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Archiv "Schadstoff-Grenzwerte: Aus guter Luft wird schlechte Luft" (05.04.2002)

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chwefeldioxid hat eine ätzende Wirkung auf die Schleimhäute der Atemwege und Augen. Stickstoff- dioxid schädigt Bronchien und Lunge und schwächt das Immunsystem. Stäu- be verursachen je nach Größe und Zusammensetzung Lungenfunktions- störungen sowie eine Verstärkung allergischer Reaktionen. Ozon be- wirkt neben den subjektiven Beein- trächtigungen wie Kopfschmerzen, Husten und Tränenreiz Lungen- entzündungen. Eine kanzero- gene Wirkung wird diskutiert.

Kohlenmonoxid behindert die Sauerstoffbildung im Blut.

Benzol hat narkotisierende Wirkung und schädigt die Blutbildung im Knochenmark.

Darüber hinaus wird Benzol als Krebsrisiko und als Stoff mit erbgutveränderndem Po- tenzial eingestuft.

Die zunehmenden Erkenntnis- se über die Gesundheitsrelevanz von Luftschadstoffen sowie die steigende Anzahl von Atemwegserkrankungen und allergischen Reaktionen erforder- ten eine Neuorientierung der Grenz- werte. Die Europäische Union (EU) hat inzwischen die Grenzwerte für Luftschad- stoffe drastisch herabgesetzt (Richtlinie 1999/30) und damit bewirkt, dass sich die Situation der Luftqualität in Deutsch- land deutlich verändert darstellt. Mit der

„heilen Luftwelt“ der vergangenen Jah- re, die auf der Grundlage der Techni- schen Anleitung Luft (TA-Luft) und des Bundesimmissionsschutzgesetzes ermit- telt wurde, ist es vorbei. Zur Korrektur der Messwerte hatte außerdem die Ver- einheitlichung der Messverfahren bei gasförmigen Komponenten (Änderung der Bezugstemperatur von 0 °C auf 20 °C ) seit 1998 beigetragen. Diese hat- te dazu geführt, dass sich die gemesse-

nen Konzentrationen gegenüber frühe- ren Messungen um etwa sieben Prozent verringerten.

Nach den EU-Richtlinien werden künftig medizinische Erkenntnisse und die gesundheitlichen Folgen für Ri- sikogruppen wie Kinder, kranke oder empfindliche Menschen den Standard der Luftqualität bestimmen. Insbeson- dere die Senkung der Stickstoffdio-

xidkonzentrationen von 80 µg/m3(TA- Luft) auf 40 µg/m3im Jahresmittel sowie die neuen PM10-(Feinstaub < 10 µm) Grenzwerte sorgen für einen deutlichen Anstieg des Luftbelastungsniveaus. Der Schwefeldioxidgrenzwert wurde 2001 von 140 µg/m3 (Jahresmittel TA-Luft)

auf 20 µg/m3gesetzt.

Im Gegensatz zu Ost- und Südeu- ropa beobachtet man in Deutschland einen deutlichen Abwärtstrend bei Schwefeldioxid- und Kohlenmono- xidbelastungen. Hier haben sich Kraftwerkssanierungen und neue Überwachungstechniken von Heiz- anlagen in den Haushalten spür- bar ausgewirkt. Unverändert hoch sind die Belastungen dagegen bei den verkehrsbedingten Luft- verunreinigungen durch Stick- stoffoxide, Feinstäube, Benzol und Ruß.

Mit Blick auf diese Belastun- gen wird Deutschland in den kommenden Jahren aufwendige Maß- nahmen ergreifen müssen, um die neu- en Grenzwerte einhalten zu können.

Die geplante weitere Herabsetzung der Feinstaubgrenzwerte von 40 µg/m3 auf 20 µg/m3im Jahr 2010 sowie die Begren- zung des Benzolgehaltes von zehn µg/m3 auf fünf µg/m3 im Jahresdurchschnitt werden die Gesundheitsrelevanz der Luftqualität noch deutlicher hervorhe- ben. Dabei muss die Frage erlaubt sein, inwieweit politisch gewollte Stufenrege- lungen der aktuellen Gesundheitsge- fahr gerecht werden.

Die Angleichung der Grenz- und Richtwerte in der EU lässt häufig ver- gessen, dass es schon immer Länder gab, die wesentlich strengere Luftreinhalte- vorschriften hatten als Deutschland.

Norwegen, Schweden und die Schweiz verfügen beispielsweise über eine Luft- reinhalteverordnung, die als eine der T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 99½½Heft 14½½5. April 2002 AA915

Schadstoff-Grenzwerte

Aus guter Luft wird schlechte Luft

Die Europäische Union hat die Grenzwerte für Luftschadstoffe

drastisch gesenkt. Deutschland wird aufwendige Maßnahmen ergreifen müssen, um diese einhalten zu können.

