A K T U E L L
EMPFANG DER ÄRZTESCHAFT
„Es kann im neuen Jahr nur besser werden“
Ein festlicher Rahmen, ein freundli- cher Grundton, aber auch Gegensät- ze in der Sache prägten den traditio- nellen Neujahrsempfang der deut- schen Ärzteschaft am 24. Januar in Berlin. Vor den 600 Teilnehmern im Wintergarten des KaDeWe, darun- ter die gesundheitspolitischen Spre- cher aller Bundestagsfraktionen, sag- te für die Gastgeber Dr. med. An- dreas Köhler, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesverei- nigung, die Politiker handelten der- zeit nach dem Prinzip „Alles wird
besser durch Wettbewerb“. Dieser Anspruch müsse sich aber an der Realität messen lassen. Man brau- che den Wettbewerb, um das Ge- sundheitswesen – auch die Körper- schaften – Veränderungen anzupas- sen. Keinesfalls aber könnten Kran- kenkassen eine flächendeckende Versorgung aufbauen, unterstrich
Köhler mit Blick auf den Versuch der AOK Baden-Württemberg, die ambulante Versorgung an der KV vorbei zu organisieren. Bundesge- sundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) blieb in ihrer Replik im Un- verbindlichen. Warum solle nicht auch der Hausärzteverband Verträge schließen können, fragte sie rheto- risch. Es werde in Zukunft Wettbe- werb geben, es werde Kollektivver- träge geben. „Die Menschen werden dort hingehen, wo sie sich am besten aufgehoben fühlen.“ Unter Anspie- lung auf die zurückliegenden Aus- einandersetzungen mit der Ärzte- schaft sagte die seit dem 12. Januar 2001 amtierende Ministerin, das verflixte siebte Jahr sei schon vor- bei. „Da kann es nur besser wer- den.“ Schmidt bot allen Akteuren im Gesundheitswesen Gespräche über notwendige Veränderungen an. Stü
Foto:Georg J.Lopata
Die Bedingungen dafür, dass ge- setzlich versicherte Krebspatienten eine interdisziplinäre ambulante Be- handlung an bestimmten Kranken- häusern erhalten können, hat der Ge- meinsame Bundesausschuss (G-BA) Mitte Januar festgelegt. Die Neu- regelung beinhaltet, bei welchen Krebserkrankungen Krankenhäuser ambulante Leistungen erbringen dürfen, wie die Behandlung verlau- fen soll, und welche Anforderun- gen die Kliniken zu erfüllen haben.
Die Patientenbank im Gemeinsa- men Bundesausschuss begrüßte den Beschluss. Die Krebsselbsthilfe sei
„zufrieden mit dem Ergebnis“, sag- te Renate Pfeiffer, Patientenvertre- terin im G-BA, bei der Vorstellung der Ergebnisse in Berlin. Die Öff- nung der Krankenhäuser für die Be- handlung bestimmter Krebserkran-
kungen sei richtig, die Festlegung von Mindestmengen auch.
Bereits im Oktober 2005 hatte der G-BA seinem gesetzlichen Auf- trag nach § 116 b SGB V entspre-
chend die Öffnung der Krankenhäu- ser für die ambulante Behandlung spezieller Erkrankungen in einer Richtlinie geregelt. Ursprünglich mussten die Krankenhäuser Verträ- ge mit den Krankenkassen schlie- ßen, wenn sie ambulant tätig wer- den wollten. Da es aufgrund hoher Kosten für die Kassen selten dazu kam, übertrug der Gesetzgeber mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungs- gesetz zum 1. April 2007 die Ent- scheidung über die Öffnung der Krankenhäuser den Landesplanungs- behörden. Die entsprechende Richt- linie des G-BA wurde jedoch nach- träglich geändert, da die Kran- kenkassen mit dem neuen Ablauf unzufrieden waren. Seitdem ist die Öffnung der Krankenhäuser an Min- destmengen für bestimmte Behand-
lungen gebunden. MM
Ulla Schmidt:
Das verflixte siebte Jahr ist vorbei.
ÖFFNUNG DER KRANKENHÄUSER
Neuregelung für Krebspatienten
A184 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 51. Februar 2008
Foto:Michael Gottschalk/ddp
Zitat der Woche
„ Wenn ich kurz und ungesund leben will – warum eigentlich nicht? “
Prof. Dr. Guy Kirsch, Professor für Finanzwissenschaft an der Universität Fribourg (Schweiz), der für eine Entstaatlichung der Gesundheitsvorsorge und für eine Mehrklassenversorgung eintritt
Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 51. Februar 2008 A185
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Gesetze und Verordnungen fordern seit jeher die Kreativität der Betrof- fenen heraus. Grenzen werden aus- getestet. Dem Staat ein Schnipp- chen zu schlagen, ist in gewisser Weise ein Volkssport geworden.
