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Archiv "Präimplantationsdiagnostik: Plädoyer für eine unvoreingenommene, offene Debatte" (10.03.2000)

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ie Präimplantationsdiagno- stik (preimplantation genetic diagnosis = PGD) steht im Widerspruch zum Embryonenschutz- gesetz, wonach eine Eizelle nur zum Zweck der Herbeiführung einer Schwangerschaft bei der Frau, von der die Eizelle stammt, künstlich befruch- tet werden darf; ein Embryo darf auch nur zu diesem Zweck extrakorporal weiterentwickelt werden; ein extra- korporal erzeugter Embryo darf zu keinem anderen Zweck als zu seiner Erhaltung verwendet werden, siehe § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 2 Abs. 1 und 2 ESchG.

Ziel der Regelung der künstlichen Be- fruchtung im Embryonenschutzgesetz ist die Behandlung von Fertilitäts- störungen, also die Erfüllung des Kin- derwunsches einer Frau oder eines Paares.

Grundrechtschutz kommt bereits dem Embryo zu

Bei der PGD wird die Eizelle aber zunächst nur zu diagnostischen Zwecken künstlich befruchtet. Stellt sich dabei heraus, dass der Embryo mit der vermuteten genetischen Er- krankung belastet ist, wird er verwor- fen. Die künstliche Befruchtung ver- lässt hier also den Rahmen des Em- bryonenschutzgesetzes. Die Indikati- on für eine fortpflanzungsmedizini- sche Maßnahme wird ausgeweitet.

Embryonen werden künstlich er- zeugt, ohne dass Fertilitätsstörungen bei der Frau oder dem Paar vorliegen, um bereits vor Beginn der Schwanger- schaft eine genetische Untersuchung

der extrakorporal vorliegenden Em- bryonen zu ermöglichen und eine Auswahl im Hinblick auf eine geneti- sche Erkrankung des zukünftigen Kindes treffen zu können.

Teilweise wird die PGD bereits jetzt als – in engen Grenzen – nicht durch das Embryo-

nenschutzgesetz ver- boten angesehen, weil auch bei der PGD der Gesamt- vorgang letztlich die Erfüllung des Wun- sches nach einem – gesunden – Kind zum Ziel habe und dies nur unter der Voraussetzung ge- schehe, dass dabei keine totipotenten Zellen, also solche, aus denen noch ein ganzer Mensch ent- stehen kann, betrof- fen werden. Aber auch bei dieser Hal- tung ist zu berück-

sichtigen, dass nach der Rechtspre- chung des Bundesverfassungsgerich- tes der Gesetzgeber verpflichtet ist, in grundlegenden gesellschaftlichen Fragen, zumal im Bereich der Grund- rechtsberührung, alle wesentlichen Entscheidungen selbst – durch Gesetz – zu treffen. Menschenwürde und Grundrechtsschutz kommen bereits dem ungeborenen menschlichen Le- ben von Anbeginn seiner Existenz an zu, und damit auch dem Embryo. Die Präimplantationsdiagnostik bedarf wegen ihrer grundlegenden ethischen

Bedeutung und schwerwiegenden ge- sellschaftlichen Folgen vor ihrer Ein- führung eines Grundkonsenses in der Gesellschaft und damit einer Rege- lung durch den Gesetzgeber.

Auch wenn die BÄK ihren Ent- wurf zu einer Richtlinie zur Prä- implantationsdiagno- stik als Diskussions- entwurf vorlegt, hal- te ich es unter der vorstehend beschrie- benen Ausgangslage für nicht unproble- matisch, dass der Diskussionsentwurf zum jetzigen Zeit- punkt vorgelegt wird, zumal es im Vorwort zum Entwurf heißt, dass mit dem Ent- wurf versucht wer- den soll, unter ande- rem den gesetzlichen Regelungen auf dem Gebiet der PGD ge- recht zu werden. Da- mit entsteht der Ein- druck einer einseitigen Interpretation des Embryonenschutzgesetzes und ei- ner bereits festgelegten Position zur PGD, bevor die öffentliche Diskussi- on hierzu begonnen hat. Auch wird die PGD in Deutschland aus den vorerwähnten rechtlichen Gründen nicht praktiziert, sodass Eile nicht geboten ist.

Auch die Bioethik-Kommission des Landes Rheinland-Pfalz, auf die der Diskussionsentwurf in seinem Vorwort Bezug nimmt, hat in ihren Thesen zu den medizinischen, rechtli- A-586 Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 10, 10. März 2000

P O L I T I K AKTUELL

Präimplantationsdiagnostik

Plädoyer für eine unvoreingenommene, offene Debatte

D

Die Bundesärztekammer hat, erarbeitet durch ihren Wissenschaftlichen Beirat, einen „Diskussionsentwurf zu einer Richtlinie zur Präimplantationsdiagnostik“

vorgelegt; er wurde in Heft 9/2000 veröffentlicht. Die Verfasserin nimmt zu den damit angesprochenen ethischen Fragen der medizinischen Forschung und ihrer möglichen Anwendung aus Sicht des Bundesgesundheitsministeriums Stellung.

Ulrike Riedel, Leiterin der Abteilung „Ge- sundheitsvorsorge, Krankheitsbekämpfung“, Bundesministerium für Gesundheit, Bonn

Foto: privat

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chen und ethischen Problemstellun- gen der Präimplantationsdiagnostik wegen der grundlegenden Bedeutung der PGD ebenfalls eine rechtliche Re- gelung der Voraussetzungen für die Zulässigkeit der PGD gefordert.

International sind die Regelun- gen zur PGD unterschiedlich. Im na- hen Ausland ist die PGD zum Teil zu- gelassen, wie zum Beispiel in Belgien und Großbritannien. Für die Erhal- tung oder Festlegung von ethischen und rechtlichen Prinzipien kann dies jedoch nicht entscheidend sein. Denn der Staat, der für das Wohl seiner Bür- gerinnen und Bürger und die Beach- tung der Grundrechte verantwortlich ist, kann sich nicht mit Blick auf das Ausland seiner eigenen Verantwor- tung entziehen. Er muss in den grund- legenden Fragen eine eigene inner- staatlich begründete Entscheidung treffen.

Begründet wird die PGD damit, dass auf diese Weise der Frau eine spätere Abtreibung nach Pränataldia- gnostik erspart werden könne. Aber so verständlich der Wunsch von El- tern ist, ein gesundes Kind zur Welt zu bringen, und das Bestreben der Ärzte, Eltern dabei zu helfen – so muss man doch auch sehen, dass mit dem Ver- werfen eines genetisch belasteten Embryos ein Mensch im frühen Stadi- um seiner Entwicklung vernichtet wird. Ein genetisch kranker Embryo wird geopfert, um einem unbelasteten Embryo zum Leben zu verhelfen.

Menschen beispielsweise mit Muko- viszidose, die ein lebenswertes Leben führen, verurteilen diese Methode zu Recht.

Gefahr einer

„Erwartungshaltung für gesunde Kinder“

Das Recht auf Leben eines be- hinderten Menschen gerät in Gefahr, wenn man im Zusammenhang mit der PGD eine Auswahl zugunsten des nicht behinderten Lebens vor- nimmt. Es besteht die Gefahr, dass in der Gesellschaft eine Erwartungshal- tung für gesunde Kinder entsteht und es Eltern schwer gemacht wird, sich für ein behindertes Kind zu entschei- den. Der oft ins Feld geführte Ein- wand, die PGD als vorgezogene Prä-

nataldiagnostik zu bewerten, ist zu hinterfragen. Auch bei durchgeführ- ter PGD bleibt wegen der hohen Fehlerquote eine Pränataldiagnostik erforderlich. Vor allem aber sind bei- de Situationen nicht miteinander ver- gleichbar.

Gesetzentwurf zur Fortpflanzungsmedizin

Die Schwangerschaft ist eine ein- zigartige Situation, die unvergleichbar mit anderen Situationen ist und die durch die körperliche Verbindung von Embryo und Frau gekennzeichnet ist.

