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Zur syrischen Übersetzung der Kirchengeschichte
des Eusebius.
Von Eberhard Nestle.
Die so lange erwartete syrische Übersetzung der Kirchen¬
geschichte des Eusebius ist endlich rasch nach einander zweimal
erschienen, zuerst von P. Bedjan (1897; Vorrede vom 22. April),
dann von N. McLean mit Beihilfe von A. Merx, in der schon von
W. Wright vorbereiteten Ausgabe (1898; Vorrede Pebruar). Einem
Antrag von A. Hamack entsprechend, habe ich sie „möglichst
wörtlich" ins Deutsche übersetzt (Leipzig 1901, Texte und Unter- -. suchungen. Neue Polge VI, 2), damit der des Syrischen nicbt kundige Bearbeiter des griechischen Eusebius sie textkritisch verwerten könne.
Mein Übersetzungsverfabren ist mehrfach beanstandet worden; zu¬
erst vori Ryssel iu der Deutscben Litteraturzeitung 1901, Nr. 29,
Sp. 1809—1815, womit man meine Antwort Nr. 36, Sp. 2248f
und Ryssels erneute Bemerkung Nr. 37, Sp. 2322 vergleichen möge:
d.mn von Hugo Gressmann in der Theologischen Litteraturzeitung
1901, Nr.24, Sp. 641—645. Die Gründe, welche trotz meiner
Bedenken zum Druck der Übersetzung führten, waren wesentlicb
praktischer Art, und sind hier nicht weiter zu erörtern. Dass die
Übersetzung gedruckt wurde, hat nun wenigstens den Vorteil, zur
öffentlichen Besprechung des syrischen Textes und seiner Übersetzung
Anlass zu geben. Da der Herausgeber der Theologischen Litteratur¬
zeitung mir zu einer Entgegnung auf die Gressmann'schen Bean¬
standungen in der Theologischen Litteraturzeitung das Wort ver¬
sagte , will ich hier einige Punkte näher erörtern , in einer Weise,
hoffe ich , die selbst meinen Kritikern nicht zum Anstoss ge¬
reichen wird.
Als erstes beanstandete Gressmann „buchstäblich-etymologische
Übersetzungen, die selbst hinter das syrische Sprachbewusstsein zu¬
rückgehen. Z. B. (ich citiere nach Seiten- und Zeilenzahl) 37. 1
Trauernde = Mönche."
Ich erörtere also
i J
560 Nettle, Zur ayr. Übers, der Kirchengeschichte des Eusebius.
1. Die Bezeichnungen für ,Mönch" im syrischen
Eusebius.
Warum diese Bezeichnungen von Wichtigkeit sind , ist dem
ohne weiteres klar, der die neueren Verhandlungen über die Ent¬
stebung des Mönchtums und das Alter dieser syriscben Übersetzung
kennt. Ein Professor der Kirchengeschichte, Weingarten, konnte ja
vor wenig Jahren eben mit Berufung auf den griecbischen Eusebius
die Behauptung von einer Entstehung des Mönchtums im nacb-
konstantinischen Zeitalter aufstellen. Aus dem Psalmenkommentar
des Eusebius habe ich zwar schon damals (Zeitschrift für Kirchen¬
geschichte V, 504) nachgewiesen, dass Eusebius das Mönchtum sehr
wohl kenne, auch wenn er es in seiner Kirchengeschichte nicht er¬
wähne') ; um so schöner wäre es , nun auch im syrischen Texte
seiner Kirchengeschichte die Möncbe zu finden ; dies vollends, wenn
dieser syrische Text gar unter den Augen des Eusebius entstanden
wäre, wie von verschiedenen Seiten bebauptet wird. Im Jabre 1899
veröfi'entlichte Ernst L o h m a n n als Inauguraldissertation von Halle
eine Abhandlung »Der textkritische Wert der syrischen Übersetzung
der Kirchengeschichte des Eusebius' und scbreibt daselbst in einer
Anmerkuug S. 12:
,Nach einer persönlichen Mitteilung, die mir Herr Prof.
Merx erst nach Abscbluss der Arbeit machte , bält er für sehr
wahrscheinlich, dass die syrische Übersetzung von Eusebius selbst
herrührt oder wenigstens sofort in seinem Auftrage angefertigt
worden ist. Ich bemerke dazu, dass auch mir dieser Gedanke
während der Arbeit wiederholt gekommen ist und dass ihm (durch¬
aus unabhängig von Prof Merx) auch Dr. Baumstark-Heidelberg zustimmt."
