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Arbeitszeit - Familienzeit - Lebenszeit: Auswirkungen eines erhöhten Arbeitstages auf den restlichen Alltag

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Academic year: 2022

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Barbara Vanessa Filzmaier

Arbeitszeit - Familienzeit - Lebenszeit:

Auswirkungen eines erhöhten Arbeitstages auf den restlichen Alltag

MASTERARBEIT

zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts

Studium: Masterstudium Sozial- und Integrationspädagogik

Alpen-Adria-Universität Klagenfurt

Gutachter

Univ.-Prof. Dr. Hans Karl Peterlini Alpen-Adria-Universität Klagenfurt

Institut für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung

Klagenfurt, April 2021

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Eidesstattliche Erklärung

Ich versichere an Eides statt, dass ich

- die eingereichte wissenschaftliche Arbeit selbstständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe,

- die während des Arbeitsvorganges von dritter Seite erfahrene Unterstützung, ein- schließlich signifikanter Betreuungshinweise, vollständig offengelegt habe,

- die Inhalte, die ich aus Werken Dritter oder eigenen Werken wortwörtlich oder sinn- gemäß übernommen habe, in geeigneter Form gekennzeichnet und den Ursprung der Information durch möglichst exakte Quellenangaben (z. B. in Fußnoten) ersichtlich gemacht habe,

- die eingereichte wissenschaftliche Arbeit bisher weder im Inland noch im Ausland einer Prüfungsbehörde vorgelegt habe und

- bei der Weitergabe jedes Exemplars (z. B. in gebundener, gedruckter oder digitaler Form) der wissenschaftlichen Arbeit sicherstelle, dass diese mit der eingereichten digitalen Version übereinstimmt.

Ich bin mir bewusst, dass eine tatsachenwidrige Erklärung rechtliche Folgen haben wird.

Barbara Vanessa Filzmaier e. h. Gwadnitz, 04.2021

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Zusammenfassung

Der 12-Stundenarbeitstag, der seit September 2018 in allen Bereichen erlaubt ist, hat sowohl in der Öffentlichkeit als auch in der Wissenschaft für großen Diskussionsstoff gesorgt. Durch einzelne Berufe, in denen schon länger ein erhöhter Arbeitstag zum Alltag gehört, konnten schon einige Auswirkungen auf den restlichen Alltag erforscht werden. Diese beziehen sich jedoch vor allem auf die Familie und die Gesundheit.

Deshalb beschäftigt sich diese Arbeit neben den Auswirkungen auf Familie und Gesundheit auch mit den Herausforderungen und Vorteilen in den Bereichen Freunde, Hobbys, Haushalt und Zeit für sich. Die narrativen Interviews liefern dabei empirische Erkenntnisse mit Augenmerk auf die Familienkonstellation, das Geschlecht sowie das Alter. Wie die Ergebnisse zeigen, sind bei erhöhten Arbeitstagen und den immer stärker verschwimmenden Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit vor allem Managementfähigkeiten gefragt, die man besonders zur Vereinbarung von Arbeit und Familie benötigt, aber auch um Freundschaften zu pflegen und Hobbys nicht zu vernachlässigen. Trotz guter Managementfähigkeiten bewegt sich der Freundeskreis, aufgrund der flexiblen Arbeitszeiten, hauptsächlich im beruflichen Umfeld. Ebenso ist es schwierig, bestimmten Hobbys nachzugehen. Auf der einen Seite entstehen durch erhöhte Arbeitstage mehrere arbeitsfreie Tage in der Woche, auf der anderen Seite muss aber nach langen Arbeitsschichten mehr Zeit in die Erholung investiert werden.

Die Anforderungen, die das aktuelle Arbeitszeitgesetz an die ArbeitnehmerInnen stellt, können von den interviewten Personen gut bewältigt werden, dennoch befürwortet der Großteil der Betroffenen ein Arbeitszeitmodell ohne flexible Arbeitszeiten.

Schlüsselwörter: Arbeit, Freizeit, flexible Arbeitszeiten, Vereinbarkeit, Work-Life- Balance

Abstract

The 12-hour workday, which has been permitted in all sectors of work since September 2018, has caused a great deal of discussion both in public and in scientific circles.

Effects on the remaining everyday life have been researched in relation to certain professions, in which a daily working time of up to 12 hours was already possible over a longer period of time. However, these studies mainly relate to the areas of family and health. Therefore, in addition to the effects on family and health, this thesis also deals

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with the challenges and benefits in the areas of friends, hobbies, household and time for oneself. In this context, narrative interviews provide empirical findings with attention to family constellation and gender, as well as age. The results indicate that with increased working hours and the increasingly blurred boundaries between work and leisure, management skills are particularly needed to balance work and family, but are also necessary to maintain friendships and to not neglect hobbies. Despite good management skills the circle of friends mainly remains in the professional environment due to the flexible working hours. It is also difficult to pursue certain hobbies. Although longer workdays result in more days off per week, more effort must be invested in recovery after long work shifts. The demands placed on employees by the current Working Hours Act have been well managed by the interviewees, yet the majority of them are in favor of a working hours model without flexible working hours.

Key words: work, leisure time, flexible working hours, compatibility, work-life balance

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1 Einleitung ... 8

1.1 Problemstellung und derzeitiger Forschungsstand ... 8

1.2 Ziel der Arbeit – Forschungsfrage ... 9

1.3 Aufbau der Arbeit ... 10

2 Theoretische Grundlagen ... 11

2.1 Zeit – eine knappe Ressource ... 11

2.2 Work-Life-Balance ... 13

3 Arbeit ... 15

3.1 Begriffsverständnis ... 16

3.2 Geschichtlicher Rückblick ... 19

3.2.1 Das Alte Ägypten: Arbeit im Einklang mit der Natur ... 19

3.2.2 Macht und Sklaverei ... 20

3.2.3 Antike: Auf- und Abwertung körperlicher Tätigkeiten ... 22

3.2.4 Antike und Mittelalter: Die Rolle der Frau ... 24

3.2.5 Mittelalter: arbeitsbezogene Entwicklungen ... 25

3.2.6 Spätmittelalter und Frühe Neuzeit: Kinderarbeit... 27

3.2.7 Industrialisierung: Trennung von Arbeit und Privatleben ... 28

3.2.8 Arbeitsbezogene Umbrüche im 20. Jahrhundert ... 29

3.2.9 21. Jahrhundert: Von der Arbeitszeitverkürzung zur Arbeitszeitflexibilisierung ... 32

3.3 Sinn der Arbeit ... 35

4 Freizeit ... 37

4.1 Begriffsverständnis ... 37

4.2 Geschichtlicher Rückblick ... 38

4.2.1 Frühe Hochkulturen: Naturgeprägte Freizeit ... 38

4.2.2 Antike: Freizeit als Gemeinschaftszweck ... 39

4.2.3 Mittelalter: Freizeit unter Kontrolle der Herrschaftssysteme... 40

4.2.4 Neuzeit: Freizeit im öffentlichen Raum ... 41

4.2.5 Industrialisierung: vom Arbeits- zum Freizeitsinn ... 42

4.2.6 Freizeit im 20. Jahrhundert ... 43

4.2.7 Freizeit heute ... 46

4.3 Determinanten des Freizeitverhaltens ... 51

4.3.1 Soziale Milieus als Determinanten des Freizeitverhaltens ... 53

4.3.2 Geschlecht als Determinante des Freizeitverhaltens ... 53

(6)

4.3.3 Alter als Determinante des Freizeitverhaltens ... 53

4.4 Funktionen der Freizeit ... 55

4.4.1 Die Erholungsfunktion ... 55

4.4.2 Die Befreiungsfunktion ... 55

4.4.3 Die Ausgleichsfunktion ... 56

4.4.4 Die Konsumfunktion ... 56

4.5 Bereiche der Freizeit ... 57

4.5.1 Familie / Haushalt ... 57

4.5.2 Freundschaft ... 58

4.5.3 Hobbys ... 60

4.5.4 Gesundheit ... 61

5 Der 12-Stunden-Tag: Auswirkungen auf den Alltag ... 63

5.1 Öffentlicher Diskurs ... 64

5.2 Wissenschaftlicher Diskurs ... 68

5.2.1 Alltagsgestaltung... 68

5.2.2 Psychische und physische Gesundheit ... 70

5.2.3 Familie und Haushalt ... 71

5.2.4 Freundschaft ... 74

Empirischer Teil ... 77

6 Methodisches Vorgehen ... 77

6.1 Forschungsdesign ... 77

6.2 Erhebungsinstrument... 78

6.3 Stichprobe ... 80

6.4 Durchführung der Studie ... 81

6.5 Vorgehensweise bei der Auswertung ... 81

7 Einzelfallanalysen ... 83

7.1 InterviewpartnerIn 1 ... 83

7.2 InterviewpartnerIn 2 ... 89

7.3 InterviewpartnerIn 3 ... 94

7.4 InterviewpartnerIn 4 ... 99

7.5 InterviewpartnerIn 5 ... 106

8 Kategorienbildung und Fallvergleiche ... 111

9 Fazit ... 117

(7)

10 Literaturverzeichnis ... 121

11 Abbildungsverzeichnis ... 129

12 Anhang ... 130

12.1 Standardisierte Kurzerhebungsbögen ... 130

12.2 Interviewtranskriptionen ... 135

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1 Einleitung

Ein langer Arbeitstag, bis zu 12 Stunden pro Schicht, ist seit September 2018 offiziell erlaubt worden. Diese Bestimmung erzeugt aber nicht bei allen positive Reaktionen.

"Als Dauereinrichtung ist ein 12-Stunden-Arbeitstag (…) suboptimal"

(https://kurier.at/politik/inland/neurobiologe-bernd-hufnagl-ueber-den-irrtum-der-

arbeitszeitflexibilisierung-12-stunden-tag-und-unser-gehirn/271.984.631), ist bspw.

ein Kommentar von Gerhard Blasche, ein (Gesundheits-)Psychologe und Psychotherapeut, der sich mit gesundheitlichen Aspekten in Bezug auf Erschöpfung, Erholung, Freizeit etc. beschäftigt. Einige seiner Forschungen beziehen sich, in Verbindung mit gesundheitlichen Aspekten, auf den erhöhten Arbeitstag, welche im Laufe der Arbeit noch veranschaulicht werden. Ein 12-Stundentag bringt aber nicht nur Nachteile für die Betroffenen, sondern eröffnet auch neue Möglichkeiten der Alltagsgestaltung. In der Öffentlichkeit wird das Arbeitsthema vor allem in Bezug auf die Familie und Gesundheit diskutiert. Die Folgen auf die restlichen Bereiche des Lebens werden oft nicht in Betracht gezogen, wodurch sich diese Arbeit mit den Auswirkungen auf den gesamten Alltag beschäftigt. Welche Bereiche genau fokussiert werden, wird im Unterkapitel 1.2 „Ziel der Arbeit – Forschungsfrage“ näher erläutert.

1.1 Problemstellung und derzeitiger Forschungsstand

Beschleunigung ist das Phänomen unserer Gesellschaft. Die Grenze zwischen Arbeit und privatem Leben verschwimmt zunehmend, wodurch Arbeit immer häufiger in die Freizeit eindringt. Die meisten ArbeitnehmerInnen haben zwar eine außerhäusliche Arbeitsstelle, trotzdem wird oft zuhause bzw. in der Freizeit weitergearbeitet. Durch die Globalisierung und den technologischen Fortschritt steigt die Flexibilität von Arbeitszeit und Arbeitsort. Zum einen macht dies den arbeitenden Menschen unabhängiger und selbstbestimmter, da man so die Möglichkeit bekommt, Arbeit und das private Leben in Einklang zu bringen. Auf der anderen Seite erhöht sich jedoch der Druck, immer und überall erreichbar sein zu müssen, sowie nach der eigentlichen Dienstzeit weiter zu arbeiten (vgl. Kring 2020, S. 129f.). Diese Tatsache und die, dass die erlaubten Arbeitszeiten auf 12 Stunden pro Tag hinaufgesetzt wurden, beeinflussen die Alltagsgestaltung der unterschiedlichen Lebensbereiche. Welche Auswirkungen ein erhöhter Arbeitstag auf die Gestaltung der Lebensbereiche „Familie“, „Haushalt“,

„Freunde“, „Gesundheit“, „Hobbys“ und „Zeit für sich“ hat, wurde bisher unterschiedlich intensiv erforscht. Da das neue Arbeitszeitgesetz mit September 2018 noch jung ist,

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sind nur wenige Langzeitstudien diesbezüglich vorhanden. Es gibt aber Arbeitsbereiche, in denen erhöhte und flexible Arbeitstage schon länger zum Alltag gehören, wie z. B. im sozialen und Gesundheitsbereich. In diesen Arbeitsfeldern wurden schon einige Studien gemacht, die sich auf die Auswirkungen eines langen Arbeitstages spezialisieren, jedoch widmen sich die meisten der Gesundheit oder der Vereinbarkeit mit der Familie. Andere Bereiche, wie z. B. Freunde oder Hobbys, die auch ein wesentlicher Bestandteil der physischen und psychischen Gesundheit sind, bekamen in der Forschung noch weniger Aufmerksamkeit.

1.2 Ziel der Arbeit – Forschungsfrage

Die vorliegende Arbeit untersucht den Zusammenhang zwischen dem erhöhten Stundenausmaß an Arbeitstagen – das mindestens einmal pro Woche 12 (oder mehr) Stunden beträgt – und der Gestaltung des restlichen Alltages. Dabei richtet sich das Augenmerk auf die Bereiche „Familie“, „Haushalt“, „Gesundheit“, „Hobbys“, „Freunde“

und „Zeit für sich“.

Die daraus ableitende Forschungsfrage lautet:

„Welche Auswirkungen zeigen sich bei Betroffenen eines erhöhten Arbeitsalltages, der mindestens einmal pro Woche 12 Stunden oder mehr aufweist, auf die freizeitlichen Bereiche ‚Familie‘, ‚Haushalt‘, ‚Gesundheit‘,

‚Hobbys‘, ‚Freunde‘ und ‚Zeit für sich‘?“

Zudem ergeben sich weitere Unterfragen:

„Sind die Auswirkungen auf das Freizeitverhalten, die ein erhöhter Arbeitstag mit sich bringt, geschlechtsabhängig?“

„Zeigen sich, bei den Auswirkungen eines erhöhten Arbeitstages auf die Freizeit, Unterschiede aufgrund unterschiedlicher Familienkonstellationen?“

„Wird die Freizeitgestaltung, von Personen mit flexiblen Arbeitszeiten, durch das Alter beeinflusst?“

Diese Fragen werden einerseits mithilfe von vorhandener theoretischer Literatur bearbeitet und andererseits wurde eine eigene Forschung, in Form von narrativen Interviews, mit betroffenen Personen gemacht. Genauere Details der Forschung werden im empirischen Teil ab Kapitel 6 bekannt gegeben.

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1.3 Aufbau der Arbeit

Diese Arbeit thematisiert zwei große Bereiche: Arbeit und Freizeit. Der Fokus wird dabei auf die Freizeit gelegt, da das Ziel dieser Forschung die Auswirkungen auf freizeitliche Bereiche umfasst.

Zu Beginn wird in Kapitel zwei das Thema der „Zeit“ behandelt, da dies das Hauptinteresse dieser Arbeit ist, nämlich wie viel Zeit ArbeitnehmerInnen für Freizeitaktivitäten – neben der erhöhten täglichen Arbeitszeit – haben und wie diese genutzt wird. Ebenso wird in diesem Kapitel auf den Begriff der Work-Life-Balance Bezug genommen, welcher sich mit dem Verhältnis der Arbeit und Freizeit auf unterschiedlichen Ebenen beschäftigt.

Das dritte Kapitel widmet sich dem ersten großen Thema: der Arbeit. Hierbei wird der Begriff selbst diskutiert sowie ein Überblick über die Geschichte der Arbeit gegeben.

Darüber hinaus wird der Sinn der Arbeit in diesem Kapitel hinterfragt und welche Motivation Menschen aufbringen, arbeiten zu gehen.

Der zweite große und bedeutende Bereich dieser Arbeit, die Freizeit, wird in Kapitel vier behandelt. Hier werden neben dem Begriff und dem geschichtlichen Rückblick auch die Funktionen und Bereiche der Freizeit dargestellt.

Anschließend wird in Kapitel fünf der erhöhte Arbeitstag demonstriert, welcher durch die Einführung der 12-Stundenmarke sowohl öffentlich als auch wissenschaftlich große Wellen schlug. In diesem Kapitel wird deshalb zum einen der öffentliche Diskurs rund um dieses Thema veranschaulicht und zum anderen wissenschaftliche Erkenntnisse über die Auswirkungen eines erhöhten Arbeitsalltages wiedergegeben.

Der empirische Teil, der sich mit der eigenen Forschung beschäftigt, wird ab Kapitel sechs präsentiert, das das methodische Vorgehen beschreibt. Dieses beinhaltet das verwendete Forschungsdesign und Erhebungsinstrument sowie Informationen über die Stichprobe, die Durchführung der Studie selbst und über die Vorgehensweise bei der Auswertung.

Nach der Darstellung der Einzelfallanalysen in Kapitel sieben werden in Kapitel acht die Kategorien gebildet sowie die Einzelfälle miteinander verglichen. In Kapitel neun wird abschließend das Fazit gezogen.

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2 Theoretische Grundlagen

Arbeitszeit und Freizeit, zwei Begriffe die jeweils das Wort „Zeit“ für sich in Anspruch nehmen. Zeit ist in unserer heutigen Gesellschaft ein wertvolles Gut, welches immer wieder Diskussionen auslöst. Egal ob es um die Arbeitszeitverlängerung oder – verkürzung geht, ob es die Zeit mit der Familie oder die arbeitsfreie Zeit betrifft. Zeit ist und bleibt ein Gut, das den Arbeits- und Freizeitalltag bestimmt und dadurch für diese Arbeit als Grundlage bedeutsam ist. Deshalb wird in diesem Kapitel unter anderem auf den Zeitbegriff näher eingegangen, wie die Bedeutung der Zeit für Menschen zustande kommt und wodurch diese verändert wird. Ebenso wird der Begriff „Work-Life-Balance“

dargestellt, da das Verhältnis von Arbeit und Freizeit durch die Veränderung von Arbeitszeiten beeinflusst wird und somit auch für das Thema dieser Forschung relevant ist.

2.1 Zeit – eine knappe Ressource

Der Zeitbegriff wurde mit dem Umbruch von der feudalen zur bürgerlichen Gesellschaft durch die Soziologie in ein neues Licht gerückt. Zeit wurde zu einem gesellschaftlich geprägten und wandelbaren Ereignis, womit das Zeitverständnis der Menschen immer an eine Gesellschaft gebunden ist (vgl. Raehlmann 2004, S. 15).

