängt im Kopf an, das kann man nicht auf ein Stück Pa- pier schreiben“, so ein Einwurf von Montgomery. Im Krankenhaus dürfe die Ökonomie nicht generell über die Humanität und eine individuelle Pati- entenversorgung gestellt werden.

Qualifizierte und motivierte Mitar- beiter seien das eigentliche Human- kapital, so eine andere Aussage.

Der Faktor Arbeit im Kranken- haus müsse unter sechs Postulate ge-

„Auch im Krankenhaus sind Solidarität und Wettbewerb die beiden Seiten der gleichen Medaille.“ Diese Überzeugung vertrat Prof. Dr. rer. pol. Klaus-Dirk Henke, einer von fünf Re- ferenten zum Tagesordnungspunkt „Arzt im Krankenhaus“, vor dem Deutschen Ärztetag. Der Vorsitzende des Sachver- ständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheits- wesen beeindruckte die Delegierten durch einen lebhaften Vortrag, dem allerdings der rote Faden fehlte. Henke verdeut- lichte seine Auffassung mit dem Bild eines Reiters: Gebe man der Zuwendungsmedizin Vorrang vor allem, so falle man qua- si rechts hinunter vom Pferd, stehe allein die Wirtschaftlich- keit im Vordergrund, stürze man auf der linken Seite ab. Die Kunst bestehe darin, die Balance zu halten.

All die Veränderungen im Gesundheitswesen brächten Verunsicherung und Unruhe mit sich – zumal „die Durchdrin- gung des Krankenhauses mit ökonomischen Denk- und Hand- lungsmustern mit dem tradierten medizinisch-pflegerischen Ethos im Widerspruch zu stehen scheint“. Andererseits müsse man auch die Chancen dieses Strukturwandels sehen:

1Unwirtschaftlichkeiten werden abgebaut, so daß man frei werdende Mittel einer besseren Gesundheitsversorgung zuführen kann;

1eingefahrene hierarchische Strukturen werden hinter- fragt,

1 berufsgruppenübergreifende Kooperationsformen entstehen oder werden weiterentwickelt,

1 Qualitätssicherung tritt noch mehr in den Vorder- grund.

Henke zeigte gewisses Verständnis für die Sorgen der Krankenhausärzte. Er bemühte sich aber immer wieder, ihnen Vorteile des Wandels und ihre gute Position aufzuzeigen: „Sie brauchen sich angesichts der hohen Qualität der medizini- schen Versorgung nicht zu verstecken.“ Die Krankenhausärz- te sollten selbstbewußt die Versorgung neu definieren und ge- stalten. Im Grunde seien die Kliniken auch kein Verlierer im Verteilungskampf. Modellberechnungen zufolge habe sich der Anteil der Krankenhausausgaben am durchschnittlichen GKV-Beitragssatz von 3,4 Beitragssatzpunkten im Jahr 1978 auf knapp 4,5 Beitragssatzpunkte 1996 erhöht.

Am Ende seines Vortrags unterbreitete Henke Vorschlä- ge, wie man Träger-, Organisations- und Finanzierungsstruk- turen dauerhaft verbessern könne. Die strikte Trennung zwi- schen ambulantem und stationärem Bereich sei medizinisch wie ökonomisch kontraproduktiv. Forderungen nach einer größeren Durchlässigkeit seien deshalb begründet. Letztere könne personell stattfinden durch Belegärzte sowie durch die Beteiligung und Ermächtigung von Krankenhausärzten für die Versorgung im ambulanten Bereich. Zunehmen müsse aber auch die institutionelle Verzahnung.

Als prädestiniert hierfür nannte Henke Tageskliniken, Praxiskliniken, vorstationäre Diagnostik, nachstationäre Be- handlung sowie den Aufbau medizinisch-technischer Gemein- schaftseinrichtungen. Ärzten und Ärztinnen auf der Suche nach neuen Ansätzen riet er, sich das ein oder andere dort ab- zugucken, wo es besser gemacht werde. Denn: „Es geschieht nichts – es sei denn, man tut es.“ Rie

Chancen des Wandels selbstbewußt nutzen

Seit Jahren engagiert in der Krankenhauspolitik: Rudolf Henke, Oberarzt und MdL von Nordrhein-Westfalen

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stellt werden: Sinnhaftigkeit der Tätigkeit; Gerechtigkeit bei den Ar- beitsbedingungen und bei der Bezah- lung; humane Arbeitsbedingungen, insbesondere bei der Arbeitszeitrege- lung und bei den Einsatzzeiten; Mit- sprachemöglichkeiten; Partizipation statt Autorität; berufliche Aufstiegs- chancen und wirtschaftliche Siche- rung eines qualifizierten Dauerar- beitsplatzes.

Nicht beipflichten mochten die Delegierten einer Äußerung von Prof. Dr. med. Wolfgang Wildmeister, Krefeld, der für einen Wandel in der Betriebsführung und der Gesinnung der Führungskräfte plädierte, aber die überkommenen Strukturen im we- sentlichen unverändert lassen wollte.

An die Klinikträger wurde appel- liert, Organisationsmängel zu beseiti- gen und die teure Arbeitskraft der Klinikärzte nicht mit überbordenden Verwaltungs- und Dokumentations- pflichten zu belasten. Andererseits müßten sämtliche erbrachten Lei- stungen exakt erfaßt und dokumen- tiert werden, damit eine gerechte Be- zahlung erfolgen kann.

Heftig gerügt wurde eine Äuße- rung des Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, Prof. Dr.

med. Christian Herfarth, Universität Heidelberg, der beim jüngsten Kon- greß kundtat, das Arbeitszeitgesetz solle nicht in den Universitätskliniken gelten. Dies sei eine Aufforderung zur Ausbeutung und eine Versündigung gegenüber jungen Kolleginnen und Kollegen, so Prof. Dr. Dr. Dieter Adam, München.

Heftig widersprach das Plenum auch einer Meinung einzelner Dele- gierter aus Hamburg, die das „Kon- senspapier“ zur Verzahnung (verglei- che auch Bericht zu diesem Tagesord- nungspunkt in diesem Heft) wieder aufweichen und eine institutionelle Öffnung der Kliniken nicht generell ausschließen wollten. Bei allen Ge- gensätzen war man sich einig: „Wer nicht handelt, wird behandelt.“ Eine weitere Entwertung des ärztlichen Berufes und eine Inflationierung des Arbeitsanfalls ohne gerechte Bezah- lung könnten nicht hingenommen werden. Überfällig seien adäquate medizingerechte Versorgungsstruktu- ren. Hierbei habe sich das Recht un- terzuordnen. Dr. Harald Clade

er 101. Deutsche Ärztetag in Köln hat das Initiativpro- gramm zur Sicherstellung der Weiterbildung in Allgemeinmedizin begrüßt, das die Gesundheitsminister- konferenz der Länder (GMK) erarbei- tet hat. In dem entsprechenden Ent- schließungsantrag, den der Vorstand der Bundesärztekammer den Dele- gierten zur Abstimmung vorgelegt hat- te, heißt es: „Der Deutsche Ärztetag sieht darin einen Weg zur Realisierung des vom 99. und 100. Deutschen Ärzte- tag beschlossenen fünfjährigen Weiter- bildungsganges in Allgemeinmedizin.“

Den Landesärztekammern wird daher empfohlen, diesen in ihre Weiterbil- dungsordnungen aufzunehmen. Die GMK hat erklärt, Mitte Juni die not- wendigen Beschlüsse zur Umsetzung des Initiativprogramms zu fassen.

Dann können die rechtlichen Grundla- gen für die finanzielle Förderung der allgemeinmedizinischen Weiterbil- dungsstellen durch die gesetzlichen Krankenkassen geschaffen werden (siehe DÄ 21/1998).

Der Antrag des Vorstandes wur- de unter Beifall mit großer Mehrheit, jedoch auch mit etlichen Gegenstim- men angenommen. Zuvor hatten die Delegierten mehrere Stunden lang über Chancen und Risiken des Initia- tivprogramms debattiert. Dr. med.

Dr. h. c. Karsten Vilmar, Präsident der Bundesärztekammer und des Deut- schen Ärztetages, war im Vorfeld noch einmal auf die schwierigen Ver- handlungen und die ärztliche Kritik an dem Papier eingegangen. Er räum- te ein, daß in einigen Formulierungen noch große Schwierigkeiten steckten.

In der letzten Verhandlungsrunde sei jedoch kein weitergehender Kom- promiß mehr möglich gewesen. Die

Krankenkassen seien beispielsweise zur finanziellen Förderung der all- gemeinmedizinischen Weiterbildung nur dann bereit, wenn das Programm zum 1. Januar 1999 starte. Dies er- höhe den Druck auf die Beteiligten, mit der Umsetzung zügig zu beginnen, lautete ihr Argument.

Haken und Ösen sahen auch die Befürworter des Programms. „Wenn wir das Programm ablehnen, würde je- doch das Ansehen der deutschen Ärz- teschaft als ernstzunehmender politi- scher Partner verspielt. Es bietet zu- dem die Möglichkeit, auf dem von uns eingeschlagenen Weg weiterzugehen“, appellierte Dr. med. Dieter Everz, Prä- sident der Landesärztekammer Rhein- land-Pfalz, an die Delegierten. „Die Chancen des Papiers sind wesentlich höher als die Risiken“, urteilte Dr.

med. Elisabeth Hauenstein, Vor- standsmitglied der BÄK, vor allem,

Weiterbildung zum Allgemeinarzt

Was lange währte, ist jetzt beschlossen

Die Rahmenbedingungen für die fünfjährige Weiterbildung in Allgemeinmedizin sind erfüllt. Das hat der 101. Deutsche Ärztetag nach stundenlanger Debatte entschieden.

