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Berufsverbände zwischen gestern und heute

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Academic year: 2022

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RE G U L A ST Ä M P F L I

Die Berufsverbände in der Schweiz sind durch die wirtschaftliche Globalisierung und die postnationale Politik mehr und mehr gefordert. Die verbandsinternen Strukturen reichen meistens nicht aus, um effizient, sachbezogen und mit demokra- tischer Legitimation gute politische Lösun- gen für den eigenen Verband zu finden und durchzusetzen. Oft begnügen sich die grossen Berufsverbände in der Schweiz damit, den Besitzstand so lange als möglich zu bewahren und das Schlimmste zu verhindern. Diese Politik entspricht aber nur einer kurzfristigen Lin- derung struktureller Probleme, und sie birgt im Kern die mögliche Destruktion und Auflösung in sich.

Hohe Kommunikationsfähigkeit gegen aussen und hohe Kommuni- kationsbereitschaft gegen innen

Der moderne politische Entscheidungs- prozess basiert heutzutage weniger auf der Repräsentation, das heisst auf der Wahl geeigneter Personen zur Vertretung wichtiger Politiken, sondern immer mehr auf der Kommunikation. Gefragt sind deshalb nicht nur die guten Verbindungen zur Aussenwelt, sondern auch die funk- tionierenden Netzwerke im Innern. Ein Verbandspräsident mag zwar kraft seines Amts und seines professionellen Gewichts nach wie vor eine wichtige Rolle spielen, reicht aber allein nicht aus, um den Ver- band als solchen und dessen Anliegen auf allen Ebenen zu vertreten. Zudem garan- tiert ein starker Präsident allein auch keine funktionierende interne Kommunikation.

Ein moderner Berufsverband braucht im- mer beides: hohe Kommunikationsfähig- keit gegen aussen und hohe Kommunika-

tionsbereitschaft gegen innen. Diese Fähigkeiten können nur durch eine we- sentliche Demokratisierung der Verbands- strukturen und durch die gleichwertige Beteiligung der unterschiedlichen Fraktio- nen und Gruppen erreicht werden. Ist ein System von «Checks and Balances» durch ausreichende Beteiligung der unterschied- lichen Interessen gegeben, verfügt der Verband gleichzeitig sowohl über eine hohe interne als auch externe Legitima- tion.

Regionale Repräsentativität ist überholt

Wenn wir dies nun auf die konkrete Si- tuation der FMH übersetzen, so fallen fol- gende Nachteile ins Auge: Die regionale Repräsentativität der Delegationen ent- spricht nicht mehr den sachbezogenen Politiken, denen sich die Ärztegesellschaft als Berufsinteressenorganisation stellen muss. Nicht der Unterschied zwischen einem Zürcher und einem Genfer Arzt fällt heutzutage mehr ins Gewicht, sondern der Unterschied zwischen den berufsstän- dischen Interessen eines Allgemeinprak- tikers und denjenigen eines Chirurgen beispielsweise, von den unterschiedlichen berufsständischen Interessen einer Psych- iaterin ganz zu schweigen. Diese sach- bezogenen professionellen Divergenzen müssen in einer Berufsdachorganisation auch in entsprechend dossierorientierten Arbeitsgruppen und Kommissionen ihren Ausdruck finden. So fühlen sich alle ver- treten und haben auch verbandsinterne Sprachrohre, um ihren unterschiedlichen Politiken Nachdruck zu verleihen. Die Unabhängigkeit der Kommissionen muss zudem garantiert sein, genauso wie auch deren Entscheidungskraft in den sie betreffenden und zu entscheidenden Dossiers.

Die verbandsinterne Legitimation und Ef- fizienz wird dadurch in jedem Fall erhöht.

Die wesentlichen Sachgeschäfte werden in Teamarbeit ausführlich behandelt und diskutiert, sodass schliesslich gute Lösun- gen präsentiert werden können. Damit funktioniert dieser Input von unten nach oben. Voraussetzung für das Funktionie- ren solcher Modelle ist die demokratische Zusammensetzung des Verbands insge- samt. Dazu gehört die demokratische Zu- sammensetzung der Exekutive nach poli- tischen und berufsständischen Kriterien (möglichst mit einem Co-Präsidium oder rotierendem Vorsitz, was wiederum hohe verbandsinterne Kommunikationsfähigkeit fördert und fordert) ebenso wie auch die Mitsprache und das Entscheidungsrecht der Kommissionspräsidenten der diversen Sachkommissionen (die ihrerseits von den Kommissionsmitgliedern gewählt und nicht einfach vom Präsidenten ernannt werden!).

