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Archiv "Tour d'horizon der Berufspolitik" (06.05.1983)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

TAGUNGSBERICHT

Nach mehr als sechs Monate

an- dauerndem „hektischem Still- stand" in der Bonner Sozial- und Gesundheitspolitik sollte die re- formpolitische Diskussion wieder ruhige und systematischere Züge annehmen. Dies ist der Tenor ei- ner ebenso engagierten wie kon- troversen Diskussion im Anschluß an das berufspolitische Hauptrefe- rat des Präsidenten der Bundes- ärztekammer und des Deutschen Ärztetages, Dr. Karsten Vilmar, während des XXXI. Internationalen Fortbildungskongresses der Bun- desärztekammer in Davos (einige Schwerpunkte des Referats sind bereits in Heft 12/1983 dargestellt worden).

Vilmar gab das Stichwort dafür, das Augenmerk auch auf einen

„Nebenkriegsschauplatz" zu rich- ten, von dem systemverändernde Tendenzen sehr leicht ausgehen könnten: dem regierungsamtli- chen Programm zur „Förderung und Entwicklung im Dienste der Gesundheit", das am 9. Februar 1983 durch das Bundeskabinett bis 1986 verlängert worden ist.

Das mit insgesamt 430 Millionen DM dotierte Programm zur For- schungsförderung unterscheidet sich indes kaum von dem voraus- gegangenen, unter anderer politi- scher Konstellation konzipierten strukturpolitischen wie medizini- schen Forschungsprogramm, das von den drei Bundesministerien für Forschung und Technologie, für Arbeit und Sozialordnung so- wie für Jugend, Familie und Ge- sundheit dirigiert wird. Die Ent- wicklungen müssen um so auf- merksamer beobachtet werden, als es erklärtes Ziel dieses Pro- gramms ist, die nationalen For- schungsarbeiten der Staaten der Europäischen Gemeinschaft (EG) schrittweise zu koordinieren. Ob dabei im sozial- und gesundheits-

politischen Bereich auf noch so unterschiedliche Strukturen und gewachsene Elemente Rücksicht genommen wird, das ist noch eine offene Frage.

Dr. Vilmar warf in die Debatte: Es ist festzustellen, daß oftmals ein- seitig ideologisch gefärbte Ziel- vorgaben die ausgewählten For- schungsprojekte durchsetzen und prägen. Ohne die Ergebnisse die- ser Projekte überhaupt abzuwar- ten, wurden politische Initiativen ergriffen, um diese wissenschaft- lich bemäntelt auf den parlamen- tarischen Weg zu bringen. Auch sei festzustellen, daß manche Pro- jekte intendierten, die gesundheit- liche Versorgung der Bevölkerung zu entprofessionalisieren und al- ternativen, paramedizinischen Be- rufen teilweise oder fast aus- schließlich zu überantworten.

Beispiele aus dem regierungsamt- lichen „Forschungsprogramm":

Prävention, Verbesserung der Arz- neimittelsicherheit, Durchleuch- tung und Verbesserung der Steue- rungsfunktion der gesetzlichen Krankenversicherung, Ausweitung und Erprobung alternativer For- men der Leistungserbringung im ambulanten wie im stationären Sektor, Überprüfung und Durch- leuchtung des Leistungsangebots der gesetzlichen Krankenversiche- rung, Abgrenzung von solida- rischer und individueller Siche- rung und deren Einfluß auf die Lei- stungserbringer wie Leistungs- konsumenten, Überprüfung, wie das Leistungs- und Kostengesche- hen in der Krankenversicherung künftig transparenter gestaltet werden kann, wie Mißbrauch aus- geschlossen und die Kontrollen verschärft werden können, Mög- lichkeiten, um das sogenannte Hausarztsystem zu fördern und Er-

fahrungen auch aus dem Ausland dabei zu berücksichtigen.

Persönlichkeitsrechte wahren!

Auch der Qualitätssicherung so- wohl im ambulanten als auch im stationären Bereich wird im Rah- men der amtlichen Strukturfor- schung großes Gewicht beige- messen.

