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Zur Geschichte der syrischen Punctation.
Von Dr. Eberhard Nestle.
Durch die scharfsinnigen Untersuchungen von Merx über die ur¬
sprüngliche Form des syrischen Punctationssystems und dessen spätere Entwicklung ist dieses früher so dunkle Gebiet bedeutend aufgehellt
worden, und noch mehr Licht ist in den letzten Jahren über ein¬
zelne hiehergehörige Punkte durch die Forschungen und glücklichen
Funde von Abbö Martin und Wright verbreitet worden; noch
sind wir aber lange nicht so weit, dass auf alle auftauchenden
Fragen schon eine Antwort bereit wäre, und bei dem Mangel an
Quellen, aus denen wir unsere Kenntniss schöpfen können (die alten
Handschriften, deren Punctation wir untersuchen, uud die alten
einheimischen Grammatiker, deren Aussagen wir abhören können,
steheu uns ja leider nicht in der wünschenswerthen Menge zu
Gebot) müssen wir jede Kunde um so genauer benützen und darum
wird auch die folgende kleine Mittheilung nicht unwillkommen sein.
Der nachstehende Text ist genommen aus der Psalmenhand¬
schrift Add. 17125 des Britischen Museums, die wir mit Wright
dem Ylll. oder IX. Jahrhuudert zuzuweisen haben. Ausser dem
Psalmentext enthält dieselbe noch den Psalmencommentar des
Daniel von Salab (c 700) in abgekürzter Form, und hinter den
gewöhnlichen Anhängen zum syrischen Psalter einige kleinere Bei¬
gaben, ein Glaubensbekenntniss des Gregorius Thaumatour-
gos, einige Gebete des Philoxenus von Mabng, anderthalb
Seiten aus dem Psalmencommentar des Eusebius von Caesarea
nnd endlich (fol. 79 b) den anonymen Tractat, dessen Anfang bier
folgt. Wright bezeicbnet denselben (Catal. I, 125 a) einfach als
„A tract on the diacritical points and marks of punctuation" und
scheint übersehen zu haben, dass der zweite Theil desselben aus
dem bekannten grammatikalischen Tractat des Jakob von Edessa
fAdd. MSS. 12178, Rieh. 7183) entnommen ist. In der Ausgabe
von Phillips (London 1869) entspricht Seite ww«, 9 — jo, JO
dem in nnserer Hds. erhaltenen Stücke nnd an mebreren Stellen
3 8 *
52Ö Nestle, ztir Geschichte der syrischen Punctation.
kann und muss der Text der Ausgabe nach dieser Hds., der ältesten,
in welcher der Tractat erhalten ist, verbessert resp. vervollständigt
werden. Nach dem Beispiel für den Accent Jfcu.ijtL w.'»*, )ai.
(Phillips |o, 10) hört der Text in unserer Hds. auf mit der Be¬
merkung jjtovSo JjÄÖJ ^J)d^; dies beweist, dass was bei
Phillips noch folgt, ein neuer Abschnitt ist, eine hinzugefügte Er¬
klärung der Accente (^lO) ^ioa vÄCDoLfcj JJ/), und zwar so
ziemlich in der zuvor eingehaltenen Reihenfolge i).
Es entsteht nun die interessante Frage, ob auch der erste
Theil dieses Tractats dem Jakobus von Edessa, dem ältesten syrischen
Grammatiker, von dem etwas erhalten ist, angehört oder nicht-,
doch darauf antworten wir besser, nachdem wir das Stück gegeben
und übersetzt haben.
Ijojöjj |-iLOt_*>o J)-ÖQ_i "^»^ |_3vjt ooL
.^ovo? |to>\o.\? ^/ Jfc^VJOjo
♦..b^J j-LJ^J .)O-£»L60D JjßJO) ^ "^.iX .^j jpoQ, >^
doaj jOo .ya^ki yiiXj .-ijvopo -»»Jj w6)j Jjp/ .>jv.jq«2o
vayj Jisj .)cu£»LfcsX> }s>jo) ^ ❖'^voo./
^/ |*aajt w»^2DO .-loi w.otQoJJ» »Tii. .-vijj ^.6)? Jjp/ .n^iqjco
•♦-^ -^ä/ oifcoowo iiiiw )ai»o . jN«^
\JSs^l ^ ob) :|»JO)J OJ-»QJt J-Ai ob) QJO) :OjS. b.../ fc^b\.
