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Archiv "Umwelt und Gesundheit: Gesetze machen noch keine gute Luft" (04.08.2003)

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is 2010 will die Kommission der Eu- ropäischen Union (EU) die Luft- schadstoffbelastung in Europa um bis zu 60 Prozent mindern – bei deutlich strengeren Grenzwerten als bisher vor- gegeben. Da der Kfz-Verkehr als Haupt- verursacher im Mittelpunkt steht, sollen Kraftstoffe und Motoren so verbessert werden, dass weniger Kohlenstoffmon- oxid, Kohlenwasserstoffe, Stickstoff- oxide und lungengängige Feinstäube bei den Verbrennungsprozessen produ- ziert werden. Die in den EU-Richtlini- en definierten Grenzwerte orien- tieren sich an wissenschaftlichen Erkenntnissen zu den Auswir- kungen von Luftschadstoffen auf Gesundheit und Umwelt.

Richtlinien wurden im Novem- ber 2000 zu Schwefeldioxid, Feinstaub, Stickstoffdioxid, Blei, Benzol und Koh- lenmonoxid beschlossen (Richtlinie 99/30/EG und 2000/69/EG)*. Diese be- stimmen sowohl einheit- liche Messverfahren als auch die Pflicht, die Be- völkerung zu informieren.

Die Grenzwerte müssen innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umge- setzt werden. Am 18. Sep- tember 2002 sind in Deutsch- land neue Luftreinhaltevorschrif- ten in Kraft getreten. Die Grenz- werte dürfen spätestens ab 2005 beziehungsweise ab 2010 nicht mehr überschritten werden. Da die Einhaltung der Grenzwerte mit erheblichen umwelt- und messtechni- schen Investitionen verbunden sein wird, wurden trotz des aktuellen Ge- sundheitsrisikos relativ lange Fristen und Toleranzmargen vorgesehen.

Im Gegensatz zu Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Kohlenmonoxid lie- gen die Feinstaubbelastungen in Deutsch- land noch häufig über den ab 2005 ge- forderten Konzentrationen. Damit die

Industrie technische Maßnahmen im In- dustriebereich ergreifen kann, hat das Umweltbundesamt 1999 in einer Studie die Korngrößenverteilung der industri- ellen Feinstaubemissionen untersucht.

Kohlekraftwerke und Schwerölfeue- rungsanlagen geben bis zu 90 Prozent lungengängige Feinstäube in ihrem Ge- samtstaub an die Luft ab.

Staubpartikel können aus Verbren- nungsprozessen, Produktions- und Verarbeitungsprozessen sowie aus Bodenauswehungen stammen. Die Wirkung auf die Gesundheit hängt von der Zusammensetzung und der Korngröße ab. Partikel mit mehr als 10 µm Durchschnitt ge- langen nur in den Nasen-Ra- chen-Raum und werden von den Schleimhäuten aufgefan- gen. Partikel kleiner als 10 µm sind lungengängig und kön- nen zu Gesundheitsschäden führen: Angelagerte Schad- stoffe wie Schwermetalle und Kohlenwasserstoffe verblei- ben in der Lunge und ru- fen Zellschäden hervor.

Besonders empfindlich rea- gieren Herz-Kreislauf- Kranke, Asthma- und Lun- genkranke, Kinder und al- te Menschen. Bei Über- schreitung des Grenzwer- tes von 50 µg/m3im Tagesmittel (24-h-Wert) sollten Aktivitäten im Freien eingeschränkt werden.

Besonders Dieselabgase beinhalten einen großen Anteil toxischer Feinstäu- be in Form von Ruß. Dieselrußpartikel kleiner als 10 µm gelten seit langem als lungenschädigend und krebserregend.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) prognostiziert für Deutschland rund 8 000 Todesfälle im Jahr aufgrund von Krebserkrankungen, verursacht durch Dieselruß. Der Grenzwert von 50 µg/m3 T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 31–324. August 2003 AA2059

Umwelt und Gesundheit

Gesetze machen noch keine gute Luft

Die Gefahr, an Schadstoffbelastungen in der Luft zu erkranken, ist trotz Grenzwerten größer geworden. Hauptverursacher ist der Kraftfahrzeugverkehr – auch mit Katalysatortechnik.

An rund 90 Prozent der 300 Messstationen wurden gesundheitsrelevante Grenzwert- überschreitungen registriert. In Berlin und Bay- ern wurde bei Tageswerten (24-h-Wert) über 150 µg/m3 der EU-Grenzwert von 50 µg/m3 zeitweise um 200 Prozent überschritten. Stun- denweise wurden Spitzenkonzentrationen über 300 µg/m3gemessen. Quelle: Georisk

Feinstaubbelastung:

höchste Tageswerte 24. 2. – 2. 3. 2003

*Zu finden im Internet unter: www.europa.eu.int/eur- lex/de/consleg/main/1999/de_1999L0030_index.html

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wurde festgelegt, weil die WHO ab ei- ner lungengängigen Rußkonzentration von 50 µg/m3mit dem Tod von vier pro einer Million Menschen rechnet. Nicht nur der drastische Anstieg der Diesel- fahrzeuge wird zu einer Verschärfung der gesundheitlichen Folgen führen, sondern auch krebserregende und erbgutverändernde Gifte (Di- nitropyren, 3-Nitrobenzanthron), die in LKW-Abgasen nachgewie- sen werden können. Chemische Reaktionen in der Umgebungs- luft und mit anderen Luft- schadstoffen geben Hin- weise auf eine neue, in klein- sten Dosierungen schädli- che Luftschadstoffgenera- tion. Für Ruß liegt der Zielwert/Jahresmittel bei 1,5 µg/m3 nach dem Länder- ausschuss für Immissions- schutz (LAI). Der Orientie- rungswert/Jahresmittel liegt bei 8 µg/m3 nach Bundes- immissionsschutzverordnung.