D

Dr. Everz (hinter ihm Dr. Hege): Chancen größer als die Risiken

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weil das Programm jungen Ärzten ei- ne Perspektive schaffe. Dr. med. Ger- not Nick, Landesärztekammer Rhein- land-Pfalz, hielt es für unverantwort- lich, das Kassenangebot von 320 Mil- lionen DM auszuschlagen. Für den Fall einer Ablehnung machte er auf die Ge- fahr aufmerksam, daß die Politik das Initiativprogramm umsetzen könnte, ohne den Ärzten noch eine Chance zum Eingreifen zu geben.

Prof. Dr. med. Jörg Dietrich Hop- pe, Vizepräsident der Bundesärzte- kammer und im Vorstand zuständig für Weiterbildungsfragen, machte darauf aufmerksam, daß eine Ableh- nung des Programms bedeute, die Be- schlüsse über die Reform der all- gemeinmedizinischen Weiterbildung aus den letzten Jahren zurückzustel- len und sich wieder auf den Diskussi- onsstand der 80er Jahre zu begeben.

„Wir haben in Eisenach beschlossen, daß wir die Weiterbildungsreform al- lein nicht umsetzen können“, sagte Hoppe, der als einer der Vertreter der Bundesärztekammer an den Ver- handlungen über das GMK-Papier beteiligt gewesen war. Mittlerweile sei Unglaubliches geschehen: Die Kassen hätten sich zur Finanzierung bereit er- klärt. Dafür müsse man ihnen dank- bar sein. Die viel kritisierten plane- rischen Elemente des Initiativpro- gramms habe man selbst provoziert.

Daß Politik und Krankenkassen das Initiativprogramm nutzen könn- ten, um drastische strukturelle Verän- derungen im Gesundheitswesen her- beizuführen, waren die Hauptargu-

mente der Kritiker.

Dr. med. Ingo Flenker, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, erinnerte: „Es geht nicht nur um 320 Millionen DM.“

Das Programm kön ne massive staatli- che Eingriffe in die Kompetenzen der Ärztekammern zur Regelung der ärzt-

lichen Weiterbildung nach sich ziehen.

Nicht zuletzt drohe die Einführung des Primärarztsystems durch die Hinter- tür. „Wir ziehen ein Trojanisches Pferd in die Kammern, wenn wir dem Initia- tivprogramm zustimmen“, befürchtete auch Priv.-Doz. Dr. med. Roland Wön- ne, Landesärztekammer Hessen.

Eine grundsätzliche Frage warf Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, Vorstandsmitglied der Bundesärzte- kammer, auf. Er bezweifelte die Not- wendigkeit eines Notprogramms zur Förderung der Allgemeinmedizin und behauptete, man sei bei der Beurtei- lung der Situation von falschen Zah- len ausgegangen. Der Marburger Bund habe dem Papier nicht zuge- stimmt. Auch der Deutsche Ärztetag könne das Programm nicht unkon- ditioniert annehmen. „Wir wollen Demokratie, nicht Erpressokratie“, meinte Montgomery und bezog sich dabei auf die starre Haltung der Kran- kenkassen in der letzten Verhand- lungsrunde. Zur Klarstellung der ärzt-

lichen Position wurde dem Votum des 101. Deutschen Ärztetages im An- schluß an die Debatte folgender Pas- sus angefügt: „Strukturelle Verände- rungen, welche die Weiterbildung für Allgemeinmedizin nicht fördern und zum Beispiel das Recht der Ärzte- kammern auf Regelung der ärztlichen Weiterbildung beschneiden oder den Einstieg in ein Primärarztsystem er- möglichen, lehnt der Deutsche Ärzte- tag nach wie vor ab.“

Vier weitere Ergänzungen wur- den ebenfalls angenommen. Diese stellen klar, daß mit der Annahme des Sofort-Programms keine Veränderung des Tätigkeitsumfangs fachärztlicher Gebiete verbunden ist und die freie Arztwahl nicht tangiert wird. Zudem fordert der Ärztetag, benötigte Weiter- bildungsstellen in den Krankenhäu- sern nicht über die Pflegesatzverhand- lungen, sondern zusätzlich zu den Bud- gets zu finanzieren. Außerdem soll an- stelle der im Initiativprogramm vorge- sehenen Weiterbildungsermächtigung ärztlicher Direktoren die allgemein- medizinische Weiterbildung im Ein- vernehmen mit den Fachärzten organi- siert werden. Die Absicht der Kran- kenkassen (zum Beispiel der AOK Bayern), Vertragsärzten „Stillegungs- prämien“ zu zahlen, wenn diese ihren Vertragsarztsitz aufgeben, wurde ent- schieden zurückgewiesen. Derartige Prämien verhinderten unter anderem die Niederlassung der zuvor geförder- ten Allgemeinärzte.

Der Diskussionsbedarf der Dele- gierten zum „Initiativprogramm“ war groß. Zweimal wurde ein Antrag auf Ende der Debatte mit großer Mehr- heit abgelehnt. Das positive Votum signalisiert jedoch den Willen, es mit der Förderung der Allgemeinmedizin ernst zu nehmen. Heike Korzilius Skeptisch: Dr. Flenker (links), zustimmend: Dr. Weisner, Dr. Hauenstein

Zwischen Skepsis und Zustimmung. Verabschiedung dann mit großer Mehrheit

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