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Sarah (Name wurde geändert) ist zum Zeitpunkt des Interviews 25 Jahre alt und lebt alleine in einer kleinen Wohnung in einem ländlichen Gebiet von Kärnten. Sie hat aktuell keinen Partner und keine Kinder.

Sarah macht derzeit eine Ausbildung zur Sozialpädagogin, hat aber schon einen Abschluss als Sozialarbeiterin und arbeitet in einer stationären Einrichtung für Kinder und Jugendliche. Die Arbeitsstelle befindet sich in einem städtischen Gebiet von Kärnten, wodurch sie an Arbeitstagen mit ihrem Auto 20 km pro Strecke pendeln muss.

Finanziell kommt Sarah gut über die Runden, sie arbeitet 35 Stunden pro Woche, zeitweise auch bis zu 50 Wochenstunden, die jedoch in anderen Wochen durch Zeitausgleich wieder abgebaut werden müssen.

In ihrem Beruf gibt es kurze Dienste mit 8 bis 10 Stunden aber auch lange 25-Stundendienste. Die Anzahl der Dienststunden ist dabei strukturbedingt. Sarah arbeitet sowohl in Tag- und Nachtschichten als auch an Wochenenden und Feiertagen. Für sie persönlich ist der erhöhte Arbeitstag sinnvoll, da man die Arbeitsstunden in weniger Tagen abbauen kann. Auch der Alltag lässt sich mit flexiblen Arbeitszeiten in ihrer Situation gut einteilen, da ihre Tagdienste erst um 12 Uhr mittags beginnen bzw. die Nachtdienste um 12 Uhr mittags beendet sind. Dadurch steht immer ein halber Tag für private Angelegenheiten zur Verfügung. Ihre Arbeitsbedingungen beschreibt sie auf einer Skala von 1-5 (wobei 1 sehr anstrengend und 5 nicht anstrengend ist) körperlich mit einer 4, geistig mit einer 3 und emotional mit einer 1.

Sarah hat vor ihrer jetzigen Arbeit vor allem in Sommerjobs gearbeitet, in denen 8-Stundendienste normal waren. Einen Vergleich kann sie jedoch schwer machen, denn laut ihren Angaben ist es immer von der Arbeit selber abhängig, wie sich diese auswirkt und nicht alleine von der Anzahl der Arbeitsstunden. So empfand sie bspw. 8 Stunden sitzende Tätigkeiten anstrengender als 10 Stunden in ihrem jetzigen Beruf, der mit sehr viel Bewegung und Abwechslung verbunden ist. Ebenso sieht sie sowohl bei 8-Stundendiensten – die Montag bis Freitag gemacht werden – als auch bei flexiblen Arbeitsstunden Vor- und Nachteile.

Sarah ist derzeit sehr zufrieden mit ihrer Work-Life-Balance. Trotz ihrer langen Arbeitstage und der zusätzlichen Ausbildung zur Sozialpädagogin, findet Sarah genug Zeit für einen Ausgleich und für die Erholung.

Auch wenn ihr die derzeitige Arbeitssituation zusagt, sieht sich Sarah in Zukunft nicht in einem Beruf mit flexiblen Arbeitszeiten. Vor allem ist das Bild der zukünftigen familiären Situation geprägt von einem Beruf mit geregelten Arbeitszeiten / -tagen, wobei das Wochenende und die Feiertage der Familie gehören sollten.

Kontaktherstellung: Die Anfrage für das Interview wurde persönlich gemacht, da sich Interviewerin und interviewte Person von der Ausbildung kennen. Sarah willigte ohne Bedenken ein und lud die Interviewerin für das Gespräch zu sich nach Hause ein.

Schilderung der Interviewsituation: Das Interview wird im Wohn-Essbereich der interviewten Person gemacht. Sarah wohnt alleine in einer hellen und modern eingerichteten 2-Zimmerwohnung in einem Wohnblock zur Miete. Sie hat sich für das Interview vor ihrer Arbeit Zeit genommen, wodurch für das Gespräch eine gewisse Zeit vorhanden ist. Da Sarah mit der Interviewsituation vertraut ist, weil sie durch die Ausbildung auch selber welche durchführt, ist sie sehr offen und hat auch keine Bedenken bezüglich der Anonymität und der Aufnahme des Interviews. Ihre Redeweise ist ruhig und langsam, sie lacht aber während des Interviews öfters, was die Erzählung sehr auflockert. Da das Fenster geöffnet ist, sind einige Hintergrundgeräusche zu hören, die das Gespräch aber nicht stören.