Im Vorwort zu meiner Verdeutschung (S. Vf.) habe ich scbon
die Gründe angedeutet, weshalb ich nicht annehmen zu dürfen
glaube, dass Eusebius selbst die Übersetzung veranlasst habe , liess
aber ihre Ansetzung „spätestens um 350" stehen. Um so wichtiger also für die Kirchengeschichte, wenn sich in diesem syrischen Eusebius
gar verschiedene Bezeichnungen für „Mönch" finden sollten. Und
nun zum ersten, dem von meinem Kritiker beanstandeten Aus¬
druck „Trauemde". Aus meiner Verdeutschung kann jeder des
7, ,.7-
Syrischen Kundige abnehmen, dass dort im Syrischen JJ«Ü/ stehen
•fr werde; hätte ich, wie mein Kritiker verlangte, „Mönche" gesetzt,
hätte der Leser sich vergeblich gefragt, wie der Ausdruck dort
1) Vgl. Zahn, Porschungen II, 187: „Die Stelle seines Psalmenkommentars hat . . . E. Nestle aufs neue entdecken müssen. Weingarten hat in seiner letzten Darstellung der Entstehung des Mönchtums diese wichtige Wiederentdeckung ganz unberücksichtigt gelassen und die alten IrrtUmer in Bezug auf Eusebius wiederholt (Prot. Eeal-Encyklopädie^ 10, 769 f.)"
Nestle, Zur syr. Übers, der Kirchengeschichte des EusebitLs. 561
laute, oder wäre er auf einen falschen geraten. Der Ausdruck findet
sich in dem Inhaltsverzeichnis des 17. Kapitels vor dem zweiten
Buche (S. 58 bei Wright-M'Lean) .Was erzählt ') Philon über die
Trauernden in Egypten', entsprechend dem Griechischen (bei
Dindorf I, p. IX) Ola ntQii xäv na-c Aiyvnrov cca urj räv 6 <^ik(ov taro^Ei.
S. 86, wo der Text der Erzählung beginnt, findet sich die
Überschrift noch einmal (vor c. 16, 2 imsrer griecbischen Einteilung), mit zwei bezeichnenden Abweichungen. Statt "j'^b'^N (= ola) heisst es einfacher N3« „was', in cod. A N3S^N .wie', und statt „Trauernde'
heisst es nun (in meinem Text S.54) „Büsser", weil hier der
Syrer n;;i35* bat. Hätte ich da auch wieder nicht „buchstäblich-
etymologisch" übersetzt, so hätte ich erstens einen Beweis für die
Thatsache unterschlagen , dass in der griechischen Handschrift , die
unserm Übersetzer vorlag, die Inhaltsverzeichnisse — anders als in
unsern gedruckten Ausgaben — doppelt vorbanden waren; einmal
zusammengestellt vor dem ganzen Buche, und dann einzeln wieder¬
holt vor jedem Kapitel. Der Beweis dafür liegt eben in der Ver¬
schiedenheit des Ausdrucks iib"«« = (oder n33-'N) und Nbias
= N^isy. Ich hätte zweitens die Tbatsacbe verschleiert, dass unserm
Übersetzer für aaxrjtaC auch schon ein zweiter Terminus technicus
zu Gebote stand.
Aber er hat sogar noch einen dritten, den ich noch am
ehesten mit „Mönch" hätte übersetzen können, den ich aber aucb
wieder lieber buchstäblich-etymologisch mit „Einsiedler" wieder¬
gegeben habe, nämlich Ninbri: (Kap. 17 § 2. 3; 18, 7). Hätte icb
Mönch" gesagt, so hätte man eher an N'^it, als an Nittt' ge-
n O O ' TT" TT**^
dacht, den Anklang an die Zahl jedenfalls nicht mehr empfunden,
der für syrisches Sprachbewusstsein bei N^Tini noch vorhanden ist.