Dafür stehen in den nächsten vier Jahren allein zehn Millionen DM zur Verfügung. Ein weiterer Schwerpunkt: die finanzielle För- derung und Kontrolle der Tu- morzentren sowie onkologischer Schwerpunktpraxen (um darin auch speziell ausgebildete soge- nannte Nachsorgeschwestern ein- setzen zu können).

Eines stellte Vilmar bei allen for- schungspolitischen Ambitionen klar: In jedem Falle sind die Per- sönlichkeitsrechte ebenso zu wah- ren wie das Gebot der ärztlichen Schweigepflicht und der vertrau- ensvollen Kooperation mit dem Patienten.

Arzteinkommen sinkt deutlich

Dr. Eckart Fiedler, der Hauptge- schäftsführer der Kassenärztli- chen Bundesvereinigung (KBV), Köln, sezierte in seinem Korreferat noch einmal die politischen Hin- tergründe und die soziotechni- schen Einzelheiten der sogenann- ten Bagatellarzneimittelliste (im Grunde gibt es überhaupt keine Liste für Medikamente bei „Be- findlichkeitsstörungen"), wie sie zum 1. April dieses Jahres Gesetz wurde. Fiedler legte Wert auf die Forderung maßgeblicher FDP-Po- litiker, bereits bis Ende dieses Jah- res (und nicht erst, wie es vom Parlament beschlossen worden ist, bis 1984) die Auswirkungen bei der Anwendung des § 182 f RVO sorgfältig zu beobachten und zu analysieren, um möglichst schnell korrigierende Konsequenzen dar- aus zu ziehen.

Tour d'horizon der Berufspolitik

Schlaglichter vom Internationalen Fortbildungskongreß der Bundesärztekammer in Davos

76 Heft 18 vom 6. Mai 1983 80. Jahrgang

DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT Ausgabe A

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Fortbildungskongreß Davos

Infolge der inflationären Entwick- lung und der nunmehr eineinhalb Jahre unveränderten Honorarver- träge sei es nicht ausgeblieben, daß die Realeinkommen der Ärzte- schaft in den letzten Jahren effek- tiv zurückgegangen sind. Daß dar- unter die Investitionsfreude der Ärzteschaft gelitten habe, verstehe sich beinahe von selbst. Fiedler kündigte Rechtsstreite bis zu den höchsten Gerichten für den Fall an, daß es in der Honorarfrage per 1. Juli 1983 keine Einigung mit den noch taktierenden und zögernden Krankenkassen gebe.

Auch die längst erwartete „Ärzte- schwemme" sei bereits Realität, betonte Fiedler. 1982 hätten sich 5,6 Prozent mehr Ärzte neu nieder- gelassen als in 1981. Da sich nur 3,3 Prozent niedergelassene Kolle- gen wegen Überalterung zur Ruhe gesetzt haben, resultierte daraus in 1982 eine Nettozunahme der Zahl der niedergelassenen Kas- sen-Vertragsärzte um 2,3 Prozent.

Die „Ausscheidequote" dürfte in den kommenden Jahren weiter stark zurückgehen, da sich die Alterspyramide stark verschieben wird.

So ist in den kommenden Jahren mit einem Nettozugang an nieder- gelassenen Kassenärzten von vier bis fünf Prozent pro anno zu rech- nen. Daß daraus nicht nur für die bereits praktizierende Ärzteschaft, sondern auch für die nachrücken- de junge Ärztegeneration erhebli- che existentielle Probleme mit schwerwiegenden Folgen für die ärztliche Versorgung der Bevölke- rung resultieren, liegt auf der Hand.

Die jetzt vom Bundesarbeitsmini- ster Dr. Norbert Blüm vorgeschla- gene Vorbereitungszeit von 18 Monaten (ein entsprechender Re- ferentenentwurf liegt vor und wird jetzt vom Bundesrat beraten) wird von der KBV als nicht ausreichend angesehen, aber dennoch als Inte- rimslösung notgedrungen tole- riert, zumal in Aussicht gestellt wurde, die 18 Monate möglichst auf 24 Monate aufzustocken.