Sequenzenanalyse

Die Alltagsgestaltung von Sarah lässt sich in die nachfolgenden 8 Sequenzen einteilen:

Familie/Freunde

Sarah hat derzeit weder einen Partner noch Kinder. Auch mögliche Familienmitglieder (Eltern oder Geschwister) werden in der Alltagsbeschreibung nicht erwähnt. Familie spielt offenbar in ihrem derzeitigen Alltag keine (große) Rolle. Was man aber aus dem Interview interpretieren kann ist, dass Freunde einen großen Stellenwert im Leben von Sarah einnehmen und auch als Familienersatz dienen könnten. Nachfolgende Aussagen belegen die Präsenz der Freunde im Alltag:

Jo und wenni donn frei hob, donn schau i schon dassi mi mit meine 50

Freind triff oda eben obends nochn kurzn Dienst, gonz unterschiedlich, wie ma holt Zeit 51

finden 52

Weil i bin donn a so, dass i nit sog „Na, guat jetz 58

hobi a poa Stunden frei, jetz entsponn i mol“ na, donn mussi jo wieder irgendwo Kaffee 59

trinken gehen oda so (lachen), do vanochlässig i mi selber eigentlich a bissl.

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Zwar betont Sarah den größeren Aufwand der gemeinsamen Zeitfindung, was durch ihren Beruf mit den flexiblen Arbeitszeiten erschwert wird, dennoch zählen auch alte Schulfreunde nach wie vor zu ihrem Freundeskreis. Auf die Frage hin, ob sich durch ihre derzeitige Arbeit der Freundeskreis geändert habe, erzählt Sarah nur von einem Zugewinn einer Freundschaft – eine Arbeitskollegin, die mit der Zeit in ihren Freundeskreis integriert wurde.

Hobbys

Hobbys werden im Alltag von Sarah regelmäßig betrieben. Die genannten Hobbys – Radfahren, Wandern oder Spazierengehen – haben dabei gemeinsam, dass alle drei sportlichen Aktivitäten keine zeitlichen und räumlichen Voraussetzungen haben. Sie können sowohl unter der Woche als auch am Wochenende ausgeübt werden.

Genauso spielt es keine Rolle, ob Sarah vormittags, nachmittags oder abends dafür Zeit findet. Einem Hobby scheint Sarah etwas nachzutrauern – dem Tischtennis – ein Hobby, welches im Verein durch fixe Tage und Zeiten gekennzeichnet ist. Auch wenn Sarah das Hobby nicht aufgrund der Arbeit aufgegeben hat, erschweren die Arbeitszeiten und die unregelmäßigen Arbeitstage die Wiederaufnahme des Hobbys, was Sarah mit folgender Aussage bestätigt:

Oba i hob ma schon öfters 74

gedocht: „Mah jo, lustig wärs schon wieder, wenni anfoch hin und wieder mol hingehn 75

kannat“ Oba des is holt so a Hobby wo man regelmäßig hingehn sollt und des is holt 76

wirklich schwierig, wenn man so unterschiedliche Oabeitszeiten hot und vor ollem den 77

gonzn Nochmittog und a abends im Dienst is.

78

Haushalt

Sarah besitzt eine kleine 2-Zimmerwohnung, den Haushalt erledigt sie selbst. Zu ihren Lieblingstätigkeiten wird das Putzen und Aufräumen nicht gezählt, wodurch sie die Aufgaben auch gern einmal auf einen anderen Tag verschiebt.

(…) also wos i donn 146

wirklich am ehesten vernochlässig is, wo i donn sog „Ok Hausholt egal“ (lachen) i moch 147

wos, damit i donn eher a bissl ause kimm.

148

Eine bezahlte Haushaltshilfe wäre für Sarah finanziell kein Problem, ihrer Reaktion zufolge:

Ah (lachen) also i was nit wie viel sowos kostet (lachen) 83

wurde aber noch nie über eine Inanspruchnahme nachgedacht und kommt aufgrund des geringen Ausmaßes an Haushaltsaufgaben für sie auch nicht in Frage.

Sorgetätigkeiten

Sarah kümmert sich derzeit weder um pflegende Angehörige noch um Haustiere. Mit ihrer derzeitigen Arbeitssituation sieht sie keine Möglichkeit, solchen Verpflichtungen nachzugehen.

Ähm, na (2) also i konn mir gor nit vorstellen, dass sich des zeitlich no ausgeht dass i mi 89

daneben um an pflegenden Angehörigen kümmern muss, also wenni allan bin und des 90

olles allan mochn muss, vor ollem wenni mol a intensive Woche hob, wo i wirklich 5 Tog 91

drin bin, also des geht auf kan Fall.

92

Einen Hund könnte sie sich als Alltagsbegleiter vorstellen, jedoch bringt auch dieser einen hohen zeitlichen Aufwand mit sich, was sich auf der einen Seite mit Sarahs jetziger Arbeit nicht vereinbaren lässt und auf der anderen Seite kann nicht auf Personen zurückgegriffen werden, die die Betreuung des Hundes während der Arbeitszeit übernehmen können.

Zeit für sich

Im Laufe der arbeitsfreien Tage bzw. Vor- und Nachmittage an Arbeitstagen findet Sarah ausreichend Zeit für sich. In arbeitsintensiven Wochen, in denen sie Überstunden macht, vernachlässigt sie sich jedoch auch manchmal ein bisschen, da

sie die wenige Freizeit vor allem mit FreundInnen verbringt, wie in der Sequenz

„Familie/Freunde“ schon veranschaulicht wurde.

Weil i bin donn a so, dass i nit sog „Na, guat 58

jetz hobi a poa Stunden frei, jetz entsponn i mol“ na, donn mussi jo wieder irgendwo Kaffee 59

trinken gehen oda so (lachen), do vanochlässig i mi selber eigentlich a bissl 60

Da die Überstunden aber in anderen Wochen wieder abgebaut werden müssen und dadurch mehr freie Tage entstehen, gleicht sich der Mangel an fehlender Zeit für sie selber wieder aus.

körperliche und psychische Auswirkungen

Die Auswirkungen auf Körper und Geist sieht Sarah nicht im Zusammenhang mit den Arbeitsstunden, sondern ist abhängig von der Arbeit selber. So hatte sie gesundheitliche Probleme in einem vorherigen Bürojob, welche in ihrer jetzigen Arbeit nicht mehr vorhanden sind, da dieser Beruf mehr Bewegung zulässt. Wenn sich körperliche Beschwerden bemerkbar machen, wird die körperliche Abgeschlagenheit aufgrund schlechten Gewissens gegenüber dem Team so lange verharmlost, bis der Körper signalisiert, dass er nicht mehr kann.

Und körperlich ises 105

holt so, wenn man a bissl kränklt, man geht holt nit glei in Kronkenstond, des muss man 106

a sogn. Weil donn muss a Kollege einspringen und des is bei unseren Räderdienst echt 107

imma a bissl schwierig. Jo man geht erst in Kronknstond, wenn man wirklich muss 108

(lachen).

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Eine körperliche und geistige Erschöpfung kann genauso nach den kurzen Diensten eintreten, wenn der Arbeitsalltag von emotionalem, geistigem und körperlichem Stress geprägt ist.

Und sunsch so bei de Diensten, also wie gsogt, wenn 47

wirklich a stressiger Tog is, ähm wo viel is, konn a da kurze Dienst, also der holbochter 48 Dienst, dass man geht und sich denkt: „Boah heit bin i echt fertig“

49

Psychisch ist die Arbeit von Sarah nach eigenen Angaben sehr belastend. Die Freizeit wird vor allem dafür genutzt, abzuschalten und gedanklich von der Arbeit weg zu kommen, was ihr aber nicht immer gelingt. Vor allem wenn schwierige Situationen am Arbeitsplatz auftreten, fällt es ihr schwer, zuhause den Kopf frei zu bekommen.

Die Zeit zum Erholen bewertet Sarah als ausreichend. Um für den nächsten Dienst wieder fit zu sein, benötigt sie eine angemessene Schlafdauer, was aufgrund ihres Freizeitverhaltens aber nicht immer zur Verfügung steht.

Es is halt imma von mir abhängig, wos i so noch da Oabeit moch. Wenni noch da Oabeit 110

ham foa und mi ausschlof, bin i nextn Tog wieder fit fürn nextn Dienst, aber es gibt 111

natürlich a so Tage wo i lieber was unternimm und mir donn a a bissl da Schlof fehlt, 112

dann bin i schon müde. Oba grundsätzlich reicht mir de Zeit de i zum Erholen hob.

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gesundheitsbezogenes Verhalten

Durch ihren langen Arbeitsalltag hat sich Sarahs Gesundheitsverhalten weder verbessert noch verschlechtert. Während der Arbeitszeit ist genug Zeit zum Essen vorhanden, da das Betreuungsteam sowohl zu Mittag als auch abends mit den Kindern und Jugendlichen gemeinsam isst. Auch an ihren freien Tagen kocht Sarah immer, ernährt sich zwar nicht „extrem gesund“, wie sie es nennt, greift aber selten zu Fertigprodukten. Auch ihr restliches gesundheitsbezogenes Verhalten sieht Sarah durch ihren Beruf nicht beeinflusst.

jo Rauchn woa sowieso nie Thema bei mir, des hob 124

i nie gmocht. Und Alkohol, jo gonz normal beim Ausgehn holt, oba des is wie eh und je 125

(lachen).

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verschwimmende Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben

Während der Arbeitszeit hat Sarah die Möglichkeit, kurze private Dinge, wie z. B. einen dringenden Anruf oder schnelle private Einkäufe, zu erledigen, sofern es in den Alltag der Kinder und Jugendlichen integrierbar ist und arbeitsbezogene Tätigkeiten nicht vernachlässigt werden. Trotzdem sollte dies eher die Ausnahme als die Regel sein.

In der Freizeit versucht sich Sarah sowohl aktiv als auch gedanklich von der Arbeit zu trennen. Berichte, die für die Arbeit gemacht werden müssen, werden Großteils während der Dienste, vor allem in den Nachtdiensten, gemacht. Wenn es in der Arbeit turbulente Ereignisse gegeben hat, werden diese in der Freizeit nachverarbeitet, ansonsten gelingt es Sarah gut in ihrer freien Zeit abzuschalten und die Arbeit auszublenden.

Normalerweise konni echt guat obscholten, oba ob und zua wenn 138

wirklich wos Schlimmes in da Oabeit woa, donn oabeitet des donn a daham no noch.

139

Oba des is eher selten, also i konn do wirklich gonz guat obscholten.

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