Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 34–3525. August 2008 A1761
P O L I T I K
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it der jüngsten Gesundheits- reform hat der Gesetzgeber die Krankenhäuser dazu berechtigt, mit hoch spezialisierten Leistungen zur Behandlung seltener Erkrankun- gen und von Erkrankungen mit be- sonderen Krankheitsverläufen an der ambulanten Versorgung teilzu- nehmen. Eine aktuelle Umfrage bei den Krankenhausplanungsausschüs- sen der Bundesländer zeigt nun, dass viele Krankenhäuser die neue Chan- ce nutzen wollen, außerhalb der en- gen Budgets Einnahmen zu erzielen.Demnach liegen den zuständigen Landesbehörden inzwischen bereits mehr als 700 solcher Anträge vor.
Die meisten Anträge werden wohl auch bewilligt werden, denn:
„Krankenhäuser, die zur ambulan- ten Leistungserbringung nach den Vorgaben des § 116 b SGB V in Ver- bindung mit den Regelungen des Gemeinsamen Bundesausschusses geeignet sind, haben einen Rechts- anspruch auf Zulassung“, erläuterte Rechtsanwalt Dr. Ulrich Trefz bei einer Tagung der IIR Deutschland Mitte August in Köln. Demnach werden Planungsbehörden selbst dann Anträge positiv bescheiden müssen, wenn bestimmte Leis- tungen bereits in ausreichendem Maß im vertragsärztlichen Versor- gungsbereich angeboten werden.
Das birgt Konfliktstoff. Beispiel Hamburg: Obwohl es dort bereits zwölf onkologische Schwerpunkt- praxen gibt, erwartet Elke Huster- Nowack von der zuständigen Pla- nungsbehörde, dass nahezu alle Krankenhäuser in Hamburg eigene onkologische Ambulanzen einrich- ten wollen. Huster-Nowack: „Wir haben dann nicht das Recht, ,Nein’
zu sagen. Eine Bedarfsprüfung ist explizit nicht vorgesehen.“
Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Hamburg verweist hingegen
auf die Gesetzesbegründung. Dort heißt es, dass die ambulanten Leis- tungen nach § 116 b eine „Ergän- zung der vertragsärztlichen Versor- gung“ sein sollen. Sie dürften also nur dort bewilligt werden, wo die vertragsärztliche Versorgung eine Lücke aufweise, meint die KV. Sonst werde genau das aufgebaut, was die Politik immer wieder kritisiere: eine fachärztliche Doppelversorgung.
Wie in den meisten Bundesländern hat die KV in Hamburg kein Stimm- recht im Krankenhausplanungsaus- schuss, ihre Meinung wird lediglich gehört. Der Versuch der KV, dies zu ändern und eine förmliche Beteili- gung am Verfahren einzuklagen, ist gescheitert (Landessozialgericht Hamburg, Az.: L 2 B 485/07).
Nicht zur Entscheidung ange- nommen hat das Bundesverfas- sungsgericht derweil die Verfas- sungsbeschwerde von 13 Kinderkar- diologen und drei Internistischen
Onkologen gegen die Neufassung des § 116 b SGB V. Die Vertragsärz- te sehen ihre grundgesetzlich garan- tierte Berufsfreiheit und ihren An- spruch auf Gleichbehandlung ver- letzt. Anders als sie selbst könnten die Krankenhäuser ihre ambulanten Leistungen unbegrenzt direkt mit den Krankenkassen abrechnen. Den Vertragsärzten sei es dabei weder möglich, diesem ungleichen Wettbe- werb durch eigene Leistungsauswei- tung entgegenzuwirken, noch fach- lich oder räumlich auszuweichen.
Dagegen argumentierten die Rich- ter, durch die gesetzliche Regelung allein seien die Ärzte noch nicht in ihren Grundrechten verletzt. Dies
könne erst dann der Fall sein, wenn die Krankenhäuser die Erlaubnis zur Erbringung der Leistungen erhiel- ten. Die Richter betonten zudem, dass die Ärzte zunächst vor den So- zialgerichten prozessieren müssten, wenn sie sich gegen die neue Kon- kurrenz zur Wehr setzen wollten.
Doch nicht überall gibt es so hef- tige Konflikte wie in Hamburg. In Schleswig-Holstein etwa wurden bereits Anträge zurückgestellt, die sich auf die Diagnostik und Versor- gung von Patienten mit multipler Sklerose bezogen, weil ein speziali- sierter Neurologe Bedenken ange- meldet hatte. „Bei uns setzen alle Beteiligten auf das Motto ,Koopera- tion statt Konfrontation’. Sofern noch keine abschließende Klärung zwischen den Niedergelassenen und dem Krankenhaus hergestellt wer- den konnte, wird der entsprechende Antrag zurückgestellt“, sagte Bian- ca Hartz von der KV Schleswig- Holstein. Dies sei auch im Sinn der Krankenhäuser, die ihre Zuweiser nicht verprellen wollten. In vielen Fällen profitierten die Vertragsärzte sogar von den 116 b-Verträgen. An den Westküstenkliniken Brunsbüt- tel und Heide etwa würden nieder- gelassene Ärzte die entsprechenden Leistungen im Krankenhaus erbrin- gen. Hartz: „Die Vergütung erfolgt ,on Top’, das heißt außerbudgetär.“
Bleibt noch zu klären, warum die Kassen plötzlich ein Interesse daran haben, dass Krankenhäuser außer- budgetär ambulante Leistungen er- bringen. Entscheidend ist, dass die Krankenhausapotheken nicht an die Arzneimittelpreisverordnung gebun- den sind. „Deshalb können wir die Arzneimittel deutlich günstiger be- ziehen als im Vertragsarztbereich“, bestätigte Ludger Buitmann vom Verband der Angestellten-Kranken- kassen. Er ist sich zudem sicher, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Budgets der KVen um die ambulant von den Kliniken erbrachten Leis- tungen „bereinigt“ werden. I Jens Flintrop
ÖFFNUNG DER KRANKENHÄUSER