Ozon-Spitzenbelastungen in Deutschland 2001

Datenbasis: Jahresmaximalwerte

Quelle Karten: GEORISK GmbH, Datenbasis: Immissions- datenbank GEORISK GmbH, Datenquelle: Tägliche Ver- öffentlichung der Messnetzbetreiber der Bundesländer, Indexberechnung und Informationen zur Luftbelastung in Deutschland: www.air-infoline.de

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strengsten der Welt gilt. Der Stick- stoffdioxidwert wurde dort schon vor 20 Jahren auf 30 µg/m3im Jahresmit- tel festgelegt und unterschreitet da- mit immer noch die neuen EU- Grenzwerte. Der gesetzliche Ozon- grenzwert des Schweizerischen Bundes- amtes für Umwelt, Wald und Landschaft liegt bei 120 µg/m3(1-h-Wert) und darf höchstens einmal pro Jahr überschritten werden. Der neue EU-Grenzwert sieht erste Regelungen ab 180 µg/m3vor.

Unabhängig von Grenzwertregelun- gen und messtechnischen Umstellungen steigt die Ozonbelastung in Deutschland.

Das ozonreiche Jahr 2000 wurde von dem ozonreicheren Jahr 2001 übertrof- fen. Die höchsten Belastungen traten im Juli und August auf. Die Spitzenkonzen- trationen wurden in Baden-Württem-

berg mit 298 µg/m3 (Plochingen) regi- striert, gefolgt von Nordrhein-Westfalen mit 289 µg/m3in Wesel und 258 µg/m3in Moers-Meerbeck sowie Rheinland-Pfalz mit 266 µg/m3(Westerwald). Im Vorjahr wurden die höchsten Werte mit 274 µg/m3 auf der Insel Fehmarn und mit 260 µg/m3 in Plochingen gemessen. Man geht davon aus, dass rund 20 Prozent der Bevölke- rung unter den hohen Ozonbelastungen leiden. Die gesundheitlichen Beeinträch- tigungen reichen von Kopfschmerzen

und Atembeschwerden bis zu Lungen- funktionsstörungen. Aus medizinischer Sicht liegt der Richtwert für eine Kurz- zeitbelastung (1/2-h-Wert) bei 120 µg/m3 (VDI Richtlinie 2310). Jedoch haben die VDI-Richtlinien im Gegensatz zu den Luftreinhalteverordnungen der Schweiz keine Gesetzeskraft. Der Entwurf für ei- ne EU-Richtlinie sieht 180 µg/m3(1-h- Wert) als Informationsschwelle und 240 µg/m3als Warnschwelle für die Be- völkerung vor. Dabei treten bereits bei Werten zwischen 160 µg/m3und 240 µg/m3 Veränderungen der Lungen-

funktionsparameter auf.

Die wirkungslosen Ozonverord- nungen der letzten Jahre verdeutli- chen die Notwendigkeit einer über- regionalen Reduzierung der Vor- läufersubstanzen. Stickstoffoxid- und Kohlenwasserstoffeinträge aus Ver- kehr und Industrie gelten als Hauptursa- che für den Anstieg der Ozonbelastung in Deutschland (Maßnahmenkatalog der Bundesregierung im Internet unter www.Bmu.de/gesundheit/index.htm).

Abgesehen von den medizinischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen ist es nur dann sinnvoll, Grenzwerte festzule- gen, wenn bei der Überschreitung wir- kungsvolle Schutzmaßnahmen eingelei- tet werden. Oder sollte es 2002 doch bes- ser einen verregneten Sommer geben?

Georgia Kiegelmann Georisk GmbH Schloss Türnich 50169 Kerpen

E-Mail: Georisk@t-online.de T H E M E N D E R Z E I T

A

A916 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 99½½Heft 14½½5. April 2002

In der Gegenüberstellung der Jahreskarten werden die neuen EU-Grenzwerte für Schwefeldioxid, Stickstoffdi- oxid und Feinstaub ab 2001 berücksichtigt.

Die Europäische Union hat die Grenz- werte für Luftschadstoffe drastisch herabgesetzt. Sie hat damit bewirkt, dass sich die Situation der Luftqua- lität in Deutschland – wie hier im Jah- resvergleich 2000/ 2001 – deutlich verändert darstellt. Mit der „heilen Luftwelt“ der vergangenen Jahre ist es vorbei.

Luftqualität in Deutschland 2001

Datenbasis: Jahresmittelwerte

Luftbelastungstrend Deutschland Luftqualität in Deutschland 2000

Datenbasis: Jahresmittelwerte

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