A2846 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 42⏐⏐19. Oktober 2007
P O L I T I K
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rankenhäuser wollen massive Kürzungen im ärztlichen Dienst vornehmen. Das geht aus einer aktuellen Untersuchung des Deutschen Krankenhausinstituts her- vor. Demnach will ein Drittel der Kliniken offene Arztstellen nicht wieder besetzen. Trotz des schon jetzt spürbaren Mangels an Medizi- nern (siehe Beitrag in diesem Heft) will jede neunte Einrichtung Arzt- stellen abbauen. Rund die Hälfte der Krankenhäuser plant außerdem, ärzt- liche Aufgaben verstärkt an andere Berufsgruppen zu delegieren. Als Grund geben die Kliniken massive wirtschaftliche Probleme an. „Die Lage ist mehr als düster“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Georg Baum, bei der Vorstellung des aktuellen DKG-Krankenhaus-Baro- meters in Berlin. Demnach erwarte- ten die Kliniken für 2007 eine Ver- schlechterung ihrer Jahresabschlüsse.2008 werde sich die Situation noch verschärfen, so Baum.
Nach der Studie, die auf Angaben von mehr als 300 Allgemeinkran- kenhäusern beruht, schrieb ein Drit- tel der Kliniken im letzten Jahr Ver- luste, 15 Prozent kamen gerade so über die Runden und erreichten einen ausgeglichenen Abschluss.
Zwar vermeldeten 55 Prozent der befragten Einrichtungen Über- schüsse. Für das laufende Jahr rech- nen aber nur 38 Prozent damit, erneut Gewinne zu erwirtschaften.
Insgesamt stellt sich die wirtschaft- liche Lage bei privaten Häusern und Einrichtungen von freigemeinnützi- gen Trägern etwas besser dar.
Doch egal welcher Träger – auf et- liche Mitarbeiter kommen finanzielle Einschnitte zu. Schon jetzt gelten in elf Prozent der Krankenhäuser so- genannte Notfalltarifverträge. Diese sehen Kürzungen beim Weihnachts- geld vor – zum Teil aber auch bei der Grundvergütung. In den neuen Bun-
desländern verfügt bereits jedes fünf- te Haus über einen solchen Vertrag.
Bundesweit planen weitere acht Pro- zent der Kliniken diesen Schritt.
„Nach Jahren intensiver Durch- rationalisierung ist die Zitrone aus- gequetscht“, begründet Baum die
Sparmaßnahmen. Die nächste Stufe führe in die Rationierung der Ver- sorgung. In den letzten zehn Jahren seien 150 000 Arbeitsplätze – meist in der Pflege – abgebaut worden.
Die jährlich 17 Millionen Kranken- hauspatienten merkten dies längst am Krankenbett.
MB spricht von purer Arbeitgeberpropaganda
„Wir sind in Not, wir brauchen Hil- fe“, appellierte Baum an die Bun- desregierung. Konkret forderte er, den mit der letzten Gesundheits- reform eingeführten Sanierungs- beitrag der Krankenhäuser für die Krankenkassen von jährlich 280 Millionen Euro zurückzunehmen.
Problematisch sei zudem die gesetz- lich gedeckelte Vergütung, die im nächsten Jahr um gerade 0,64 Pro- zent steigen dürfe. Baum wies dar- auf hin, dass gleichzeitig jede Rech- nung um 0,5 Prozent (Sanierungs- abgabe) gekürzt werde. So könnten Mehrausgaben wegen erhöhter Ener- giekosten und der Mehrwertsteuer- erhöhung nicht ausgeglichen wer- den. Teuer seien für die Kliniken zu- dem die Neuregelung der ärztlichen Arbeitszeit und die Tariferhöhung für Klinikärzte, die sich jährlich auf rund 1,5 Milliarden Euro belaufe.
Als „pure Arbeitgeberpropagan- da“ bezeichnete dies die Klinikärzte- gewerkschaft Marburger Bund (MB).
„Das Krankenhaus-Barometer ist ein Dokument des eigenen Ver- sagens“, kritisierte der MB-Vorsit- zende, Dr. med. Frank Ulrich Mont- gomery. Die Klinikbetreiber hätten versäumt, gesetzliche und tarifliche Möglichkeiten zum Wohl der Häu- ser und des Personals um- zusetzen. Mit den Arzttarif- verträgen seien die in der Vergangenheit vollzogenen Gehaltskürzungen größten- teils wettgemacht worden.
Klinikärzte subventionierten mit jährlich 56,6 Millionen unver- güteten Überstunden im Wert von rund 1,2 Milliarden Euro die sta- tionäre Versorgung in Deutschland.
Ministerium will Pflegekräfte stärker eingebunden sehen
Das Bundesgesundheitsministerium warnte hingegen vor Panikmache.Jeder dritte Euro aus den Kranken- kassenbeiträgen fließe in die statio- näre Versorgung. „Das ist eine Menge Geld“, sagte Ministeriumssprecher Klaus Vater. Er kündigte an, dass die Regierung im kommenden Frühjahr Vorschläge unterbreiten werde, wie Pflegekräfte zunehmend ärztliche Aufgaben übernehmen könnten.
Allerdings geht aus der Studie hervor, dass die Krankenhäuser den Rotstift auch bei Pflegekräften und anderen nicht ärztlichen Berufsgrup- pen ansetzen wollen. So planen rund 40 Prozent der Einrichtungen, in die- sem Bereich weitere Stellen abzu- bauen. Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe wies deshalb darauf hin, dass „Stellenkürzungen und ver- stärkte Verlagerung ärztlicher Tätig- keiten an die Pflegekräfte ohne wirk- same Entlastung an anderer Stelle unverantwortlich sind“. Der seit Jahren zunehmende „radikale Perso- nalabbau“ gefährde bereits heute Sicherheit und Gesundheit von Pati- enten und Mitarbeitern. I Samir Rabbata
STATIONÄRE VERSORGUNG
Krankenhäuser wollen Stellen streichen
Knapp die Hälfte der Kliniken erwirtschaftet keine Überschüsse. Obwohl schon jetzt zu wenig Fachkräfte zur Verfügung stehen, soll am Personal gespart werden.
Wir sind in Not, wir brauchen Hilfe.
Georg Baum, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft