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Archiv "Euthanasie gestern – Sterbehilfe heute?: Wo kommt das Ethos her?" (25.02.1988)

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sich Weizsäcker in gleicher Weise wie Klaus Dörner weder von theolo- gischer noch von juristischer Seite unterstützt, sondern letztlich ganz auf den Grundsatz der Gegenseitig- keit und der Solidarität im Verhält- nis von Ärzten und Kranken verwie- sen, wie er in seinem hier zum The- ma gehörigen Aufsatz über „Eutha- nasie und Menschenversuche" aus- führt (GS VII, 91 ff).

Prof. Dr. med. Dieter Janz Klinikum Rudolf Virchow Freie Universität Berlin Spandauer Damm 130 1000 Berlin 19

Wo kommt das Ethos her?

Der Aufsatz hat verdeutlicht, daß ärztliche Ethik Dreh- und An- gelpunkt medizinischen Denkens und Handelns ist. Dabei blieb je- doch unerörtert, daß die Arztethik als ein Binnenzentrum der Struktur medizinischer Ethik in einem Wech- selwirkungszusammenhang mit de- ren anderen beiden Binnenzentren steht, der Patientenethik und der Sozialethik . . . Aus sozialethischer Verpflichtung muß der Arzt hinwir- ken auf eine Patientenethik, in der das Loskommen vom Arzt und eine Hinwendung zu den Menschen und Dingen gesunder Lebensbereiche Maximen sind. Erst wenn eine sol- che Einwirkung auf den Patienten in Ermangelung einer entsprechenden ethischen Haltung des Arztes nicht gegeben ist, dann kommen Hilfesu- chende auf den Gedanken, das Be- gehren nach sterbefördernden Maß- nahmen an den Arzt zu richten.

Dann ist ja das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient auch schon zerrüttet. Vertrauen gegen- über einem handelnden Subjekt kann sich nur da ausbilden, wo kei- nerlei Zweifel über die Richtlinien des Handelns dieses Subjekts beste- hen. Im Falle medizinischen Han- delns bedarf es somit der Gewißheit, daß der Arzt für nichts anderes in Frage kommt, als ihm anvertrautes Menschenleben bis an die naturge- setzte Grenze zu erhalten (selbstver- ständlich gehört die Sterbelinderung zum Problemkreis der Leidenslinde- rung, somit zur Pflicht des Arztes, und hat mit Sterbeförderung nichts

zu tun). Jede diesbezügliche Ab- schwächung untergräbt das psycho- logische Fundament der Arzt-Pa- tient-Beziehung unkorrigierbar.

In diesem Zusammenhang lohnt es, sich zu verdeutlichen, daß ärzt- liches Berufsethos nicht aus „gesun- dem Menschenverstand" erwächst, der Mediziner also sein Ethos nicht

„mitbringt", sondern es in der Arzt- sozialisation erwirbt. Dieser Aspekt scheint mir überaus wichtig, ist von Prof. Dörner aber ebenfalls nicht aufgegriffen worden. Seine zum Schluß gestellte Frage: „Wo bleibt der hippokratische Eid?" könnte zu der Annahme führen, daß alle, die den Eid geleistet haben, dessen ethi- sche Maximen auch verinnerlicht hätten, so daß diese bei abweichen- dem Verhalten lediglich „ange- mahnt" zu werden bräuchten . . . Die Frage müßte eher lauten: Wie wird eine ethische Haltung überein- stimmend mit dem hippokratischen Eid? Und die Antwort: im Prozeß der Ausbildung und Erziehung von Ärz- ten . . . Stellt man anheim, daß der Arzt einem beseelten Wesen Rech- nung tragen müsse, ohne dessen gei- stige Assistenz möglicherweise alle therapeutischen Bemühungen nutz- los bleiben . . . , entsteht unter den Nachwuchs-Medizinern sehr schnell der Verdacht, hier votiere ein „Psy- cho-Freak". Daß solche Einstellun- gen eher den Weg zum Heiltechniker als zum Arzt ebnen, ist wohl eine be- rechtigte Sorge . . . Die Möglich- keiten zur Identifikation an Vorbil- dern . . . sind außerordentlich ge- ring . . . , vor allem im Hinblick auf medizinische Probleme, da technolo- gische Unterrichtsziele dominieren.

Es ist daher überlegenswert, ob die medizinische Ethik weiterhin Neben- thema der ärztlichen Ausbildung sein oder aber in absehbarer Zeit zum Ge- genstand systematischer Betrachtun- gen im medizinischen Unterricht er- hoben werden sollte.

Dr. med. Klaus M. Beier Leibnizstraße 31

1000 Berlin 12

Selbstbestimmung

Schon in der Überschrift steckt ein Denkfehler, der dann im Text wiederholt wird: Euthanasie, wie sie

von Ploetz, H. St. Chamberlain und wohl auch von Viktor v. Weizsäcker gefordert und vom Nationalsozialis- mus in die Tat umgesetzt wurde, war eine staatliche Maßnahme, bei der Institutionen oder Einzelpersonen bestimmten, was lebensunwert ist.

Bei der Sterbehilfe, deren gesetzli- che Anerkennung heute gefordert wird, bestimmt der leidende Mensch selbst, ob er sein eigenes Leben noch für lebenswert hält. Das hat dann nichts mit einer positiven oder negativen Bewertung des Lebens an sich zu tun und erst recht nichts mit dessen Nützlichkeit oder seiner in- dustriellen Brauchbarkeit. Ich be- zweifle auch, daß die von Dörner mit Recht kritisierten Programme, zum Beispiel von Binding und Hoche, etwas mit liberaler Selbstbe- stimmung zu tun hatten; denn auch sie setzten Fremd- an die Stelle von Selbstbestimmung.

Man vermag der von Dörner vertretenen Auffassung, daß dem Grundwert der Selbstbestimmung ein anderer Grundwert gegenüber- gestellt werden muß, Anerkennung zollen.

Aber es ist nach meiner Mei- nung empörend, was er der Patien- tin von Hackethal zumutet. Als ob es deren Qual, fürchterlich entstellt zu sein, im geringsten gelindert hät- te, wenn sie sich einmal in Beglei- tung ihres Arztes den Menschen ge- zeigt hätte, die in ihrer Mehrzahl sich entweder mitleidig oder entsetzt von ihr abgewandt hätten.

Ich halte es auch für einen Denkfehler, wenn Dörner zwar — und insofern mit Recht — davor warnt, die Entwicklung von 1890 an zu übersehen, aber selbst an Tradi- tionen anknüpft, die durch eine auf die Aufklärung folgende Entwick- lung in Frage gestellt sind.

Es mag jeder für sich entschei- den, ob er sich in seinem Handeln auf christliche Grundsätze beruft.

Diese aber zur Grundlage staatlicher Entscheidungen, also auch zur Grundlage von Gesetzen zur Sterbe- hilfe zu machen, erscheint mir nicht berechtigt.

Dr. med. L. Leonhardt

Arzt — Psychotherapie Kronprinzenstraße 18 7570 Baden-Baden

Dt. Ärztebl. 85, Heft 8, 25. Februar 1988 (27) A-417

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