1) Phillips hat den gnnzen Passus nicht vollständig verstanden, insbesondere
nicht den Zusammenhang zwischen den Worten J'^'^^ Jü/ ■OtV ■■'«
.))i3QJ1 )' 1 und dem aus Rieh. 7183 aufgenommenen Satz JJ6 Vs^J*»;
.• |j-V3? 1""*^^ Joopj , indem er übersetzt : „It is possible^
for a man to change the order of reading the points .... It is needful that there be one order of reading of j^^A etc." Mit \\\* beginnt, was schon der starke Accent .- hinter J ' -'| ^ anzeigt, die neue Aufzählung der Accente, und das vorausgehende sagt nur, dass einer (man) die Reihenfolge der Accente ändern könnte, dass es aber angemessener sei, eine und dieselbe (auch im folgenden Abschnitt) beizubehalten.
3 8 *
Nestle, zur Geschichte der syrischen Punctation. 527
. ^=>P - ^-'^ j2)oy»2i^ . fcwbX ^ oib^jX) -^JJ
:ja-\ ^^>^ ^? )oo»V=i<' )o*f? -Ol
JjÄw jooaij -ö) .^Z . «o)o)^/ Jyoa^ |jo) jjojoty o^-io«. w^jj
«ai^j .AjJJ W tJQ-S» jOo . öpoj^^o ^ jKboo opcx^^ ^
OiCSw ls-/ IS-l!^ ^O *) -fcjo/ : Jü^jo ^)
^ jjojofj otfcow^ '^rtOoN i^N-l 06) ^y ojo» :Jjj00j l^yojSw
pfccijQJ Jjo) .>i^ ^ ]»yo)y 0)1;- ^ 06) : )S-b\
jfcua^» '^ÄO .• ;»jy -oiy [80 a] |jp/ . ;^y >^ >\yQjeoy . 001
.^o) ^jy ^y ,$o>-Mo .vo»A/ )a*-^ J^j/ .y^jo^ ^
„Abschnitt über die Punkte und die Unterscheidungen der
Glieder (Formen, Worte) nnd Lesarten zur Belehrung des Lesers.
Jeder Punkt, der über das Glied (Wort) gesetzt ist, bezeichnet
das Imperfect, wie in der Psalmstelle (1, 3?): „was er thut, das
geräth wohl" (JoISjü Impf.), und der andern (114, 1): „als Israel
• >• -» >• ^
auszog" (jQÄJ Impf. = jq2u , jOq2u) . Dagegen jeder Punkt, der
unter das Glied gesetzt wird, bezeichnet das Perfect, wie in der
Stelle (Ps. 104, 4): „er hat seine Boten zn Wind gemacht" und
„er hat den Himmel wie ein Zelt ausgebreitet" und „er hat seinen
Wagen auf die Wolken gesetzt" (ib. v. 3 -.tco, und )ood
Perfecta). Wenn nun aber einer darüber und einer darunter ist,
und zwar der obere über dem Anfang des Wortes, der nntere aber
gegen die Mitte desselben von unten, so bezeichnet dies die zweite
Form im Perfect (das Pael), wie in der Stelle (Gen. 22, 3): Abra¬
ham ging aus am Morgen ()0jjä Perf. Pael). Wenn aber nur einer,
oben, über dem Anfang des Wortes steht, ist dies der Imperativ;
wie in der Stelle (Joel 2, 16): „der Bräutigam gehe heraus aus
seiner Kammer, und die Braut ans ihrem Gemach", und wie wenn
1) Ich hin nicht siclier ob einer der Punkte über j in jbwjo nichl unter das O) in OpO^,«0 gehört, das in der Hds. gerade darübersteht; auf einem Blatt mit mehr als 30 Linien ist es oft sehr .schwer sicher zu entscheiden, ob ein Punkt zur obern oder zur untern Zeile gehört,
2) Corrigirt in der Hds. in .
528 Nestle, zur Geschichte der syrischen Punctation.
dn einem Menschen befiehlst, dass er so und so viel thne, nnd so
und soviel bringe (^QS> scheint mir Participium sein zu sollen,
nicht Imperativ, dagegen sind und J6J/ Imperative). Wenn
aber (von) oben und unten Punkte beim Worte stehen, und zwar
der untere gegen die Mitte des Worts von unten, der obere am
Schlüsse desselben von oben, so bezeichnet dies das Femininum
im Perfect, wie in der Stelle (Ps. 45, 9): „Es steht die Königin
zu deiner Rechten" und in der andem (die ich nicht finden konnte) : Maria ging zu Elisabeth. Folgen Beispiele."
Zur grammaticalischen und lexicalischen Erklärang dieses ein¬
fachen Stücks ist nicht viel beizufügen.
jx)jO) in der Bedeutung Wort, Wortform findet sich auch in
dem von Phillips und Martin herausgegebenen Brief Jakobs
über Orthographie (Phillips J-, 4. 8 und dessen Tractat über Per¬
sonen und Tempora (Phill. o., 12. jjojo) fc^o/ Jxx^^bsS^).
Ih^'iß „lectiones" ist aus den Ueberschriften der syrischen
Massorahdss. (Martin, Journ. Asiat. 1869, II, 29 etc.) und sonst
wohl bekaunt.
In den beiden citirten Psalmstellen 1, 3 und 114, 1 haben
die gedruckten Ausgaben und die Hdss., soweit ich verglichen habe,
(1, 3 auch der Cod. Ambrosianus) das Participium )(>\»v^ und
jS^, nicht das Imperfect, und jaSU (oder sollte es .r>ö>T sein?) ist auffiillig.
|j0^wJ3, xoiTwv, bei Castellus fehlend, wird bei P. Smith S. 483
von jjoX^hkO nach einem syr. Scholion so nnterschieden, dass
letzteres sponsae usni dicatum est , jjfc^A i»Q^-wÄ ; selbstverständ¬
lich geht dieses Scholion auf die Joelstelle zurück, die bei Smith
fehlt.
•,.-NV < ij-iJ. j-^^t^ „das zweite nQoawnov im Perfect"
sollte man zunächst geneigt sein von der zweiten Person zu ver¬
stehen, vollends wenn man den Titel des Tractats |2»o .»3 ^^A2D
s3
)üjO und dessen zweites Capitel jSoj^ ^^^^«20 im Auge hat, wo
es heisst: Jfc\]. ^ JSo.vSs3 es giebt drei Personen, die erste,
die zweite und dritte. Das angegebene Beispiel aus Gen. 20, 3
zeigt aber, dass unter dem zweiten nQoaatnov hier das gemeint
ist, was gewöhnlich die zweite Conjugation genannt wird, das
Pael. Ob diese specielle Bedeutung auch sonst für das Wort belegt
Neetle, mr Geschichte der syrischen Punctatiou. 529
ist, weiss ich nicht. In seiner grossen Grammatik hat i sr Hebraeus
im Capitel über die Punkte einen besondern Abschnitt mit der
Ueberschrift jSOjVS ,..°^^*.Oii? >A^''^^. Martin übersetztes
mit „forme". „C'est le seul qui convienne, par sa gi'sneralite , ä
tous les exemples cites par le grammairicn" i) ; Barhebi aeus handelt
dort nämlich sowohl vom Verbum als vom Substantiv, und obwohl
in unserm Tractat das Substantiv und dessen diakritischer Punkt
nicht erwähnt wird, ist dasselbe doch eingeschlossen, wenigstens in
der Sammlung von Beispielen. Auf das bisher gegebene folgt näm¬
lich eine solche in der Hds. unter dem Titel jlS-VOj JjtovS und
wir geben hier dieselbe genau mit den Punkten, wie sie in der
Hds. stehen.
.Jbk-.>;-o; JjkO*;^
^? .oM o)^> .)oJ-o )o]-o «ia
JV }u Jtv \y ^/ .joiJD )oji» .(sic)^j(' V
.feoao ^:ao b^ -'^tr^ t«2a. lpi .l'|^ k^iL j^. JjJ.
. -fi^j/ fcio/ .K^j ^-a^Dj b^.3ib? .iSobu, bobw fco-b«
bjooD .1^1 tool fcojbl liaoi tojbl boöL .-b^)/ b^)/ b^jV
. Is\2o/ ' fcCicjo/♦ fcAso/ . l^fco/* fc^fc^/• fcj^/ . ls Yt 00• )^ Ha cx>•
l'«x>/ .jCoa jo^ iSfi-^«. boQ=^ No:^ .1^1/ ts\l/ bAi/
fc^vo Jvjo Ivjo --fc^!^ bü^Ksl^ .'♦»/ V»/.i;»/ l;»/
fc>«.'^«. b.,...'S>. .-Nxo ^.ajo ^.sxb .J\jo j\Jb .-Ivo b^vo 1^V9
00)00) .Joo)jöoi^) Jop) jyo/ jjoV . iLjo/fc-jo/fc^jo/ .bLpjt
>\2iajt >\20«, .tSSlSO boNO ^^l^ .^bO .OOO) OOO) .OO)
. iLlV b-tV '^'tV • j.lV jtV . -bOLJOit bOX^ bOXl«, .\\ Y) k.
1) Journal Asiat. 1872. I, 421.
2) Der Punkt iibcr O) ist nicht ganz sicher.
530 Neetle, zur Geschichte der syrischen Punctation.
^) .lijp\3> fca>V2) boOV3 IlSJp;2> lidOvS buO-»2» . d0;O) jp.^
jLoJDj .jaJsJo laibjb.luxut |u2ojt .lijcs) fcos) fco^jj .»)^) ^)
. JJq\ jyoi JJoi. . i^i» . )p\ . J:^ , )J.q»j
.Jb^ ^ .JLj U.J .Jao Jj^^ .j^.^
jj./ .JiJoit ^ .Jialjti- Ji=w .JalS^ Ji^S^ J^ .j^LV
.o^oi» .^^.jj./
Eine Uebersetzung dieser Liste beizufügen ist natürlich un¬
möglich, wohl aber ist zu bemerken, dass dieselbe grosse Aehn¬
lichkeit hat mit manchen in den sogenannten Massora-Hdss. sich
findenden Listen , z. B. in der von Martin beschriebenen Pariser 142
(Ancien Fonds; Zotenberg's Catalogue Nr. 64, .5. ii u. 12), den
Londoner 12178, .5. 7183, fol. 132 a, der Vaticanischen 152 (Assem.
B. 0. II, 499); mit keiner derselben ist aber die vorliegende
identisch, und dass sie nicht, wie manche der letztern alphabetisch
angelegt ist, ist ein Beweis für ihr höheres Alter. Stammt sie nun
aber, zusamraen mit dem vorausgehenden Abschnitt wirklich von
Jakob von Edessa, dem das in der Hds. folgende und durch die
Unterschrift mit diesem zusammengefasste Stück angehört? Wir
glauben kaum; denn in den erhaltenen grammatikalischen Schriften
Jakobs haben wir nicbts gefunden, was für ihn als Verfasser des
vorliegenden Stückes beweisend sein würde, auf der andern Seite
aber auch nichts, wesshalb wir ihm diesen Abschnitt absprechen
müssten. In dem von Martin und Phillips veröffentlichten Briefe
über syrische Orthographie kommt er nur kurz auf die Punkte zu
sprechen, und erwähnt nur einen ttber und einen unter der Linie:
^/ ^/ ÖM» bwbi. oj ÖM» ""^»^o jLoL/ jjj/ \ooo^j
*)jbajtA ^"<>^' ^O) .jjJDQJJ Jtv.-fm\ : „Ich muss wissen, zu
welchem Buchstaben, und ob über oder unter denselben ich die
Punkte zu setzeu habe; dies wird für diesmal genügen". Mehr
spricht er davon in dem von denselben Gelehrten herausgegebenen
Traktat über Personen und Tempora und dessen zweites und drittes
1) Der Punkt unter S in h^i2>] hat in der Hds. eine solclie SteUung, dass eher über j in JLq»J S"^"'^"
2) Phillips Ou, 2 ff.
Nestle, zvr Geschichte der syrischen Punctation. 531
Kapitel berühren sich mit unserem Stücke ziemlich nahe, während
der einleitende Abschnitt davon etwas abweicht. In diesem unter¬
scheidet Jakob (nach den griechischen Grammatikern) breite und
schwache Laute y^jÖJJo ^^\? JJLÖfcös, Saaka und xpiXa. Jedes
Wort oder Glied mit einenr dicken oder breiten Laut (Jfc^o J-^v «
Jip ) • bekommt einen oder besser den Punkt oben ^ ^J.
JjjQOi' ^ff ** j^des mit einem dünnen oder reinen Laut, unten,
bwb^ ^ ya» 0/ xr? ■ Wenn er aber ein mittlerer
ist, zwischen einem breiten und dünnen, und zwei Worte ihm gleich
sind den Buchstaben nach, bekommt es einen Punkt oben und
einen unten und dies Zeichen wird Mepagdänä genannt: ^
^Vl Jto-Ä^ o»^ ^Qä.j Jj-^/ ^VL I^Jo joao U^'i wOtob«/
|i, ^^>r» OO) Jvcbooo bwb^ ^ ^ ^^jajk jjjÖOJ
jvi jouib ■ Ein weiteres Beispiel für Mepagdänä giebt er im
nächsten Kapitel, wo er die erste Person Jjo/ (= Jjo? ich will
bekennen; Punkt oben) von der zweiten Jjo/ (= jjo?, Imper.,
Punkt unten) und von der dritten nnterscheidet, für letztere das
Substantiv jioJJ jjo/ (Feuerbrand = jjo/) anführend, mit der Be¬
merkung : jvN.orX oj^ )^/ Jjj^^ss jjo/ ^J JilO) . Das folgende
Kapitel über die Genera ( Jnni'i^ ^^vN) zeigt, wie mit Hilfe eines
Punktes, oben oder unten, die erste Person, die zweite Masc, und
die dritte Femin. von einander, und die Pealformen von denen des
V V
Pael unterschieden werden können: fco^ ÄO^O fco'^jO N ^\ "
7 *
bo^O bo^O (die erste, zweite Pers. masc. und dritte fem. je im
Peal und Pael); JUcü-fe^ lo^Qjk^^.^ -.Jao^vSo jfnt^^»>-feoo
Jjn Ki N ^jt^Sfeco: d. h. die verschiedenen Personen und Genera
sind der Form nach gleich, werden aber bei der Gleichheit der
Buchstaben durch die Punkte unterschieden. Man sieht wie ein
grosser Theil der Liste eben darauf ausgeht, diese verschiedenen
Formen des Verbums von einander zu unterscbeiden, und zwar in
der gleichen Weise, wie bei Jakob. Dessen drittes Kapitel über
die Tempora (Jxij ''^•^Jo) berührt sich mit dem Anfang unseres
532 Nestle, zur Geschichte der syrischen Punctation.
Stückes : 6u-b\ ^ ^ V^J ; das Perfekt liat einen Punkt unten ;
r ') T V
z. B. v»/, jßS), = VJD/, jOS, das Participium,
oben ^ ^? )oj-JO?; B. »qo,^ ^ ^ ^»^^
Das Futurum kann bei gewöhnlichen Verbis natürlich nicht
mit Perfect oder Particip verwechselt werden, sondern bloss bei
den mit j beginnenden, wie in der angeführten Stelle Ps. 114, 1
■r»o>i sowohl Perfekt als Imperfekt als Particip sein könnte. Jakob
von Edessa scheint es darnm in seinem Traktat weggelassen zu
haben; die letzte Zeile «ÄS• «iix• v* ♦^fco.i. • fehlt in den
meisten Hdss., und die 3 letzten Worte sind jedenfalls nur ge¬
dankenlose Wiederholung der vorangegangenen Participialformen.