Emile Durkheim stellt 1981 [1912] in seinen religionssoziologischen Studien ‚Zeit‘ als einen sozialen Sachverhalt dar und schreibt ihr gesellschaftliche Funktionen zu. Zeit ist demnach zwar etwas persönlich Erlebtes, zielt jedoch auf die Gemeinsamkeiten eines Kollektivs ab und ist infolgedessen unverzichtbar für soziales Leben (vgl.

Raehlmann 2004, S. 15f.). Durkheim schreibt dazu:

„In der Tat macht die Beobachtung klar, daß diese unumgänglichen Fixpunkte, auf die alle Dinge zeitlich ausgerichtet sind, dem sozialen Leben entnommen sind. […] Ein Kalender drückt den Rhythmus der Kollektivität aus und hat zugleich die Funktion, deren Regelmäßigkeit zu sichern“ (Durkheim 1981, S. 29).

Soziales Leben wird also durch immer wiederholende, gemeinsame Aktionen erhalten, ohne die es zu einer gesellschaftlichen Desintegration kommen würde (vgl.

Raehlmann 2004, S. 16).

Pitirim A. Sorokin und Robert K. Merton haben sich, in Anlehnung an Durkheim, ebenso mit der sozialen Zeit beschäftigt und heben hervor, dass der Wert der Zeit nicht

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nur anhand quantitativer, sondern vor allem an qualitativen Merkmalen gemessen wird (vgl. Raehlmann 2004, S. 17).

Menschen werden durch die Sozialisation von klein auf in die gesellschaftliche Zeitstruktur eingebunden.

„Der einzelne Mensch lernt beim Heranwachsen, die in seiner Gesellschaft gebräuchlichen Zeitsignale zu verstehen und sich im Verhalten an ihnen zu orientieren.

Das Erinnerungsbild von der Zeit, die Vorstellung von ihr, die ein einzelner Mensch besitzt, hängt also von dem Entwicklungsstand der die Zeit repräsentierenden und kommunizierenden sozialen Institutionen ab und von den Erfahrungen, die der Einzelne mit ihnen von klein auf gemacht hat“ (Elias 1984, S. XXI).

Die Zeitstruktur ist somit Ausdruck gesellschaftlicher Macht- und Herrschaftsverhältnisse, die gesellschaftlich aber nur funktionieren kann, wenn sie für die Mitglieder einer Gesellschaft als legitim anerkannt, geschätzt und eingehalten wird.

In Zeiten, in denen sich die Gesellschaft immer mehr verändert und komplexer wird, verändert sich auch die menschliche Einstellung zu der Zeit. Ergebnis dieser wandelnden Gesellschaft und der dadurch veränderten Sozialisationsprozesse sind

„zeitbewusste und zeitregulierte Menschen“ (Raehlmann 2004, S. 20). Zeit wird demnach, sowohl wirtschaftlich als auch öffentlich und privat, zu einem knappen Gut, wodurch sich die Arbeit nach dem Motto „Zeit ist Geld" nicht mehr an der Aufgabe, sondern an der Zeit orientiert. Resultat dieser Zeitorientierung sind überlange Arbeitszeiten, Schicht-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeiten, um die vorhandene Arbeitszeit so gut wie möglich zu nutzen bzw. nicht zu vergeuden. Zeit dient also, wie Geld, bestimmten Absichten (vgl. Raehlmann 2004, S. 18-21).

Dieser Trend der Zeitbeschleunigung, welcher auch durch neue Informations- und Kommunikationstechniken unterstützt wird, indem man Arbeiten auch von zuhause aus erledigen kann bzw. auch in der Freizeit für arbeitsbezogene Tätigkeiten erreichbar ist, wird jedoch als Risiko für Natur, Mensch und Gesellschaft gesehen.

Deshalb gibt es immer mehr Stimmen, die für eine Rückkehr zur Verlangsamung plädieren. Somit steht in manchen Bereichen – bspw. Erziehungs- und Betreuungsarbeiten, Beziehungsbereichen etc. – die Orientierung an der Aufgabe im Vordergrund, um den Fortbestand der Gesellschaft nicht zu gefährden (vgl.

Raehlmann 2004, S. 21).

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2.2 Work-Life-Balance

Wie Menschen ihre Zeit nutzen, wie viel Zeit für Arbeit verwendet wird und welche freizeitlichen Aktivitäten in welchem Zeitumfang in der erwerbsfreien Zeit stattfinden, ist Gegenstand der Auseinandersetzung mit Work-Life-Balance.

Die Work-Life-Balance lässt sich nur schwer klar definieren. Erstmals erschien der Begriff im US-amerikanischen Human Resource Management, hat sich aber mittlerweile zu einem Überbegriff entwickelt, der verschiedene Ebenen der Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben umfasst (vgl. Oechsle 2010, S. 234).

Die Work-Life-Balance findet auf folgenden Ebenen unterschiedliche Anwendungen:

 normative Ebene

 Handlungsebene

 Ebene der Organisationen

 wissenschaftliche Ebene

Auf der normativen Ebene thematisiert die Work-Life-Balance „die Vorstellung eines ganzen, gelungenen Lebens mit einer Balance der verschiedenen Lebensbereiche“

(Oechsle 2010, S. 234).

Die Strategien, die Menschen anwenden, damit Arbeit und Privatleben in Einklang miteinander sind, lässt sich mithilfe der Handlungsebene veranschaulichen (vgl.

Oechsle 2010, S. 234).

Unter der Ebene der Organisationen werden betriebliche Methoden verstanden, die den Beschäftigten dabei helfen sollen, die Balance zwischen Arbeit und privatem Leben verbessern zu können. Gleichzeitig dienen diese Maßnahmen als Selbstdarstellung, da die betriebliche Unternehmenskultur nach außen repräsentiert wird (vgl. Oechsle 2010, S. 234).

Die wissenschaftliche Ebene fokussiert verschiedene theoretische und empirische Zugänge, mit dem Ziel der Analyse der unterschiedlichen Aspekte (vgl. Oechsle 2010, S. 234).

Bevor sich der Begriff der Work-Life-Balance verbreitete, wurde in vielen Unternehmen der Begriff „Vereinbarkeit“ verwendet, der jedoch nur in Verbindung mit Arbeit und Familie stand und vor allem als Frauenproblem betrachtet wurde. Durch die Bezeichnung der Work-Life-Balance wird nicht nur die Familie als Gegensatz zur

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Arbeit gesehen, sondern auch das restliche Leben. Somit geraten auch die Bereiche

„Körper und Gesundheit“, „Freizeit“, „Hobbys“ und „soziale Beziehungen im privaten Umfeld“ in den Blick. Ebenso ist die Work-Life-Balance nicht mehr primär auf das weibliche Geschlecht fokussiert und somit offener für die verschiedenen Anforderungen im Alltag. Die Work-Life-Balance wird auch von den Unternehmen als zentraler Punkt angesehen und somit werden Strategien entwickelt, die sich positiv auf die Vereinbarkeit von Arbeit und privatem Leben auswirken sollen. Dabei profitieren aber nicht nur die Angestellten selbst, dieses Konzept wird auch für das Unternehmen als ökonomisch gewinnbringend angesehen (vgl. Oechsle 2010, S. 234f.).

Veränderungen in der Arbeitswelt bringen neue Herausforderungen mit sich, sowohl für das Individuum und die Unternehmen als auch auf Ebene der gesellschaftlichen Makrostrukturen. Entgrenzung und Subjektivierung von Arbeit verlangen nach einer höheren eigenverantwortlichen Selbstorganisation und Strukturierung des Arbeits- und Freizeitalltages. Zudem führen längere und flexiblere Arbeitszeiten zu immer mehr zeitlichen Engpässen, die sich bei misslungener Balance negativ auf die Gesundheit auswirken können. Eine weitere Veränderung ist der steigende Anteil der weiblichen Personen in der Arbeitswelt. Dies führt zu größeren Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, nicht nur auf Seite der Frauen, sondern auch bei den Männern. Zum einen aufgrund von erhöhter väterlicher Betreuungsbeteiligung und zum anderen fallen Frauen durch eine erhöhte Erwerbsbeteiligung immer häufiger als Unterstützung im privaten Umfeld weg. Zusätzlich wird es immer schwieriger, die Arbeit mit pflegebedürftigen Angehörigen zu vereinbaren, eine Herausforderung, die durch den demographischen Wandel auch in der Öffentlichkeit immer mehr an Bedeutung gewinnt (vgl. Oechsle 2010, S. 235).

Betrieblich gesehen ist die Work-Life-Balance der MitarbeiterInnen deshalb so wichtig, da zufriedene und ausgeglichene MitarbeiterInnen ihre Arbeit effizienter erledigen und somit gewinnbringender für das Unternehmen sind. Eine fehlende Vereinbarkeit führt auf Dauer zu erhöhten Belastungen, die sich bei der Leistungsfähigkeit und Motivation bemerkbar machen, sowie Auswirkungen auf die körperliche und psychische Gesundheit zeigen (vgl. Bertram et. al 2018, S. 221). Ebenso führt eine Pause von qualifizierten Frauen während der Elternzeit zu wirtschaftlichen Einbußen, wodurch auf Seite des Unternehmens das Interesse besteht, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern (vgl. Oechsle 2010, S. 235).

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Auf der gesellschaftlichen Ebene rücken vor allem der demographische Wandel und dessen Auswirkungen auf das soziale Sicherungssystem in den Vordergrund.

Internationale Studien zeigen, dass die Geburtenrate in Ländern dann größer ist, wenn die Frauenerwerbstätigkeit hoch und das Betreuungssystem entsprechend ausgebaut ist. Deshalb besteht auch auf dieser Ebene ein Interesse, die Work-Life-Balance zu stärken (vgl. Oechsle 2010, S. 235).

Für viele ArbeitnehmerInnen hat eine ausgeglichene Work-Life-Balance einen großen Stellenwert eingenommen. „Als zentrale Aspekte einer gelungenen Work-Life-Balance gelten: ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeits-, Familien- und Freizeitleben, das Wohlfühlen am Arbeitsplatz sowie Spaß am Beruf und außerhalb der Arbeit“

(Immerfall/Wasner 2011, S. 11). Deshalb verzichten viele ArbeitnehmerInnen, sofern möglich, auf einen Teil des Einkommens. Positiv wirken sich zudem Teilzeitarbeitsverhältnisse, Auszeiten oder flexible Arbeitszeitregelungen aus, wobei dies immer mit der Herabsetzung materieller Ansprüche verbunden ist (vgl.

Immerfall/Wasner 2011, S. 11).

Da die Erwerbsarbeit einen entscheidenden Einfluss (zeitlich, finanziell, körperlich und mental) auf die Gestaltung der Freizeit hat, beschäftigt sich nachfolgendes Kapitel mit diesem Thema und gibt einen Einblick in die Begriffsbestimmung sowie einen geschichtlichen Rückblick über die Arbeitssituation vom Alten Ägypten bis heute.

3 Arbeit

Vor allem in der westlichen Gesellschaft hat sich die Arbeit in den letzten Jahrhunderten neben der wirtschaftlichen und materiellen Funktion überwiegend durch sinnbildende und gemeinschaftsfunktionelle Zwecke etabliert (vgl. Ehmer 2003, S. 25). Die Arbeit klar zu definieren, war jedoch lange Zeit unbeachtet geblieben. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde dieses Versäumnis von einigen Autoren kritisiert. Der Soziologe Wilhelm Heinrich Riehl bezeichnet bspw. 1861 – im Buch „Deutsche Arbeit“

– Arbeit als ein „nacktes, überdefiniertes Wort“, in das man schon so viel hineininterpretieren kann, sodass es kaum mehr einen Sinn ergibt (vgl. Voß 2010, S.

24). Wie auch bei vielen anderen Begriffen, lässt sich Arbeit nicht mit einer Definition exakt beschreiben. Nachfolgend werden deshalb verschiedene Aspekte des Begriffs veranschaulicht.

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3.1 Begriffsverständnis

Arbeit wird zu verschiedenen Zeitströmen unterschiedlich definiert und veränderte sich im Laufe der Vergangenheit ständig. Sprachgeschichtlich betrachtet, gibt es sowohl positiv als auch negativ besetzte Bedeutungen des Begriffs. Ein Blick auf das deutsche Wort „Arbeit“ führt auf indogermanische Wurzeln zurück und ist sehr negativ behaftet – eine „schwere körperliche Anstrengung, Mühsal, Plage“ – aber auch das lateinische Wort „lavorare“ oder das englische Wort „labour“ definieren Arbeit in diesem Sinne.

Dem gegenübergestellt werden positiv besetzte Bedeutungen von Arbeit, mit dem Zweck von „etwas Schaffen, Produktivität etc.“, was bspw. im Englischen mit „work“

oder im Lateinischen mit „opus“ übersetzt wird. Zu den verschiedenen Auffassungen der Arbeitsbedeutung gibt es auch internationale Studien, die die Unterschiedlichkeit der Empfindungen über Arbeit unter den Arbeitenden selbst bestätigt. Manche verbinden das Arbeiten mit Anstrengung und bezeichnen es als Notwendigkeit, andere sehen in der Arbeit eine sinnvolle und produktive Tätigkeit. Arbeit wird also sehr zwiespältig definiert. Zum einen wird Arbeit als Bereicherung des menschlichen Lebens gesehen und zum anderen kann Arbeit aber auch sehr belastend sein (vgl.

Voß 2010, S. 25ff.).

Wenn man sich die geschichtliche Bedeutung der Arbeit ansieht, lässt sich erkennen, dass der Begriff lange Zeit sehr negativ behaftet war und wurde Großteils auch nur von jenen Personen verrichtet, die die Arbeit für die Existenzsicherung benötigten. Das Christentum versuchte laut vorhandenen Quellen die (handwerkliche) Arbeit, bereits in der Antike und vor allem im Mittelalter, in ein besseres Licht zu rücken. Demnach sollte jeder arbeiten, egal welchem Stand der Mensch angehörte. Dabei stand nicht nur der Verdienst im Vordergrund, Arbeit wurde vor allem als Wille Gottes gesehen.

Hier muss aber festgehalten werden, dass die christliche Kirche im Mittelalter zur Adels- und Priesterkirche gehörte und der Adelsstand selbst vor allem körperliche Arbeit ablehnte. Für jene Personen, die sich durch harte Arbeit das Überleben sichern mussten, blieb Arbeit verbunden mit Mühe und Last (vgl. Kocka 2003, S. 80).

Martin Luther zählt zu den Vertretern der Reformation im 16. Jahrhundert, der die Arbeit mit Lob übergoss und sich gegen den Müßiggang von Eliten und arbeitsscheuen Menschen aussprach. Auch hier spielte der religiöse Glaube bei der Anerkennung eine bedeutsame Rolle. Calvins Lehre besagte zu dieser Zeit, dass der wirtschaftliche Erfolg durch Gott im Jenseits beeinflusst werde. Max Weber kritisierte jedoch die

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Ansichten von Luther und Calvin, da Arbeit für beide nie dem Selbstzweck diente, sondern immer als religiöses Mittel angesehen wurde (vgl. Kocka 2003, S. 81f.).

Im 17. und 18. Jahrhundert kam es zu einem weiteren Wandel des Arbeitsbegriffs, der fortan die verschiedensten körperlichen und geistigen Beschäftigungen umfasste und Großteils positiv assoziiert wurde: „Arbeit als bewußtes, intentionales Handeln zur Befriedigung von Bedürfnissen und gleichzeitig als Teil der Daseinserfüllung des Menschen“ (Kocka 2003, S. 82). Einfluss darauf hatten vor allem politische Vorgänge, darunter auch die soziale Disziplinierung und sozial-moralische Diskriminierung von Armut. Durch diese arbeitsbezogene Politik und staatliche Förderungen wurde Arbeit eine Ressource staatlicher Macht und somit in der Öffentlichkeit immer bedeutsamer (vgl. Kocka 2003, S. 82). Geistige Tätigkeiten als Arbeit zu sehen, hatte sich im Laufe der Geschichte mit der Frühen Neuzeit erst spät entwickelt, da solche Aufgaben zuvor nur von SklavInnen verrichtet und dementsprechend abgewertet wurden (vgl. Arendt 1960, S. 85).

Eine Fortsetzung der positiven Einstellung zur Arbeit vollzog sich in der Aufklärung.

John Locke, ein Vordenker der Aufklärung, machte den Arbeitsbegriff bereits Mitte des 17. Jahrhunderts zu einem gesellschaftlichen Grundbegriff. Er verbindet die Arbeit mit dem Recht auf Eigentum und betont dabei die Individualität der Tätigkeiten. Arbeit verschafft demnach den Dingen erst ihre Wertigkeit. Dass Arbeit immer weniger mit Mühe und Last in Verbindung gebracht wurde, hatte auch etwas mit der Unterstützung der Tätigkeiten durch den Ausbau von Technologien zu tun. Mitte des 18. Jahrhunderts betont Immanuel Kant, ein Vertreter der Aufklärung, die Arbeit als ‚Sinn des Lebens‘

und wertet die Muße als vergeudete Zeit ab: „Je mehr wir beschäftigt sind, je mehr fühlen wir, daß wir leben, und desto mehr sind wir uns unseres Lebens bewußt. In der Muße fühlen wir nicht allein, daß uns das Leben so vorbeistreicht, sondern wir fühlen auch sogar eine Leblosigkeit“ (Kant zit. n. Kocka 2003, S. 83). Diese Arbeitseinstellung der Aufklärung wirkt bis in die Gegenwart nach. Die Erwerbsarbeit ist in der heutigen Arbeitsgesellschaft ein wichtiges Hauptaugenmerk für Lebenssinn und –zweck. Die gesellschaftlichen Werte und Normen sind stark an der Arbeit orientiert. Arbeit dient nicht mehr der (Über-)Lebensnotwendigkeit, Arbeit wird immer mehr zum Selbstzweck (vgl. Ribolits 1997, S. 191f.; 206).

Der reinvernunftbestimmten Weltsicht der Aufklärer, deren Lebensziel die Entwicklung der Menschen zu eigenständigen Persönlichkeiten war, stand die

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Frömmigkeitsbewegung der Pietisten gegenüber, die auf die Bekehrung Gottes hinarbeiteten, wobei Unterwerfung als Vorbereitung dazu dienen sollte (vgl. Fischer 2013, S. 170f.). Johann Heinrich Pestalozzi, ein Schweizer Pädagoge und Befürworter des Pietismus, kritisierte die vorherrschende Arbeitssituation im 18. und frühen 19.

Jahrhundert – unter anderem die Kinderarbeit – da diese dem damaligen Arbeitsbild nicht gerecht wurde. „Arbeit ist ohne menschenbildenden Zweck nicht Menschenbestimmung“ (Pestalozzi 1781, S. 173 zit. n. Kocka 2003, S. 84). Neben der zunehmenden Verbindung von Arbeit, Bildung und Menschenwürde, die unter anderem als Vorreiter der europäischen Arbeiterbewegung gesehen wird, begann zur gleichen Zeit auch die Ökonomisierung der Arbeit. Adam Smith, ein bedeutsamer schottischer Moralphilosoph des 18. Jahrhunderts, sieht in der Arbeit den Zugang zu Vermögen und der Wertschöpfung sowie den einzigen Produktionsfaktor im wirtschaftlichen Bereich. Damit entstand die Hoffnung und Überzeugung, dass die Arbeit dem allgemeinen Wohl des Staates dienen würde, wodurch auch die Verbindung von Arbeit mit Mühsal und Plage immer kleiner wurde (vgl. Kocka 2003, S. 84).

Marx verwendet in dieser Zeit erstmals den Begriff der „Arbeitskraft“, dessen Produktivität er sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich bedeutungsvoll hervorhob. Zuvor wurden Arbeiten, die kein langlebiges Endprodukt erzeugten, als unproduktiv angesehen. Diese Produktivität lässt sich lt. Marx jedoch nicht anhand der Ergebnisse ablesen, sondern in der Kraft des menschlichen Körpers, der imstande ist, auch Überschuss, also mehr als notwendig ist, zu produzieren. „…es ist der Kraftüberschuß des menschlichen Körpers, und nicht die Arbeit selbst, worin das eigentliche ‚Produktive‘ des Arbeitens besteht“ (Arendt 1960, S. 81f.). Die Arbeitskraft kann also neben der Sicherstellung der eigenen Reproduktion auch dafür genutzt werden, weitere Leben zu unterstützen, was in der Geschichte der Arbeit oft ausgenutzt wurde, bspw. in einer Sklavengesellschaft (vgl. Arendt 1960, S. 81f.).

Als „Arbeit“ wurde lange Zeit nur jene Tätigkeit gesehen, die Großteils von Männern verrichtet wurde – nämlich die Erwerbsarbeit. Kritisiert wurde diese Sichtweise jedoch vor allem von Frauenbewegungen und der Frauenforschung, da dieser reduzierte Arbeitsbegriff unbezahlte Arbeiten, wie Erziehung und Betreuung von Kindern oder Familienangehörigen sowie die Hausarbeit und Beziehungsarbeit, nicht mit einschließt. Diese unbezahlten Tätigkeiten, die meist von Frauen verrichtet werden, gelten jedoch als Fundament der Erwerbsarbeit, denn mit der unbezahlten Arbeit

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werden Erwerbstätige physisch und psychisch wiederhergestellt und für die Erwerbsarbeit gestärkt (vgl. Raehlmann 2004, S. 29f.).

3.2 Geschichtlicher Rückblick

Der Versuch zu beschreiben, was unter Arbeit verstanden wird, hat schon einen kleinen Einblick in die Geschichte der Arbeit gegeben. Nachfolgend werden die Tätigkeiten, die Menschen seit dem Alten Ägypten mit Arbeit verbinden sowie die vorherrschenden Arbeitszeiten der verschiedenen Zeitepochen geschildert. Hierbei muss aber festgehalten werden, dass es von früheren Zeiten nur wenige Aufzeichnungen gibt und diese Darstellungen oft sehr einseitig sind, wodurch die Informationen, die in diesen Unterkapiteln veranschaulicht werden, nicht vollständig sein können.

3.2.1 Das Alte Ägypten: Arbeit im Einklang mit der Natur

Das Alte Ägypten (ca. 4000 v. Chr. bis 332 v. Chr.) war eine der ersten Hochkulturen der Menschheit, die sich in 3000 Jahren zu einem erfolgreichen Großstaat herausbildete. In der Geschichte der Arbeit ist das Alte Ägypten deshalb so interessant, weil in dieser Hochkultur die Menschen das erste Mal umfassend zusammengearbeitet haben. Tausende Menschen hatten sich Aufgaben geteilt, um gemeinsam ein Ziel zu erreichen. Dies führte einerseits dazu, dass unterschiedliche Schichten und Klassen entstanden sind und andererseits auch einzelne Arbeitsbereiche und Unternehmensformen. Ergebnis war eine Gemeinschaft, die bereits eine hohe Komplexität aufwies (vgl. Eggebrecht et. al 1980, S. 23ff.).

Wie man sich vorstellen kann, sind alte geschichtliche Unterlagen nicht in dem Umfang vorhanden, wie heutige Dokumentationen. Deshalb ist eine ausführliche Skizzierung der damaligen Arbeits- und Lebenssituation sehr schwierig. Erschwert wird dies einerseits dadurch, dass viele Aufzeichnungen zu dieser Zeit auf Papyrus gemacht wurden, dessen Beschaffenheit leicht zerstörbar ist. Andererseits wurden sehr viele Informationen von der königlichen Umgebung und den hohen Beamten festgehalten, da die Arbeiterschicht wenig Bildung erhielt und somit der Teil der AnalphabetInnen außerordentlich groß war. Dies führte wiederum zu einer sehr einseitigen Darstellung der Lebensbereiche in dieser Zeit. Wodurch man aber einige Rückschlüsse über einzelne Arbeitsbereiche ziehen kann, sind die entstandenen Produkte, die die

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höheren Schichten von ArbeiterInnen bekamen und auch dokumentierten (vgl.

Eggebrecht et. al 1980, S. 25).

Durch die vorliegenden Aufzeichnungen kann man darauf schließen, dass die Menschen im Alten Ägypten sehr eng mit der Natur zusammengearbeitet bzw. sich daran orientiert haben. Die Arbeiten lassen sich zu Beginn des Alten Ägyptens mit den heutigen eines Bauern vergleichen. Der Lebensbereich spielte sich vor allem in den Regionen ab, wo Menschen ihre Felder und Bewirtschaftungsbereiche hatten, damit der Arbeitsweg und der Aufwand so klein wie möglich gehalten werden konnte. Die Literatur berichtet von einer ansteigenden Arbeitsteilung und -kooperation im Laufe der Zeit, wodurch viele Arbeiten schneller erledigt werden konnten. Gleichzeitig stieg jedoch auch die Abhängigkeit der Menschen untereinander (vgl. Eggebrecht et. al 1980, S. 26-29).

3.2.2 Macht und Sklaverei

Angefangen von Siedlungen, wo Menschen in Großfamilien zusammengelebt und kaum mit anderen kommuniziert hatten, entstanden später verschiedene Klassenzugehörigkeiten mit unterschiedlichen Bildungsgraden und Berufsgruppen. So lassen sich in der Literatur vier Hauptgruppen finden, in die die Bevölkerung zu dieser Zeit eingeteilt wurde:

Beamte – mit einem bestimmten Anteil an königlicher Macht

Befreite – dienten nur verstorbenen HerrscherInnen

Handwerker bzw. Facharbeiter – für die Herstellung von Produkten zuständig

Hörige – meist Personen die in der Landwirtschaft tätig waren

Im Alten Ägypten gab es den heutigen Begriff „ArbeiterIn“ nicht, da mit wenigen Ausnahmen – bspw. Befreite – jede/r BewohnerIn der Bevölkerung bei anfallenden Arbeiten eingesetzt werden konnte (vgl. Eggebrecht et. al 1980, S. 32; 42f.).

Zu den Zeiten des Pyramidenbaus hat das Arbeitspensum im Alten Reich – ca. 2700 v. Chr. – ein neues Niveau erreicht. Menschenmassen haben in kürzester Zeit riesige Bauwerke aus Tonnen von Kalkstein errichtet. In den Aufzeichnungen von dieser Zeit wurden aber noch keine „SklavInnen“ erwähnt, da die Bevölkerung diese Arbeiten – aus ideologischen Gründen und aus Mangel an Alternativen – von sich aus „freiwillig“

gemacht haben sollen. Bezahlt wurden die arbeitenden Personen damals vor allem mit Brot und Bier (vgl. Eggebrecht et. al 1980, S. 43; 47; 66).

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Bei den bildlichen Darstellungen, die bis heute noch vorhanden sind, werden gewisse Arbeiten stets von Frauen sowie andere Arbeiten nur von Männern vollzogen.

Demzufolge gab es bereits damals typische Frauen- und Männerberufe. Frauen wurden bspw. in den Tätigkeiten des Webens, des Kochens, des Wäschemachens etc. abgebildet, während Männer die Arbeiten des Handwerkers, Bierbrauers etc.

präsentierten. Trotz der Gleichberechtigung von Frauen und Männern, die damals geherrscht haben soll, sollen auch in den höheren sozialen Schichten mehr Männer als Frauen das Lesen und Schreiben erlernt haben und dementsprechend wurden bestimmte Berufe auch nur von Männern ausgeübt (vgl. Eggebrecht et. al 1980, S.

58ff.).

Pharaonen bekamen in der Zeit des Mittleren Reiches – ab ca. 2000 v. Chr. – durch die Aufstellung eines eigenen Heeres immer mehr Macht, was sich auf die Arbeitsbedingungen des restlichen Volkes auswirkte. Landwirtschaftliche Betriebe, die Aufzeichnungen zufolge zuvor staatliche Unabhängigkeit genießen konnten, wurden in die hohen Arbeits- und Steuerverpflichtungen miteingeschlossen. Auch die Möglichkeiten der Arbeitsgestaltung der restlichen Bevölkerung wurden durch die Macht der Pharaonen beschränkt. Jede/r BewohnerIn bekam dadurch seinen Platz in der Gesellschaft zugewiesen, wodurch sich die vorangegangene „Freiwilligkeit“ in Zwang umwandelte (vgl. Eggebrecht et. al 1980, S. 64f.).

Kriegsgefangene, HandelssklavInnen und (unschuldig) verurteilte VerbrecherInnen wurden zu sklavischen Tätigkeiten, wie z. B. Goldabbau unter menschenunwürdigen Umständen aber auch zu Landarbeit, Hausarbeit etc., gezwungen. Einige von ihnen wurden auch als VorleserInnen und DolmetscherInnen eingesetzt, wodurch diese auch das Lesen und Schreiben beherrschten (vgl. Eggebrecht et. al 1980, S. 68; 70).

