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Zum Namen der syrischen Bibelübersetzung Peschitta.
Von Eberhard Nestle.
In der Einleitung in das Alte Testament . . . von Eduard
König (Bonn, 1893) lese ich S. 119 f. zum Namen der syrischen
Bibelübersetzung :
,Hier lassen sich einige sprachliche Vorbemerkungen zur Ver¬
ständigung nicht umgehen. Auszusprechen ist Pesch[ittä] wahr¬
scheinlich mit Doppel-f; denn es giebt meines Wissens
keine Beispiele (auch Nöldeke, Syr. Gramm. 1880, § 26 er¬
wähnt keins) , in denen der stärkere emphatische Laut
t beim Zusammentreffen mit t ebenso verklungen wäre,
wie das t, wenn es mit anderem t, oder wie das schwächere d,
wenn es mit t zusammenstiess. Ohne sicheren Grund hat also
Buhl [Kanon und Text des A. T. 1891] S. 186 die Aussprache
mit verschlucktem t als die absolut gewisse hingestellt.'
Ich nehme dabei an, dass Buhl wirklich das meinte, was man
bei ihm liest:
,gespr. p"ktä ohne t; mit deutschem Artikel : die p°sitä [sie]',
(nach der letzteren Form könnte man auch meinen, dass er drucken
wollte „gespr. p'Sltä ohne t');
ich kann nun aber nicht verstehen, warum König Buhl's Angabe
bezweifelt, noch weniger wie er zu seiuer Bemerkung über Nöldeke
kommt, welch letzterer in dem angezogenen § doch ausdrück¬
Uch schreibt:
„Ein ^ [t] j [d] fällt vor dem L [t] eines Suffixes
weg in Fällen wie lK. \.-s\ 'abbitä (oder'abbitta?, westsyrisch
" * " s>
wohl 'abbitö) „dichte'; j K ^ . » oi „einfache"; ^fc^^^jt „verachtet', jj^^jS. „verfluchtest"; v.O)ü.^^Ajl/ »gabst ihm Gewalt".
Also fünf Beispiele bei Nöldeke statt „keines" ! Und das letzte
derselben wird ganz ebenso schon von Bar-Hebräus angeführt, der
in seiner grössern Grammatik (bei Martin I, 197 f.) die Regel
folgendermassen formulirt :
158 Nestle, Zum Namm der syrischen Bibelübersetzung Peschitta.
„Jeder ruhende Consonant verbirgt sich bei (in) einem iden¬
tischen vocalisirten nach ihm, seis im Innem des Wortes (z. B.
0)}^ao), seis bei getrennten Wörtern (z. B. \>\2>)'
und dazu die Anmerkung macht:
„Wie bei identischem Consonanten, so vyird auch bei ver¬
wandtem ausgesprochen ; der erste ruhende, indem er in
der Weise des zweiten vocalisirten sich verwandelt,
versteckt sich als identischer in ihm; z. B. j. mit
QuSsaj [t] im ..^[t] und umgekehrt. Das erstere in fca^^
'•f^?' andere in JioL .^AS, oder im
Psalm : J»^iO O^Ji>^^M.^ ; das aspirirte j im dageschirten j.
Die Stelle aus Bar-Hebräus wurde schon von Abb6 Martin
(Syriens Orientaux 1872, 358) besprochen, doch nur mit Beziehung
auf das, was BH weiterhin über das Zusammentreffen von rt, n
und y ausführt, dann von Duval p. 106, indem er nur das letzte
Beispiel des BH unerwähnt lässt, die andern aber attaliä, dsittabhiä ;
pälfettaurä, Ijäbhfettalgä umschreibt. Aber diese Umschreibung
widerstreitet in ihrem zweiten Theil der ausdrücklichen An¬
gabe des Bar-Hebräus. Nach ihm ist der zweite vocalisirte
Consonant massgebend, mag das nun der emphatische
sein oder nicht; fco/ wird also allerdings attaliä , oder
(nach BH) sogar ataliä ; j?oI. ^^o» dagegen wird (nicht pälettaurä,
wie Duval sagt, sondern) pälettaurä, oder (nach BH) vielmehr
päletaurä ; dem entsprechend wird wO)..fc>^Ajt/ aSlettä'h', beziehungs¬
weise asletä'h"). Auch in der kleineren Grammatik, V. 150 (II,
39, 2 bei Martin) sagt BH ausdrücklich, dass in ö)l^s^\«./ und
Oifci^wL das „gestohlen" werde. Also wird auch JN^.-Ny ,
vrie Nöldeke ganz richtig schrieb ('abbittä oder) 'abbitä und dem¬
entsprechend j\ ^.yO> (peSittä oder) pesitä gesprochen, wie Buhl
ganz recht sagt „ohne <". Ob wir dabei das ursprüngliche lange
i uns gekürzt und dann wieder gedehnt zu denken haben, bleibe
dahin gestellt. Jedenfalls ist es selbstverständlich , dass wir bei
unserer Umschreibung des Namens nicht die verwaschene Aus¬
sprache der späteren Syrer befolgen, sondern die etymologisch und
historisch richtige Pesittä oder Peschitthä; die letztere falls man
D durch t und J. n durch th wiedergiebt. Nur Pesitthä ist
unrichtig, wenn th das aspirirte n L, im Unterschied vom dage-
1) In seinen Scholien hat er zu der betreffenden PsalmsteUe (8, 7) keine Anmerkung.
