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Zur Geschichte der syrischen Typen.
Von Eberhard Nestle.
Auf dem Hamburger Orientalistenkongress hat Herr Johannes
Baensch-Drugulin das erste Exemplar seines Prachtwerks vor¬
gelegt „Marksteine aus der Weltlitteratur in Originalschriften. Zur Erinnerung an das fünfhundertjährige Geburtsfest des Altmeisters
Johannes Gutenberg erschienen im Jahre MCMII. Im Verlage der
Officin W. Drugulin in Leipzig'. In den Erläuterungen zu meinem in
Estrangelo gedruckten Beitrag zu diesem Werke habe ich einige
Mitteilungen zur Geschichte des syrischen Drucks in Europa ge¬
macht, S. 35—37 der zweiten Abteilung des Gesamtwerks, S. 14 f.
des vollständigeren, nur in 20 Exemplaren hergestellten Sonderdrucks.
Bei demselben Anlass war in Hamburg auf der Stadtbibliothek eine Ausstellung ihrer Seltenheiten von orientalischen Handschriften
veranstaltet worden, und wie ich mir dieselbe besah, stiess ich auf
einen Beitrag zur Geschichte der syrischen Typen , den ich nicht
verloren gehen lassen möchte. In den Marksteinen habe ich gesagt :
„am verdientesten wurde der österreichische Kanzler Johann Albrecht
Widmannstadt, der für sein 1555 in Wien gedrucktes Neues Testa¬
ment durch den aus Ellwangen gebürtigen Johann Krafl't sehr schöne
Typenstempel auf Cicero schneiden liess'. Ich habe dort nicht
angegeben, dass Widmannstadt bei dieser Ausgabe durch den s^'rischen
Priester Moses aus Mardin unterstützt wurde. Nun sah ich in der
genannten Ausstellung als Cod. or. 278 ein folgendermassen be¬
schriebenes MS. :
„Thesaurus rituum ecclesiasticorum , auf Befehl Kaiser Ferdi¬
nands I. von dem katholisch-syrischen Priester Moses Meridinaeus
im Januar 1566 zu Wien abgeschrieben. Gehörte Uö'enbach und
Wolf«.
In dieser Beschreibung ist die Jahreszahl 15G6 in 1556 zu
ändern; denn S. 304 der Handschrift heisst es: „Hunc librum
rituum ecclesiasticorum, qui Thesaurus inscribitur .... Dili Ferdi- nandi . . . iussu ex antiquissimo codice descripsit Moyses Meridinaeus Syrus presbyter catholicus , Viennae Austriacae , mense Januario,
Anno MDLVI". S. 310 ist das Datum auch noch syrisch gegeben,
Nestle, Zur Geschichte der syrischen Typen. 17
als Jahr der Griechen qqqS/, Jahr Christi ou/. Als ich die
Handschrift ansah, fielen mir sofort die Typen des Neuen Testaments
von 1555 ein, die aufs allergenaueste die Handschrift des Moses
von Mardin wiedergeben. Es wird in der Geschichte des Buch¬
drucks selten sein, dass man noch nach 350 Jahren die individuelle
Handschrift nachweisen kann, welche das Vorbild für die Druck¬
typen abgegeben hat wie in diesem Fall. Darum möchte ich, nach¬
dem ich an dem genannten Orte die Verdienste meiner Landsleute
hervorgehoben , hier auch noch dem Moses von Mardin seine Ehre
widerfahren lassen. Zugleich möchte ich die Fachgenössen darauf
aufmerksam machen, dass in der genannten Handschrift S. 313—14
die Nachahmung einer alten Schrift, eine Geheimschrift, sich findet, die ich nicht herausbringen konnte, auch nicht mit Unterstützung
eines gleichzeitig die Sammlung besichtigenden Fachgenossen. Sie
sei den Bemühungen der Hamburger Orientalisten empfohlen.
Bd. LVII.
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Änandavardhana's Dhvanyäloka.
übersetzt von Hermann Jacobi.
(Fortsetzung.)
Der ,Ton' mit gleichzeitig empfimdenem tieferen Sinn, welcher die Seele einer Komposition bildet, gelangt, wie allgemein bekannt,
im Rämäyana, Mahäbhärata und anderen Werken zum Ausdruck;
wie das geschieht soll jetzt gezeigt werden.
10—14^ Dass eine Komposition die Stimmung etc. zur Em¬
pfindung bringe, hängt von folgenden Bedingungen ab :
1) Der der Erzählung zugrunde liegende Stoff, sei er nun
gegeben oder vom Dichter erfunden, muss so beschaffen sein, dass
er durch die Angemessenheit der Faktoren , Gefühle , Effekte und
Konkurrenten schön ist.
2) Wenn der überlieferte Stoft' unpassende Dinge bietet, müssen
diese weggelassen und ein anderer, der beabsichtigten Stimmung
angemessener Lauf der Erzählung erfunden werden.
3) Die 5 Fugen (des Dramas) und. die zugehörigen Glieder')
müssen (vom Dichter) mit Hinsicht auf die Hervorbringung der
Stimmung angewandt werden, nicht aber bloss um den Vorschriften
des Sästra zu genügen.ö o
4) Die Hauptstimmung muss hin und wieder, je nach Um¬
ständen, verstärkt und geschwächt, und wenn sie erloschen zu sein
scheint, aufs neue belebt werden.
5) Auch wenn der Dichter erfinderisch in poetischen Figuren
ist, so darf er sie nur, so weit sie dem Zwecke entsprechen, anwenden.
Weil auch die Komposition die Stimmung etc. zum Ausdruck
1) Dio Fugen {sandhi) sind die fünf Eutwickelungspbasen der drainatiscben Handlung; und Glieder {anga) beissen die bei der Darstellung derselben an¬
gewandten Mittel. Darüber wird in der Dramatik gebandelt z. B. Dasarüpaka I 22 8.
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