Die Literatur berichtet von einem wirtschaftlichen Aufschwung im Neuen Reich – ab ca. 1600 v. Chr. – welcher bessere Arbeitsmittel sowie ein besseres Transportwesen und somit bessere Arbeitsbedingungen mit sich brachte und auch die Lebensverhältnisse der gesamten Bevölkerung positiv beeinflusste. Die Landwirtschaft spielte in dieser Zeit wieder eine bedeutsame Rolle. Der König belehnte Teile seines Grundbesitzes an verschiedene Standesangehörige, sowohl an Beamte als auch an Fischer, wodurch diese eigenständig Getreide anbauen konnten. Einen Teil davon mussten sie aber als Steuern abgeben, den der König dann unter anderem auch teuer exportierte. Zudem mussten die BewohnerInnen neben den

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Steuerabgaben auch Fronarbeit leisten, z. B. in Form von Steinbrucharbeiten oder landwirtschaftlichen Tätigkeiten auf Staatsgut (vgl. Eggebrecht et. al 1980, S. 72ff.).

3.2.3 Antike: Auf- und Abwertung körperlicher Tätigkeiten

In der Antike gab es – wie das Kapitel „Begriffsverständnis“ schon kurz zeigte – sowohl eine Gruppe von Menschen, die Arbeit negativ ansahen und eine Gruppe von Menschen, die die Arbeit bereits positiv hervorhoben. Solon, ein damaliger Staatsmann, hatte sich mit Problemen in der Landwirtschaft, wie z. B. der Verarmung, Verschuldung etc., beschäftigt und auch versucht, die positive Bewertung der Arbeit politisch zu unterstreichen und Faulheit mit Hilfe von Gesetzen zu bestrafen. Arbeit sollte dazu dienen, dem Leid von Armut und Hunger zu entgehen. Um dies zu unterstützen, sorgten Staatsmänner dafür, dass durch große Bauten und viele Projekte Menschen für eine lange Zeit einer Beschäftigung nachgehen konnten. Dafür wurden auch viele ungelernte HilfsarbeiterInnen in jedem Alter und aus jedem Stand eingesetzt (vgl. Weiler 2003, S. 55).

In antiken Zeiten dürfte die Arbeit vor allem mit Nahrungsmitteln vergütet worden sein.

Essen sollte, mit wenigen Ausnahmen, also nur jenen zustehen, die auch arbeiteten.

Diese Ansicht teilte unter anderem Paulus, welcher in der Bibel folgende Aussage tätigte: „Wer nicht arbeiten will, soll auch nichts essen“ (Neue Jerusalemer Bibel 1980, 2 Thess 3,10 zit. n. Weiler 2003, S. 50). Problematisch an der Sache ist, dass dabei sowohl Kinder als auch kranke und alte Personen sowie Menschen mit Behinderungen keine Berücksichtigung fanden. Ein bekanntes Märchen, das dieses Leid zum Thema hat, ist das der „Bremer Stadtmusikanten“. Ein Esel, ein Hund, eine Katze und ein Hahn beschließen ihr Zuhause zu verlassen, da ihnen ein grausames Schicksal aufgrund von Arbeitsuntüchtigkeit und „nutzlosen Essern“ blühen würde. So gab es Schriften zufolge vor allem in der Antike Empfehlungen seitens der FeldherrInnen und SchriftstellerInnen, die Verpflegung von der Arbeitsleistung abhängig zu machen, sowie kranke und alte SklavInnen, die deren Tätigkeiten nicht mehr nachgehen konnten, zu verkaufen. Als Reaktion darauf, dass viele kranke und alte SklavInnen ausgesetzt wurden, soll Kaiser Claudius diese für frei erklärt haben, sodass sie auch im Falle einer Erholung nicht mehr zurück zu ihren HerrInnen mussten. Zudem soll Claudius dafür gesorgt haben, dass diese SklavInnen nicht einfach so dem Hunger oder dem Sterben überlassen wurden. Um auch gegen die Tötung arbeitsunfähiger SklavInnen anzukämpfen, wurde diese Tat zum Mord erklärt. Neben der Aussetzung von SklavInnen soll es aber auch HerrInnen gegeben haben, die ihre ArbeiterInnen im

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Alter und in Krankheit nicht loswerden wollten und sich auch bei Arbeitsunfähigkeit um deren Versorgung gekümmert haben sollen (vgl. Weiler 2003, S. 50-53). In der Literatur wird auch eine andere Möglichkeit erwähnt, wie Menschen der Versklavung entkommen konnten, nämlich wenn die Betroffenen andere Personen fanden, die sich ihnen unterwarfen und sie diese (mit oder ohne Gewalt) dazu brachten, ihnen zu dienen. Wenn Menschen in die Situation der Sklaverei kamen, war dies schlimmer als der Tod, weil die Sklaverei als Schicksal angesehen wurde, die eine Veränderung der menschlichen Natur mit sich brachte (vgl. Arendt 1960, S. 78).

Auch Antisthenes – ein Schüler von Sokrates – hat die positive Einstellung gegenüber der Arbeit vertreten, die möglicherweise auch später in der christlichen Arbeitsethik der Mönche fortbestand. Demnach wurde eine mühevolle Arbeit mit einer positiven Qualität gleichgesetzt. Davon hergeleitet wurden auch spätere Auffassungen, bspw.

„dass Müßiggang aller Laster Anfang sei“ (Geiger 1932, S. 78 zit. n. Weiler 2003, S.

56), wie man es heute im jüdischen und christlichen Arbeitsethos findet. Die Arbeit zu schätzen, stellte in der Antike eine Alternative zum konventionellen Arbeitsverständnis der Bürger- und Adelsgesellschaft dar (vgl. Weiler 2003, S. 56).

Der positiven Bewertung der Arbeit stand in der Antike aber auch eine abwertende Zuschreibung gegenüber. Diese Anschauung wurde vor allem von den BürgerInnen geteilt, die der Meinung waren, dass „körperliche Arbeit sklavisch ist, weil sie durch die Notdurft des Körpers erzwungen ist“ (Arendt 1960, S. 78) und somit nur von den SklavInnen und der unteren Schicht verrichtet werden solle, deren Leben davon abhängig sei. Besonders schlecht dargestellt werden Menschen mit handwerklichen Tätigkeiten, da einige SchriftstellerInnen die Ansicht teilten, dass diese nichts für das Volk täten. Laut Xenophon würden HandwerkerInnen, im Falle eines Krieges, nicht das Land verteidigen, sondern nur Mühen und Gefahren meiden. Weitere Vertreter der Abwertung von HandwerkerInnen und HändlerInnen waren Platon und Aristoteles.

Diese forderten, HandwerkerInnen und HändlerInnen von den restlichen BürgerInnen – nicht nur durch Verweigerung der Staatsbürgerschaft, sondern auch räumlich – zu trennen und am Rande der Stadt zu platzieren. Zu den abwertenden Berufen wurden unter anderem Koch/Köchin, TeppichherstellerIn, SchusterIn, TöpferIn, SchmiedIn, Filz- und WaffenherstellerIn, Zimmermann/Zimmerfrau und der/die BildhauerIn gezählt. Auch Bauern/Bäurinnen wurden von Platon und Aristoteles nicht verschont und zusammen mit den HandwerkerInnen und fremden Personen in einen Topf geworfen. Bezeichnet wurden diese als ‚Banausen‘, mit der Zuschreibung nicht edel

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zu sein und so der Tugend nicht zu entsprechen. Trotz der abwertenden Behandlung der ArbeiterInnen wurden die Erzeugnisse von den Kritikern oft bewundert und verwendet (vgl. Weiler 2003, S. 58-62). Plutarch schrieb dazu: „Oft freuen wir uns eines Werkes und verachten den, der es geschaffen hat. So schätzen wir wohlriechende Salben und Purpurkleider, die Färber aber und die Salbenköche bleiben für uns gemeine und niedrige Handwerker“ (Plutarch zit. n. Weiler 2003, S. 62).

Bis ins 5. Jahrhundert wurde nur zwischen zwei Arten von ArbeiterInnen unterschieden. Zum einen waren dies die SklavInnen, die sich im Hause ihrer HerrInnen um Haushalt und familiäre Angelegenheiten kümmerten, sowie für deren eigenen Lebensunterhalt unfreie Arbeit erledigen mussten. Zum anderen gab es Werkleute, die beim Volk arbeiteten und sich in der Öffentlichkeit frei aufhielten (vgl.

Arendt 1960, S. 77f.).

3.2.4 Antike und Mittelalter: Die Rolle der Frau

Aufzeichnungen zufolge waren Frauen bis zum 3. Jahrhundert v. Chr. durch gesetzliche Bestimmungen dem Ehemann untertan und kümmerten sich vor allem um die Hausarbeit und die Kinder. Mit einer Gesetzesänderung, die eine freie Form der Ehe zuließ, hatten Frauen die Möglichkeit, sich durch eine Scheidung vom Ehemann loszulösen. Diese Veränderung brachte nach vorliegenden Quellen einen Wandel der Frauenemanzipation mit sich, wodurch sich Frauen vereinzelt auch in politische und gesellschaftliche Angelegenheiten integrierten. Trotzdem sollen Haushalt und die Betreuung der Kinder weiterhin von Frauen übernommen worden sein (vgl. Balsdon 1979, S. 48f.).

Die häusliche Tätigkeit war der Aufgabenbereich der Frauen, währenddessen sich Männer ausschließlich um außerhäusliche Angelegenheiten gekümmert haben sollen.

Im Laufe der Zeit sollen Frauen von vielen öffentlichen Ämtern ausgeschlossen worden sein, mit der Begründung der fehlenden Kenntnisse und Erfahrungen. Frauen sollen zudem als „schwaches Geschlecht“ dargestellt worden sein, die der Härte der Öffentlichkeit nicht gewachsen waren (vgl. Balsdon 1979, S. 312). Im Frühmittelalter waren abhängige Bauernfrauen in Textilfabriken tätig, in sogenannten Frauenarbeitshäusern, die bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts im Einsatz waren.

Zudem trugen diese auch in der Landwirtschaft Mitverantwortung, indem sie sich vor allem um die Gartenarbeit, um das Kleinvieh und die Brot- und Bierherstellung

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kümmerten. Wenn nötig, sollen Frauen auch die Feld- oder Erntearbeit geleistet haben, was im Normalfall Aufgaben der Männer waren (vgl. Sonnleitner 1995, S. 43).

Die Literatur berichtet von einem steigenden beruflichen Ausschluss der Frauen in höheren Positionen. Seit dem 15. Jahrhundert sollen leitende Aufgaben nur mehr von wenigen Frauen übernommen worden sein. Ebenso sollen Frauen aus bestimmten Arbeitsbereichen (fast) gänzlich herausgenommen worden sein. Zum einen mit der Begründung, dass die Zusammenarbeit von Männern und Frauen den moralischen Vorstellungen widerspreche und zum anderen weil bestimmte Berufe mit längeren Reisen verbunden waren, was sich mit den Familien- und Mutterpflichten nicht vereinbaren ließ. Zudem galten politische Angelegenheiten als männliches Monopol, die dementsprechend von den Männern verteidigt wurden. Vor allem die Exportwirtschaft soll immer mehr unter politischem Einfluss gestanden haben, wodurch es Frauen zunehmend schwerer hatten, in diesem Bereich Fuß zu fassen.

Unternehmen, in denen Frauen in Führungspositionen zu finden waren, waren meistens Familienunternehmen, wo die familiäre Arbeitseinheit beibehalten wurde.

Viele andere Unternehmen ersetzten das familiäre Team durch einzelne Individuen (vgl. Rippmann 1996, S. 26f.).

In vorhandenen Quellen werden typische Frauen- und Männerberufe im Mittelalter dargestellt. Diese geschlechterspezifische Einteilung wurde jedoch nicht aufgrund der Tätigkeiten getroffen, sondern soll immer situations- und kontextabhängig gewesen sein. So war es nicht abwertend, wenn Frauen z. B. in der Landwirtschaft für ihre kranken oder abwesenden Männer einsprangen und deren Aufgaben übernahmen.

Großteils sollen Frauen jedoch eher als Gehilfinnen der Männer angesehen worden sein, die je nach Bedarf den Männern zur Verfügung standen, wodurch Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Frauen von großer Bedeutung waren (vgl. Rippmann 1996, S. 29f.).

3.2.5 Mittelalter: arbeitsbezogene Entwicklungen

Das mittelalterliche Ansehen von Berufen im Handwerk und Handel hob sich von der Antike ab. Einige Quellen berichten von mehr Anerkennung und Nutzen für die Stadtentwicklung. So soll das Mitspracherecht von HandwerkerInnen und HändlerInnen im Mittelalter dem der restlichen BürgerInnen gleichgesetzt worden sein.

Ebenso soll zunehmend die unfreie Arbeit verschwunden sein, die in der Antike von SklavInnen verrichtet worden ist (vgl. Kocka 2003, S. 80f.). Trotz der nicht selten

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vorgekommenden langen Arbeitstage von 16 Stunden, sollen die Menschen im Schnitt nicht mehr als 2300 Stunden pro Jahr gearbeitet haben, was sich vergleichsweise kaum von der nachindustriellen Zeit unterscheidet. Die künstliche Beleuchtung war im frühen Mittelalter noch wenig fortgeschritten, wodurch die täglichen Arbeitszeiten auch vom natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus geprägt waren. Somit waren die Arbeitstage im Winter kürzer und im Sommer länger (vgl. Prahl 2002, S. 91f.).

Das späte Mittelalter richtete den Fokus auf den Handelskapitalismus, vor allem auf den Fernhandel sowie auf das Heimgewerbe, das Geld- und Kreditwesen. Im 14. und 15. Jahrhundert sollen in vielen Städten die Armut und Betteleien zugenommen haben, wodurch versucht wurde, den „Müßiggang“ zu stigmatisieren und dem entgegenzuwirken. Arbeit soll dadurch immer mehr mit Wohlstand und Glück sowie Müßiggang mit Armut und Unsittlichkeit in Verbindung gebracht worden sein (vgl.

Kocka 2003, S. 81.).

Wie auch von früheren Zeiten, sind die Aufzeichnungen des Mittelalters über die Arbeitsvorstellung und –realität sehr einseitig. Die erhaltenen Unterlagen spiegeln vor allem die Gegebenheiten bürgerlicher Schichten wider, vernachlässigen jedoch die Situation der unteren Schichten. Ebenso berichtet die Forschung von Vorkommnissen, die sich in einem bestimmten Gebiet bzw. zu bestimmten Zeitabschnitten abgespielt haben, wodurch man diese nicht verallgemeinern kann. Was sich aber aus den Dokumentationen herauslesen lässt, ist die unterschiedliche Vergütung von Arbeiten.

Besser qualifizierte Arbeitergruppen, wie z. B. HandwerkerInnen – ein Bereich der von Männern dominiert war – bekamen ihren Lohn ausgezahlt, währenddessen bspw.

HilfsarbeiterInnen – in denen meist Frauen oder Knechte zu finden waren – ihre Arbeit anhand von Verpflegung vergütet bekamen (vgl. Rippmann 1996, S. 30-33).

Arbeiten, die Männer vollzogen haben, wurden automatisch als „Arbeit“ angesehen, wohingegen Tätigkeiten, die von Frauen übernommen wurden, den Arbeiten der Männer untergeordnet waren. Vermuten lässt sich dies auch anhand des Einkommens. Im 16. Jahrhundert, wo HilfsarbeiterInnen neben der Verköstigung auch einen Grundlohn bekamen, war bspw. im Weinbaugebiet in Birseck der Grundlohn der Frauen im Schnitt um 30-40% niedriger als der der Männer. Ebenso war die Arbeitssituation für viele TaglöhnerInnen angespannt, da sie meist auf mehrere Arbeiten gleichzeitig angewiesen waren. Zudem war im Winter, aufgrund von

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Arbeitsmangel und Getreideknappheit, oft nicht genug Verpflegung für die gesamte Familie vorhanden (vgl. Rippmann 1996, S. 34; 36; 40f.).

Im Mittelalter hatten nach vorliegenden Quellen die Kirche und das Kaisertum einen großen Einfluss auf die Alltagsgestaltung der Bevölkerung. Neben regelmäßigen Gebetsstunden war auch die Arbeitsdisziplin Leitsatz der Universalgewalten. Dies änderte sich jedoch mit der Frühen Neuzeit, wo beide Herrschaften an Macht verloren hatten und sich die Arbeit mehr an der Berufszugehörigkeit und der Arbeitsorganisation orientierte. Die Arbeit wurde immer mehr zur individuellen Leistung der Menschen selbst und nicht mehr von anderen erzwungen. Sie galt nicht mehr als von Gott gewollte und abverlangte Mühsal, sondern wurde fortan als Möglichkeit gesehen, sich vor Gott zu verwirklichen. Darüber hinaus folgte die Abhängigkeit nicht mehr durch den Stand oder der Zunft, sondern durch den Markt. Im 16. und 17.

Jahrhundert stieg der Leistungsgedanke, vor allem um Gottes Willen, wonach jeder sein Bestes geben und anhand des wirtschaftlichen Erfolges den Respekt vor Gott demonstrieren sollte. Zeitverschwendung wurde von Max Weber als „schwerste aller Sünden“ (Weber 1973, S.166 zit. n. Prahl 2002, S. 94) gesehen (vgl. Prahl 2002, S.

91; 94).

In dieser Zeit tauchten mechanische Räderuhren das erste Mal auf, die einerseits eine genauere Messung der Arbeitszeit ermöglichten und andererseits waren die Menschen durch die Entdeckung des elektrischen Lichtes immer weniger von den natürlichen Gegebenheiten, also dem Tag-Nacht-Rhythmus, abhängig. Das Arbeiten wurde dadurch auch nachts möglich (vgl. Prahl 2002, S. 94).

3.2.6 Spätmittelalter und Frühe Neuzeit: Kinderarbeit

Aufzeichnungen über diese Zeit zeigen, dass Kinderarbeit im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit nichts Ungewöhnliches war. Da das Einkommen für viele eher gering ausfiel, wurden Kinder so früh wie möglich für Arbeiten zuhause eingesetzt, damit die Eltern entweder zusätzlich einer Lohnarbeit nachgehen konnten oder man zuhause auf eine weitere bezahlte Arbeitskraft verzichten konnte. Eine weitere Möglichkeit, dass Kinder ihre eigene Familie nicht finanziell belasteten, bestand darin, diese in fremde Familien für Kost und Logis zum Arbeiten zu schicken. Kinder konnten, mit finanzieller Unterstützung der Erziehungsberechtigten, auch in verschiedenen Familien und Betrieben eine Lehre absolvieren, wo es aber nicht selten zur Ausnutzung der Mädchen und Jungen kam. Kinderarbeit vollzog sich aber nicht nur im

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familiären Umfeld oder Ausbildungsbereich, diese wurden bspw. auch in Wollmanufakturen eingesetzt, wo es jedoch bestimmte Verbote gab, an die sich die Kinder halten mussten. Die Arbeiten der Kinder wurden nur teilweise vergütet, meist in Mischformen. Wenn Kinder Lohn für ihre Arbeit bekamen, dann nicht mehr als die Hälfte des Frauenlohns. Zusätzlich wurden in manchen Bereichen Nahrung, Unterkunft oder Kleidungsstücke verteilt. Als arbeitsfähig galten Kinder Aufzeichnungen zufolge im Schnitt zwischen sieben und acht Jahren, wo viele Kinder bereits von zuhause auszogen, um zur Schule zu gehen oder für den eigenen Lebensunterhalt zu arbeiten. Viele Eltern setzten ihre Kinder auch zum Betteln ein, da diese größeres Mitleid von den Menschen bekamen und somit mehr Geld kassierten.