«Checks and Balances»

Ein moderner Berufsverband stellt sich neuen Herausforderungen am besten mit dem demokratischen Verständnis von po- litischem Verhandeln unterschiedlicher In- teressen in einer Struktur von unten nach oben und einem ausgeklügelten System der «Checks and Balances». Jeder Macht muss eine Gegenmacht zur Seite gestellt werden. In der modernen Mediendemo- kratie heisst dies auch, dass externe Kom- munikation des Verbands gleichzeitig auch interne Kommunikation des Ver- bands ist. Dies bedeutet aber auch, dass der eigene Verband hinter allgemein be- schlossenen Politiken stehen muss, damit die Interessenwahrung funktioniert. Das heisst aber nicht, dass die Pluralität der In- teressen verneint wird, im Gegenteil. Die unterschiedlichen Politiken werden kana- lisiert, sie erhalten Mitwirkungsrechte und

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Berufsverbände zwischen gestern und heute

Worin besteht aus politologischer Sicht eine professionelle,

effiziente und sachpolitisch vernünftige Verbandspolitik?

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Kommunikationsmöglichkeiten. Was re- sultiert aber daraus, wenn aufgrund der hierarchischen Aufteilung des Verbands die Ausrichtung der Verbandspolitik völlig im Dunkeln oder im Konflikt liegt? Dann wirkt die Präsidenten- oder Vorstands- kommunikation nur noch destruktiv. Und zwar gegen aussen als auch gegen innen.

Ein Berufsverband ist dann erfolgreich, wenn er seine Mitglieder bei der Stange hält und ihnen Strukturen gibt, demokra- tisch mitentscheiden zu können; wenn er als Interessenverband Politiken vertritt, die dem eigenen Berufsstand nützen und ihn stärken; und wenn er als Repräsentant einer Berufsgruppe in der dargestellten Öffentlichkeit über ein positives Image verfügt. Wenn wir uns die Situation der Halbgötter in Weiss in den letzten zehn Jahren vor Augen führen, dann fällt die Analyse negativ aus: Die Politiken der Ärz- tegesellschaft scheinen sowohl intern als auch extern höchst umstritten, politische

Lösungen sind noch lange nicht in Sicht, und das Image der Ärzte hat in der Öf- fentlichkeit nicht nur durch die Kunst- fehler einzelner, sondern auch durch die wahrgenommene Politik der FMH erheb- lich gelitten. Die Ärztegesellschaft ist, wie übrigens viele andere Berufsverbände in der Schweiz auch, durch die Moderne enorm gefordert. Es wäre an der Zeit, im Land der direkten Demokratie mal über die Grenzen hinauszuschauen und euro- päische Modelle moderner Verhandlungs- techniken, «Checks and Balances» von Macht und Gegenmacht und verbandsin- terner Demokratisierung anzuschauen.

Strukturreformen sind meistens dann er- folgreich, wenn sie im Rahmen der

«collective agreements» stattfinden, das heisst harter Verhandlungen zwischen Geben und Nehmen. Ein Konzept, das oft der helvetischen Rosinenpicker-Mentalität in der Politik diametral widerspricht. Doch die Zeiten, in welchen man sich als Be-

rufsverband in der Politik wie in einem Selbstbedienungsladen aufführen konnte, sind unter dem Druck der internationalen Liberalisierung vorbei. ●

Anschrift der Autorin:

Dr. phil. Regula Stämpfli Politikwissenschaftlerin Lindenhofstrasse 12 3048 Worblaufen Tel. 031-921 25 52

Die Autorin unterrichtet am MAZ (Schweizer Journalistenschule) und ist Autorin des Buches

«Vom Stummbürger zum Stimmbürger. Das Abc zur Schweizer Politik», Orell Füssli, Zürich 2003.

Dieser Beitrag erschien zuerst in

«Synapse» 4/04 (Juni).

Der Nachdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung.

Berufsverbände zwischen gestern und heute

Unabhängig?

In dem Interview in ARS MEDICI 15/04 (S.761) mit Herrn Pro- fessor Monsch, dem Leiter der Memory Clinic Basel, wird auf eine im «Lancet» erschienene Studie Bezug genommen, welche den Nutzen von Acetylcholinesterasehemmern bei Alzheimer-Patienten in Zweifel zieht. Professor Monsch geht mit dem «Lancet»-Artikel hart ins Gericht. Korrekterweise erwähnt er: «Wir haben selbst an mehreren Studien (inkl. der Zulassungsstudien) teilgenommen...» Da stellt sich für mich

die Frage, inwiefern die Stellungnahme von Professor Monsch als unabhängig zu qualifizieren sei oder ob gegebenenfalls Interessenkonflikte bei seiner Beurteilung der Publikation eine Rolle spielen könnten.

Dr. med. Peter Flubacher Hammerstrasse 177, 4057 Basel

E C H O É C H O

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