Daber wählt der Syrer denselben auch § 9, wo Philo sagt: iv
indazT] öe omIcc i'axiv o&jjfto; [cqov o xalürai a i (iv tiov xccl fiova-
ßrt^Qiov, iv Äftovovfifvot xa rov ae^vov ßiov fivßxi^Qia xslovv-
rai. Beim Syrer: Deswegen ist ihnen dort (cod. A om. dort) ein
beiliges Gebäude, welches Haus der Reinheit der Einsiedelei
genannt wird , in welchem sie einsam sind , und Mysterien der
Lebensweise der Reinheit dienen sie in ihm; syrisch Niäinp Nn^a
«"isTn niNT'n-' na •f-'-im Nmininn ndidd: n^a N-i-ipni:-
n^ T'UJUWi Nrnsan. In meiner Ausgabe habe icb leider versäumt,
zu bemerken , dass die armenische Übersetzung des Syrers das
Genetivzeichen vor NHT'TTT' weglässt, man könnte also vermuten,
dass n aus t entstanden sei „Haus der Reinheit (und) Einsamkeit' ;
1) Das Präteritum „erzätilte" ist eine Ungenauiglceit in meiner Ver- deutscliung.
« 0 *
562 Nettle, Zur »yr. Über», der Kirchengeechichte de» Etisebiu».
ebenso ist bemerkenswert, dass einsam niNnUT' Adverbium ist, noch
mehr, dass der Syrer schon das Abstraktum NmiT'TT' kennt.')
Eine kirchengeschichtlich sehr interessante Thatsache
ist es nun, dass dem syrischen Übersetzer des Eusebius schon drei
Ausdrücke fiir den einen (aöxrjTo:/) des Eusebius-Philo ^) zu Gebote stehen , von denen keiner eine buchstäblich-wörtliche Übertragung
des griechischen Ausdrucks ist, die aber alle später als häufige
Bezeichnungen des Mönchtums nach seinen verschiedenen Seiten
erscheinen , und die Prage ist nun : wann sind diese Ausdrücke
geprägt worden? und wie ist ihre Entstehung zu erklären ? Trau¬
ernde, Büsser, Einsiedler. Am einfachsten ist die Erklärung
des letzten Ausdrucks ; am interessantesten ist wohl der erste, vollends
wenn man sich an Lagarde's Übersicht der Nominalbildung S. 45
erinnert , wo er ausführt , wie ein und dasselbe Wort , Kamel,
Oase und Asket' bedeutet ; das Tier, das dem Hunger und Durst
lang widerstehen kann, den Mann, der den Versuchungen der Sinnen¬
lust nicht unterliegt, den Ort, der von der Glut der Sonne nicht
verzehrt wird. Übrigens schreibt Lagarde a. a. 0. den syrischen
Mönch abbil, unterscheidet also zwischen ^'^,0? = b^aN als part,
pass, tristis und = b^aN monachus , während noch Brockelmann
im Wörterbucb beide Bedeutungen unter derselben Form aufführt.
Ausser in Hoffmanns Bar Ali ist mir das QuSSäyä nirgends begegnet.
Nur Lagarde hat aucb scbon in den Armenischen Studien § 4 hervor¬
gehoben, dass das b im Syrischen hart sei,^) und dass im armenischen
äbelais das e auffalle, daher er in der „Übersicht' das armenische
Wort nicht aus dem Syriscben, sondern aus judenchristlicben
(ebionitischen) Kreisen ableitet. Ein Theologe wird zu fragen haben,
ob das Aufkommen dieser Bezeichnung, sowie das von tf^lZS direkt
mit den nxaiol und ntv&ovvxsi; der Bergpredigt (Mt. 5) zusammen¬
hänge. Eine Geschichte der Ausdrücke bei den Syrem kann ich
hier nicbt geben — Cardahi's al-lobab fübrt nittt'I Nb^aN als von
Ephraim an —, wo es mir nur darauf ankommt, mich zu recht¬
fertigen, dass ich „Trauernde", „Büsser' und „Einsiedler" und nicht unterschiedlos „Mönche" übersetzt habe.
1) Wenn der Thesaurus Syriacus col. 1589 zu demselben bemerkt: „exstat etiam pro \LOvaaxr]Qiov Eus. h. e 2, 17 e Philone", so scheint er das Wort ohne
~ gelesen und parallel mit D^a genommen zu haben, was nicht ganz genau ist.
2) An der zweiten und dritteu Stelle liest man bei Eusebius in der Über¬
schrift des Werkes de vita contemplativa Äfpl ßiov &iaQriTi%ov ^ ix (tmv.
Es wird Sache des griecbischen Bearbeiters sein, zu entscheiden, ob der Syrer auch hier affXTjTtor vor sich batte, und wie sich dies zu dem Zusatz ä^txiöv verhält, den die Philo-Ausgaben bieten; vgl. Schürer, Geschichte des jüdischen Volkes' II, 863.
3) Bedjan schreibt das Wort S. 76 seiner Ausgabe des EusebiM mit weichem b.
I, 0 *
Nestle, Zur syr. Übers, der Kirchengeschichte des Eusebitts. 563
2. Eine merkwürdige Konstruktion von »t-.
Die Bitte des Ignatius: avyyvafirjv ftot exere (Eus. h. e. III,
16, 9) ist vom Syrer durch 'ibdS -b lyi übersetzt und von mir,
entsprechend meinem Auftrag möglichst wörtlich zu übersetzen,
durch „Wisset mir von meiner Seele' mit einem hinzugefügten
SIC ! wiedergegeben worden. Das ist das zweite, was mein Referent
beanstandet, mit der Bemerkung : „Kann ein Nichtsyrer ahnen, dass
dies genau dem gr. avyyvaiirjv fioi k'xete entspricht? (Habt Ver¬
ständnis = Empfindung, Schonung für meine Seele). Ebenso ist
2, 22 "|n TT" nicht „Einsicht', sondem „Nachsicht' haben.'
Die letztere Stelle ist aus dem Eingang 1 , 1,4: griechisch :
allu fioi avyyväfirjv rjSrj evyvtofiövav ivuv&cv 6 loyog anatrei,
von mir verdeutscht: „ich bitte aber, dass Einsicht mit mir haben
die Verständigen'. Schon der Gebrauch der Präposition „mit"
hätte meinem Kritiker zeigen können, dass ich „Einsicht" hier im
Sinne von „Nachsicht" brauchte und nur des Wortspiels und der
Buchstäblichkeit wegen bei dem Worte blieb*), im Sinne des franzö¬
sischen tout comprendre c'est tout pardonner. Indem ich nun an
der zweiten Stelle so wörtlich übersetzte, habe ich die sprach -
geschichtlich interessante Frage nicht verschleiert, ob die seltsame Konstruktion von VT' mit "(U semitischen oder griechischen Ursprungs
sei. Nöldeke hat in seiner Grammatik unter nichts entsprechen¬
des ; ebensowenig Brockelmann in Grammatik und Wörterbuch. Der
Thesaurus syriacus belegt die Konstruktion nur nocb mit Prov. 12, 10
N-iiyan nwzz ip2 Np^ni für hebräisches in7?!j3 ce: p^'^j: yni^
„Der Gerechte erbarmt sich seines Viehes", und mit ,avyvaxe fiot
Corp. Ign. 500, ubi cf Curet notam" d. h. mit eben der Stelle,
von der wir ausgehen. Sehr bezeichnend ist, dass das Targum der
Proverbien, das ja sonst dem Syrer folgt, in diesem Falle sein ya
nicht kennt, und ich bin daher geneigt anzunehmen, dass diese Kon¬
struktion von mit 112 nicht ursprünglich semitisch, sondern unter
griechischem Einfiuss entstanden sei, dass also eber der Nichtsyriast d. h. Gräcist sie verstehen könne, als der Syriast mit seinem Ahnungs¬
vermögen. Ich glaube daher wieder Dank zu verdienen , dass ich
mit meiuem wörtlichen Übersetzen eine sprachgeschicbtlich inter¬
essante Frage nicht verschleiert, sondem durch dasselbe und das
Vorstehende zur Beantwortung derselben angeregt habe. Vielleicht
erwirbt sich mein Kritiker das Verdienst, sie vollends zu beantworten.
3. Bardesanes de fato.
Im letzten Kapitel seines vierten Bucbes handelt Eusebius über
„Bardaisän den Ai-amäer und seine Schriften". Unter diesen sei
eine gewaltige „über die Zuteilung, welche er schrieb dem Antoninus".
1) Jean Paul (Flegel.iahre 1, 14) sagt nach Grimms Wörterbuch sogar:
Habt also Einsichten!
564 Nestle, Zur syr. Übers, der Kirchengeschichte des Eusebius.
Mein Kritiker beanstandet wieder, dass icb „Zuteilung' verdeutschte und nicbt fatum. Absicbtlicb verdeutschte ich so das dem Griechischen
Eiliagiiivt} — verwandt mit fte'pog, (ioCqcc — entsprechende Npbn.
Der „Nichtsyriast* wird dadurch zu keinem Irrtum verleitet, und
der Syriast kann gleich „ahnen*, dass Npbn im Text steht, während
„fatum* ihn auf Ii und weiss nicht welche andre Wörter hätte
führen können. Es ist wahrhaftig wehmütig, gegen welch klein¬
liche Ausstellungen man sich verwahren muss,') damit eine solcbe
Verwahrung aber positiven Gewinn bringe, verweise ich hier auf
Angelo Mai's Nova Patrum Bibliotheca VIU, 5, 183 (1871), wo
über den 6 vtog roij Jiaaäv gehandelt, d. h. in einer oflFenbar aus
dem Syrischen übersetzten, syrisch aber noch nicht wieder nacb¬
gewiesenen Schrift über Bardaisän und andere Syrer interessante
Mitteilungen zu finden sind.
Dies die drei Belege meines Rezensenten für das verkehrte
Übersetzungsverfahren , das ich mir beim syrischen Eusebius soll
haben zu schulden kommen lassen. Vielleicht zeigen diese Beispiele
wie viel kircbengeschichtlich und sprachgeschicbtlich interessantes
Material dieser Übersetzung entnommen werden kann , wenn sie
gehörig untersucht wird. Hier muss ich mich begnügen, diese
Untersuchungen angeregt zu haben.
1) Am gleichen Ort belehrt mein Kritiker, dass ich 80, 21 „nicht ein Schatten" hätte sagen sollen , statt „nicht etwas Schattenhaftes", während ich docb diese Wendung absicbtlicb wählte, weil aucb der Syrer nicht das Substantiv, sondern ein durcb Endung vom Substantiv gebildetes Adjektiv setzte; und das that der Kritiker , nachdem er vorher angekündigt hatte , solche Stellen zu be¬
sprechen, „die ich anders auffasse als Nestle und aucb demgemäss anders übersetze". Und einer solchen Kritik gegenüber verweigert der Herausgeber der Theol. Litteraturzeitung einem langjährigen Mitarbeiter das Wort!
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Zur Quellenkunde der mdischen Medizin.
Von Juliug Jolly.
2. .I-tsing.
Zu der Gruppe der buddhistischen Mediziner, welcher der in
meinem ersten Artikel*) behandelte Vägbhata und die Verfasser
der drei medizinischen Texte der Bowerhs.'^) angehören, ist auch
der chinesische Buddhist I-tsing zu stellen, der bekanntlich 671 bis
695 n. Chr. Indien bereist hat. Sein vortreffliches Eeisewerk*)
bildet eine Fundgrube interessanter Nachrichten über den Stand
der indischen Medizin im 7. Jahrhimdert, die hier näher geprüft
werden sollen, nachdem ich in meiner „Medicin* *) nur kurz darauf
hinweisen konnte. . I-tsing berichtet gelegentlich (p. 128), dass er
in Indien mit Erfolg das Studiam der Medizin betrieben, doch als
seinem eigentlichen Beruf nicht entsprechend zuletzt wieder auf¬
gegeben habe. Man darf daher wohl annehmen, dass seine medizi¬
nischen Angaben glaubwürdig sind und aus erster Hand stammen.
Sie finden sich hauptsächlich in den drei Abschnitten (Chapters 35
to 37) "on symptoms of bodily ülness, rules on giving medicine,
hurtful medical treatment must not be practised", und betreffen
insbesondere die medizinischen Scbriften, allgemeine Pathologie,
Diagnostik, Diätetik, spezielle Pathologie und Therapie.
Medizinische Litteratur.
Die Medizin ist eine der fünf Wissenschaften {vidya) in Indien
und zeigt wie der Arzt nach Untersuchung des Patienten ihm auf
1) ZDMG. 54, 260—74. Vgl. daza die beiden Artikel von Dr. P. Cordier im JA. 1901: „Julius Jolly. Zur Quellenkunde der indischen Medizin" und
„Vägbhata (Etude bistorique et religieuse)".
2) Vgl. ZDMG. 63, 374—80.
3) A Becord of tbe Buddhist Religion by I-tsing, transl. by J. Takakusu.
Oxford 1896.
4) Grundr. d. indo-ar. Philologie u. Altertumskunde. IU, 10. Abkürzungen im gegenwärtigen Artikel wie dort, insbesondere A. — Astängahrdaya, B. = Bowerhs., Bh. = Bhävaprakäsa, C. = Caraka, H. =: Hirlta, S. = As^Snga- saipgraha, Su. = Susruta, Vf. Vrnda.
Bd. LVI. 87