Um der Bettelei entgegenzuwirken, soll es zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert Maßnahmen gegeben haben, die Kinder von der Straße geholt und aus der Familie genommen haben, um diese in einer anderen Umgebung mit „sinnvoller“ Arbeit zu beschäftigen (vgl. Simon-Muscheid 1996, S. 108f.; 111f.).

Die Informationen über Kinderarbeit wurden in der Literatur vor allem mithilfe von vorhandenen Lehrverträgen herausgefiltert. Trotzdem bringen diese kein umfassendes Bild über die damalige Situation der Kinderarbeit. Es gab zwar in diesen Zeiten auch Klagen vor Gericht, die einige Vorkommnisse in einem Lehrverhältnis ans Licht brachten, wie z. B. Brutalität der MeisterInnen, Ausbeutung, geringe Verköstigung etc., dennoch sind viele Details über die Kinderarbeit im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit im Dunklen (vgl. Simon-Muscheid 1996, S. 114; 118).

3.2.7 Industrialisierung: Trennung von Arbeit und Privatleben

Mit der Industrialisierung, die in Österreich im 19. Jahrhundert begonnen hat, breitete sich die freie Lohnarbeit immer weiter aus. Bis zur Industrialisierung war die Erwerbsarbeit in vieler Hinsicht gebunden, bspw. an die Herrschaft des Hauses, in feudaler Abhängigkeit und Schollengebundenheit etc. Die Lohnarbeit als Hauptvariante der Erwerbsarbeit wurde aber schnell kritisiert, da sie im Widerspruch zur damaligen Arbeitsbedeutung – selbstständige Arbeit als Lebenssinn und Daseinsverwirklichung – stand. Karl Marx bspw. verbindet die Lohnarbeit mit Fremdbestimmung, Abhängigkeit und Ausbeutung (vgl. Kocka 2003, S. 85f.).

Arbeit wurde in der Industrialisierung immer mehr vom familiären Bereich getrennt und fand Großteils in Manufakturen, Werkstätten, Fabriken, Bergwerken, Büros und Verwaltungen statt. Durch diese Trennung vom Privaten und der Öffentlichkeit hatten

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auch die Familie und der Haushalt ihre Funktionen verloren. Nur mehr die Erwerbsarbeit wurde als Arbeit angesehen, wodurch die Hausarbeit, die meist von Frauen erledigt wurde, nicht mehr unter den Bereich der Arbeit fiel. Diese Veränderung der Arbeitsansichten hatte auch Einfluss auf die Fokussierung der Geschlechterrollen (vgl. Kocka 2003, S. 86f.).

Die Arbeitszeit, die in den Jahrhunderten zuvor nicht streng geplant wurde und von unterschiedlichen Gegebenheiten, wie z. B. der Natur, abhängig war, wurde in der Industrialisierung genauer geregelt. Da Arbeit von Nicht-Arbeit mittlerweile gut trennbar war, konnte man den Beginn und das Ende der Arbeitszeit konkret bestimmen. Im Laufe der letzten Jahrhunderte ließ sich, vor allem in den Fabriken, eine ständige Erhöhung der durchschnittlichen Arbeitszeit erkennen – Männer arbeiteten durchschnittlich 16 bis 18 Stunden pro Tag, Frauen und Kinder 12 bis 14 Stunden und das sechs bis sieben Tage in der Woche. Der Arbeitstag war in den Fabriken eintönig und kontrolliert. Die Kräfte der ArbeiterInnen wurden voll ausgeschöpft und auf deren Bedürfnisse keine Rücksicht genommen. Die jährliche Arbeitsstundenzahl war bei 52 Wochen mit jeweils 80 bis 90 Stunden weit über 4000, da ArbeiterInnen auch keinen Anspruch auf Urlaub hatten (vgl. Prahl 2002, S. 98). Erst Mitte des 19. Jahrhunderts kam es schrittweise zur Reduzierung der täglichen Arbeitszeit, 1885 wurde bspw. in Fabriken ein 11-Stundentag zur maximalen Tagesarbeitszeit veranlasst (vgl. Astleithner 2017, o.S.). Die Arbeitszeit war bis zur Industrialisierung schwer bzw. nicht genau messbar. Menschen übten bis dahin nicht nur einen Beruf aus, mit denen sie ihren Lebensunterhalt und ihren Verdienst sichern konnten. In der Industrialisierung verankerten sich feste Berufe und die Qualität der Arbeiten stieg. Dadurch wurde auch das Schul- und Ausbildungswesen ausgebaut und für die Arbeitswelt immer wichtiger. Auch die individuelle und soziale Identität wurden auf Basis von Beruf und Berufsstellung aufgebaut (vgl. Kocka 2003, S. 87).

3.2.8 Arbeitsbezogene Umbrüche im 20. Jahrhundert

Seit den 1860er Jahren wurde der Ruf nach einem 8-Stundentag immer lauter, welcher gesetzlich jedoch erst nach dem ersten Weltkrieg durchgesetzt wurde. Der Staat handelte immer mehr im Interesse der Bevölkerung, wodurch die Sonntagsarbeit abgeschafft und samstags die Arbeitszeit verkürzt wurde. Zudem übernahm der Staat auch sozialpolitische Aufgaben, wie z. B. die Altersvorsorge, Krankenversicherung und Schutz bei Unfall und Invalidität, weshalb der Staat auch Interesse am Wohlergehen der Bevölkerung zeigte (vgl. Prahl 2002, S. 100).

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Das Zeitalter der Industrialisierung war der Beginn der Entstehung eines österreichischen Sozialstaates. Einige der in dieser Zeit entstandenen Arbeitsverhältnisse, wie z. B. Arbeitszeit und –entgelt, wurden im Laufe des 20.

Jahrhunderts mithilfe von Gesetzen einheitlich für unselbstständige Erwerbstätige festgelegt (vgl. Stelzer-Orthofer 2012, S. 47). 1919 wurde bspw. die maximale Arbeitswochenstundenzahl auf 48 reduziert (vgl. Astleithner 2017, o.S.). Durch diese Gesetze wurden Erwerbstätige einerseits sozial abgesichert und andererseits konnte man auf arbeitsrechtliche Festlegungen zurückgreifen. Dauerhafte und gerecht entlohnte Vollzeitberufe bildeten die Basis für soziale Integration und individuelle Sicherheit. Frauen waren von diesem Normalarbeitsverhältnis jedoch meist nicht betroffen, da ihrer Rolle in der Gesellschaft familiäre Angelegenheiten zugeschrieben wurden (vgl. Stelzer-Orthofer 2012, S. 47). „Voraussetzung für das Gelingen eines Familienlebens ist in hohem Masse die Tüchtigkeit der Hausfrau und Mutter beim Haushalten und der Kindererziehung“ (Hanselmann 1959, S. 22 zit. n. Bähler 1996, S.

189). Trotz der Festlegung wöchentlicher Maximalarbeitsstunden kam es häufig zu (unbezahlten) Überstunden, die vor allem für Frauen eine Herausforderung waren, da sie neben dem Beruf auch noch den Haushalt und familiäre Angelegenheiten erledigen mussten (vgl. Kessel 1995, S. 116f.).

In Zeiten der Weltkriege wurde die vorherrschende Arbeitssituation in Österreich auf den Kopf gestellt. Der erste Weltkrieg 1914 – 1918 brachte Gesetzesveränderungen mit sich, die ArbeiterInnen dazu zwangen, militärische Zwecke zu unterstützen. Zudem wurden geltende Arbeitsbestimmungen über Zeit, Pausen, Ruhetage etc. aufgehoben und dem Bedarf des Krieges angepasst, was auch arbeitsreiche Sonntage mit sich brachte. Die Kriege hatten zwar auf den durchschnittlichen Lohn der ArbeiterInnen keinen Einfluss, jedoch sank im Laufe der Jahre der Wert des Geldes, wodurch ein männlicher Arbeiter 1917/18 um 63% weniger verdiente als im Jahr 1914.

ArbeiterInnen waren demzufolge gezwungen, durch Arbeitsüberstunden ihren Lohn zu erhöhen, da man sich den Lebensunterhalt sonst kaum finanzieren konnte. In dieser Zeit mussten auch immer mehr Frauen Arbeiten erledigen, die zuvor von Männern verrichtet wurden, wie bspw. Fabrikarbeiten, da der Großteil der Männer dem Kriegsdienst nachgehen musste. Das Ende des ersten Weltkrieges brachte hohe Arbeitslosigkeit (vor allem in der Metallbranche) sowie Lebensmittelknappheit mit sich.

Viele Unternehmen kamen in ausländische Hände, die immer mehr Einfluss auf die österreichische Wirtschaft hatten. Zwar stiegen die durchschnittlichen Einkommen der

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