Die Diskussion zu den beiden Re- feraten unter Leitung von Sani- tätsrat Dr. Herbert Micka, dem Prä- sidenten der Ärztekammer des Saarlandes, kreiste um die The- men: Kostenexpansion, Ärzte- schwemme, Honorarpolitik, Nega- tivliste und Krankenhausreform.

Probleme der Selbstbeteiligung Der Vorschlag eines Diskutanten, anstatt der auf 2 DM erhöhten Arz- neimittelbeteiligung zu einer pro- zentualen Beteiligung (bis zu einer sozial tragbaren Obergrenze) überzugehen, wurde von Dr. Fied- ler als aus ärztlicher Sicht begrü- ßenswert apostrophiert. Solches sei aber politisch nicht durchsetz- bar gewesen, obwohl die Ärzte- schaft sowie die pharmazeutische Industrie dies frühzeitig forderten.

Frau Dr. Ingrid Hasselblatt, Chir- urgin aus Frankfurt, Stellvertreten- de Vorsitzende des Hartmannbun- des: Wenn schon Selbstbeteili- gung und Sparopfer in der gesetz- lichen Krankenversicherung, so müsse dies für den Patienten ein- sichtig sein, damit er sein Verhal- ten darauf ausrichten könne. Aber gerade dies bewirkten die 5-DM- Sparopfer beim Krankenhausauf- enthalt und die Negativliste nicht!

Dr. Fiedler warnte davor, den von

ZITAT

Verlockungen

„Jeder Krankenhausverwal- tungsleiter muß in eine transformierte Geld- und Fi- nanzierungsgeilheit hinein- geraten, wenn ihm die Vor- haltungskosten von einem Dritten bezahlt und quasi ge- schenkt werden."

Prof. Dr. med. Ulrich Kan- zow, Chefarzt der Medizini- schen, Klinik II der Städti- schen Krankenanstalten So- lingen beim XXXI. Internatio- nalen Fortbildungskongreß der Bundesärztekammer in Davos

den Krankenhäusern beklagten angeblichen Investitionsstau in Höhe von 15 Milliarden DM da- durch abbauen zu wollen, daß das geltende duale Finanzierungssy- stem auf die monistische Finanzie- rungsart umgestellt würde. Daraus würde zwangsläufig resultieren, daß der durchschnittliche Bei- tragssatz von derzeit 12 auf künf- tig rund 13 Prozent erhöht werden müßte. Und zudem drohe die Ge- fahr, daß die übrigen Leistungser- bringer zugunsten der Kranken- häuser geknebelt würden. Dr.

Friedler: „Es kann unter keinen Umständen hingenommen wer- den, daß sich der Staat weiter aus seiner Verpflichtung heraus- stiehlt!"

Dr. Erwin Hirschmann, Bundes- vorsitzender des Verbandes der niedergelassenen Ärzte Deutsch- lands (NAV), München, legte ein

„Veto" ein, die Beteiligung im Arz- neimittelbereich als einen ersten Einstieg für eine allgemeine Selbstbeteiligung im kurativen Sektor der ärztlichen Versorgung anzupeilen. Lediglich eine prozen- tuale Beteiligung bei Arzneimit- teln, die dem Patienten die Kosten vor Augen führe, sei operational.

Auch bei Zahnersatz und „kosme- tischen Leistungen" sei eine fi- nanzielle Zuzahlung der Versi- cherten angebracht.

Auch Dr. Gustav Osterwald, der Präsident der Ärztekammer Nie- dersachsen und Vizepräsident der Bundesärztekammer, Oldenburg, warnte davor, mit Selbstbeteili- gungsverfahren gleichsam wie mit einer Dampfwalze zu verfahren.

Die Selbstbeteiligungsvorschläge sollten vorsichtig beurteilt und ih- re vielfältigen Steuerungsauswir- kungen bereits antizipiert werden.

„Heckenschnittartige Sparmaß- nahmen" hätten nicht immer nur Segen bewirkt, wie die Einsparun- gen bei den freien Heilkuren nach- drücklich vor Augen führten. Die Ärzteschaft müsse besonders ver- antwortungsvoll Reformvorschlä- ge durchleuchten und konzipie- ren, um sich selbst nicht untreu zu werden. Dr. Harald Clade Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 18 vom 6. Mai 1983 77

Referenzen

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