Man fährt ein bisschen zu schnell, gibt bei der Fahrkostenpauschale den einen oder anderen Kilometer
mehr an oder lässt das Kinderzim- mer zum steuerlich absetzbaren Ar- beitszimmer mutieren. Da macht auch die Rauchergesetzgebung kei- ne Ausnahme: Vom Raucherklub über Schmierestehen bis hin zum Boykott berichten die Medien über die vielfältigsten Wege, um weiter qualmen zu können. In Hamburg hat nun ein passionierter Pfeifenraucher einfach sein Büro als Raucherzim- mer deklariert – mit Genehmigung seiner Vorgesetzten, wie das Ham- burger Abendblatt berichtete. Man könnte es vor dem Hintergrund der alles andere als klaren Gesetzge- bung einen Schildbürgerstreich nennen, wäre der Hamburger Bür- ger nicht zugleich der Innnensena- tor der Hansestadt. Udo Nagel (par- teilos) hat auf den privaten Status seines Senatorenbüros verzichtet, so kann er in seinem neuen Rau- cherraum weiter genüsslich an sei- ner Pfeife ziehen. Allerdings muss er sein Büro nun allen Mitarbeitern seiner Behörde frei zugänglich ma- chen – zumindest, wenn er nicht da ist, wie eine Sprecherin der Innen- behörde dem Abendblatt sagte. Das mag zwar die Gruppendynamik und Geselligkeit fördern, mit der die Raucher so gern ihre Sucht recht- fertigen. Man fragt sich aber, ob man eher über so viel Chuzpe schmunzeln soll, mit der Nagel das einstimmig beschlossene „Hambur- gische Passivraucherschutzgesetz“
konterkariert, oder über so viel poli- tische Dummheit.
RANDNOTIZ
Michael Schmedt
Hamburger Rauchzeichen
Einige Ärzte- und Patientenverbän- de sowie Bürgerrechtsorganisatio- nen haben sich zum Bündnis „Akti- on: Stoppt die e-Card“ zusammen- geschlossen. Gemeinsam wandten
sie sich in einer Protestveranstal- tung Ende Januar in Berlin gegen ei- ne Einführung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) und forder-
ten, das Projekt zu stoppen. An dem Bündnis beteiligen sich unter ande- rem die Freie Ärzteschaft e.V., die Internationalen Ärzte für die Verhü- tung des Atomkrieges/Ärzte in so- zialer Verantwortung e.V. IPPNW, der NAV-Virchow-Bund und der Chaos-Computer-Club (www.ippnw.
de/Soziale_Verantwortung/E-Card_
stoppen).
Die Einführung der eGK werde die Gesundheitsversorgung verteu- ern und elementare Rechte der Bür- ger verletzen, kritisierte das Bünd- nis. Die beteiligten Verbände und Vereinigungen fordern einen unab- hängigen und demokratischen Dis- kussionsprozess in der Öffentlich- keit. Kostengünstigere IT-Alternati- ven, die im Gegensatz zur eGK auf eine zentrale Datenspeicherung ver- zichten, würden durch das Mam- mutprojekt behindert. Der Daten- schutz sei nicht gewährleistet. EB KOSTEN-NUTZEN-BEWERTUNG
Institut stellt Methoden zur Diskussion
Das Institut für Qualität und Wirt- schaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat die Methoden vor- gelegt, nach denen es in Zukunft die Kosten-Nutzen-Bewertung von Therapien vornehmen könnte. Dies ist eine Aufgabe, die dem Institut mit der jüngsten Gesundheitsreform zugewiesen wurde. Das IQWiG hat- te eine Gruppe von Gesundheits- ökonomen aus acht Ländern mit der Prüfung beauftragt, welche Ansätze sich für die deutschen Gegebenhei- ten eignen.
Nach Auffassung des internatio- nalen Gremiums wird die „Analyse der Effizienzgrenze“ den Bedingun- gen in Deutschland am besten ge- recht. Diese lasse sich flexibel zum Vergleich der Kosten-Nutzen-Rela- tion einer beliebigen Zahl von The- rapiealternativen nutzen. Das Kon- zept schließt als zweites Element der Bewertung eine Budget-Ein- fluss-Analyse ein. Mit ihr lasse sich abschätzen, wie sich eine Entschei-
dung auf die Ausgaben im Gesund- heitswesen insgesamt auswirken kann.
Einer Kosten-Nutzen-Bewertung ist laut IQWiG immer eine Be- wertung des medizinischen Nutzens vorgeschaltet. So bleibe der Nutzen Fundament der ökonomischen Ent- scheidung. Nach dem Konzept wer- den auch keine indikationsüber- greifenden Vergleiche angestellt.
Denn die Frage, ob Krebs „schlim- mer“ sei und damit höhere Ausga- ben rechtfertige als beispielsweise ein Schlaganfall, sei wissenschaft- lich nicht zu beantworten.
Kritik am Konzept äußerte der Bundesverband der Pharmazeuti- schen Industrie. Deren stellvertre- tende Hauptgeschäftsführerin, Bar- bara Sickmüller, bezeichnete das Konzept als „enttäuschend“. Weder die Definition des Nutzens noch die in die Berechungen einfließen- den Kostenfaktoren würden durch das Modell des IQWiG eindeutig beschrieben. „Damit ist die Vorge- hensweise des IQWiG weiterhin nicht vorhersehbar“, sagte Sick-
müller. hil
TELEMATIK
Initiative gegen Gesundheitskarte
Foto:eGK