Nestle, Zum Namen der syrischen Bibeliibersetzung Peschitta. 159
schirten n -JL; da das n dieser Formen, wie König richtig bemerkt,
das dem hebräischen Dagesch lene entsprechende QuSsäj hat.
2) König bemerkt nun aber weiter, es sei richtiger nach dem
[deutschen] Artikel das syrische Wort im stat. abs. zu setzen, also
,die Peschitä" (j ^-^o> ) zu sagen, da die obige Form, der status
emphaticus, ursprünglich schon den Artikel enthalte. Ganz gewiss;
und so sagen wir allerdings nicht ,die ^ xoivtj' oder „der" bezhw.
„das hat-Targum", wie man auch in neuerer Zeit sich abgewöhnte
der „AI-Koran" zu sagen. Sollen wir aber deswegen künftig auch
von einem Cottaischen „Musen-Manach" reden oder ein Zimmer mit
einem „Kofen" statt einem „Alkoven" miethen wollen? Sicher nicht;
König selbst erwäbnt in diesem Zusammenhang „das dem hebr.
Dag. 1. entsprechende „Quschschaj a" (im st. emph.), wo der
Schreiber dieser Zeilen mit anderen der Kürze wegen schon QusSaj
zu sagen sich gewöhnt hat. Beim Namen „Peschittä" dürfen wir
es aber getrost beim alten lassen.
3) Was die Bedeutung des Namens angeht, so freut es
mich, dass König die von mir vertheidigte festhält und nicht mit
Buhl und Wellhausen die von Field aufgebrachte und von Nöldeke
vertretene annimmt, als ob es im Gegensatz zur Hexapla die änXij
bezeichne. Schon der Umstand spricht gegen diese Deutung, dass
cen Xce ävriygacpa im Griechischen , soweit mir bekannt , nur an
den von Field nachgewiesenen zwei Stellen als Gegensatz von Hexapla sich findet ; Königs Prage, ob „einfach" bedeuten konnte „nicht aus dem sechsfachen Werke stammend" ist insofern für das Griechische
zu bejahen ; im Syrischen allerdings schon weniger ; noch mehr der
Umstand, dass Peschittä in den ältesten Zeugnissen ja nicht bloss
das Alte Testament, im Unterschied von der hexaplarischen Ueber¬
setzung, sondern auch und zunächst das Neue gegenüber der Ueber¬
setzung des Thomas von Heraklea bezeichnet. Es wird dabei bleiben,
der Name charakterisirt sie als die syrische „Vulgata", wie letztere
von Abb6 Martin sehr richtig la Pechito des latins genanut
wurde. Die Belege über den Gebrauch des Wortes üuce, die man
jetzt im Thesaurus Syriacus nachsehen kann , werden wohl den
letzten Zweifel an dieser Möglichkeit heben.
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Entgegnung.
Von Walter Neisser.
Gegen einen Theil meiner in Bezzenberger's Beiträgen 17, 244 flf.
veröffentlichten Ausführungen über „Vorvedisches im Veda" hat von
Bradke oben 45, 682 ff. Einwendungen erhoben, zu denen Stellung
zu nehmen ich mich verflichtet fühle , damit man mein Schweigen
nicht für Zustimmung halte.
Wer RV. 10, 39, 9 yuväm rbisam taptam Ätraya oman¬
vantam cakrathuh unvorbereitet liest, wird omanvant für das
Gegentheil von tapta „heiss" halten und den Satz so verdeutschen:
„ihr habt dem Atri den heissen Schlund gekühlt". Es wäre hier¬
nach Oman = Kühle, Kälte. Dieser Auffassung tritt nun zunächst
die Thatsache entgegen, dass unserem omanvantam'RY . 1, 112, 7;
8,73, 7 in übrigens gleichem Zusammenhang omyävantam und
dvantam entsprechen, die nur auf av "helfen" bezogen werden
können. An einer vierten hierher gehörenden Stelle , 7,69,4,
findet sich auch das verbum finitum avathah „ihr helft" neben
oman. Und 1, 118, 7 omdnam adhattam, 7, 68, 5 omdnam
dadhate, welche Phrasen ebenfalls auf den Atri gewährten Beistand
anspielen, enthalten wiederum in oman ein derivat von av „helfen" ;
vgl. 6, 50, 7 omdnam dhäta. Der Vers 10, 39, 9, der uns
oman = Kälte setzen liess, bleibt anscheinend isolirt. Der Schein
trügt jedoch, da, vsde ioh a. a. 0. näher begründet habe, an eben
den fünf soeben citirten Stellen, die uns oman auf av „helfen" zn
beziehen zwingen , der Zusammenhang des Satzes eigentlich einen
Ausdruck für „Kälte" fordert —, ein Dilemma, das ich durch die
Annahme zu lösen suchte und suche (denn ich halte all meine
Aufstellungen aufrecht), dass otnan in der vorvedischeu Erzählimg
von Atris Errettung "Kälte" bedeutete, von den vedischen Dichteru
aber, denen ein Wort dieses Sinnes fremd war, als Derivat der
ihnen geläufigen Wurzel av „helfen" umgedeutet wurde, wofür
mannigfache Analogien sich anführen lassen.
V. Bradke bestreitet, dass für oman aus dem Inhalt der be¬
treffenden Belege die Bedeutung „Kälte" sich ergebe. Er schreibt: