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Archiv "Hans-Werner Schlipköter: Luft: Grenzwerte sollen am Kranken ausgerichtet sein" (21.05.1986)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

89. DEUTSCHER ÄRZTETAG: UMWELT UND GESUNDHEIT

Heyo Eckel

Der klassische Krankheitsbegriff wird erweitert

„Arzt und Umwelt" lautete das Thema, unter dem Prof. Dr. Heyo Eckel, Chefarzt der Röntgenabtei- lung am Evangelischen Kranken- haus Göttingen, den Tagesord- nungspunkt II „Umwelt und Ge- sundheit" einleitete: Umweltmedi- zin beginnt mit der Festlegung von Grenzwerten der Toxizität, die aber, da in vielen Fällen die tat- sächlichen Toxizitätsgrenzen nicht genau bekannt sind, eher präventiver Natur sind. Darüber hinaus aber berührt der Anspruch der Umwelteinflüsse das Selbst- verständnis des Arztes: Seine Ver- antwortung darf sich nicht mehr auf den einzelnen Patienten und seine Krankheit beschränken, son- dern muß die natürlichen Lebens- grundlagen des Menschen in den Blick nehmen. „Das bedeutet . die Erweiterung, vielleicht Über- windung des klassischen Krank- heitsbegriffes hin zu einer neuen Vorstellung von Gesundheit, die die Gesundheit der Natur und der Tiere einschließt."

Prof. Eckel berichtete über Um- welt-Arbeitskreise, die den Lan- desärztekammern zuarbeiten und die insbesondere Umweltproble- me in die Fortbildung einbringen.

Bei den Ärzten bestehe eine große Bereitschaft, sich in Umweltfragen zu engagieren, aber auch eine be- trächtliche Unsicherheit wegen der Kompliziertheit der Umwelt- probleme, verstärkt durch große Wissens- und Informationslücken.

Deshalb müßten diese Fragen all- mählich auch in die Aus- und die Weiterbildungsordnungen einflie- ßen, generell ebenso wie gebiets- bezogen. Die Gesundheitsämter sollen sachlich und personell in die Lage versetzt werden, als loka- le Umweltämter arbeiten zu kön- nen.

Noch besteht, sagte Prof. Eckel, ein empfindlicher Mangel an um- weltbezogenen Gesundheitsdaten am Menschen. Die epidemiologi- sche Forschung müsse hier erheb- lich verstärkt werden, eine bun- desweite, zugleich aber regional gegliederte „umweltbezogene Ge- sundheits-Berichtserstattung" sei erforderlich. Dies sei zwar Aufga- be des Staates, aber die Ärzte soll- ten ihren Sachverstand einbringen und nicht zuletzt darauf hinwir- ken, daß nicht statt sinnvoller In- formationen „Massengräber stum- mer Daten" entstehen. Prof. Eckel

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Professor Dr. Heyo Eckel, Göttingen, sprach über „Arzt und Umwelt" und führte damit ins Gesamtthema ein

machte den Vorschlag, „Beobach- tungs-Praxen" und „Beobach- tu ngs-Abteilu ngen " einzurichten, in denen an den Patienten — natür- lich mit deren Einverständnis — umweltbezogene Gesundheitsda- ten erhoben werden. Daraus könn- te ein System der gesundheit- lichen Umweltüberwachung ent- stehen. Insgesamt: „Die Ärzte sol- len aus ihrer kritisch betrachten- den Rolle treten und die Funktion einer Unruhe übernehmen — zum Nutzen ihrer Patienten". bt

Hans-Werner Schlipköter

Luft: Grenzwerte sollen am Kranken ausgerichtet sein

Zweifellos hat es in den letzten Jahren Fortschritte bei der Luftrei- nigung gegeben, was überwie- gend auf Aktivitäten der Ingenieu- re zurückzuführen ist, so Profes- sor Dr. Hans-Werner Schlipköter, Direktor des Medizinischen Insti- tuts für Umwelthygiene der Uni- versität Düsseldorf. Doch die Ärz- teschaft zeigte bisher nur wenig

Interesse. Offensichtlich besteht bei den Ärzten in Kliniken und Pra- xen geringe Bereitschaft, sich an der Aufklärung von Zusammenhän- gen zwischen der Luftqualität und Gesundheitsstörungen zu beteili- gen. Das zeigt auch eine 1984 von der Ärztekammer Nordrhein durch- geführte Fragebogenaktion, bei der nur 384 Ärzte (knapp zwei Pro- zent der angesprochenen Ärzte) den Fragebogen beantworteten.

Eines zeigte die Aktion jedoch deutlich: Als Hauptinformations- quelle über Umweltfragen gaben 66 Prozent der Ärzte die Medien an. Aber nur 20 Prozent hielten die Ausbildung in diesem Bereich für gut oder zumindest für ausrei- chend. Die meisten Ärzte empfan- den das Fortbildungsangebot in Umweltmedizin unzureichend.

Da die Technische Anleitung Luft (TA Luft) ohne ärztliche Einfluß- nahme verabschiedet und novel- liert wurde, ist dieses zentrale Re- gelwerk nicht genügend wir- kungsbezogen ausgerichtet. So wird der großen Bedeutung von Spitzenkonzentrationen bei Schwefeldioxid (SO 2 ) und Stick- oxiden (NO >) für Personen mit Atemwegserkrankungen nicht ge- nügend Rechnung getragen. Auch fehlen für kanzerogene Luftverun- reinigungen Vorsorgewerte, die das Krebsrisiko mindern könnten.