Zum Vergleich: In Berlin wur- den im Februar 2003 an Straßen- stationen Rußkonzentrationen bis 17 µg/m3 gemessen.

Nichts verdeutlicht das Grenz- wertdilemma mehr als das Beispiel Ozon. Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) gibt in seinen Richtlinien (VDI 2310) als maximale Ozonkonzentration für eine halbe Stunde 120 µg/m3an. Die in der Richtlinie angegebenen Werte wer- den so festgelegt, dass „Gefahren (. . .) für den Menschen insbesondere für Kin- der, Kranke und Alte“ auszuschließen sind. Bei den VDI-Richtlinien handelt es sich um rein wirkungsbezogene wissen- schaftlich und medizinisch begründete und aus praktischen Erfahrungen abge- leitete Werte. Sie berücksichtigen nicht die technische Realisierbarkeit. Die EU- Richtlinien geben einen Zielwert für das Jahr 2010 zum Schutz der Gesundheit von 120 µg/m3als 8-h-Mittelwert vor. Das heißt: Die Konzentrationen können in- nerhalb einer Stunde über 200 µg/m3 oder als 8-h-Dauerbelastungen von 120 µg/m3auftreten. Der Wert darf höchstens an 20 Tagen im Jahr überschritten wer- den.Ab einer 1-h-Konzentration von 180 µg/m3wird die Bevölkerung dann infor- miert, beziehungsweise ab 240 µg/m3 wird die Alarmschwelle erreicht. In der

Schweiz darf der 1-h-Wert von 120 µg/m3 einmal im Jahr überschritten werden.Die Bundesimmissionsschutzverordnung sah bisher einen 8-h-Schwellenwert von 110 µg/m3 für den Gesundheitsschutz vor. Dieser Schwellenwert wurde um 10 µg/m3erhöht und somit die Anforde- rung an die Luftqualität zurückgesetzt.

Konkrete Maßnahmen, die bei Über- schreiten des Schwellenwertes zu ergrei- fen sind, sind in den EU-Richtlinien nicht genannt.

Ozon ist ein Reizgas, das aufgrund der geringen Wasserlöslichkeit tief in die Lunge eindringt und Entzündungen hervorruft. In Abhängigkeit von Kon- zentration und Belastungsdauer kann Ozon Husten, Augenreizungen, Kopf-

schmerzen, Atemschmerzen und Lun- genfunktionsstörungen verursachen. Re- aktionen treten bei circa 20 Prozent der Bevölkerung auf und sind indivi- duell sehr unterschiedlich. Intensive Sonneneinstrahlung und hohe Temperaturen begünstigen zu- sammen mit hohen Stickstoffdio- xidkonzentrationen die Ozon- bildung. Rund 70 Prozent der Stickstoffoxide werden durch die Abgase von Kraftfahrzeu- gen produziert.

Der Kraftfahrzeugverkehr ist die Hauptursache von Kohlenwasserstoffbelastungen wie zum Beispiel Benzol. Bei der unvollständigen Ver- brennung der Kraftstoffe wird Benzol direkt freige- setzt. Neben dem Kfz- Verkehr treten besonders starke Benzolbelastun- gen bei Tanklagern, Ko- kereien und Raffinerien auf. Benzol kann Verän- derungen des Blutbildes, Zell- schäden, Knochenmarkschäden und Blutkrebs hervorrufen. Es gibt keine unschädliche Dosierung, keinen Schwel- lenwert, unter dem kein Risiko auftritt.

Die Wirkung der Abgasminderungs- techniken, wie zum Beispiel der Kataly- satortechnik, wird sehr unterschiedlich bewertet. Ungünstige Motorbelastung (Kaltstart, Staufahrten), Fehleinstellun- gen oder ungünstige Kraftstoffgemische können zu einem extremen Anstieg der Kohlenwasserstoffemissionen ein- schließlich Benzol führen. Insbesondere in Fahrzeuginnenräumen wurden hohe Benzolkonzentrationen gemessen. Der Zielwert nach LAI sollte im Jahresmit- tel 2,5 µg/m3 nicht überschreiten. Der EU-Grenzwert sieht ab 2010 einen Jah- resmittelwert von 5 µg/m3 vor.An Koke- reistandorten wie Duisburg, Dortmund, Bottrop und Castrop-Rauxel wurden im Mai Benzolkonzentrationen über 50 µg/m3 registriert. An Verkehrsstationen in den Städten und an Autobahntrassen treten derzeit Konzentrationen bis 20 µg/m3 auf.

Georgia Kiegelmann Georisk GmbH

Schloss Türnich, 50169 Kerpen E-Mail: GEORISK@t-online.de Internet: www.air-infoline.de T H E M E N D E R Z E I T

A

A2060 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 31–324. August 2003

Die höchste Ozonkonzentration wurde in Ba- den-Württemberg registriert. In Mannheim stieg sie auf 275 µg/m3 an (VDI-Richtwert 120 µg/m3). Bei gleichzeitigem starken Pol- lenflug kann mit einer Zunahme an allergi- schen Erkrankungen und Asthma gerechnet

werden. Quelle: Georisk

Ozonbelastung:

Maximalwerte 9. – 15. 6. 2003

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