Für die Nominalformen endlich ara Schluss unserer Liste findet
sich der parallele Abschnitt im 4. Kapitel des oft genannten
Traktats, JJLÖ ÜJC) ''^»^ > wo Jakob eben solche Wörter wie Jo\h^
u. JnN'ft, Jilj u. etc. durch den Gebrauch des Punktes von
einander unterscheiden lehrt. In den von Neubauer und Wright
aufgefundenen Bruchstücken seiner Grararaatik J^iojj Jl\v^'«^ .iol
J findet sich leider nichts hiehergehöriges, darura auch kein weiterer
Anhaltspunkt das Stück ihm zuzuweisen oder abzusprechen. Uns
scheint es, dass dasselbe erst nach ihm, vielleicht mit Benützung
seiner grammatikalischen Schriften, und wahrscheinlich von dem
Schreiber des Codex selbst verfasst wurde, jedenfalls ist in der
Ilds. das hier beschriebene System der Vocalbezeichnung durch¬
gehends angewandt, und dass der Schreiber ein selbständig arbeiten¬
der Mann war, scheint der auf das Stück folgende Auszug aus der
Psalraenerklärung des Daniel von Salah zu beweisen; denn der
Schreiber scheint denselben geraacht zu haben. An andere syrische
Grammatiker zu denken, Joseph Husita im VI. oder Hanau-Jesu
im VII. Jahrhundert, die nach einer Notiz bei Bar Zu'bi *) über
syrische Vocalisation schrieben, haben wir keinen bestimmten Grund,
jedenfalls zeigt uns aber dieses Stück und seine Vergleichung mit
Jakob's Traktat, dass vora Ende des VI. bis Anfang des IX. Jahr¬
hunderts in der syrischen Vocalbezeichnung uoch keiue Veränderung
eingetreten ist. Auf eine Frage erhallen wir aber auch durch
dies Stück keine sichere Antwort, das ist die nach der ursprüng¬
lichen Bedeutung dieses Punkts, ob dieselbe eine phonetische oder
1) cf. Martin, im Journ. As. 1872. I. 407, wo Note 1 die CiUtion (von Add. MS. 25,876) fol. 92 h ein Ver.selien statt S.'i b zu sein scheint.
Nestle, zur Geschichte der syrischen Punctation. 533
eine grammatikalische gewesen ist. Merx hat ganz entschieden die
erstere geltend gemacht, Abb($ Martin hat bemerkt (Journ. As. 1872.
1 422), dass nach Bar Hebraeus die orientalischen Grammatiker
dem Punkt nur grammatikalischen Werth zuschrieben; dies könnte
man daraus erklären, dass im Lauf der Jahrhunderte die ursprüng¬
liche (phonetische) Bedeutung in Vergessenheit gerieth, dagegen
beweist nun aber der vorliegende Abschnitt, dass auch schon in
deu Zeiten Jakobs von Edessa deu einheimischen Grammatikern
nur die diakritische Bedeutung desselben bekannt war, und jeden¬
falls ist diese die ursprüngliche gewesen, ganz natürlich aber in
die vocalische übergegangen; war die Form bestimmt, so war auch
der Vocal gegeben.
Nachtrag.
Erst nachdem dieser kleine Beitrag zur Oeschichte der syrischen Punk¬
tation geschriehen und au die Redaetion eingesandt war, kam mir Ahbi
Martin's neueste auf denselhen Gegenstand hezügliche Arbeit zur Hand :
Histoire de la Ponctuation ou de la Massore chez les
Syriens. Paris (Extrait du Journal Asiatique. Fivrier-mars -avril 1875.