Hilfreich für die Diskussion des gesundheitlichen Risikos, so Pro- fessor Schlipköter, wäre eine 1506 (22) Heft 21 vom 21. Mai 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Umwelt und Gesundheit

möglichst genaue Analyse der Störungen, die durch die Umwelt multifaktoriell ausgelöst werden.

Leider sind diese Angaben nur für wenige Schadstoffe möglich und im Vergleich zu der Situation am Arbeitsplatz sehr viel schwieriger zu erhalten. Denn es gibt eine Viel- zahl von Substanzen und Quellen.

Auch fehlen Daten über die Wir- kung komplex zusammengesetz- ter Schadstoffgemische. Zudem reagiert die Bevölkerung unter- schiedlich empfindlich auf Noxen (Risikogruppen). Ungeklärt ist fer- ner der Einfluß der Luftschadstof- fe, wenn mehrere Erkrankungen (zum Beispiel Erkrankungen der Herzkranzgefäße, Asthma, Bron- chitis) bestehen.

Gerade der Qualität der Innen- raumluft kommt besondere Be- deutung zu, da sich der moderne Mensch zu über 70 Prozent seiner Zeit in geschlossenen Räumen aufhält, alte und kranke Menschen sogar mehr. Epidemiologische Studien berücksichtigten bisher in der Regel nur den Einfluß der Au- ßenluft, zumal man sie meßtech- nisch leichter charakterisieren kann. Mit Ausnahme von SO 2 und Ozon liegen die Schadstoffkon- zentrationen in Innenräumen hö- her als im Freien. Denn mensch- liche Aktivitäten (Rauchen, Heim- werken), Putzmittel und Baumate- rialien geben Schadstoffe an die Raumluft ab, die sich dort bei un- genügender Durchlüftung be- trächtlich anreichern können.

Beim Versuch, Grenzwerte für Schadstoffe zum Schutz der Be- völkerung zu erarbeiten, kann im Gegensatz zur Arbeitsmedizin nicht der arbeitsfähige Mensch, der täglich acht Stunden lang ei- ner bestimmten Umweltsituation ausgesetzt ist, im Vordergrund stehen; vielmehr muß der akut oder chronisch Kranke die Gren- zen bestimmen. — So sehr es er- freulich ist, daß engagierte Ärzte aufgrund eigener Erfahrungen auf Umweltgefahren aufmerksam ma- chen, ist es jedoch gefährlich zu verallgemeinern. Nur auf der Basis umfangreichen Materials und bei

Berücksichtigung möglichst vieler Störfaktoren können Schlußfolge- rungen gezogen werden.

Epidemiologische Studien können nur dann aussagekräftig sein, wenn möglichst viele Probanden an ihnen teilnehmen (Responsera- te mindestens über 50 Prozent).

Dabei beeinflußt die Einstellung des behandelnden Arztes die Responserate ganz wesentlich.

Denn, nur wenn der Patient weiß, daß sein Arzt die Teilnahme an der Studie befürwortet, wird er zum Untersuchungstermin gehen. Zu-

Professor Dr. Hans-Werner Schlipköter, Düsseldorf, schilderte detailliert Proble- me und Aufgaben der Lufthygiene

dem sollte der praktizierende oder Klinikarzt dem Patienten die Be- funde erklären, die während der Studie regelmäßig zugesandt wer- den. Das gilt auch bei normalen Befunden, um über das Risiko bei erhöhten Schadstoffwerten aufzu- klären.

Daneben ist in der Umweltmedizin auch die aktive Mitarbeit des Arz- tes in Klinik und Praxis notwendig, so Professor Schlipköter. Sie be- ginnt beim sorgfältigen Ausfüllen der Totenscheine und besteht auch darin, diejenigen Wissen-

schaftler zu unterstützen, die Mor- biditätsstatistiken durchführen.

So wird beispielsweise die zur Zeit an fünf Kliniken laufende Studie, die die Bedeutung der Luftschad- stoffe für das Entstehen des Bron- chialkarzinoms unter Ausschluß von Rauchen und beruflicher Ex- position klären soll, von leitenden Ärzten und Pathologen vorbildlich gefördert, wie Professor Schlipkö- ter lobte. Oder: Während und nach dem Smog im Januar letzten Jah- res wurden im niederrheinischen Raum die Krankentransporte in den Feuerwehrleitstellen erfaßt. 58 Prozent der befragten Kranken- häuser konnten detaillierte Aus- künfte über Herz-Kreislauf- und Atemwegs-Erkrankungen erteilen.

Dort stieg während der Smogpe- riode die Zahl der erkrankten Pa- tienten signifikant.

Besondere Aufmerksamkeit erregt die akute Laryngopharyngitis. In mehreren Studien wird derzeit die multifaktoriell bedingte Häufigkeit des Pseudokrupps und der ab- struktiven Bronchitis untersucht.

Eine wesentliche Voraussetzung für die Aussagekraft der Studien ist jedoch, daß vergleichbare Meß- verfahren verwendet und die ein- zelnen Studien untereinander sinnvoll abgestimmt werden. Dies gilt allgemein für umweltmedizini- sche Untersuchungen, so Schlip- köter, die nur noch in interdiszipli- närer Kooperation Zusammenhän- ge aufdecken können. jv

Johannes Sander

Wasser: Natürliche und anthropogene Verschmutzungen

Neben der Luft ist Wasser das wichtigste Lebensmittel. Auf den Einfluß seiner Inhaltsstoffe auf die Gesundheit des Menschen ging Professor Dr. Johannes Sander, Direktor des staatlichen Medizi- naluntersuchungsamtes in Osna- brück, detailliert ein. In den Ent- wicklungsländern und selbst in Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 21 vom 21. Mai 1986 (23) 1507

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