Der Fetus, Embryo in vivo, ist ohne die Frau nicht lebens- und entwick- lungsfähig. Die Schwangerschaft hat für die Frau weitreichende Konse- quenzen. Daher wird die – gesetzlich verbotene – Abtreibung unter be- stimmten Bedingungen nicht bestraft.

Hieraus können keine Rechtferti- gungsgründe für andere, nicht ver- gleichbare Situationen abgeleitet wer- den. Der Embryo in vivo steht unter dem realen Schutz der Frau, der Em- bryo in vitro auf dem Labortisch steht nur unter dem rechtlichen Schutz und ist daher darauf besonders angewie- sen. Daher ist auch eine parallele Regelung der Voraussetzungen von PGD und Schwangerschaftsabbruch hinsichtlich gesundheitlicher Beein- trächtigungen der zukünftigen Schwan- geren beziehungsweise der wirklich Schwangeren, wie dies in dem Diskus- sionsentwurf vorgenommen wird, frag- würdig.

Seit 1994 hat der Bundesgesetz- geber die Gesetzgebungskompetenz für die Fortpflanzungsmedizin. In den letzten Jahren haben das Bundesmini- sterium für Gesundheit, andere Bun- desministerien und die Länder in ei- ner Bund-Länder-Arbeitsgruppe be- reits Vorarbeiten für ein solches Ge- setz geleistet. Diese Arbeitsgruppe endete 1998 mit dem Diskussionser- gebnis, am Verbot der PGD festzuhal- ten. Die Konferenz der Gesundheits- minister der Länder hat im Juni 1999 die Bundesregierung aufgefordert, ein Fortpflanzungsmedizingesetz vor- zulegen und darin neben anderen rechtlich nicht geklärten Fragen der Fortpflanzungsmedizin auch die Fra- ge der PGD zu klären.

Das Bundesministerium für Ge- sundheit als federführendes Ressort beabsichtigt, einen solchen Gesetz- entwurf vorzulegen. In Anbetracht der grundlegenden ethischen Fragen und schwerwiegenden gesellschaftli- chen Folgen, die mit einem solchen Gesetz berührt werden, ist es aber unerlässlich, dass vor der Entschei- dung über die Regelungen eines sol- chen Gesetzentwurfes eine intensive und offene gesellschaftliche Diskus- sion über alle wichtigen Fragen statt- findet. Das Bundesministerium für Gesundheit wird daher vom 24. bis 26. Mai 2000 in Berlin ein Symposi- um zu den aktuellen medizinischen, ethischen, rechtlichen und gesell- schaftlichen Fragen der Fortpflan- zungsmedizin und den damit in Zu- sammenhang stehenden Fragen des Embryonenschutzes, auch zur PGD, durchführen. Auf der für die Öffent- lichkeit zugänglichen Veranstaltung mit Fachreferaten, Podiums- und Plenumsdiskussionen soll der derzei- tige Meinungsstand der medizini- schen Wissenschaft und Praxis, der Forschung, Ethik, Rechts- und So- zialwissenschaften zum Thema dar- gestellt und kontrovers diskutiert werden.

Endgültige Position erst nach breiter Diskussion

Die durch den Entwurf einer Richtlinie zur PGD ausgelöste Dis- kussion in der Ärzteschaft wird mit Si- cherheit neben den von mir vorge- brachten Gesichtspunkten noch ande- re hinzufügen. Und auch von den an- deren Professionen und der Öffent- lichkeit müssen deren Sachverstand und Überzeugungen in die Debatte eingebracht werden.

Ich halte es für wünschenswert, dass die Ärzteschaft ihre endgültige Position erst nach einer solchen brei- ten und offen geführten Diskussion festlegt.

Ulrike Riedel

Leiterin der Abteilung Gesundheitsvorsorge und Krankheitsbekämpfung

Bundesministerium für Gesundheit Am Probsthof 78 a, 53108 Bonn E-Mail: Riedel@bmg.bund.de A-588

P O L I T I K AKTUELL

Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 10, 10. März 2000

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