128 SS. mit 6 Tafeln). In derselhen hat besonders Seite 22—29. 53. 59—63.
70 (note 4). 73 f. 77 auf die specielle von uns behandelte Frage Bezug und vir freuen uns, mit der dort gegebenen Auseinandersetzung fast vollständig zusammenzustimmen. Nur möchten wir nicht in der Art, wie die westlichen Syrer die drei gleichgeschriebenen Formen des Perfett unterschieden haben (bOt£>, bOVJO, .fcoVO) eine directe Anwendung der allgemeinen Theorie Jakob's von Edessa über die gleichgeschriebenen Worte sehen und daher ins¬
besondere nicht sagen: „les deux points de •K.'^', n ue sont en r&iliti qu'un m'pagdono^' (S. 71 Anmerk.). Dass Jakob von Tagrit im XIU. Jahrhundert dieselben so nennt, kann nichts beweisen; derselbe nennt ja auch das Petähä so. Schon dass in dem von uns mitgetheilten , nur kurze Zeit nach Jakob von Edessa geschriebenen Stücke der Name ni'pagdono gar nicht erwähnt ist, spricht gegen Martin's Auffassung: noch mehr, dass der Verfasser desselben
nicht wie Jakob 3 Arten der Punktsetzung unterscheidet (-—, —, r~^),
sondern 4, resp. 5 (—, —-, — j—^, ~ .)• •^^""'^ Annahme direkter Entlehnung erklärt sich die Uebereinstimmung vollständig aus dem gleicben Zwecke, Unterscheidung gleichgeschriehener Formen, und Gebrauch des gleichen, einzig zu Gebot stehenden Mittels, verschiedene Setzung eines resp. zweier Punkte. — Dass das mitgetheilte Stück für die syrische Palaeographie von grosser Bedeutung ist , indem es unseres Erachtens die Anwendung horizon¬
taler Schrift im VIII. oder IX. Jahrh. beweist (s. Land, Anecdota Syriaca I, 6U. Martin, Journ. Asiat. 1872, I, 327—330), wird dazu beitragen, es den Freunden des Syrischen willkommen zu machen.
534
Alchymie.
Von J. Gildemeister.
Bei den Erörterungen über die Etymologie des Wortes ist
bisher ein Moment nicht in Erwägung gezogen, das für die Unter¬
suchung wesentlich erscheint, nämlich die Frage, was denn im
Arabischen Mmiya eigentlich heisse. Dass man dabei den heutigen
Sprachgebrauch, nach dem es die Kunst oder Theorie oder Wissen¬
schaft des Metallverwandelns oder Goldmachens bezeichnet, ohne
Weiteres als alleinigen voraussetzte , ist vielleicht Ursache , dass
man noch nicht zu grösserer Sicherheit gelangt ist. Kimiyä ist
bei den Arabern ursprünglich nicht ein Abstractum, sondern der
Name einer Substanz, des Mittels durch welches die Metallver¬
wandlung bewirkt wird, also des Steines der Weisen oder vielmehr
des aus diesem gewonnenen Präparates; es ist synonym mit ihnr,
das ebenfalls das verwandelnde Mittel bezeichnet. Dagegen heisst
die Alchymie als Disciplin tL^xXJt „die Verfertigung noitjaig
der kimiyä", gerade wie sie iüüjo „Verfertigung des iksir
(Häg. Khalf. V 279, 10) heisst", oder ^Lm-OÜ! iCcU^a ^ „Wissen¬
schaft der Verfertigung der kimiyä" (Fibrist 351, 23. 25) oder
kürzer j^Lm^aJÜI ^JLc „Wissenschaft der kimiyä" (Ibn Khaldün Proleg.
III, 191, wo die Definition: „Wissenschaft der kimiyä ist die
Wissenscbaft, die sicb beschäftigt mit der Substanz, durch welche
Gold und Silber künstlich zum vollkommenen Sein gebracht wird").
Es wird nicht vieler Belege für jenen feststehenden Sprachgebrauch
bedürfen. Keiue andere Bedeutung giebt der Qämüs an, der alikstr
durch alkimiyä erklärt und alkhniyä (unter durch: „aliksir
uud jedes Mittel, das auf ein Metall augewandt wird, um es iu die
Sphaere der Sonne oder des Mondes überzuführen", d. h. in Gold
oder Silber zu verwandeln. Die koptische Scala bei Kircher Ling.
Aeg. restit. p. 202 giebt i^vgog durch beides zugleich, kimiyä und
iksir wieder. In bekannten Büchertiteln wechseln iksir alsa'ädat
und kimiyä alsa'ädat und das Buch wird dadurch nicht als Chemie
der Glücksvligkeit, worunter man sich niclits rechtes denken kann.